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Schlagwortarchiv für: Eilentscheidung

Dr. Yannik Beden, M.A.

Neue Entscheidung des BVerfG: Richtervorbehalt aus Art. 13 GG kann nächtlichen Bereitschaftsdienst erforderlich machen

BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker, Examensvorbereitung, Lerntipps, Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Eine aktuelle Entscheidung aus Karlsruhe mit besonders hoher Klausurrelevanz: Der Beschluss des BVerfG vom 12. März 2019 – 2 BvR 675/14 gibt Aufschluss über die aus der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG resultierenden Pflicht des Staates, die Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters zu sichern – im Zweifel auch durch die Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes. Die Erwägungen des Gerichts betreffen in weiten Teilen auch Grundlegendes zur praktischen Wirksamkeit des Richtervorbehaltes und damit eine Materie, die insbesondere in öffentlich-rechtlichen Examensklausuren gerne Prüfungsgegenstand ist. Schon deshalb ist jedem Kandidaten geraten, sich mit der Entscheidung des Verfassungsgerichts zu beschäftigen:      
I. Sachverhalt (dem Beschluss entnommen)

Der Beschwerdeführer wurde an einem frühen Samstagmorgen, dem 14. September 2013, von Rettungskräften in Rostock aufgefunden. Er befand sich infolge eines akuten Rauschzustands in hilfloser Lage, hatte keine Dokumente bei sich und konnte weder zu seiner Person noch zu konsumierten Rauschmitteln Angaben machen. Da die Rettungskräfte vermuteten, dass er Rauschpilze oder ähnlich wirkende Betäubungsmittel zu sich genommen hatte, verständigten sie die Polizei. Nach ihrem Eintreffen gegen 4 Uhr versuchten die Polizeibeamten vergeblich, von einer Zeugin zu erfahren, um wen es sich bei der hilflosen Person handle, brachten aber in Erfahrung, dass sie in unmittelbarer Nähe wohne. Da die Rettungskräfte baten, in der Wohnung nach Personaldokumenten und Hinweisen darauf zu suchen, was die Person zu sich genommen haben könnte, betraten die Polizeibeamten die Wohnung, während der Beschwerdeführer in das Universitätsklinikum Rostock verbracht wurde. Die Wohnung teilte sich der Beschwerdeführer mit einem zu diesem Zeitpunkt abwesenden Mitbewohner. Im Zimmer des Beschwerdeführers fanden die Polizeibeamten zwei große Plastiktüten mit Cannabisprodukten, eine Feinwaage sowie eine Haschischpfeife und nahmen starken Cannabisgeruch wahr.
Aufgrund ihres Fundes sahen die Polizeibeamten einen Verdacht gegen den Beschwerdeführer wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln begründet. Sie hielten deshalb telefonisch Rücksprache mit der zuständigen Bereitschaftsstaatsanwältin der Staatsanwaltschaft Rostock, die um 4:44 Uhr die Durchsuchung der Wohnung zur Beschlagnahme von Beweismitteln anordnete. Die Bereitschaftsstaatsanwältin folgte der Argumentation der Polizeibeamten, es bestehe Gefahr im Verzug, weil sich der Beschwerdeführer jederzeit aus dem Universitätsklinikum Rostock entfernen könne. Dass sie zuvor versucht hatte, den zuständigen Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Rostock zu erreichen, lässt sich der Ermittlungsakte nicht entnehmen. Bei der im Anschluss vollzogenen Durchsuchung des Zimmers des Beschwerdeführers und der Gemeinschaftsräume wurde umfangreiches Beweismaterial beschlagnahmt, unter anderem Cannabisprodukte mit einem THC-Gehalt von insgesamt über 44 Gramm.
Im weiteren Verlauf des 14. September 2013 ordnete das Amtsgericht Rostock auf Antrag der Staatsanwaltschaft die nochmalige Durchsuchung des Wohnraums des Beschwerdeführers sowie der gemeinschaftlich genutzten Küche und des Bades an, da zu vermuten sei, dass unter Einsatz eines Drogenspürhundes weitere Betäubungsmittel aufgefunden werden könnten. Diese Erwartung bestätigte sich nicht.

