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Schlagwortarchiv für: AG München

Gastautor

AG München: Minderungsrecht bei mangelhafter Bewirtung im Restaurant

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Wir freuen uns, (erneut) heute einen Gastbeitrag von Jonas Hensinger veröffentlichen zu können. Der Autor hat in Heidelberg Jura studiert und wartet gerade auf die mündliche Prüfung seines Zweiten Staatsexamens am LG Stuttgart.
Zivilrechtliche Streitigkeiten aus Bewirtungsverträgen sind recht selten Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen, eignen sich ob ihrer Übersichtlichkeit aber sehr gut für eine Klausur im Examen. Gerade eine ausdrückliche Normierung dieses (speziellen) Vertragstyps sucht man im BGB vergebens. Umso mehr lohnt eine kurze Auseinandersetzung mit einer aktuellen Entscheidung des AG München (Urt. v. 18.3.2016, Az: 159 C 601/15) zu besagtem Themenkomplex.
I. Sachverhalt
A betreibt eine Gaststätte, in welcher B seine Hochzeit feierte. Beide schlossen einen Vertrag über die Verpflegung von 170 Erwachsenen zu je 42 € und 26 Kindern zu je 15 €. Die Verpflegung sollte einen Sektempfang mit Gemüse-Sticks, ein Hauptmenü mit Suppe, Fleischplatten und Beilagen sowie ein Abendbuffet mit verschiedenen Vorspeisen, Fisch und Brot umfassen. Darüber hinaus sollten alkoholfreie Getränke, Bier und Wein sowie ein Kindermenü serviert werden.
B zahlte von den vereinbarten 7.530 € nur 3.000 €. A verlangt vom B daher den Restbetrag von 4.530 €. Dieser weigert sich zu zahlen, da für die 150 erschienenen Gäste nur zwei Kellner zur Verfügung gestanden hätten. Die Familie und Freunde des Hochzeitspaares hätten beim Servieren mithelfen müssen. Allein das Servieren der Suppe habe 90 Minuten gedauert. Das spezielle Kinderessen sei nicht serviert worden.
A erhob vor dem AG München Klage auf Zahlung des rückständigen Betrages.
II. Rechtslage
Ein hierauf gerichteter Anspruch könnte sich aus § 611 Abs. 1 BGB ergeben. Danach wird durch einen Dienstvertrag derjenige, welcher Dienste in Anspruch nimmt, zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Fraglich ist aber, ob es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag auch um einen Dienstvertrag handelt.
Ein erstes Problem ergibt sich vorliegend daraus, dass sich der Leistungskatalog des A aus Elementen verschiedener Vertragstypen zusammensetzt. So wurden nicht nur Speisen zubereitet, sondern auch Räumlichkeiten bereitgestellt und eine persönliche Bedienung gewährt. Der vorliegende Vertrag vereint somit Elemente des Kauf-, Miet-, Werk- und Dienstvertrags. Es liegt daher eine Einordnung des Vertrags als sogenannter gemischter Vertrag nahe. Dessen Behandlung ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten.
Grundlegend lassen sich zwei Ansätze voneinander unterscheiden. Während die Absorptionstheorie das Recht der Hauptleistung für alle Vertragsbestandteile verbindlich erklärt, sind laut der Kombinationstheorie die den jeweiligen Komponenten entsprechenden Normen heranzuziehen. Gleichwohl ist unabhängig davon, welchem Ansatz man folgt, stets darauf zu achten, je nach Art der Mischform ausgehend von Parteiwille sowie Sinn und Zweck des Vertrages im Einzelfall einen interessengerechten Ausgleich zu suchen.
Vorliegend wurde vorwiegend der mangelhafte Service gerügt, sodass die Heranziehung des Dienstvertragsrechts insgesamt gerechtfertigt ist. Allein hinsichtlich der unterlassenen Zubereitung der Kindermenüs wäre streng genommen Werkvertragsrecht anzuwenden gewesen, was das AG jedoch (wohl aus Vereinfachungszwecken) unterließ.
Das zweite Problem des Falles liegt nun darin, dass das Dienstvertragsrecht (anders als das Kauf- und Werkvertragsrecht, vgl. §§ 437 Nr. 2, 441 bzw. §§ 634 Nr. 3, 638 BGB) bei mangelhafter Erbringung der Dienstleistung grundsätzlich kein Minderungsrecht, sondern lediglich gem. § 626 BGB ein Recht zur Kündigung oder ggf. über § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz bereitstellt. Deshalb sei der Gast bei verzögerter Bedienung auch nach Auffassung des AG in der Regel auf die Kündigungsmöglichkeit beschränkt.
Für B sei es vorliegend jedoch wegen des festlichen Charakters und der 150-köpfigen Hochzeitsgesellschaft von vornherein ausgeschlossen gewesen, im Hinblick auf die schlechte Bewirtung den Vertrag mit A zu kündigen oder in eine andere Gaststätte zu verlegen. Unter Beachtung der beiderseitigen Vertragsinteressen sei es daher ausnahmsweise gerechtfertigt, B ein Minderungsrecht zuzubilligen. Aus der Pressemitteilung wird zwar dessen dogmatische Herleitung nicht deutlich, jedoch liegt es nahe, dass das AG nach Treu und Glauben eine entsprechende Anwendung der §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB gestattet.
Im Ergebnis stand A nach Auffassung des AG somit nur noch ein um den geminderten Betrag gekürzter Zahlungsanspruch von knapp 2.000 € zu.
Hingegen scheidet eine Minderung bzgl. der zu geringen Gästezahl (150 statt 170) aus. Dieses Risiko trägt der Veranstalter, da das Restaurant bereits für 140 Personen geplant hat und sich hierauf einstellte.
III. Fazit
Die Entscheidung vermag zwar im Ergebnis zu überzeugen. Bedenken ergeben sich jedoch hinsichtlich dessen dogmatischer Anknüpfung. Hier sei am Rande erwähnt, dass das Problem der Minderung im Dienstvertragsrecht häufig auch im arbeitsrechtlichen Kontext eine Rolle spielt. Nach Auffassung des BAG ist eine Minderung des Arbeitsentgelts wegen Schlechtleistung jedoch ausgeschlossen. Dies steht auch in Einklang mit der in § 326 Abs. 1 Satz 2 zum Ausdruck kommenden Wertung, wonach bei einer nicht vertragsgemäßen Leistung der Anspruch auf die Gegenleistung nicht per se entfällt. Der Arbeitgeber könne somit allenfalls bei schuldhafter Schlechtleistung mit einem Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB gegen den Vergütungsanspruch nach §§ 387 ff. BGB aufrechnen. Dieser Lösungsweg erscheint auch vorliegend überzeugender.
Weitere Bedenken ergeben sich schließlich im Hinblick auf die Formulierung der Pressemitteilung, in welcher eine massenhafte Verwendung von Textbausteinen einer Entscheidung des LG Karlsruhe (Urt. v. 12.05.1993, Az: 1 S 196/92) erfolgt, ohne diese als Quelle kenntlich zu machen.

