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Schlagwortarchiv für: Adoptionsrecht

Dr. Yannik Beden, M.A.

Bundestag: Stiefkindadoption auch für Unverheiratete

Aktuelles, Familienrecht, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

Der Gesetzgeber hat das Adoptionsrecht für unverheiratete Paare erneuert: Künftig dürfen auch Unverheiratete des Kind des Partners adoptieren (s. BT-Drucks. 19/15618). Der Bundestag reagiert mit seiner Gesetzesänderung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts v. 26.03.2019 – 1 BvR 673/17, in der die derzeitige Regelung, der zufolge innerhalb nichtehelicher Lebensgemeinschaft der Stiefelternteil die leiblichen Kinder des anderen Elternteils nicht adoptieren können, ohne dass bei diesem die Verwandtschaft zu diesem Kind erlischt, verfassungswidrig ist. Dreh und Angelpunkt des Beschlusses des Verfassungsgerichts war der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, da Kinder in nichtehelichen Familien mit Stiefelternteil nach geltendem Recht ungerechtfertigt ungleich behandelt würden gegenüber Kindern, deren Stiefeltern verheiratet sind. Das neue Gesetz betrifft zwar auf einfachgesetzlicher Ebene das Familienrecht, allerdings liegen der neugefassten Norm vor allem grundrechtlich geprägte Überlegungen zugrunde. Vor diesem Hintergrund lohnt sich ein Blick auf die Neuregelung auch für Studenten und Examenskandidaten.
I. Die neue Regelung im Überblick
Die auf die Entscheidung des BVerfG zurückzuführende Neuregelung wird der Gesetzgeber in einem noch einzufügenden § 1766a BGB verorten. Die Norm soll dabei wie folgt aussehen:
 
„§1766a
Annahme von Kindern des nichtehelichen Partners
(1) Für zwei Personen, die in einer verfestigten Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt leben, gelten die Vorschriften dieses Untertitels über die Annahme eines Kindes des anderen Ehegatten entsprechend.
(2) Eine  verfestigte  Lebensgemeinschaft  im  Sinne  des  Absatzes  1  liegt  in  der  Regel  vor,  wenn  die Personen

  1. seit mindestens vier Jahren oder
  2. als Eltern eines gemeinschaftlichen Kindes mit diesem eheähnlich zusammenleben. Sie liegt nicht vor, wenn ein Partner mit einem Dritten verheiratet ist.“

