Wir freuen uns auch im November wieder einen Beitrag aus der Feder eines Mitglieds unseres Kooperationspartners Phi Delta Phi – Michael Hoffmann-Becking Inn Frankfurt am Main veröffentlichen zu können. Diesmal stammt der Beitrag von Dominik König. Er ist Doktorand bei Prof. Dr. Alexander Peukert am Exzellenzcluster „Normative Orders“ in Frankfurt/Main und gleichzeitig Promotionsstipendiat im dortigen IGP-Graduiertenprogramm.
Ein zwar auf den ersten Blick den Nebengebieten des Zivilrechts entstammendes Problem, welches sich aber durchaus in eine schuldrechtliche Klausur der Pflichtfachprüfung integrieren lässt, ist die Frage nach der Zulässigkeit von AGB-Klauseln, welche den Weiterverkauf von im Wege des Download-Vertriebs erworbener Software verbieten.
In diesem Beitrag soll am Beispiel des Online-Vertriebs von „Gebraucht-Software“ im Lichte der UsedSoft-Rechtsprechung (EUGH Rs C-128/11 – Used Soft) aufgezeigt werden, inwiefern eine subtile Unterscheidung hinsichtlich der Vertriebsmodalitäten dazu führen kann, dass ein wirtschaftlich identischer Vorgang in schuldrechtlicher Hinsicht komplett verschieden interpretiert werden kann und damit wesentliche Weichenstellungen in AGB-rechtlichen Prüfungen erfolgen können. Eine erfolgreiche Bewältigung dieses für Studierende überwiegend eher unbekannten Themas kann auch ohne vertiefte urheberrechtliche Kenntnisse durch saubere Subsumtion sowie sachverhaltsnahes Arbeiten gelingen.
I. Sachverhalt
Sucht man in einem beliebigen Online-Marktplatz nach bekannter und verbreiteter Software, so findet man dort zahllose Angebote zum Erwerb von gebrauchten Computerprogrammen auf CD oder DVD.
Erwarb man das identische Programm jedoch im Online-Shop des Herstellers zum komfortablen Download, so fanden sich noch bis in die erste Hälfte des Jahres 2014 hinein vielfach in formularmäßig abgefassten Lizenzbedingungen (sog. End User License Agreements, EULAs) Klauseln, welche es dem Downloader untersagten, das heruntergeladene Programm seinerseits weiter zu veräußern, selbst wenn er damit die eigene Nutzung aufgäbe.
II. Kurze Einführung in das Software-Urheberrecht
Dass dieser auf den ersten Blick widersprüchlichen Konstellation – problemlose Möglichkeit des Weiterverkaufs bei einem Erwerb auf Datenträgern vs. dessen kategorischer Ausschluss beim Download – gerade bei Software besondere Relevanz zukommt, ist der Besonderheit von Computerprogrammen als urheberrechtlich geschütztem Werk geschuldet. Um die schuldrechtlichen Probleme dieser Thematik durchdringen zu können, sollen im Folgenden kurz die urheberrechtlichen Koordinaten dieser Thematik abgesteckt werden
1. Trennung zwischen Datenträger und Werk, gesetzliche Lizenz
Bei Erwerb eines Computerprogramms ist es zu dessen rechtmäßiger Nutzung nicht ausreichend, das Eigentum an dem Datenträger (res commodum) bzw. den Zugriff auf eine Programmkopie zu erlangen. Neben dem res commodum wird vielmehr auch die Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers benötigt, das Werk nutzen zu dürfen. Zu diesem Zweck wird zusätzlich gem. §§ 398, 413 BGB ein sogenanntes Nutzungsrecht (§ 31 Abs. 1 UrhG) eingeräumt. Die Notwendigkeit dieser doppelten Rechtseinräumung (Eigentum am Datenträger + Nutzung des Inhalts des Datenträgers) könnte grds. dazu führen, dass nur ein Teil der Rechte übertragen wird und ein Erwerber beispielsweise Eigentum an einer DVD erwirbt, das Programm jedoch urheberrechtlich nicht nutzen darf. Um dies zu verhindern, wird in § 69d Abs. 1 UrhG angeordnet, dass der berechtigte Inhaber einer Programmkopie qua Gesetz berechtigt ist, diese auch zu nutzen – mithin das enthaltene Programm zu installieren und ablaufen zu lassen.