II. Richtervorbehalt aus Art. 13 Abs. 2 GG und Gefahr im Verzug
Wohnungsdurchsuchungen bedürfen grundsätzlich der richterlichen Anordnung, Art. 13 Abs. 2 Hs. 1 GG. Die richterliche Durchsuchungsanordnung – und dies zeigen bereits Wortlaut und Systematik der Norm – bildet den Regelfall, mit der Folge, dass die nichtrichterliche die Ausnahme bleiben soll (vgl. BVerfGE 103, 142 (153)). Nur bei Gefahr im Verzug sollen andere staatliche Organe eine Anordnungsbefugnis haben. Ordnen die Strafverfolgungsbehörden eine Durchsuchung an, entfällt in erster Linie die präventive Kontrolle durch einen unabhängigen Richter. Es liegt auf der Hand, dass hiermit Gefahren für die effektive Durchsetzung des Grundrechtsschutzes einhergehen. Prüft der zuständige Richter erst nachträglich den mit der Durchsuchung einhergehenden Grundrechtseingriff, können die mit einer Durchsuchung verbundenen Folgen nicht mehr rückgängig gemacht werden. Verbindet man diese Erkenntnis mit dem Regel-Ausnahme-Verhältnis von Richtervorbehalt und Anordnung durch anderweitige Staatsorgane, muss schlussgefolgert werden, dass der Begriff „Gefahr im Verzug“ i.S.v. Art. 13 Abs. 2 Hs. 2 GG restriktiv auszulegen ist. Die praktische Konsequent ist dann, dass Gefahr im Verzug nur anzunehmen ist, „wenn die richterliche Anordnung nicht mehr eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Maßnahme – regelmäßig die Sicherung von Beweismitteln – gefährdet würde“ (vgl. BVerfGE 51, 97 (111)).
Wann aber kann eine richterliche Anordnung nicht mehr eingeholt werden? Schon nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG kann Gefahr im Verzug nicht lediglich damit, dass eine richterliche Entscheidung für gewöhnlich nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. in einer gewissen Zeitspanne mangels Erreichbarkeit eines Richters zu erlangen sei, begründet werden (BVerfGE 103, 142 (155)). Ein solcher abstrakter Verweis genügt den strengen Anforderungen des Art. 13 Abs. 2 Hs. 2 GG in keinem Fall. Das Verfassungsgericht stellt vielmehr auf den Einzelfall ab: „Gefahr im Verzug liegt in einem solchen Fall nur vor, wenn ein richterlicher Bereitschaftsdienst zu dieser Zeit im Einklang mit Art. 13 Abs. 2 GG nicht eingerichtet wurde und ein Zuwarten bis zur Erreichbarkeit eines Richters nicht möglich ist.“  
III. Konkretisierung dieser Vorgaben für Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes
Aus dem engen Verständnis der Dispensvorschrift ergeben sich unmittelbare Folgen für die Einrichtung eines richterlichen Bereitschaftsdienstes: Praktische Wirksamkeit entfaltet der grundrechtssichernde Richtervorbehalt nur, wenn den Gerichten die (verfassungsrechtliche) Pflicht auferlegt wird, die Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters – sofern notwendig – durch die Einrichtung eines Eil- oder Notdienstes zu sichern. Die Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters muss deshalb auch außerhalb der üblichen Dienststunden möglich sein. Problematisch sind insoweit regelmäßig nächtliche Durchsuchungsanordnungen. Hier stellt des BVerfG nun fest:
„Weil nach den heutigen Lebensgewohnheiten zumindest die Zeit zwischen 21 Uhr und 6 Uhr ganzjährig als Nachtzeit anzusehen ist, ist es von Verfassungs wegen geboten, dass sich der Schutz vor nächtlichen Wohnungsdurchsuchungen auch in den Monaten April bis September auf die Zeit von 4 Uhr bis 6 Uhr morgens erstreckt. Dies folgt unmittelbar aus Art. 13 Abs. 1 GG. Dabei kann das Regelungskonzept aus § 104 Abs. 1 und Abs. 2 StPO übertragen werden, so dass Wohnungsdurchsuchungen zur Verfolgung auf frischer Tat, bei Gefahr im Verzug oder zur Wiederergreifung eines entwichenen Gefangenen zulässig bleiben und sich die Durchsuchungsbeschränkungen nicht auf die in § 104 Abs. 2 StPO genannten Räume erstrecken.“