 
Damit wird klar, dass Paare in einer verfestigten Lebensgemeinschaft künftig Ehepaaren in Bezug auf eine Adoption eines Stiefkinds gleichgestellt werden. Die Anforderungen, die der Gesetzgeber an die konkrete Ausgestaltung der nichtehelichen Gemeinschaft für die Möglichkeit einer Adoption stellt, sind in zwei Regelbeispielen konkretisiert (BT-Drucks. 19/15618, S. 8). Der Gesetzgeber formuliert in diesem Zusammenhang hinsichtlich der Ratio des Regelungskomplexes, dass diese mit „der  Regelung eine Stiefkindadoption  also  nur  solchen  nichtehelichen  Paaren  ermöglicht [wird],  die  in  einer verfestigten  Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen  Haushalt leben. Dadurch soll verhindert werden, dass ein Kind in eine instabile familiäre Situation adoptiert wird, in der die Paarbeziehung der Annehmenden keine Aussicht auf Bestand hat. Das Ziel der Annahme ist nach wie vor, zur Wahrung des Kindeswohls „dem Kind ein beständiges und ausgeglichenes Zuhause zu verschaffen […]“
Auf den ersten Blick birgt die Neuregelung auch wenig Nährboden für Auslegungsschwierigkeiten. Fraglich könnte allenfalls sein, was mit dem Begriff des „eheähnlichen“ Zusammenlebens i.S.v. Absatz 2 gemeint ist. Hier wird die instanzgerichtliche Rechtsprechung ggf. Abhilfe schaffen müssen. Den verfassungsrechtlichen Anforderungen ist jedenfalls vorerst Genüge getan.
II. Vorgeschichte: Verfassungswidrigkeit des status quo
Die Notwendigkeit einer Neuregelung ergab sich aus dem Beschluss des BVerfG. Da die zivilrechtliche Gesetzeslage den verfassungsrechtlichen Vorgaben sowohl mit Hinblick auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz – auch unter Berücksichtigung des besonderen Schutzes des Instituts der Ehe – zuwiderläuft, war der Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert. Das Verfassungsgericht gab dem Gesetzgeber im Rahmen seiner Entscheidung auf, bis zum 31.3.2020 eine Neuregelung zu treffen, die dann die Grundrechtspositionen der nichtehelichen Stiefkindfamilien berücksichtigen. Im Einzelnen geht der Neuregelung Folgendes voran:
1.Bisherige Rechtslage
Bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichts galt, dass eine Adoption eines Stiefkindes dergestalt, dass dieses zur gemeinsamen Elternschaft von leiblichen Elternteil und Stiefelternteil führt, nur zulässig ist, wenn der Stiefelternteil mit dem rechtlichen bzw. leiblichen Elternteil verheiratet ist. Hingegen ist es dem Stiefelternteil in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht möglich, das Stiefkind zu adoptieren, ohne dass damit gleichzeitig das Verwandtschaftsverhältnis dieses Kindes zu seinem rechtlichen Elternteil erlischt, §§ 1754 Abs. 1, 2, 1755 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB. In der nichtehelichen Familie bestehen in zivilrechtlicher Hinsicht auch ansonsten keine gesonderten Rechtsbeziehungen zwischen dem nicht verheirateten Stiefelternteil und dem Kind des rechtlichen (leiblichen) Elternteils.
Im Ergebnis führt dies zu einem faktischen Ausschluss der Adoptionsmöglichkeit des Stiefelternteils in der nichtehelichen Familiengemeinschaft, da es naturgemäß weder im Interesse des Stiefelternteils, noch des leiblichen Elternteils liegt, dass das Kind aufgrund einer Adoption nur noch den Stiefelternteil als rechtlich anerkannten Elternteil hat. Vielmehr entspricht es regelmäßig auch in der nichtehelichen Familiengemeinschaft dem Interesse beider Elternteile, – und ggf. auch demjenigen des Kindes – eine gemeinsame Elternschaft rechtsverbindlich innezuhaben. Man denke etwa an Konstellationen, in denen neben dem Stiefkind auch weitere Kinder Teil der Familiengemeinschaft sind, bei denen eine gemeinsame Elternschaft besteht. In einem der Entscheidung des Verfassungsgerichts vorangegangenen Beschluss des BGH ging dieser noch davon aus, dass eine großzügigere Auslegung der zivilrechtlichen Normen nicht möglich ist. Die eindeutigen Regelungen der § 1741 Abs. 2 S. 1 bis 3, § 1754 Abs. 1 und Abs. 2 und § 1755 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB seien insbesondere einer teleologischen Reduktion nicht zugänglich (BGH Beschl. v. 8.2.2017 – XII ZB 586/15, NJW 2017, 1672, 1673).
Eine Adoption des Kindes war summa summarum also nicht möglich, jedenfalls nicht, ohne das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu seinem Elternteil erlischt. Dass dieses Ergebnis in tatsächlicher Hinsicht nicht den Interessen der Unverheirateten entspricht und wohl auch unter Berücksichtigung der Belange des Kindes im Zweifel nur wenig zufriedenstellend ist, lag auf der Hand. Dies bestätigten dann auch die Richter aus Karlsruhe:   
2. Die Entscheidung des BVerfG
Die zivilrechtlichen Normen hielten – das Ergebnis vorweggenommen – dem verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab nicht stand. Das Verfassungsgericht entschied, dass für die Beantwortung der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Differenzierung zwischen nichtehelicher und ehelicher Familiengemeinschaft mit Stiefelternteil ein strenger Prüfungsmaßstab anzuwenden sei, der über das bloße Willkürverbot hinausginge. Das Gericht wendete also nicht die sog. Willkürformel, sondern die „neue Formel“ an. Die Adoption betrifft die Persönlichkeitsentfaltung des Kindes und damit einen wesentlichen Teil seiner grundrechtlichen Positionen. Die zivilrechtliche Ungleichbehandlung zwischen ehelichen und nichtehelichen Familiengemeinschaften genügen im Ergebnis den strengen Rechtfertigungsanforderungen im Rahmen von Art. 3 I GG nicht. Nach Auffassung des BVerfG mag es zwar ein legitimer Zweck sein, verhindern zu wollen, dass ein Kind unter unzulänglichen familiären Beziehungen aufwachsen muss. Dieses Ziel werde jedoch mit Blick auf die Situation des Stiefkindes nicht durch den Adoptionsausschluss erreicht. Gleichermaßen sei es ein legitimer Zweck, die Stiefkindadoption nur in Stabilität versprechenden Lebensgemeinschaften zuzulassen, um zu verhindern, dass ein Kind vom Stiefelternteil adoptiert wird, obwohl dessen Beziehung zum rechtlichen Elternteil keine längere Bestandsaussicht hat; der vollständige Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien sei jedoch kein angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks. Zuletzt sei auch die zivilrechtliche Differenzierung nicht durch die in Art. 6 Abs. 1 GG zugunsten der Ehe enthaltene Wertentscheidung gerechtfertigt.
