AG München: Minderung des Reisepreises und Schadensersatz
Mit Urteil vom 21.02.2013 hat das AG München (Az.: 244 C 15777/12) entschieden, dass der Reisepreis wegen Abweichungen der Umgebung der Unterkunft von den zuvor festgelegten Kriterien gemindert und etwaige dadurch entstandene Mehraufwendungen im Wege des Schadensersatzes herausverlangt werden können. Eine Minderung wegen Informationspflichtverletzung ist zudem möglich, wenn dem Reisenden erst bei Ankunft am Urlaubsort mitgeteilt wird, dass die ursprünglich vorgesehene Unterkunft nicht zur Verfügung stehe und ein Ausweichen auf eine andere Unterkunft daher erforderlich sei.
Sachverhalt
Die Mutter M buchte für sich und ihre beiden Töchter im August 2010 ein Appartement auf der griechischen Insel Korfu für 14 Tage zu einem Preis von insgesamt 2008,- €. Bei den Vertragsverhandlungen gab sie explizit an, dass unbedingte Voraussetzung für die Buchung eine direkte Strandlage sowie das Vorhandensein ausreichender Einkaufsmöglichkeiten vor Ort seien. Am Urlaubsort angekommen wurde ihr eine andere als die zuvor geplante Ferienwohnung zugewiesen, welche ca. 250 m vom Strand entfernt lag und in deren Nähe sich einzig ein „Minimarkt“ als Einkaufsmöglichkeit befand. Die M bemängelte zwar umgehend die geänderte Unterbringung. Abhilfe wurde jedoch nicht geschaffen. Die Familie bezog daraufhin die Wohnung. Während des Urlaubsaufenthaltes ging sie mehrfach Essen. Nach der Rückkehr aus dem Urlaub wendete sich die M an den Reiseunternehmer R, der seinerseits nicht Eigentümer der Ferienwohnung war, mit dem Begehren, einen Teil der Reisekosten erstattet zu erhalten, da das eigentlich für sie vorgesehene Appartement, das ihren klar geäußerten Wünschen bei der Buchung entsprochen hätte, nicht zur Verfügung gestanden hatte. Auch verlangte sie die Erstattung eines Teils der angefallenen Verpflegungskosten. Der R wandte ein, das Vorhandensein eines „Minimarktes“ vor Ort sei ausreichend gewesen, um sich selbst zu versorgen und die unmittelbare Strandnähe sei bei einer Entfernung von 250 m ebenfalls gegeben. Er verweigerte daher jegliche Zahlung.
Entscheidung:
Das AG München sprach der Reisenden ein Recht zur Minderung in Höhe von insgesamt 20% des Reisepreises sowie einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Mehraufwendungen durch das auswärtige Essengehen mit mittlerweile rechtskräftigem Urteil zu.
I. Rückerstattung Reisepreis, §§ 651 d I 2, 638 IV BGB
Zunächst kommt ein Recht auf Rückforderung des wegen wirksamer Ausübung des Minderungsrechts zu viel gezahlten Reisepreises gemäß §§ 651 d I 2, 638 IV in Betracht. Dessen Voraussetzungen müssten dann erfüllt sein.
1. Reisevertrag, § 651 a BGB
Ein Reisevertrag setzt nach § 651 a I 1 BGB zunächst voraus, dass der Reiseveranstalter sich dem Reisenden gegenüber zur Erbringung einer Gesamtheit von Reiseleistungen verpflichtet. Vorliegend vermittelte jedoch der R lediglich eine Ferienwohnung an die M und verpflichtete sich ansonsten nicht zur Erbringung darüber hinausgehender Leistungen. Eine „Gesamtheit von Reiseleistungen“ war daher nicht Gegenstand des vorliegenden Vertrages.
Allerdings entspricht es höchstrichterlicher Rechtsprechung, insbesondere bei Ferienhausverträgen die Vorschriften des Reisevertragsrechts entsprechend anzuwenden (z.B. BGH NJW 1985, 906), sofern nicht der Reiseunternehmer selbst Eigentümer der entsprechenden Wohnung ist. In letzterem Fall soll sich das Verhältnis zwischen ihm und dem Reisenden ausschließlich nach Mietrecht bestimmen.
