Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Grundsatzentscheidung vom 23.9.2010 (3 C 32/09 und 3 C 37/09) zur Rechtmäßigkeit von Überholverboten auf Autobahnen Stellung genommen und dabei nun insbesondere entschieden, wann die Frist für die Anfechtung von Verkehrszeichen zu laufen beginnt.
Sachverhalt
Ein selbständiger Fuhrunternehmer, der bundesweit Segel- und Motoryachten transportiert, klagte gegen die kilometerlangen Lkw-Überholverbote auf den Autobahnen A7, A 45 in Hessen und A 8 (Ost) in Bayern. Vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof hatte er in zweiter Instanz teilweise Erfolg; einige Überholverbote wurden aufgehoben. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dagegen hielt die Streckenverbote auf der A 8 in vollem Umfang für rechtmäßig.
Beide Gerichte waren bei ihrer Entscheidung zugunsten des Klägers davon ausgegangen, dass die Klagen nicht verfristet, d. h. zu spät erhoben worden waren. Sie waren der Auffassung, dass eine Klagefrist nicht schon mit der Aufstellung des Verkehrszeichens anläuft, sondern erst, wenn ein Verkehrsteilnehmer auf sie trifft. Mit seiner Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) wollte der Kläger grundsätzlich geklärt haben, welche Voraussetzungen für die Anordnung von Streckenverboten, wie ein Überholverbot eines ist, denn überhaupt gelten.
Zur Rechtsnatur eines Verkehrszeichens
Bei Verkehrszeichen handelt es sich seit dem BVerwG Urteil vom 13.12.1979 (7 C 46/78) mittlerweile unstreitig um Verwaltungsakte in der Form von Allgemeinverfügungen gem. § 35 S. 2 VwVfG, die auch mit der Anfechtungsklage angegriffen werden können. Jedoch hat das Einlegen einer Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung. Das Verkehrszeichen wird der Anordnung eines Polizeibeamten gleichgesetzt und ist ein Fall des § 80 II Nr. 2 VwGO. Verkehrszeichen sind also sofort vollziehbar.
Zur Rechtmäßigkeit von Überholverboten
Rechtsgrundlage für das Überholverbot ist § 45 StVO. Die Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Für „Verbote und Beschränkungen des fließenden Verkehrs“ legt § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO weitere zusätzliche Voraussetzungen fest: solche Verkehrszeichen dürfen nur dort angeordnet werden, wo aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der durch die StVO geschützten Rechtsgüter (Leben, Gesundheit, Eigentum) erheblich übersteigt. In beiden Fällen erfüllten die LKW-Überholverbote die erforderlichen Voraussetzungen und waren somit rechtmäßig.
Wann beginnt bei einem Verkehrszeichen die Anfechtungsfrist zu laufen?
Das Examensrelevante dieser Entscheidung ist jedoch, dass das Bundesverwaltungsgericht neu darüber entschieden hat, wann bei einem Verkehrszeichen die Anfechtungsfrist zu laufen beginnt. Denn bis dato war unklar, wie lange Verkehrszeichen angefochten werden können. Im Jahre 1996 entschied das BVerwG, das Verkehrszeichen würden im Wege der öffentlichen Bekanntmachung erlassen. Mit der Bekanntgabe werde das Verkehrszeichen gegenüber sämtlichen Verkehrsteilnehmern gleichermaßen wirksam (§ 43 VwVfG), selbst denjenigen gegenüber, die zur tatsächlichen Kenntnisnahme keine faktische Gelegenheit hatten (BVerwG in JZ 1997, 780; VGH Kassel in NJW 1999, 2057; OVG Hamburg in NordÖR 2004, 399). Es komme nicht (mehr) auf den Zeitpunkt, in dem der Verkehrsteilnehmer das Verkehrszeichen erstmals zur Kenntnis nehme oder in den Sichtbereich des Verkehrszeichens gelange.
Wegen rechtsstatlicher Bedenken hatte aber das BVerfG im September 2009 nach Rücksprache mit dem BVerwG festgestellt, dass die Frage der Anfechtungsfrist noch keineswegs als geklärt anzusehen war. Denn eine Klagefrist kann für einen Einzelnen nur dann zu laufen beginnen, wenn ihm gegenüber das Verkehrszeichen auch individuell bekannt gegeben worden ist.
Mit dieser Entscheidung hat das BVerwG nun seine Rechtsprechung geändert. Die Anfechtungsfrist beginnt also nicht bereits mit dem Aufstellen des Verkehrszeichens zu laufen, sondern erst dann, wenn der Verkehrsteilnehmer individuell das Schild zu sehen bekommt.
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