Wesentlich waren vor allem die Überlegungen des BVerfG zum Gebot der Erforderlichkeit innerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung, da das Gericht der derzeitigen Differenzierung vor allem überschießende Wirkung attestiert. Milderes Mittel sei etwa eine auf den Fortbestand der Paarbeziehung der Eltern gerichtete Stabilitätsprognose, sofern der Gesetzgeber die Unterscheidung zwischen ehelicher und nichtehelicher Familiengemeinschaft aufrechterhalten wolle. Ausdrücklich hieß es in dem Beschluss:
„Ein milderes Mittel bestünde hier darin, die Stiefkindadoption auch in nichtehelichen Stiefkindfamilien zu ermöglichen, wenn die Beziehung der Eltern Stabilität verspricht. Nach der derzeitigen Rechtslage trifft der Ausschluss der Stiefkindadoption alle nichtehelichen Stiefkindfamilien, mithin auch jene, in denen die Eltern in stabiler nichtehelicher Partnerschaft leben und diese Stabilität auch zukünftig erwartet werden darf. Gemessen an der Zwecksetzung der Differenzierung gibt es in diesen Fällen keinen Grund, die Stiefkindadoption zu verhindern. Die Regelung hat insofern überschießende Wirkung. Wie die zumeist jüngeren Regelungen anderer Rechtsordnungen zeigen, bestehen demgegenüber verschiedene zielgenauere Möglichkeiten, die Stiefkindadoption für Stabilität versprechende nichteheliche Stiefkindfamilien zu öffnen.
Der Gesetzgeber könnte eine Regelung treffen, nach der die zu erwartende Stabilität nichtehelicher Paarbeziehungen im Einzelfall geprüft werden muss. Dieser Weg wurde in einigen anderen Rechtsordnungen gewählt […] Für die Prüfung der Stabilitätsaussichten einer nichtehelichen Partnerschaft können zur Verbesserung der Vorhersehbarkeit zusätzlich oder alternativ konkrete Stabilitätsindikatoren vorgegeben werden. Insbesondere könnte eine konkret bezifferte Mindestdauer der Beziehung oder des Zusammenlebens mit der anderen Person, dem Kind oder beiden verlangt werden.“
Und noch weiter:
„Dass es einen gesteigerten Aufwand bedeutet, die Adoptionsvoraussetzungen auch in nichtehelichen Stiefkindfamilien zu prüfen anstatt entsprechende Anträge – wie bisher – unter Verweis auf das geltende Recht kategorisch abzulehnen, kann die Benachteiligung der betroffenen Kinder nicht rechtfertigen, zumal bei einer Adoption ohnehin immer eine Einzelfallprüfung erfolgt.“
3. Vereinbarkeit mit dem Gebot des Schutzes der Ehe?
Auf die Frage, ob sich eine Ungleichbehandlung von ehelicher und nichtehelicher Lebensgemeinschaft aus Art. 6 Abs. 1 GG legitimieren lässt, kam das BVerfG ebenfalls zu einem negativen Ergebnis. Zwar stellt die Norm die Institute der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen (Verfassungs-)Ordnung. Bestandteil dieses Schutzes sind zum einen ein Beeinträchtigungsverbot, zum anderen aber auch ein Förderungsgebot. Dem Gesetzgeber ist es vor diesem Hintergrund grundsätzlich nicht verwehrt, die Ehe und ihre Lebensbereiche gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen (vgl. BVerfGE 124, 199, 225). Zu denken ist etwa an Begünstigungen im Bereich des Unterhalts, der Versorgung oder im Steuerrecht. Allerdings gilt das Förderungsgebot nicht uneingeschränkt: Stellt eine Förderung der Ehe gleichzeitig eine Benachteiligung anderer Lebensformen dar, obgleich der in Rede stehende Lebenssachverhalt und der mit der gesetzlichen Regelung verfolgte Zweck vergleichbar sind, rechtfertigt der bloße Verweis auf das Schutzgebot der Ehe die Differenzierung nicht ohne Weiteres. Es bedarf dann vielmehr eines Differenzierungsgrundes. Einen solchen erkennt das BVerfG für die Adoption des Stiefkindes in ehelichen und nichtehelichen Familien nicht.
In der Konsequenz ergab sich also, dass auch das Schutz- und Förderungsgebot aus Art. 6 Abs. 1 GG die zugunsten der Ehe enthaltene Wertentscheidung der § 1741 Abs. 2 S. 1 bis 3, § 1754 Abs. 1 und Abs. 2 und § 1755 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB nicht rechtfertigt, mithin ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt.
III. Das Wesentliche zusammengefasst
Der Gesetzgeber schreitet konsequent voran und setzt das verfassungsrechtlich Gebotene um. Hierbei geht er sogar über die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen hinaus: Blickt man auf die Entscheidung des BVerfG zurück, wäre es sicherlich auch möglich gewesen, den vollständigen Ausschluss des Adoptionsrechts durch eine am Einzelfall festzumachende Prüfung in Gestalt einer „Stabilitätsprognose“ zu ersetzen. Klar war indes auch, dass dieses im Beschluss des Gerichts ausdrücklich vorgesehene Instrumentarium zu einem Mehr an Rechtsunsicherheit führen würde und die Entscheidung für eine Adoption des Stiefkinds eher hindert als fördert. Die Ausgestaltung der neuen Regelung ist deshalb zu begrüßen, nicht zuletzt, da sie auf den ersten Blick ein hohes Maß an Bestimmtheit und damit auch praktischer Rechtssicherheit mit sich bringt.
 
