Wir freuen uns, (erneut) heute einen Gastbeitrag von Jonas Hensinger veröffentlichen zu können. Der Autor hat in Heidelberg Jura studiert und wartet gerade auf die mündliche Prüfung seines Zweiten Staatsexamens am LG Stuttgart.
Zivilrechtliche Streitigkeiten aus Bewirtungsverträgen sind recht selten Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen, eignen sich ob ihrer Übersichtlichkeit aber sehr gut für eine Klausur im Examen. Gerade eine ausdrückliche Normierung dieses (speziellen) Vertragstyps sucht man im BGB vergebens. Umso mehr lohnt eine kurze Auseinandersetzung mit einer aktuellen Entscheidung des AG München (Urt. v. 18.3.2016, Az: 159 C 601/15) zu besagtem Themenkomplex.
I. Sachverhalt
A betreibt eine Gaststätte, in welcher B seine Hochzeit feierte. Beide schlossen einen Vertrag über die Verpflegung von 170 Erwachsenen zu je 42 € und 26 Kindern zu je 15 €. Die Verpflegung sollte einen Sektempfang mit Gemüse-Sticks, ein Hauptmenü mit Suppe, Fleischplatten und Beilagen sowie ein Abendbuffet mit verschiedenen Vorspeisen, Fisch und Brot umfassen. Darüber hinaus sollten alkoholfreie Getränke, Bier und Wein sowie ein Kindermenü serviert werden.
B zahlte von den vereinbarten 7.530 € nur 3.000 €. A verlangt vom B daher den Restbetrag von 4.530 €. Dieser weigert sich zu zahlen, da für die 150 erschienenen Gäste nur zwei Kellner zur Verfügung gestanden hätten. Die Familie und Freunde des Hochzeitspaares hätten beim Servieren mithelfen müssen. Allein das Servieren der Suppe habe 90 Minuten gedauert. Das spezielle Kinderessen sei nicht serviert worden.
A erhob vor dem AG München Klage auf Zahlung des rückständigen Betrages.
II. Rechtslage
Ein hierauf gerichteter Anspruch könnte sich aus § 611 Abs. 1 BGB ergeben. Danach wird durch einen Dienstvertrag derjenige, welcher Dienste in Anspruch nimmt, zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Fraglich ist aber, ob es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag auch um einen Dienstvertrag handelt.
Ein erstes Problem ergibt sich vorliegend daraus, dass sich der Leistungskatalog des A aus Elementen verschiedener Vertragstypen zusammensetzt. So wurden nicht nur Speisen zubereitet, sondern auch Räumlichkeiten bereitgestellt und eine persönliche Bedienung gewährt. Der vorliegende Vertrag vereint somit Elemente des Kauf-, Miet-, Werk- und Dienstvertrags. Es liegt daher eine Einordnung des Vertrags als sogenannter gemischter Vertrag nahe. Dessen Behandlung ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten.
Grundlegend lassen sich zwei Ansätze voneinander unterscheiden. Während die Absorptionstheorie das Recht der Hauptleistung für alle Vertragsbestandteile verbindlich erklärt, sind laut der Kombinationstheorie die den jeweiligen Komponenten entsprechenden Normen heranzuziehen. Gleichwohl ist unabhängig davon, welchem Ansatz man folgt, stets darauf zu achten, je nach Art der Mischform ausgehend von Parteiwille sowie Sinn und Zweck des Vertrages im Einzelfall einen interessengerechten Ausgleich zu suchen.
Vorliegend wurde vorwiegend der mangelhafte Service gerügt, sodass die Heranziehung des Dienstvertragsrechts insgesamt gerechtfertigt ist. Allein hinsichtlich der unterlassenen Zubereitung der Kindermenüs wäre streng genommen Werkvertragsrecht anzuwenden gewesen, was das AG jedoch (wohl aus Vereinfachungszwecken) unterließ.
Das zweite Problem des Falles liegt nun darin, dass das Dienstvertragsrecht (anders als das Kauf- und Werkvertragsrecht, vgl. §§ 437 Nr. 2, 441 bzw. §§ 634 Nr. 3, 638 BGB) bei mangelhafter Erbringung der Dienstleistung grundsätzlich kein Minderungsrecht, sondern lediglich gem. § 626 BGB ein Recht zur Kündigung oder ggf. über § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz bereitstellt. Deshalb sei der Gast bei verzögerter Bedienung auch nach Auffassung des AG in der Regel auf die Kündigungsmöglichkeit beschränkt.
Für B sei es vorliegend jedoch wegen des festlichen Charakters und der 150-köpfigen Hochzeitsgesellschaft von vornherein ausgeschlossen gewesen, im Hinblick auf die schlechte Bewirtung den Vertrag mit A zu kündigen oder in eine andere Gaststätte zu verlegen. Unter Beachtung der beiderseitigen Vertragsinteressen sei es daher ausnahmsweise gerechtfertigt, B ein Minderungsrecht zuzubilligen. Aus der Pressemitteilung wird zwar dessen dogmatische Herleitung nicht deutlich, jedoch liegt es nahe, dass das AG nach Treu und Glauben eine entsprechende Anwendung der §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB gestattet.
Im Ergebnis stand A nach Auffassung des AG somit nur noch ein um den geminderten Betrag gekürzter Zahlungsanspruch von knapp 2.000 € zu.
Hingegen scheidet eine Minderung bzgl. der zu geringen Gästezahl (150 statt 170) aus. Dieses Risiko trägt der Veranstalter, da das Restaurant bereits für 140 Personen geplant hat und sich hierauf einstellte.
III. Fazit
Die Entscheidung vermag zwar im Ergebnis zu überzeugen. Bedenken ergeben sich jedoch hinsichtlich dessen dogmatischer Anknüpfung. Hier sei am Rande erwähnt, dass das Problem der Minderung im Dienstvertragsrecht häufig auch im arbeitsrechtlichen Kontext eine Rolle spielt. Nach Auffassung des BAG ist eine Minderung des Arbeitsentgelts wegen Schlechtleistung jedoch ausgeschlossen. Dies steht auch in Einklang mit der in § 326 Abs. 1 Satz 2 zum Ausdruck kommenden Wertung, wonach bei einer nicht vertragsgemäßen Leistung der Anspruch auf die Gegenleistung nicht per se entfällt. Der Arbeitgeber könne somit allenfalls bei schuldhafter Schlechtleistung mit einem Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB gegen den Vergütungsanspruch nach §§ 387 ff. BGB aufrechnen. Dieser Lösungsweg erscheint auch vorliegend überzeugender.
Weitere Bedenken ergeben sich schließlich im Hinblick auf die Formulierung der Pressemitteilung, in welcher eine massenhafte Verwendung von Textbausteinen einer Entscheidung des LG Karlsruhe (Urt. v. 12.05.1993, Az: 1 S 196/92) erfolgt, ohne diese als Quelle kenntlich zu machen.
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