24.03.2016/4 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2016-03-24 11:30:142016-03-24 11:30:14AG München: Minderungsrecht bei mangelhafter Bewirtung im Restaurant
Dr. Sebastian Rombey

AG München: Rücktritt vom Vertrag über Ferienwohnung nur bei Nachfristsetzung zur Mängelbehebung

Mietrecht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Das AG München hat mit rechtskräftigem Urteil vom 26. Juni 2013 entscheiden, dass der Rücktritt von einem Mietvertrag über eine Ferienwohnung nur möglich ist, wenn zuvor eine Nachfrist zur Mängelbehebung gesetzt wurde (AZ 413 C 8060/13).
Die nachfolgenden Überlegungen des AG München bieten Gelegenheit dazu, die Systematik des Schuld- bzw. Mietrechts anhand einer neuartigen Fallkonstellation nachzuvollziehen.
Sachverhalt
Einer Münchenerin gehört ein Ferienhaus in Italien. Dieses vermietet sie über das Internet. Das Mietobjekt wird dort beschrieben als „romantisches Landhaus voller Atmosphäre in einem Naturparadies mit Meerblick“. Der Kläger mietet das Ferienhaus über die besagte Internetseite zu einem Mietpreis i. H. v. 1070 Euro für zwei Wochen an. Der Kläger ist jedoch bei Betreten des Ferienhauses mit dessen Zustand nicht einverstanden und teilt dies der Beklagten mit. Beschreibung und tatsächlicher Zustand des Mietobjektes würden wesentlich voneinander abweichen. Das Grundstück sei verwahrlost, während die Einrichtung teils veraltet und teils defekt sei. Die Münchenerin entgegnete, sie sei mit dem Saubermachen des Objektes noch nicht fertig und benötige noch etwas Zeit. Daraufhin kündigte der Kläger mündlich den Vertrag und reiste ab. Die bereits bezahlte Miete forderte er zurück.
Die Beklagte bestreitet im Nachhinein etwaige Abweichungen von Beschreibung und tatsächlichem Zustand des Hauses. Zudem sei ein gepflegtes Grundstück, welches das Haus umgibt, nicht vertraglich zugesichert worden. Bzgl. des inneren Zustandes des Objektes wiederholte sie ihre Äußerung, dass sie die Räumlichkeiten in kürzester Zeit hätte wieder in Ordnung bringen können.
Entscheidung
Das AG München wies die Klage auf Rückerstattung der bereits bezahlten Miete aus folgenden Gründen ab.