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19.02.2020/1 Kommentar/von Dr. Yannik Beden, M.A.
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Dr. Marius Schäfer

Das BVerfG und die konkrete Normenkontrolle: Zurückweisung einer Vorlage zum Adoptionsrecht

BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker, Rechtsprechung, Startseite

Sachverhalt
Das dem Amtsgericht Berlin-Schöneberg vorliegende Ausgangsverfahren betraf die Frage, ob ein homosexuelles Paar, das in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, seine zwei volljährigen ehemaligen Pflegekinder adoptieren könne. Dieses anhängige Verfahren wurde vom Amtsgericht jedoch mit Beschluss vom 08.03.2013 (24 F 172/12; 24 F 250/12) ausgesetzt, um dem BVerfG im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle die Frage vorzulegen, ob ein Ausschluss der gemeinschaftlichen Adoption für eingetragene Lebenspartner überhaupt mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Zur Sache selbst äußerte sich die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG in seinem Beschluss vom 23.01.2014 (1 BvL 2/13; 1 BvL 3/13) im Ergebnis allerdings nicht, denn es verwarf die Vorlage aufgrund unzureichender Erfüllung der Begründungsanforderungen durch das Amtsgericht als unzulässig.
Da die Anforderungen an eine konkrete Normenkontrolle – zumindest im Überblick – bereits Erstsemestern und natürlich auch Examenskandidaten bekannt sein müssen, die Richter des Amtsgerichts offenbar aber nicht in der Lage waren eine ordnungsgemäß begründete Vorlage abzufassen, bietet es sich an dieser Stelle durchaus einmal an zur konkreten Normenkontrolle ein übersichtsartiges Schema darzustellen.
 