Da in der Nachtzeit allerdings regelmäßig von einem geringeren Bedarf an Anordnungen ausgegangen werden kann, ist ein ermittlungsrichterlicher Bereitschaftsdienst nur unter bestimmten Voraussetzungen geboten. Das Verfassungsgericht entschied, dass Notwendigkeit hierfür nur soweit besteht, wie ein über den Ausnahmefall hinausgehender Bedarf an nächtlichen Durchsuchungsanordnungen besteht. Bleibt es beim jeweils zuständigen Gericht jedoch bei Ausnahmefällen, kann entsprechend dem Regel-Ausnahme-Verhältnis des Art. 13 Abs. 2 Hs. 2 GG auch ohne einen richterlichen Notdienst vorgegangen werden.  
IV. Beurteilungs- und Prognosespielraum der Gerichtspräsidien
Da sich ein abstrakter Verweis auf Zeitpunkte oder Zeiten, in denen eine Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters üblicherweise nicht in Betracht kommt, nicht ausreicht, muss auf das einzelne Gericht abgestellt werden. Maßgeblich ist danach die Frequenz, in der außerhalb der üblichen Zeiten Anordnungen ergehen müssen bzw. Notwendigkeit hierfür besteht. Wann ein erhöhter Bedarf besteht – so nun ausdrücklich das BVerfG – hat das Gerichtspräsidium nach pflichtgemäßem Ermessen in eigener Verantwortung zu entscheiden. Wie der Bedarf ermittelt wird, können die Präsidien dabei im Rahmen eines Beurteilungs- und Prognosespielraums selbst entscheiden. Hier ist Vorsicht geboten: Das BVerfG spricht den Gerichten keinen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Entscheidung über das „Ob“ der Bedarfsermittlung zu, vielmehr beschränkt sich der Spielraum auf das „Wie“.
Die spezifischen Verhältnisse im jeweiligen Gerichtsbezirk können nach Auffassung des Verfassungsgerichts auf unterschiedliche Art und Weise ermittelt werden. Eine Bedarfsprognose kann dabei etwa durch statistische Erhebungen substantiiert werden. Auch Erfahrungswerte können herangezogen werden, diese müssen allerdings plausibilisiert werden. Zu denken ist etwa an Erfahrungswerte, nach denen in Großstädten bzw. Ballungsgebieten zur Abend- und Nachtzeit regelmäßig mehr eilbedürftige Anträge gestellt werden müssen als in kleineren Ortschaften. Auch die Grenznähe zu anderen Gerichtsbezirken sowie zeitlich begrenzter Mehrbedarf aufgrund von Großveranstaltungen o.ä. können Gesichtspunkte sein, die das Präsidium im Rahmen seiner Prognoseentscheidung miteinbezieht. Entscheidend bleibt jeweils der Bezug zu den individuellen Verhältnissen im zuständigen Gerichtsbezirk.
V. Was man für die Klausur behalten muss
Zwecks effektiver Durchsetzung des grundrechtlichen Schutzes aus Art. 13 GG muss der Richtervorbehalt streng verstanden werden. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis in Art. 13 Abs. 2 GG gebietet es, hohe Anforderungen an den Begriff der Gefahr im Verzug zu legen. Praktische Wirksamkeit erlangt der Richtervorbehalt jedoch bei erhöhtem Anordnungsbedarf zu Abend- und Nachtzeiten nur, wenn ein richterlicher Eil- bzw. Notdienst vom Gerichtspräsidium eingerichtet wird – aber eben auch nur, sofern der Bedarf über einzelne Ausnahmefälle hinausgeht. Bei der Ermittlung des Bedarfs steht den Präsidien jeweils ein eigener Beurteilungs- und Prognosespielraum zu. Maßgebend sind jeweils die Umstände im jeweiligen Gerichtsbezirk, die sowohl durch Statistiken als auch plausibel begründete allgemeine Erfahrungssätze festgestellt werden können. Summa summarum entwickelt die Entscheidung des BVerfG das zum Richtervorbehalt des Art. 13 Abs. 2 GG bereits Bekannte konsequent fort und gibt dabei Aufschluss zur Konkretisierung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses sowie zur praktischen Wirksamkeit des Richtervorbehalts. Der Beschluss ist ein Muss für jeden Examenskandidaten!
 