  • Nach der Rechtsauffassung des Gerichts sei das Mietverhältnis nicht wirksam beendet worden, denn die mündliche Kündigung des Klägers sei unwirksam. Der Kläger hätte, um das Formerfordernis des § 568 Abs. 1 BGB zu wahren, die Kündigung schriftlich einreichen müssen.
  • Es bestehe zwar grundsätzlich auch die Möglichkeit, mündlich von einem solchen Mietvertrag zurückzutreten. Dafür müsse dem Vermieter aber zunächst eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt werden.Es sei dem Kläger zumutbar gewesen, zuerst eine Nachfrist zur Nacherfüllung zu setzen, bevor der Rücktritt vom Vertrag erklärt wird. So wäre es der Vermieterin möglich gewesen, entweder den Zustand des Mietobjektes zu verbessern oder dem Beklagten eine andere Unterkunft anzubieten. Gerade weil eine Verbesserung der Gesamtsituation für den Mieter hier problemlos und ohne lange Wartezeiten hätte erfolgen können, nahm das Gericht die Zumutbarkeit der Fristsetzung an.
  • Letztlich lehnt das Gericht auch die Möglichkeit einer Mietminderung im Sinne des § 536 BGB ab. Die Gebrauchsmöglichkeiten der Wohnung seinen nicht in erheblicher Weise eingeschränkt gewesen, außerdem sei bei dem Gestaltungsrecht der Minderung der ohnehin niedrige Mietpreis des Domizils zu berücksichtigen. Des Weiteren müsse in südlichen Ländern grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass einerseits der Qualitätsstandard der Wohnungseinrichtung nicht dem des Inlandes entspreche und andererseits Ferienhäuser durch häufig wechselnde Mieter ohnehin einer stärkeren Abnutzung unterlägen als andere Mietobjekte.
29.08.2014/0 Kommentare/von Dr. Sebastian Rombey
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Sebastian Rombey https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Sebastian Rombey2014-08-29 08:00:452014-08-29 08:00:45AG München: Rücktritt vom Vertrag über Ferienwohnung nur bei Nachfristsetzung zur Mängelbehebung
Maria Lohse

AG München: Keine Reisepreisminderung bei verunreinigtem Badestrand

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Reiserecht, Startseite, Zivilrecht

Das AG München hat mit mittlerweile rechtskräftigem Urteil vom 16.01.2013 (Az.: 132 C 15965/12) entschieden, dass ein verunreinigter Badestrand, der zu einer Erkrankung der Urlauber führt, nicht zur Minderung des Reisepreises gegenüber dem Reiseveranstalter berechtigt, wenn die Verunreinigung nicht in dessen Einflussbereich liegt.

Sachverhalt:

Die Klägerin K buchte für sich und ihre Familie bei dem Reiseunternehmen R für Oktober 2011 eine dreiwöchige Pauschalreise in die Türkei. Der dafür zu entrichtende Reisepreis betrug 2079,- €. Bereits eine Woche nach Ankunft der Familie am Urlaubsort erkrankten alle Reisenden an Fieber und Durchfall, weswegen die K selbst sogar 2 Tage in ein Krankenhaus eingeliefert und stationär behandelt werden musste.

Nachdem die Familie nach Deutschland zurück gekehrt war, verlangte K von R die Rückerstattung von 60% des Reisepreises sowie einen zusätzlichen Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit. Sie behauptet, die Erkrankung der ganzen Familie beruhe kausal auf dem mit Fäkalien verunreinigtem Badestrand in unmittelbarer Nähe der Unterkunft. Der Gesamtbetrag, den K von R forderte, betrug 2910,- €.

R lehnte jede Zahlung an K ab und trug vor, es könne nichts für die Verunreinigung des Badestrandes. Dies sei vielmehr bedingt gewesen durch ein defektes Kanalisationsrohr der Gemeinde. Darauf habe R keinen Einfluss nehmen können und hätte davon auch nichts gewusst.

Entscheidung:

Das AG München lehnte einen Minderungs- und Schadensersatzanspruch der K ab und wies die Klage ab.

I. Rückerstattung des Reisepreises, §§ 651 d I 2, 638 IV BGB

Zunächst kommt ein Recht auf Rückforderung des wegen wirksamer Minderung zu viel gezahlten Reisepreises gemäß §§ 651 d I 2, 638 IV in Betracht. Dessen Voraussetzungen müssten erfüllt sein.

1. Reisevertrag, § 651 a BGB

Ein Reisevertrag setzt nach

§ 651 a I 1 BGB zunächst voraus, dass der Reiseveranstalter sich dem Reisenden gegenüber zur Erbringung einer Gesamtheit von Reiseleistungen verpflichtet.

Vorliegend buchte K für sich und ihre Familie als Mitreisende bei R eine Pauschalreise. Eine solche ist der typische Anwendungsfall des Reiserechts. Dabei sichert der Reiseunternehmer dem Reisenden die Erbringung einer Gesamtheit von Reiseleistungen, üblicherweise zumindest die Beförderung zum und vom Urlaubsort sowie die Unterbringung vor Ort zu. Bei dem zwischen R und K geschlossenen Vertrag handelt es sich daher um einen Reisevertrag im Sinne des § 651 a I 1 BGB.

2. Mangel, § 651 c I BGB

Die Reise müsste weiterhin mangelhaft gewesen sein. Das ist der Fall, wenn eine Teilleistung der Gesamtleistung „Reise“ derart mangelbehaftet ist, dass dieser Mangel sich auf die gesamte Reise auswirkt und sie mangelhaft werden lässt.

