In einem Beschluss vom 12. Januar 2010 (BGH 4 StR 589/09) hat der BGH entschieden, dass der Einsatz eines Kabels als Schlinge für eine vorgetäuschte Strangulation keine gefährliche Körperverletzung i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 5 StGB darstellt. Die Entscheidung eignet sich dafür, die Voraussetzungen der gefährlichen Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeuges noch einmal zu wiederholen.
Sachverhalt
A legte der vor dem Computer sitzenden K ein etwa ein Meter langes Elektrokabel locker um den Hals, ohne es allerdings zuzuziehen und ohne dass das Kabel mit ihrem Hals in Berührung kam. Er wollte ihr lediglich einen heftigen Schrecken einjagen. Die K bemerkte das Kabel, ergriff es von oben mit beiden Händen und zog es mit einem heftigen Ruck dem Angeklagten aus der Hand, so dass es auf den Fußboden fiel. Spätestens jetzt rief der A: „Ich bringe dich um.“ Die K, der es im weiteren Verlauf gelang, den A aus dem Zimmer zu drängen und in die Küche zu flüchten, erlebte Todesängste, verspürte eine Beklemmung und litt noch geraume Zeit nach der Tat unter Angstzuständen. Wie hat sich A strafbar gemacht?
Entscheidung
Schwerpunkt dieser Entscheidung war die Frage, ob sich der A wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht hat, indem er der K das Elektrokabel um den Hals legte.
Gefährliche Körperverletzung i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB: „mittels eines gefährlichen Werkzeugs“?
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein gefährliches Werkzeug jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im konkreten Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen. Bereits diese Eignung erscheint hier zweifelhaft. Zwar kann ein Kabel, wenn es zum Würgen eingesetzt wird, nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Verwendung erhebliche Verletzungen herbeiführen. Hier legte der A der K jedoch das Kabel lediglich locker um den Hals, um sie in Angst und Schrecken zu versetzen. Wird eine Strangulation aber nur vorgetäuscht, sind erhebliche Verletzungen regelmäßig nicht zu befürchten. Dass es sich hier ausnahmsweise, etwa aufgrund einer besonderen Disposition der K, anders verhielt, ist nicht festgestellt.
Darüber hinaus verlangt § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, dass die Körperverletzung „mittels“ eines solchen Werkzeugs begangen wird. Das Tatmittel muss hierbei unmittelbar auf den Körper des Opfers einwirken (Senat, Urt. vom 22. Dezember 2005 – 4 StR 347/05, NStZ 2006, 572, 573, Beschl. vom 16. Januar 2007 – 4 StR 524/06, NStZ 2007, 405; Fischer StGB 57. Aufl. § 224 Rdn. 7). Jedenfalls daran fehlt es hier. Das Kabel kam zwar mit dem Körper der Nebenklägerin in Berührung. Es entfaltete jedoch als bloße „Requisite“ bei der Inszenierung einer scheinbar lebensbedrohlichen Situation seine Wirkung nicht unmittelbar körperlich, sondern psychisch vermittelt. Dies vermag den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB aber ebenso wenig zu erfüllen wie der Einsatz einer Maske oder die Vorlage einer gefälschten Todesbescheinigung mit dem Ziel, das Opfer in Schrecken zu versetzen.
Gefährliche Körperverletzung i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB: „Lebensgefährdende Behandlung“?
Anprüfen sollte man noch die gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 „lebengefährliche Behandlung“. Diese setzt jedoch eine zumindest abstrakt lebensgefährliche Körperverletzung voraus. Hierfür lässt sich jedoch aus dem Sachverhalt nichts entnehmen.
Mithin scheidet eine Strafbarkeit des A wegen gefährlicher Körperverletzung gem. § 224 StGB aus. Jedoch hat sich A einer Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Bedrohung gem. § 241 Abs. 1 StGB
A könnte sich zudem einer Bedrohung gem. § 241 StGB strafbar gemacht haben. Hierfür müsste A die K mit der Begehung eines gegen sie gerichteten Verbrechens i.S.d. § 12 StGB bedroht haben.
Hier ist zu differenzieren zwischen
(1) dem Ziehen der Schlinge um die K mit dem Elektrokabel als konkludente Bedrohung
(2) den Worten des A „Ich bringe Dich um.“
Das Ziehen der Schlinge um den Hals der K allein belegt noch nicht, dass der A der B in Aussicht stellte, gegen sie ein Verbrechen i.S.d. § 12 Abs. 1 StGB auszuführen. Eine (gefährliche) Körperverletzung weist keine Mindeststrafandrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe auf. Jedoch hat A hier mit den Worten „Ich bringe Dich um.“ ein Verbrechen, nämlich den Totschlag (§ 212 ABs. 1 StGB) der K in Aussicht gestellt. Dies tat A auch vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.
Mithin hat sich A auch einer Bedrohung gem. § 241 StGB strafbar gemacht.
Gesamtergebnis: A hat sich gem. §§ 223 Abs. 1, 241 StGB, 52 StGB strafbar gemacht.
Die Leitsätze der Entscheidung:
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein gefährliches Werkzeug jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im konkreten Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (BGH NStZ 2007, 95).
2. Ein Kabel kann, wenn es zum Würgen eingesetzt wird, nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Verwendung erhebliche Verletzungen herbeiführen. Anderes gilt jedoch, wenn der Angeklagte dem Opfer das Kabel lediglich locker um den Hals legt, um sie in Angst und Schrecken zu versetzen. Wird eine Strangulation nur vorgetäuscht, sind erhebliche Verletzungen regelmäßig nicht zu befürchten.
3. Darüber hinaus verlangt § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, dass die Körperverletzung „mittels“ eines solchen Werkzeugs begangen wird. Das Tatmittel muss hierbei unmittelbar auf den Körper des Opfers einwirken (BGH NStZ 2006, 572, 573; NStZ 2007, 405). Eine lediglich psychisch vermittelte Wirkung genügt nicht.
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