2. Erschöpfung des Verbreitungsrechts
Ein weiteres auch für die vorliegende Thematik wesentliches Grundprinzip des Urheberrechts ist die sogenannte Erschöpfungslehre, angelegt in § 17 Abs. 2 bzw. § 69d Abs. 1 UrhG: Veräußert ein Urheber ein Exemplar seines Werkes, so verliert er das Recht, die weitere Verbreitung des Werkes zu verhindern oder zu beeinflussen. Der Käufer eines Computerprogrammes auf einer DVD soll diese ohne Zustimmung des Urhebers frei weiterveräußern können. Dies gilt allerdings nur in Fällen, in denen der Urheber das Werkexemplar derart in den Verkehr bringt, dass der Urheber endgültig und dauerhaft die Möglichkeit verliert, über dieses verfügen zu können. Der typische Anwendungsfall der Erschöpfungslehre ist die dauerhafte Überlassung eines Exemplars gegen eine Einmalzahlung im Rahmen eines Verkaufs des Werkexemplares gem. der §§ 433ff. BGB.
III. Zulässigkeit des Veräußerungsverbots beim Vertrieb auf Datenträgern
Wendet man diese Grundsätze schließlich auf unseren Beispielsfall des Vertriebs von Software auf Datenträgern an, so wird deutlich, dass mit der Übertragung des Eigentums, etwa an einer DVD (§ 929 S. 1 BGB), der Erwerber der DVD gem. § 69d Abs. 1 UrhG automatisch auch das Recht erhält, das auf dieser DVD gespeicherte Werk nutzen zu dürfen. Ein solcher Vorgang wird von Literatur und Rechtsprechung einhellig als Kaufvertrag im Sinne der §§ 433ff. BGB angesehen, mit der Konsequenz, dass – wie gezeigt – die Wirkungen der Erschöpfung eintreten: Es ist dem Urheber danach untersagt, die weitere Verbreitung der DVD zu beeinflussen.
Nun wird die AGB-rechtliche Dimension des folgenden Sachverhalts deutlich: Verbietet ein Verkäufer von auf Datenträgern gespeicherter Software in den AGB seines Online-Shops dem Käufer die Weiterveräußerung der gekauften Datenträger, so wird dadurch deren weitere Verbreitung beeinflusst. Die entsprechende Klausel muss sich daran messen lassen, ob das darin enthaltene Verbot der Weiterveräußerung „mit dem wesentlichen Grundgedanken der Regelung von der abgewichen wird zu vereinbaren ist“ (vgl. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Als „wesentlicher Grundgedanke“, von dem hier abgewichen werden soll kommen dabei zwei eng verwandte Aspekte in Betracht: Aus kaufrechtlicher Sicht ist unzweifelhaft, dass aus einer Übergabe und Übereignung frei von Rechten Dritter (§ 433 Abs. 1 BGB) die Befugnis folgt, den Kaufgegenstand nach Belieben weiterveräußern zu können. Die Freiheit des Erwerbers, ein gegen Einmalzahlung dauerhaft lizensiertes Werk auch nach Belieben seinerseits wieder weiterveräußern zu können, wird überdies durch die Erschöpfungslehre urheberrechtlich abgesichert (vgl. oben II. 2). Der formularmäßige Ausschluss der Weiterveräußerung durch den Erwerber bei an einen Datenträger gebundenem Softwarevertrieb steht demnach offensichtlich im Gegensatz zum gesetzlichen Leitbild des gewählten Vertragstyps und wird von der herrschenden Lehre wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB als unwirksam angesehen.
IV. Vergleich der Situation mit dem Software-Vertrieb per Download
Dieses doch recht eindeutige Ergebnis im Sinne einer Unzulässigkeit der untersuchten Klauseln vermag angesichts der abweichenden Behandlung von Downloads zu verwundern. Um zu verstehen, wie eine auf den ersten Blick unscheinbare Unterscheidung eine 5-jährige Prozessgeschichte bis zum EUGH in Gang setzen kann, ist es nötig, die beiden Konstellationen detailliert gegenüber zu stellen.
