In der vergangenen Woche haben wir über ein Urteil des OLG Hamm zum Zeitpunkt der Widerrufsbelehrung bei e-bay berichtet. Diese Urteil hat aber noch unter einem weiteren Gesichtspunkt hohe praktische Bedeutung, enthält es doch auch Ausführungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bei Internetauktionen. Hier sind zwei Ansatzpunkte denkbar: die Abgabe des Gebots oder das zeitliche Ende der Auktion.
I. OLG Hamm: Vertragsschluss bei Gebotsabgabe
Nach Ansicht des OLG Hamm liegt bereits im Einstellen der Auktion ein verbindliches Angebot (und keine invitatio ad offerendum) das durch die Abgabe des Höchstgebots angenommen wird. Diese Willenserklärung unterliegt einer auflösenden Bedingung nach § 158 Abs. 2 BGB, die dann eintritt, wenn ein höheres Gebot abgegeben wird.
„Denn bei Verträgen der genannten Art auf der Online-Handelsplattform X kommt der Vertrag (schon) dadurch zustande, dass der Verkäufer durch die Freischaltung der Artikelbeschreibung ein verbindliches Angebot unter Bestimmung einer Frist nach § 148 BGB abgibt, das der Käufer bei einer solchen Online-Auktion durch die Abgabe des Gebotes annimmt. Hieraus folgt, dass der Vertrag (bereits) mit der Abgabe des Gebotes durch den Käufer zustande kommt. Die vertragliche Bindung beruht damit nicht auf dem Ablauf der Auktionsfrist, sondern auf den innerhalb der Laufzeit abgegebenen Willenserklärungen der Parteien. Die verbindliche Annahmeerklärung des Käufers erlischt gemäß § 158 Abs. 2 BGB nur dann, wenn ein Dritter während der Angebotsdauer ein höheres Angebot abgibt.“
Klar ist auch, dass die essentialia negotii hier erfüllt. Ist das Angebot noch als offerte ad incertas personas anzusehen, so steht bei dem Gebot der Vertragspartner auch fest – denn der konkrete Vertrag soll zwischen dem Bieter und dem Anbieter zustandekommen.
II. Ansicht des BGH im ricardo-Urteil (VIII ZR 13/01)
Am bedeutendsten für den Vertragsschluss bei Internetauktionen ist das sog. ricardo-Urteil von 2001. Der BGH legte hier dar:
„Außer Frage steht, daß das online abgegebene Höchstgebot des Klägers eine wirksame, auf den Abschluß eines Kaufvertrages mit dem Beklagten gerichtete Willenserklärung darstellt.[…]
Dabei kann – weil für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung – dahingestellt bleiben, ob die Willenserklärung des Beklagten rechtlich, wie das Berufungsgericht gemeint hat, als Verkaufsangebot und das spätere Höchstgebot des Klägers als dessen Annahme zu qualifizieren sind oder ob, wie es der Wortlaut der vom Beklagten abgegebenen Erklärung nahe legt und vom Berufungsgericht hilfsweise angenommen wird, die Willenserklärung des Beklagten eine – rechtlich zulässige – vorweg erklärte Annahme des vom Kläger abgegebenen Höchstgebots darstellt.“
Die Einzelheiten des Vertragsschlusses bleiben hier aber unklar. Insbesondere bleibt offen, in welcher Art und Weise der Vertrag zustandekommt. Gerade die Bedeutung einer Bedingung nach
§ 158 BGB wird offengelassen. Aus dem Urteil kann sich damit keine Antwort auf die Frage des Zeitpunkts des Vertragsschlusses herleiten lassen.
Möglich ist es aber auch alternativ oder ergänzend zur auflösenden Bedingung nach
§ 158 Abs. 2 BGB auch eine
aufschiebende Bedingung nach § 158 Abs. 1 BGB festzuschreiben, nach der EIN Vertrag mit demjenigen zustandekommt, der zum Zeitpunkt des Zeitablaufs Höchstbietender ist. Dies hätte zur Folge, dass während der Schwebezeit noch kein Vertrag besteht, sondern dieser erst am Ende und
einmalig geschlossen wird.