Ein Mangel liegt vor, wenn entweder die Reise mit Fehlern behaftet ist, welche den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern, also die Istbeschaffenheit einer Reiseleistung negativ von deren Sollbeschaffenheit abweicht und sich dieser Fehler auf das Gesamtpaket „Reise“ negativ auswirkt, oder vom Reiseveranstalter explizit zugesicherte Eigenschaften der Reise nicht gegeben sind.

Vorliegend macht K geltend, die gesamte Reise sei durch den verunreinigten Badestrand und die dadurch verursachte Erkrankung aller Reisenden mangelhaft gewesen. Fraglich ist jedoch, ob darin ein Mangel der Reise gesehen werden kann. Das AG München führt hierzu aus, dass ein Mangel der Reise nicht vorgetragen sei. Es müsse sich dabei nämlich um einen Mangel handeln, der dem Reiseunternehmen auch zugerechnet werden könne. Vorliegend wäre es jedoch so, dass R gar keinen Einfluss auf die Verunreinigung des Badestrandes gehabt hätte, sodass diese Abweichung von den Erwartungen der Reisenden ihm nicht zugerechnet werden könne. Die dadurch mutmaßlich verursachte Erkrankung der Reisenden sei daher nicht bedingt durch eine dem R vorwerfbare mangelhafte Erbringung einer Reiseleistung.

Das Vorliegen eines zur Minderung des Reisepreises tauglichen Reisemangels lehnte das AG daher ab.

3. Informationspflichtverletzung

In Betracht kommt zudem eine Minderung des Reisepreises wegen Informationspflichtverletzung durch R. Eine Minderung wegen positiver Informationspflichtverletzung kommt im Reiserecht nach gefestigter Rechtsprechung in Betracht, wenn sich die verschwiegene Information auf wesentliche negative Abweichungen von der geschuldeten Hauptleistung bezieht. Von wesentlichen Reisemängeln ist in der Regel dann auszugehen, wenn diese im Ergebnis eine Kündigung des Reisevertrages gem. §

BGB rechtfertigen würden. Insoweit muss sich die Informationspflichtverletzung in anschließenden wesentlichen Reisemängeln widerspiegeln.

Auch eine hierauf gestützte Minderung des Reisepreises kommt folgerichtig nicht in Betracht. Zum einen wurde oben bereits das Vorliegen eines tatsächlichen, dem R zurechenbaren Reisemangels verneint. Zum anderen hatte R nach eigenem unbestrittenen Vortrag auch keinerlei Kenntnis vom gesundheitsgefährdenden Zustand des Badestrandes.

4. Ergebnis

Eine Rückerstattung von 60% des Reisepreises kommt weder unter dem Aspekt des Vorliegens eines Reisemangels, noch unter dem der positiven Informationspflichtverletzung in Betracht.

II. Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubzeit, § 651 f II, I BGB

Möglicherweise kommt jedoch ein Schadensersatzanspruch der K gegen R wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Betracht. Dazu müssten die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen.

1. Reisevertrag, § 651 a BGB

Wie oben bereits ausgeführt, handelt es sich bei der Pauschalreise um den typischen Anwendungsfall des Reiserechts. Ein Reisevertrag liegt vor.

2. Zu vertretender Mangel, §§ 651 c I, 651 f BGB

Auch im Rahmen des Schadensersatzanspruchs aus § 651 f kann nichts anderes gelten als oben zur Minderung des Reisepreises ausgeführt. Die K hat nach Ansicht des AG München einen Reisemangel nicht dargelegt. Selbst sofern ein solcher konstruiert werden könnte, hätte das Reiseunternehmen R diesen keinesfalls zu vertreten, da es an einer Einflussnahmemöglichkeit fehlte.

3. Ergebnis

Auch der Anspruch der K auf Schadensersatz aus § 651 f II, I BGB scheitert am Vorliegen eines tauglichen und vertretbaren Reisemangels.

III. Gesamtergebnis

Die K hat damit nach Ansicht des AG München weder einen Anspruch auf anteilige Rückerstattung des Reisepreises aus wirksamer Minderung, noch auf Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Stellungnahme:

Dem Urteil des AG München ist zuzustimmen. Zwar entspricht der Gesamtverlauf der Reise sicher nicht den berechtigten Erwartungen der Urlauber. Es wäre jedoch unbillig, den Reiseveranstalter dafür zur Verantwortung zu ziehen, wenn ihm ersichtlich jede Möglichkeit zur Einflussnahme fehlte und auch keine Kenntnis vorlag. Das Verantwortung traf hier eine dritte Partei, nämlich die Gemeinde, die das defekte Kanalisationsrohr nicht austauschte. Die Ansprüche Reisender nach dem Reisevertragsrecht bedürfen offensichtlich einer Einschränkung in Fällen, in denen die tatsächliche Mangelhaftigkeit realer Gegebenheiten keinen Bezug im Sinne einer Einflussnahmemöglichkeit zu dem Reisevertrag aufweist. Nichts anderes gilt letztlich für jeden anderen besonders geregelten Vertragstyp, auch wenn zugegebenermaßen die Abgrenzung beim Reisevertrag wegen der Offenheit der Gesamtleistung für Störungen von außen schwerer fallen mag.