Vorliegend war der Reiseunternehmer nicht Eigentümer der Ferienwohnungen. Reisevertragsrecht ist daher vorliegend entsprechend anwendbar.
Ein Vertrag wurde zwischen der Reisenden und dem Reiseunternehmer auch wirksam geschlossen.
2. Mangel, § 651 c I BGB
Die Reise müsste zudem mangelhaft sein gemäß § 651 c I BGB. Das ist der Fall, wenn entweder die zugesicherten Eigenschaften fehlen oder die Reise mit Fehlern behaftet ist, welche den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.
Grundsätzlich ist ein Mangel der Reise bei Pauschalreisen nur zu bejahen, wenn ein Teil der Reise mangelhaft ist, dessen Mangelhaftigkeit sich negativ auf das gesamte Paket an Reiseleistungen auswirkt. Vorliegend bestand jedoch die Pflicht allein in der Beschaffung einer Ferienwohnung, die den Anforderungen entsprach, die bei Vertragsschluss vereinbart wurden. Diese allein kann folglich mangelhaft sein.
In Betracht kommt hier ein Abweichen der Unterkunft von der zugesicherten Eigenschaft.
Die Reisende M hat vorliegend gegenüber R deutlich gemacht, dass sie besonderen Wert darauf lege, dass die Wohnung in unmittelbarer Strandnähe liege. Dies wurde sogar zur unbedingten Buchungsvoraussetzung erhoben. Es handelte sich also um zugesicherte Eigenschaften im Sinne des § 651 c I BGB.
Fraglich ist, ob auch eine Abweichung davon vorliegt. Der R trägt vor, bei einer Entfernung der Wohnung vom Strand von 250 m sei eine unmittelbare Strandnähe zu bejahen. Das lehnte das AG aber ab. Nach seiner Ansicht ermögliche lediglich eine unmittelbare Strandlage ein spontanes und unkompliziertes Schwimmengehen am Morgen und sei daher nicht mit zusätzlichem Aufwand verbunden. Anders sei es bei einer Entfernung von mindestens 250 m, die es erforderlich mache, sich entsprechend zu kleiden und jeweils eine Strecke zu Fuß zu gehen. Folglich wich die Wohnung hier von der zugesicherten Eigenschaft unmittelbarer Strandnähe ab.
3. Minderung
Auch müsste die Minderung des Reisepreises eingetreten sein. Dies ist abweichend von den Regelungen im Werkvertrags- und Kaufrecht schon dann der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 651 d BGB vorliegen. Die Minderung tritt hier also automatisch ein und ist nicht von der Ausübung des Minderungsrechts abhängig.
Die Reiseleistung Ferienunterkunft war während der Dauer der gesamten Reise mangelhaft. Auch hatte M nach § 651 d II BGB den Mangel unmittelbar bei Ankunft auf Korfu angezeigt.
Die Minderungsquote bestimmt sich nach § 638 III BGB, der über § 651 d I BGB anwendbar ist. Danach ist die Vergütung in dem Maße herabzusetzen, in welchem der Wert der Reise in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert der Reise gestanden haben würde. Das AG hielt eine Minderungsquote von 5 % hier für angemessen.
4. Informationspflichtverletzung
Das AG hat weiterhin eine selbständige Minderung des Reisepreises wegen vorsätzlicher Informationspflichtverletzung durch den R angenommen. Eine Minderung wegen positiver Informationspflichtverletzung kommt im Reiserecht nach gefestigter Rechtsprechung in Betracht, wenn sich die verschwiegene Information auf wesentliche negative Abweichungen von der geschuldeten Hauptleistung bezieht. Von wesentlichen Reisemängeln ist in der Regel dann auszugehen, wenn diese im Ergebnis eine Kündigung des Reisevertrages gem. § BGB rechtfertigen würden. Insoweit muss sich die Informationspflichtverletzung in anschließenden wesentlichen Reisemängeln widerspiegeln.