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08.04.2019/1 Kommentar/von Dr. Yannik Beden, M.A.
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannik Beden, M.A. https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannik Beden, M.A.2019-04-08 09:30:102019-04-08 09:30:10Neue Entscheidung des BVerfG: Richtervorbehalt aus Art. 13 GG kann nächtlichen Bereitschaftsdienst erforderlich machen
Dr. Sebastian Rombey

Versammlungsverbot in Heidenau ist rechtswidrig

Aktuelles, Lerntipps, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Startseite, Versammlungsrecht

Die aufgeheizte Stimmung in der Diskussion um Flüchtlinge war vor allem in der kleinen sächsischen Stadt Heidenau in den vergangenen Tagen spürbar. Die Stadt fühlte sich überfordert und verbot alle Versammlungen in der Stadt von Freitag bis Montagmorgen. „Wir dürfen Rechtsextremen nicht das Feld überlassen!“, kritisierte zB Cem Özdemir (Grüne), Jörg Radek (Gewerkschaft der Polizei) wertete es als „Kniefall vor dem braunen Mob“. Das VG hat das umstrittene Verbot nun aufgehoben.
I. Ausgangslage
Das zuständige Landratsamt hatte ein Versammlungsverbot für alle öffentlichen Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel in Heidenau von gestern, 28.08. (14.00 Uhr) bis Montagmorgen, 31.08.2015 (6.00 Uhr) ausgesprochen. Das für die gesamte Stadt Heidenau über das gesamte Wochenende geltende Demonstrationsverbot wurde von der Behörde mit Hinweis auf eine erhebliche Gefährdung für die öffentliche Sicherheit begründet.
Hintergrund des behördlichen Handelns waren neben den allgemein im Dresdner Raum bekannten rechtsextremen Gruppierungen sowie den enormen Problemen bei der Handhabung der zunehmenden Anzahl von Flüchtlingen insbesondere Vorfälle in der Nähe des Erstaufnahmelagers für Flüchtlinge in Heidenau, wo sich über mehrere Tage hinweg Rechtsradikale zu Demonstrationen gegen die Asylpolitik und die untergebrachten Asylanten versammelt hatten. So waren am vergangenen Wochenende u. a. mehr als 30 Polizisten verletzt worden. Darüber hinaus wurde von der Behörde angeführt, dass nicht genug Kapazitäten bestünden, um gegen die Störer vorgehen und die in Frage stehenden Rechtsgüter schützen zu können. Des Weiteren könnten die von der Polizei bei derartigen Umständen einzusetzenden Mittel wie Wasserwerfer unbeteiligte Dritte sowie friedliche Versammlungsteilnehmer unverhältnismäßig schädigen. Mithin sei insgesamt ein polizeilicher Notstand gegeben.
II. Eilentscheidung
Die 6. Kammer des VG Dresden hat nun auf den Eilantrag eines Bürgers, der an der geplanten Demonstration „Dresden Nazifrei“ teilnehmen wollte, nach summarischer rechtlicher Sachverhaltsprüfung entschieden, dass das allgemeine Verbot für alle geplanten Versammlungen im Stadtgebiet „offensichtlich rechtswidrig“ sei (AZ 6 L 815/15). Damit hat der Antrag des Bürgers nach § 80 V VWGO Erfolg, so dass der Suspensiveffekt wieder hergestellt wird. Die geplanten und angemeldeten Versammlungen rechter Gruppierungen und gemäßigter Gegenbewegungen sowie das Willkommensfest für Flüchtlinge können nun doch stattfinden. Zur Begründung führte das Gericht aus (Wortlaut der Pressemitteilung):
Die Rechtswidrigkeit „ (…) des Verbots folge zum einen aus dem Umstand, dass der polizeiliche Notstand, der zur Begründung der Allgemeinverfügung herangezogen worden sei, schon nicht hinreichend vorgetragen und belegt worden sei. So stütze sich die  vorgenommene Gefahrenprognose lediglich auf die Ereignisse des vergangenen Wochenendes ohne sich konkret mit den für das kommende Wochenende angezeigten Versammlungen auseinanderzusetzen und darzulegen, wie von der zu erwartenden Teilnehmerzahl eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehen solle. Insoweit reiche es nicht aus, auf die aus dem gesamten Bundesgebiet erwarteten übrigen Demonstranten zu verweisen.