Die Entscheidung ist mit Blick auf das erste Staatsexamen lesenswert, da hier die Voraussetzungen eines Reisemangels konkretisiert werden. Auch kann sie Anlass geben, sich noch einmal mit einem ursprünglichen Anwendungsfall des von der Rechtsprechung entwickelten Kommerzialisierungsgedankens, der mittlerweile gesetzliche Regelung erfahren hat, auseinanderzusetzen: Dem Schadensersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nach § 651 f II BGB.

19.09.2013/0 Kommentare/von Maria Lohse
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Maria Lohse https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Maria Lohse2013-09-19 15:00:012013-09-19 15:00:01AG München: Keine Reisepreisminderung bei verunreinigtem Badestrand
Maria Lohse

AG München: Minderung des Reisepreises und Schadensersatz

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Reiserecht, Startseite, Zivilrecht

Mit Urteil vom 21.02.2013 hat das AG München (Az.: 244 C 15777/12) entschieden, dass der Reisepreis wegen Abweichungen der Umgebung der Unterkunft von den zuvor festgelegten Kriterien gemindert und etwaige dadurch entstandene Mehraufwendungen im Wege des Schadensersatzes herausverlangt werden können. Eine Minderung wegen Informationspflichtverletzung ist zudem möglich, wenn dem Reisenden erst bei Ankunft am Urlaubsort mitgeteilt wird, dass die ursprünglich vorgesehene Unterkunft nicht zur Verfügung stehe und ein Ausweichen auf eine andere Unterkunft daher erforderlich sei.

Sachverhalt

Die Mutter M buchte für sich und ihre beiden Töchter im August 2010 ein Appartement auf der griechischen Insel Korfu für 14 Tage zu einem Preis von insgesamt 2008,- €. Bei den Vertragsverhandlungen gab sie explizit an, dass unbedingte Voraussetzung für die Buchung eine direkte Strandlage sowie das Vorhandensein ausreichender Einkaufsmöglichkeiten vor Ort seien. Am Urlaubsort angekommen wurde ihr eine andere als die zuvor geplante Ferienwohnung zugewiesen, welche ca. 250 m vom Strand entfernt lag und in deren Nähe sich einzig ein „Minimarkt“ als Einkaufsmöglichkeit befand. Die M bemängelte zwar umgehend die geänderte Unterbringung. Abhilfe wurde jedoch nicht geschaffen. Die Familie bezog daraufhin die Wohnung. Während des Urlaubsaufenthaltes ging sie mehrfach Essen. Nach der Rückkehr aus dem Urlaub wendete sich die M an den Reiseunternehmer R, der seinerseits nicht Eigentümer der Ferienwohnung war, mit dem Begehren, einen Teil der Reisekosten erstattet zu erhalten, da das eigentlich für sie vorgesehene Appartement, das ihren klar geäußerten Wünschen bei der Buchung entsprochen hätte, nicht zur Verfügung gestanden hatte. Auch verlangte sie die Erstattung eines Teils der angefallenen Verpflegungskosten. Der R wandte ein, das Vorhandensein eines „Minimarktes“ vor Ort sei ausreichend gewesen, um sich selbst zu versorgen und die unmittelbare Strandnähe sei bei einer Entfernung von 250 m ebenfalls gegeben. Er verweigerte daher jegliche Zahlung.

Entscheidung:

Das AG München sprach der Reisenden ein Recht zur Minderung in Höhe von insgesamt 20% des Reisepreises sowie einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Mehraufwendungen durch das auswärtige Essengehen mit mittlerweile rechtskräftigem Urteil zu.

I. Rückerstattung Reisepreis, §§ 651 d I 2, 638 IV BGB

 

Zunächst kommt ein Recht auf Rückforderung des wegen wirksamer Ausübung des Minderungsrechts zu viel gezahlten Reisepreises gemäß §§ 651 d I 2, 638 IV in Betracht. Dessen Voraussetzungen müssten dann erfüllt sein.

 

1. Reisevertrag, § 651 a BGB

 

Ein Reisevertrag setzt nach § 651 a I 1 BGB zunächst voraus, dass der Reiseveranstalter sich dem Reisenden gegenüber zur Erbringung einer Gesamtheit von Reiseleistungen verpflichtet. Vorliegend vermittelte jedoch der R lediglich eine Ferienwohnung an die M und verpflichtete sich ansonsten nicht zur Erbringung darüber hinausgehender Leistungen. Eine „Gesamtheit von Reiseleistungen“ war daher nicht Gegenstand des vorliegenden Vertrages.