1. Technisch-formaler Vergleich der Vertriebsmodalitäten
In beiden Fällen des Vertriebs wird mit auf den ersten Blick identischen Mitteln ein identisches Ergebnis herbeigeführt. Es wird ausgehend von der Master-Version des Programms eine Kopie des Datensatzes erstellt und diese dem Erwerber dauerhaft zur Verfügung gestellt. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch darin, dass im Falle des sog. trägergebundenen Vertriebs der Rechtsinhaber die Kopien in seiner Herrschaftssphäre erstellt und dann an Kunden versendet, während bei den Downloads allein die Möglichkeit eröffnet wird, dass der Erwerber des Programms mit Initiierung des Downloadvorgangs in seiner Herrschaftssphäre eine Kopie der Software erstellt.
a) rechtliche Würdigung des Unterschieds
Diese Unterscheidung war es, die nach Ansicht vieler Stimmen und unter anderem dem OLG München (Urteil vom 3.7.2008 – 6 U 2759/07) dazu bewogen hat, die beiden wirtschaftlich identischen Konstellationen rechtlich unterschiedlich zu behandeln.
Anders als beim Versand der Kopie stelle der Veräußerer beim Download dem Erwerber allein die Möglichkeit zur Verfügung, nach Entrichtung des Entgelts selbständig eine Kopie des Programmes auf seinem Rechner anzufertigen. Ein solches Vorgehen stelle, so die Vertreter dieser Ansicht, gerade keine kaufvertragsähnliche Konstellation dar, sondern entspreche in der Beschränkung auf das bloße Zur-Verfügung-Stellen einer Kopiermöglichkeit im Wesentlichen der Erbringung einer Dienstleistung. Aus dieser formalen Einordnung als Dienstleistung ergeben sich wiederum wesentliche Folgen für die Beurteilung von Veräußerungsbeschränkungen unter dem Aspekt des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Zum einen verlässt man den Bereich des Kaufrechtes, womit es keineswegs mehr klar bzw. wesentlicher Grundgedanke der Vertragstypologie ist, dass die gewährten Gegenstände oder Rechte dauerhaft zur freien Verfügung des Erwerbers, bzw. nunmehr Dienstleistungsnehmers stehen.
In urheberechtlicher Hinsicht (Erschöpfungslehre) zieht die Qualifikation des Zur-Verfügung-Stellens (zum Download) als Dienstleistung das In-Verkehr-Bringen des Werkexemplars durch den Urheber in Zweifel. Es liegt ebenso nahe, bezüglich eines solchen In-Verkehr-Bringens allein auf die Download-Handlung des Erwerbers abzustellen und wie folgt zu argumentieren: durch den Upload auf den Download-Server verlässt das betreffende Exemplar gar nicht die Herrschaftssphäre des Anbieters. Vielmehr wird eine in den Verkehr gebrachte Version des Programmes erst und allein auf Veranlassung und unter ausschließlicher Kontrolle des Downloadenden bzw. Erwerbers auf dessen Rechner erstellt.
Schließlich bedeutet die Einordnung des Vorgangs als Dienstleistung, dass gerade kein Verkauf eines Exemplars und damit nicht die wesentliche Voraussetzung für den Eintritt der Erschöpfungswirkung vorliegen würde, so dass auch dieser Einwand gegen die Zulässigkeit der AGB-Klausel wegfallen würde.
b) Fazit zum technischen Vergleich der Vertriebsmodalitäten
Ein technischer Vergleich des körperlichen Offline- mit dem unkörperlichen Online-Vertriebs von Software ergibt also durchaus Unterschiede, welche eine abweichende Beurteilung der vertragstypologischen Einordnung des Software-Erwerbs rechtfertigen können. Wird dieser als Dienstleistungsvorgang (und nicht als Kaufvertrag) angesehen, so ergeben sich unter dem Aspekt des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Hinblick auf wesentliche Grundgedanken, welche eine Unwirksamkeit von formularmäßigen Veräußerungsverboten zur Folge haben müssten, keine Bedenken.
2. Wirtschaftlich-funktionaler Vergleich der Konstellationen
Vergleicht man die Konstellationen allerdings aus wirtschaftlicher Perspektive, so lassen sich keine wesentlichen Unterschiede zwischen einem Download und einem CD/DVD-Versand ausmachen. In beiden Fällen wird dem Erwerber des Programmes gegen eine Einmalzahlung auf Dauer Zugriff auf eine Kopie des Programmes gewährt und damit das Recht eingeräumt, das erworbene Programm zu nutzen. Ob die Kopie beim Veräußerer erstellt und versandt oder beim Erwerber durch den Download gefertigt wird, ist – die zu vernachlässigenden Versandkosten außer Acht gelassen – wirtschaftlich und aus Sicht der Erwerbers ohne Belang. Aus einer wirtschaftlichen Perspektive substituiert der unkörperliche Download somit den körperlichen Vertrieb vollumfänglich – wie die Daten zum Erwerber gelangen ist irrelevant.