Das VG sieht also die Begründung des polizeilichen Notstandes als nicht ausreichend an. Insbesondere kann durch den alleinigen Verweis auf nicht genügend vorhandene Polizeikräfte ein derartig einschneidendes Verbot nicht begründet werden.
Darüber hinaus erscheine die Allgemeinverfügung, die ein vollständiges Verbot sämtlicher Versammlungen für das gesamte Wochenende umfasse, unverhältnismäßig. Sie stelle nach Überzeugung der Kammer schon nicht das mildeste Mittel dar, um den von der Behörde angenommenen Gefahren, die von den angezeigten Demonstrationen ausgehen sollen, wirksam zu begegnen. So seien für Freitag, den 28. August 2015 lediglich zwei Demonstrationen in Heidenau angemeldet und eine weitere für Samstag, den 29. August 2015. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, aus welchen Gründen diese Versammlungen nicht beispielsweise in örtlicher oder zeitlicher Hinsicht beauflagt worden seien, um ein Aufeinandertreffen der unterschiedlichen politischen Lager zu unterbinden.“
Das VG verneint zudem die Verhältnismäßigkeit des allgemeinen Verbotes, genauer gesagt die Erforderlichkeit, es hätten mildere und gleich geeignete Mittel zur Sicherstellung der Öffentlichen Sicherheit bestanden, so zB die zeitliche oder auch örtliche Trennung der Demonstrationen.
Rechtlich stellt sich weitergehend aber die Frage, wie das generelle Versammlungsverbot einzustufen ist. Nach Ansicht des VG Dresden handelt es sich hierbei richtigerweise um eine Allgemeinverfügung. Eine solche stellt einen Unterfall eines Verwaltungsaktes dar (sodass sie mit der Anfechtungsklage im Hauptverfahren angegriffen werden kann) und richtet sich an einen nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmbaren Adressatenkreis.
Zweifeln könnte man bei der rechtlichen Betrachtung auch daran, ob sich das geplante Willkommensfest für Flüchtlinge überhaupt als Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts qualifizieren lässt. Eine Versammlung ist nach der Definition des BVerfG eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (BVerfGE 104, 92, 104). Dieser für Art. 8 I GG entwickelte Grundsatz findet unstreitig auch im VersG Anwendung.
Die Personengruppe, die an dem Willkommensfest teilnimmt, muss u. a. innerlich durch einen gemeinsamen Zweck verbunden sein. Streitig ist dabei, worin genau der gemeinsame Zweck liegen muss. Nach dem BVerfG ist – wie an der vorstehenden Definition gesehen – die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung erforderlich; das Gericht vertritt also den engen Versammlungsbegriff. Dies wird u. a. bei der Betrachtung von Großveranstaltungen wie der Love Parade deutlich, bei der zwar eine gewisse politische Intention vorhanden war, die Musik sowie der Spaß aber eindeutig im Vordergrund standen, so dass der Versammlungscharakter verneint wurde. Grund dessen ist, dass derartige Events nicht grundlos in den Schutzbereich des Art. 8 GG einbezogen werden sollen. Aufgrund des Bezugs der Versammlungsfreiheit zur Meinungsfreiheit des Art. 5 I GG (Versammlungsfreiheit als „kollektive Meinungsfreiheit“; Komplementärfunktion) und der historischen Intention des Versammlungsbegriffs ist eine enge Begriffsdefinition also unvermeidbar; abzulehnen sind damit der weite, aber auch der engste Versammlungsbegriff.
Bei dem Willkommensfest handelt es sich zwar um eine Grillparty, bei der man annehmen könnte, dass lediglich das gesellige Zusammensein mit Spaßcharakter vordergründig sei. Vor dem politischen Hintergrund der Brisanz der Flüchtlingsdebatte, den Ausschreitungen im Dresdner Raum, und der Tatsache, dass gerade durch das Willkommensfest eine deutsche Willkommenskultur für Flüchtlinge bzw. Asylsuchende gelebt werden sollte, wird man die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung aber nicht verneinen können. Eine Versammlung ist deshalb anzunehmen.