Allerdings entspricht es höchstrichterlicher Rechtsprechung, insbesondere bei Ferienhausverträgen die Vorschriften des Reisevertragsrechts entsprechend anzuwenden (z.B. BGH NJW 1985, 906), sofern nicht der Reiseunternehmer selbst Eigentümer der entsprechenden Wohnung ist. In letzterem Fall soll sich das Verhältnis zwischen ihm und dem Reisenden ausschließlich nach Mietrecht bestimmen.

Vorliegend war der Reiseunternehmer nicht Eigentümer der Ferienwohnungen. Reisevertragsrecht ist daher vorliegend entsprechend anwendbar.

Ein Vertrag wurde zwischen der Reisenden und dem Reiseunternehmer auch wirksam geschlossen.

 

2. Mangel, § 651 c I BGB

 

Die Reise müsste zudem mangelhaft sein gemäß § 651 c I BGB. Das ist der Fall, wenn entweder die zugesicherten Eigenschaften fehlen oder die Reise mit Fehlern behaftet ist, welche den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.

Grundsätzlich ist ein Mangel der Reise bei Pauschalreisen nur zu bejahen, wenn ein Teil der Reise mangelhaft ist, dessen Mangelhaftigkeit sich negativ auf das gesamte Paket an Reiseleistungen auswirkt. Vorliegend bestand jedoch die Pflicht allein in der Beschaffung einer Ferienwohnung, die den Anforderungen entsprach, die bei Vertragsschluss vereinbart wurden. Diese allein kann folglich mangelhaft sein.

In Betracht kommt hier ein Abweichen der Unterkunft von der zugesicherten Eigenschaft.

Die Reisende M hat vorliegend gegenüber R deutlich gemacht, dass sie besonderen Wert darauf lege, dass die Wohnung in unmittelbarer Strandnähe liege. Dies wurde sogar zur unbedingten Buchungsvoraussetzung erhoben. Es handelte sich also um zugesicherte Eigenschaften im Sinne des § 651 c I BGB.

Fraglich ist, ob auch eine Abweichung davon vorliegt. Der R trägt vor, bei einer Entfernung der Wohnung vom Strand von 250 m sei eine unmittelbare Strandnähe zu bejahen. Das lehnte das AG aber ab. Nach seiner Ansicht ermögliche lediglich eine unmittelbare Strandlage ein spontanes und unkompliziertes Schwimmengehen am Morgen und sei daher nicht mit zusätzlichem Aufwand verbunden. Anders sei es bei einer Entfernung von mindestens 250 m, die es erforderlich mache, sich entsprechend zu kleiden und jeweils eine Strecke zu Fuß zu gehen. Folglich wich die Wohnung hier von der zugesicherten Eigenschaft unmittelbarer Strandnähe ab.

 

3. Minderung

 

Auch müsste die Minderung des Reisepreises eingetreten sein. Dies ist abweichend von den Regelungen im Werkvertrags- und Kaufrecht schon dann der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 651 d BGB vorliegen. Die Minderung tritt hier also automatisch ein und ist nicht von der Ausübung des Minderungsrechts abhängig.

Die Reiseleistung Ferienunterkunft war während der Dauer der gesamten Reise mangelhaft. Auch hatte M nach § 651 d II BGB den Mangel unmittelbar bei Ankunft auf Korfu angezeigt.

Die Minderungsquote bestimmt sich nach § 638 III BGB, der über § 651 d I BGB anwendbar ist. Danach ist die Vergütung in dem Maße herabzusetzen, in welchem der Wert der Reise in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert der Reise gestanden haben würde. Das AG hielt eine Minderungsquote von 5 % hier für angemessen.

 

4. Informationspflichtverletzung

 

Das AG hat weiterhin eine selbständige Minderung des Reisepreises wegen vorsätzlicher Informationspflichtverletzung durch den R angenommen. Eine Minderung wegen positiver Informationspflichtverletzung kommt im Reiserecht nach gefestigter Rechtsprechung in Betracht, wenn sich die verschwiegene Information auf wesentliche negative Abweichungen von der geschuldeten Hauptleistung bezieht. Von wesentlichen Reisemängeln ist in der Regel dann auszugehen, wenn diese im Ergebnis eine Kündigung des Reisevertrages gem. § BGB rechtfertigen würden. Insoweit muss sich die Informationspflichtverletzung in anschließenden wesentlichen Reisemängeln widerspiegeln.

Vorliegend unterließ der R es, die M vor Reiseantritt darüber in Kenntnis zu setzen, dass ihr eine Ersatzunterkunft statt der zunächst vertraglich vereinbarten Ferienwohnung zur Verfügung gestellt werde. Diese Ersatzunterkunft litt an Mängeln, die in der Lage begründet waren, welche von der zugesicherten Lage abwichen. Diese Mängel hätten auch eine Kündigung der Reise durch M getragen. Daher handelte es sich bei der verschwiegenen Information vorliegend um eine die Minderung auslösende Informationspflichtverletzung.

Das AG München hielt für selbige eine Minderungsquote in Höhe von 15% des Reisepreises für angemessen.