3. Zwischenfazit
Der Vergleich der beiden Vertriebsarten zeigt also, dass die Frage nach der Zulässigkeit von ein Veräußerungsverbot statuierenden Klauseln im Rahmen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB davon abhängt, welcher der beiden Blickwinkel bevorzugt wird. Aus einer formal-technischen Perspektive stellt sich das zugrunde liegende Schuldverhältnis tatsächlich eher als Dienstleistung dar, mit der Folge dass weder die Wertungen des § 433 BGB noch der Erschöpfungsgrundsatz als wesentliche Grundgedanken gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB einem Verbot entgegenstünden. Betrachtet man die beiden Vertriebsarten jedoch unter wirtschaftlich-funktionalen Gesichtspunkten, so substituiert der Download allein die Aushändigung des Datenträgers, ohne dass in rechtlicher Hinsicht relevante Unterschiede bestünden, die ein von der Einordnung des Vorganges als Kauf gem. § 433 BGB (eventuell i.V.m. § 453 Abs.1, Var. 1 BGB) abweichendes Ergebnis begründen könnten.
V. Einordnung des Vorgangs durch den EUGH
Aufgrund der europarechtlichen Prägung des Urheberrechts oblag es schließlich dem EUGH, die Frage zu beantworten (Rs C-128/11 – Used Soft) und den Veräußerungsvorgang schuldrechtlich einzuordnen.
Der EUGH entschied schließlich entgegen dem Antrag des Generalanwalts Yves Bot zugunsten eines Kaufvertrages. Nach Ansicht des Gerichtshofs bilden das Herunterladen der Kopie sowie die Einräumung der Nutzungsrechte gegen eine Einmalzahlung ein untrennbares Ganzes (Rnrn. 44, 47), so dass von einer formalen Betrachtung allein des Online-Stellens sowie der Rechtseinräumung Abstand zu nehmen ist. Bei dieser Gesamtbetrachtung ist schließlich aus Gründen der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit der Sachverhalte davon auszugehen, dass ein solches Vorgehen eine Eigentumsübertragung an der Programmkopie und damit einen Kaufvertrag (im deutschen Recht § 433 BGB) darstellt.
Aus dieser schuldrechtlichen Einordnung als Kaufvertrag ergibt sich ferner, dass das In-Verkehr-Bringen im Wege des Downloads als Gegenstand eines Kaufvertrages auch eine Erschöpfungswirkung auslöst und dem Erwerber damit die Weiterveräußerung der Programmkopie freisteht (Rn. 52).
VI. Auswirkungen und Beurteilung der Einordnung durch den EUGH
Die vertragstypologische Einordnung des Softwareerwerbs im Wege des Downloads als Kaufvertrag hat schließlich zur Folge, dass aufgrund der entgegenstehenden wesentlichen Grundgedanken des § 433 BGB sowie der Erschöpfungslehre ein Veräußerungsverbot statuierende AGB-Klauseln gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB als unwirksam anzusehen sind – der freie Weiterverkauf von per Download erworbener Software ist damit möglich.
Diese Entscheidung des EUGH ist abschließend insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit und –klarheit zu begrüßen. Es dürfte für den juristisch nicht vorgebildeten Verbraucher nur sehr schwer verständlich sein, warum ein aus seiner Sicht identischer Vorgang allein aufgrund der zugrundeliegenden Technologie anders zu bewerten wäre. Neben den verbraucherfreundlichen Aspekten des Weiterverkaufs stellt die Used Soft-Entscheidung des EUGH somit einen wichtigen Beitrag zur technologieneutralen Auslegung des Begriffes des Kaufvertrags dar.
Mit Blick auf die juristische Ausbildung lässt sich festhalten, dass diese Konstellation direkt zwar nicht unbedingt klausurrelevant sein dürfte, das Thema sich allerdings insbesondere im Hinblick auf die Subsumtion von Downloadvorgängen unter verschiedene Vertragstypen und die damit verbundenen AGB-rechtlichen Weichenstellungen durchaus für eine mündliche Prüfung anbietet.
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