Vorliegend unterließ der R es, die M vor Reiseantritt darüber in Kenntnis zu setzen, dass ihr eine Ersatzunterkunft statt der zunächst vertraglich vereinbarten Ferienwohnung zur Verfügung gestellt werde. Diese Ersatzunterkunft litt an Mängeln, die in der Lage begründet waren, welche von der zugesicherten Lage abwichen. Diese Mängel hätten auch eine Kündigung der Reise durch M getragen. Daher handelte es sich bei der verschwiegenen Information vorliegend um eine die Minderung auslösende Informationspflichtverletzung.
Das AG München hielt für selbige eine Minderungsquote in Höhe von 15% des Reisepreises für angemessen.
5. Ergebnis
Die M kann Rückgewähr des Reisepreises in Höhe von 20% aufgrund wirksamer Minderung verlangen.
II. Schadensersatz, § 651 f BGB
Möglicherweise kann M zudem Schadensersatz in Höhe der Mehraufwendungen verlangen, die ihr durch das auswärtige Essengehen entstanden sind. Grundsätzlich kann gemäß § 651 f I BGB ein Schadensersatz auch neben der Minderung des Reisepreises geltend gemacht werden.
1. Reisevertrag, § 651 a BGB
Wie oben dargestellt, liegt ein Reisevertrag vor.
2. Mangel, § 651 c I BGB
Es könnte wiederum an einer zugesicherten Eigenschaft dadurch fehlen, dass in unmittelbarer Nähe der Unterkunft lediglich ein „Minimarkt“ zur Deckung der erforderlichen Verpflegung vorhanden war.
Vertraglich vereinbart wurde, dass nahegelegene Einkaufsmöglichkeiten im Umfeld der Ferienwohnung vorhanden sein müssen. Fraglich ist, ob dafür das Vorhandensein eines „Minimarktes“ in 800 m Entfernung ausreichend sein kann.
Dies lehnte das AG München ab, da ein „Minimarkt“ schon seiner Bezeichnung entsprechend nicht mit einem regulären Supermarkt vergleichbar sei. Das vorhandene Warenangebot sei demgegenüber erheblich eingeschränkt. Daher sei ein solcher „Minimarkt“ auch nicht dazu geeignet, die Verpflegung über insgesamt 14 Tage in zumutbarer Art und Weise zu ermöglichen.
Ein Mangel liegt daher in Form der Abweichung von einer zugesicherten Eigenschaft vor.
3. Vertretenmüssen
Das Vertretenmüssen des R wird gemäß § 651 f I BGB vermutet. Eine Exkulpation ist nicht ersichtlich.
4. Schaden
Der Schaden, der der M entstanden ist, besteht nach der Differenzhypothese in den Mehraufwendungen für das häufigere Auswärtsessen im Vergleich zu den Kosten, die bei einer Selbstverpflegung durch Einkauf in einem nahe gelegenen Supermarkt entstanden wären.
5. Ergebnis
Der M steht auch ein Schadensersatzanspruch in Höhe der tatsächlich entstandenen Mehraufwendungen zu.
Stellungnahme:
Die vorliegende Entscheidung bietet zunächst neue Erkenntnisse, indem sie das fehlende Vorhandensein adäquater Einkaufsmöglichkeiten und fehlende unmittelbare Strandnähe zu Abweichungen zusicherbarer Eigenschaften erhebt. Zudem bietet sie Gelegenheit, sich mit einigen Besonderheiten des Reisevertragsrechts erneut zu befassen: Die Tatsache, dass ein Mangel sich aus der Zusicherung von Eigenschaften ergeben kann, die – anders als im Kaufrecht beispielsweise – nicht Vertragsinhalt geworden sind, stellt eine solche Besonderheit dar. Auch wird hier erneut die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Reisvertragsrechts über den Wortlaut des § 651 a BGB hinaus verdeutlicht. Eine entsprechende Anwendung wurde höchstrichterlich nicht nur für die Vermietung einer Ferienwohnung ohne weitere Reiseleistungen, sondern zum Beispiel auch bereits für die Charterung einer Yacht bejaht (BGH NJW 1995, 2629). Zudem werden abermals die Voraussetzungen konkretisiert, die an die Information zu stellen sind, deren Verletzung zu einer Minderung des Reisepreises führen kann.
Die vorliegende Entscheidung ist wegen ihrer Kombination aus altbekannten Grundsätzen und Konkretisierung im aktuellen Fall daher jedem Examenskandidaten ans Herz zu legen.
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