 

5. Ergebnis

 

Die M kann Rückgewähr des Reisepreises in Höhe von 20% aufgrund wirksamer Minderung verlangen.

 

II. Schadensersatz, § 651 f BGB

 

Möglicherweise kann M zudem Schadensersatz in Höhe der Mehraufwendungen verlangen, die ihr durch das auswärtige Essengehen entstanden sind. Grundsätzlich kann gemäß § 651 f I BGB ein Schadensersatz auch neben der Minderung des Reisepreises geltend gemacht werden.

 

1. Reisevertrag, § 651 a BGB

 

Wie oben dargestellt, liegt ein Reisevertrag vor.

 

2. Mangel, § 651 c I BGB

 

Es könnte wiederum an einer zugesicherten Eigenschaft dadurch fehlen, dass in unmittelbarer Nähe der Unterkunft lediglich ein „Minimarkt“ zur Deckung der erforderlichen Verpflegung vorhanden war.

Vertraglich vereinbart wurde, dass nahegelegene Einkaufsmöglichkeiten im Umfeld der Ferienwohnung vorhanden sein müssen. Fraglich ist, ob dafür das Vorhandensein eines „Minimarktes“ in 800 m Entfernung ausreichend sein kann.

Dies lehnte das AG München ab, da ein „Minimarkt“ schon seiner Bezeichnung entsprechend nicht mit einem regulären Supermarkt vergleichbar sei. Das vorhandene Warenangebot sei demgegenüber erheblich eingeschränkt. Daher sei ein solcher „Minimarkt“ auch nicht dazu geeignet, die Verpflegung über insgesamt 14 Tage in zumutbarer Art und Weise zu ermöglichen.

Ein Mangel liegt daher in Form der Abweichung von einer zugesicherten Eigenschaft vor.

 

3. Vertretenmüssen

 

Das Vertretenmüssen des R wird gemäß § 651 f I BGB vermutet. Eine Exkulpation ist nicht ersichtlich.

 

4. Schaden

 

Der Schaden, der der M entstanden ist, besteht nach der Differenzhypothese in den Mehraufwendungen für das häufigere Auswärtsessen im Vergleich zu den Kosten, die bei einer Selbstverpflegung durch Einkauf in einem nahe gelegenen Supermarkt entstanden wären.

 

5. Ergebnis

 

Der M steht auch ein Schadensersatzanspruch in Höhe der tatsächlich entstandenen Mehraufwendungen zu.

 

Stellungnahme:

Die vorliegende Entscheidung bietet zunächst neue Erkenntnisse, indem sie das fehlende Vorhandensein adäquater Einkaufsmöglichkeiten und fehlende unmittelbare Strandnähe zu Abweichungen zusicherbarer Eigenschaften erhebt. Zudem bietet sie Gelegenheit, sich mit einigen Besonderheiten des Reisevertragsrechts erneut zu befassen: Die Tatsache, dass ein Mangel sich aus der Zusicherung von Eigenschaften ergeben kann, die – anders als im Kaufrecht beispielsweise – nicht Vertragsinhalt geworden sind, stellt eine solche Besonderheit dar. Auch wird hier erneut die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Reisvertragsrechts über den Wortlaut des § 651 a BGB hinaus verdeutlicht. Eine entsprechende Anwendung wurde höchstrichterlich nicht nur für die Vermietung einer Ferienwohnung ohne weitere Reiseleistungen, sondern zum Beispiel auch bereits für die Charterung einer Yacht bejaht (BGH NJW 1995, 2629). Zudem werden abermals die Voraussetzungen konkretisiert, die an die Information zu stellen sind, deren Verletzung zu einer Minderung des Reisepreises führen kann.

Die vorliegende Entscheidung ist wegen ihrer Kombination aus altbekannten Grundsätzen und Konkretisierung im aktuellen Fall daher jedem Examenskandidaten ans Herz zu legen.

 

21.08.2013/0 Kommentare/von Maria Lohse
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Maria Lohse https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Maria Lohse2013-08-21 11:00:532013-08-21 11:00:53AG München: Minderung des Reisepreises und Schadensersatz
Dr. Marius Schäfer

AG München: Nutzung eines Tiefgaragenstellplatzes im Lichte der Reichsgaragenordnung

BGB AT, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

Leitsatz des Verfassers
Garagen und Stellplätze dürfen vom jeweiligen Mieter grundsätzlich nur im Rahmen des Vertragszweckes genutzt werden, wobei es sich bei Tiefgaragenstellplätzen nicht um einen geschlossenen Raum, sondern lediglich um eine solche ungeschützte Fläche handelt, die sich für das Abstellen eines PKWs eignet.
 