Hinweis: Meines Erachtens müsste, folgt man dieser Ansicht, aber zumindest auch diskutiert werden, an welchen Zeitpunkt die Informationspflicht aus § 355 Abs. 2 BGB anknüpft, spricht diese Norm doch nur von Vertragsschluss. Als solcher kann ebensogut auch die Abgabe des Höchstgebots angesehen werden, ist das aufschiebend bedingte Rechtsgeschäft ist mit seiner Vornahme tatbestandlich vollendet (BGH NJW 1994, 3227, 3228). Allerdings wird der Telos des § 355 Abs. 2 BGB gebieten, erst dann zu informieren, wenn der Vertrag tatsächlich wirksam ist – zu diskutieren wäre dies aber allemal.
Nimmt man also eine aufschiebende Bedingung an, so wird im Ergebnis Vertragsschluss zumindest i.S.d
§ 355 BGB erst beim Zeitablauf der Auktion sein.
IV. Stellungnahme
Welcher Ansicht man im Ergebnis folgt, ist Geschmackssache, führen beide doch – zumindest bei
§ 355 Abs. 2 BGB durch die Rechtsprechung des OLG Hamm – zum gleichen Ergebnis.
Ein Unterschied liegt aber darin, dass ohne eine aufschiebende Bedingung eine verstärkte vertragliche Bindung des Anbieters an verschiedene Bieter eintritt und diese Bindung auch bereits vor Zeitende eintritt. Eine vorzeitige Beendigung der Auktion führt damit dennoch zu einer vertraglichen Bindung an den bis dahin Höchstbietenden. Dem könnte entgegen gehalten werden, dass der Zeitablauf gerade ein maßgeblicher Faktor des Anbietenden ist – auch um einen höheren Preis zu erzielen, steigen die Gebote erfahrungsgemäß gegen Ende der Auktion noch einmal stark an.
Aus den ebay-AGB ergibt sich eine solche Rücknahmemöglichkeit aber nicht. So ergibt sich aus § 9 Nr. 11:
„Anbieter, die ein verbindliches Angebot auf der eBay-Website einstellen, dürfen nur dann Gebote streichen und das Angebot zurückziehen, wenn sie gesetzlich dazu berechtigt sind.“
Noch deutlicher wird dies in § 10 Nr. 1 der ebay-AGB:
„Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen.“
Auch wenn diese AGB zwischen ebay und dem Anbieter keine rechtliche Wirkung für den Bietenden haben, so sind sie aber doch zumindest als Indiz anzusehen. Der Anbieter muss sich zumindest bewusst sein, dass sofort durch die Abgabe des Gebots eine vertragliche Bindung und damit verbunden auch eine mögliche vertragliche Haftung eintritt. Ebenso muss auch der Bietende schutzwürdig sein, vertraut er doch auf auf die Wirksamkeit seines Gebotes und möchte nicht, dass hieraus – nur durch eine Handlung des Anbietenden – keine Rechtswirkung erwächst. Eine vertragliche Bindung schon vor Zeitablauf und im Zweifel auch (ablösend) zu mehreren Bietern widerspricht damit gerade nicht der Grundkonzeption der ebay-Versteigerung. Bestätigung findet dies auch in einem Urteil des OLG Oldenburg v. 28.07.2005 (
8 U 93/05), das betont:
„Der Beklagte hat zwar die Internetauktion unter Berufung auf die eBay-Grundsätze vorzeitig beendet und die bis dahin abgegebenen Gebote gestrichen; das berührt indes die Wirksamkeit seines zuvor abgegebenen Angebots nicht.“
Der Schutzzweck fordert damit die Annahme einer aufschiebenden Bedingung nach
§ 158 Abs. 1 BGB gerade nicht; die alleinige Annahme einer auflösenden Bedingung ist ausreichend.
Vertragsschluss wäre nach der hier vertretenen Ansicht damit bei Abgabe des Gebots anzunehmen. Selbstverständlich ist hier auch die andere Ansicht bei entsprechender Argumentation vertretbar, gerade weil diese Frage höchstrichterlich noch nicht geklärt ist. Für Examensklausuren ist dieses Problem, insbesondere in der Verbindung zu
§ 355 Abs. 2 BGB als hochbrisant anzusehen und wird sicher geprüft werden.