III. Beschluss des Sächsischen OVG
Das Sächsische OVG in Bautzen hat auf die Beschwerde des Landkreises gegen die Eilentscheidung des VG Dresden hin nun in einem Beschlussverfahren beschlossen, dass lediglich die Versammlungen des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ stattfinden dürfen. Für die stattfindenden Veranstaltungen bestehen aber strenge Auflagen, so dürfen zB Flaschen, die als Wurfgeschosse dienen könnten, nicht mitgeführt werden (Auflagen dürfen von der Polizei in Bezug auf Demonstrationen ausschließlich auf Grundlage des VersG erlassen werden; Stichwort „Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts“). Das Demonstrationsverbot bleibt damit für rechte Gruppierungen und deren Aufmärsche am Wochenende bestehen.
Entgegen einer hohen Anzahl von Falschmeldungen in der Presse ist darauf hinzuweisen, dass das OVG Sachsen nicht entschieden hat, dass das Verbot nur in Teilen rechtswidrig ist. Der Antragssteller, der an der Veranstaltung „Dresden Nazifrei“ teilnehmen wollte, ist nämlich lediglich in Bezug auf diese Versammlung antragsbefugt, so dass nur diesbezüglich ein Beschluss ergehen kann. Die Rechtmäßigkeit oder auch Rechtswidrigkeit des Verbots in Bezug auf die anderen Versammlungen stand also gar nicht gerichtlich in Frage, so dass das VG Dresden dazu nicht hätte Stellung nehmen dürfen und das Demonstrationsverbot deshalb insoweit bestehen bleibt.
IV. Ausblick
Ein Antrag nach § 32 BVerfGG ist nach verschiedenen Pressemitteilungen anhängig. Es erscheint aber fraglich, ob das BVerfG eine einstweilige Anordnung aussprechen wird, da eine solche grds. bewusst nur unter strengen Anforderungen ergeht.
Vgl. zu den Problemen im Versammlungsrecht näher hier.
Update! 29.08.2015, 13.20 Uhr:
Das BVerfG hat das Demonstrationsverbot per einstweiliger Anordnung iSd § 32 BVerfGG in vollem Umfang für rechtswidrig erklärt und damit die Ausgangsentscheidung des VG bestätigt (AZ 1 BvQ 32/15)! Es müssten alle Demonstrationen ermöglicht werden. Zu beachten ist vor diesem Hintergrund, dass das BVerfG bei einer derartigen Anodnung nicht wie das VG Dresden oder das OVG Sachsen allein die Interessen des antragsbefugten Antragsstellers in den Blick nehmen, sondern alle widerstreitenden Interessen gegeneinander abwägen kann.
Im Zuge dieser Folgenabwägung hat das BVerfG insbesondere beanstandet, dass das OVG das Antragsbegehren nicht hinreichend im Lichte des Art. 8 I GG ausgelegt habe. Das OVG wäre dazu verpflichtet gewesen, den Antragssteller konkret zu fragen, ob er noch an weiteren Veranstaltungen habe teilnehmen wollen. Dann wäre die Aufhehbung des Verbots nämlich – wie bei der Eilentscheidung des VG Dresden geschehen – auf alle Versammlungen zu erstrecken gewesen.
Die Verfassungsrichter argumentierten zudem, dass die hohen Anforderungen für eine Anordnung nach § 32 BVerfGG deshalb gegeben seien, weil ohne eine solche Anordnung bei späterer erfolgreicher Verfassungsbeschwerde gegen das Demonstrationsverbot dieVersammlungsfreiheit durch den Staat hätte beschränkt und in dem hier doch sehr engen und räumlich begrenzten Zusammenhang gänzlich außer Kraft gesetzt werden können. Anderenfalls hätte viele Bürger außerhalb des Wochenendes nur wenige bis gar keine Möglichkeiten, um ihre Meinungen öffentlich kundtun zu können.
Im rechtlichen Kern wurden die Bedenken der Fachgerichte (VG und OVG) hinsichtlich des Vorliegens eines polizeilichen Notstandes sowie der Verhältnismäßigkeit des Verbots geteilt (vgl. näher die Pressemitteilung).

29.08.2015/1 Kommentar/von Dr. Sebastian Rombey
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Sebastian Rombey https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Sebastian Rombey2015-08-29 12:08:382015-08-29 12:08:38Versammlungsverbot in Heidenau ist rechtswidrig

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