Sachverhalt (verkürzt)
In dem vor dem Amtsgericht München (AZ 433 C 7448/12) verhandelten Fall vom 21.11.2012 ging es um einen von einem Münchner Ehepaar angemieteten Tiefgaragenstellplatz, der im Rahmen des Mietvertrages zu der von diesem gemieteten Wohnung gehörte. Das Ehepaar nutzte den Stellplatz allerdings überwiegend nicht dafür, hierauf einen PKW abzustellen, sondern vielmehr dazu, dort Kartons sowie Plastikmaterial zu lagern. Eine Aufforderung der Vermieterin zu einer Unterlassung einer solchen Nutzung blieb fruchtlos, sodass sie Klage vor dem AG mit der Begründung erhob, der Tiefgaragenstellplatz sei für eine derartige Nutzung nicht vorgesehen. Nicht zuletzt bestünden daneben feuerpolizeiliche Bedenken. Das AG München gab der Klage schließlich statt.
 
Rechtliche Würdigung
Im Hinblick auf die wesentliche Problematik dieses Falles führte das AG zunächst aus, dass ein Mietobjekt – wie eine Garage oder ein Stellplatz – vom Mieter grundsätzlich nur im Sinne des Vertragszweckes genutzt werden dürfe. Soweit es aber an einer solchen ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung fehle und insofern eine Regelungslücke im Mietvertrag bestehe, sei der Umfang der Gebrauchsgewährung der Mietsache durch Auslegung zu ermitteln.
1. Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung
Anhand dieser Überlegungen besteht Grund genug dafür, sich die Grundsätze einer ergänzenden Vertragsauslegung im Sinne der §§ 133,157 BGB zu vergegenwärtigen: Nach der Rechtsprechung des BGH ergibt sich in Bezug auf die ergänzende Vertragsauslegung, dass eine durch Auslegung zu schließende Vertragslücke nur dann vorliege,

„wenn der Vertrag innerhalb des durch ihn gesteckten Rahmens oder innerhalb der wirklich gewollten Vereinbarungen ergänzungsbedürftig ist.“ [1]

Es sei überdies stets darauf abzustellen,

„was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten.“ [2]

Zwar sei dabei zunächst an den Vertrag selbst in Form der enthaltenen Regelungen bzw. Wertungen anzuknüpfen, doch solle der Sinn und Zweck des Vertrages jedenfalls der Ausgangspunkt der Vertragsergänzung sein. Als immanente Grenze dürfe die Auslegung des Vertrages

„nicht zu einer Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen und […] muss in dem Vertrag auch eine Stütze finden.“ [3]

Von daher gilt es im Ergebnis mithin, den hypothetischen rechtsgeschäftlichen Willen der Vertragsparteien zu bestimmen und angemessen zu berücksichtigen.
2. Anwendung der Grundsätze im kontreten Fall 
Offensichtlich war dem AG München auch die Bestimmung des hypothetischen rechtsgeschäftlichen Willens der Parteien dieses Mietvertrages nur schwerlich möglich, sodass sich das Gericht dazu veranlasst sah, im Grunde über die oben genannten Grundsätze hinauszugehen und als zusätzlichen Anhaltspunkt die Bestimmungen der Reichsgaragenordnung (RGaO) vom 17.02.1939 heranzuziehen. Demnach sind sog. „Einstellplätze“ gemäß § 1 I RGaO „unbebaute oder mit Schutzdächern versehene, weder dem ruhenden noch dem fließenden öffentlichen Verkehr dienende Flächen, die zum Einstellen von Kraftfahrzeugen bestimmt sind.“
Im Lichte dieser ergänzenden Heranziehung sei selbst ein vorliegendes Einverständnis der Klägerin zum Abstellen eines Fahrrades als ein zusätzliches Entgegenkommen zu bewerten. Gerade aber das Abstellen solcher sonstigen Gegenstände, die die Beklagten vermehrt auf dem Tiefgaragenstellplatz zu platzieren beliebten, könne von diesem Einverständnis nicht erfasst werden. Die Kartons und das Plastikmaterial seien laut Urteil des AG München schließlich zu entfernen, sodass der Klage stattgegeben wurde.
 
Bewertung
Zunächst einmal mutet die Heranziehung der Regelungen der Reichsgaragenordnung seltsam an, wird man den Parteien doch unterstellen müssen, dass sie im Wege der Bestimmung auch des hypothetischen Parteiwillens schon gar nicht an eine solche Reichweite zu denken vermocht haben, wenngleich die Reichsgaragenordnung in gewissen Teilen immer noch eine rechtliche Gültigkeit innerhalb der Bundesrepublik Deutschland und seiner Gliedstaaten – wie dem Freistaat Bayern – besitzt. Die Definition eines Einstellplatzes ist insoweit also nicht von vornherein ungeeignet den (hypothetischen) Willen der Vermieterin festzustellen, für welche Art der Nutzung diese dazu bereit ist ein Mietverhältnis über die Mietsache einzugehen. Für den Studenten eignet sich dieser kleine „Ausflug“ in die Reichsgaragenordnung jedenfalls, sich die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung vor Augen zu führen.

 


[1] BGHZ 77, 301 (304).
[2] BGHZ 169, 215 (219).
[3] BGHZ 9, 273; BGHZ 40, 91 (103).

22.02.2013/0 Kommentare/von Dr. Marius Schäfer
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