Anforderungen an die konkrete Normenkontrolle
 
Zulässigkeit
 
1. Zuständigkeit des BVerfG
Für das Verfahren der konkreten Normenkontrolle ist das BVerfG gemäß Art. 100 I GG, § 13 Nr. 11 BVerfGG zuständig.
 
2. Vorlageberechtigung
Zur Vorlage berechtigt bzw. verpflichtet sind grundsätzlich alle deutschen Gerichte, d.h. alle staatlichen Spruchstellen, die sachlich unabhängig sind und in einem formell gültigen Gesetz mit Aufgaben eines Gerichtes betraut sowie als Gerichte bezeichnet werden. Hierunter fallen insoweit Bundes- und Landesgerichte aller Gerichtsbarkeiten und Instanzen einschließlich der Landesverfassungsgerichte sowie Berufs- und Ehrengerichte von Körperschaften des Öffentlichen Rechts, nicht aber private Schiedsgerichte nach der ZPO, kirchliche Gerichte oder unabhängige Stellen der Exekutive.
 
3. Verfahrensgegenstand
Der jeweilige Verfahrensgegenstand  kann in allen Vorlagefällen nur ein geltendes Gesetz (verkündet und in Kraft getreten) sein, das ein deutscher Gesetzgeber nachkonstitutionell erlassen hat. Im Falle von untergesetzlichem oder vorkonstitutionellem Recht entscheiden die Instanzgerichte selbst im Rahmen eines freien richterlichen Prüfungsrechts, es sei denn, der nachkonstitutionelle Gesetzgeber hat das Gesetz von seinem Bestätigungs- oder Aufnahmewillen erfasst, was aus dem Inhalt des Gesetzes selbst oder aus dem engen sachlichen Zusammenhang zwischen den geänderten und den unverändert gebliebenen Gesetzesbestimmungen objektiv zu schließen sein muss. Die Vorlage von sekundärem Gemeinschaftsrecht ist zwar grundsätzlich denkbar, jedoch auf Grund der Solange-Entscheidung des BVerfG faktisch ausgeschlossen.
 
4. Vorlagegrund
a. Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit
Bevor das Gericht eine Vorlage zum BVerfG in Betracht zieht, ist grundsätzlich eine verfassungs- bzw. bundesrechtskonforme Auslegung der streitgegenständlichen Norm durchzuführen, sodass das Gericht zunächst zu prüfen hat, ob eben eine solche Auslegung des betreffenden Gesetzes möglich ist. Als authentischer Interpret der Verfassung ist in diesem Zusammenhang vorrangig die Rechtsprechung des BVerfG zugrunde zu legen. Kommt es hiernach dennoch zur Überzeugung der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes, so muss diese Überzeugung klar zum Ausdruck kommen; bloße Zweifel genügen nicht.
b. Entscheidungserheblichkeit
Die fragliche Norm muss im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens (jede Tätigkeit eines Gerichts, bei der in einem gerichtlich geregelten Verfahren und unter Anwendung von Rechtsnormen eine Entscheidung zu treffen ist) auf die Gerichtsentscheidung einen derartigen Einfluss haben, dass die Entscheidung bei Gültigkeit der fraglichen Norm anders getroffen werden müsste als bei deren Ungültigkeit. Abgestellt wird dabei insbesondere auf den Tenor der Entscheidung. Zur Beurteilung über die Entscheidungserheblichkeit werden hohe Anforderungen angesetzt, allerdings ausgehend von der Sichtweise des vorlegenden Gerichts.
 
5. Ordnungsgemäßer Vorlageantrag
Kommt ein Gericht zur Überzeugung der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes, so muss es von sich aus das Vorlageverfahren ergreifen und dem BVerfG das Gesetz zur Überprüfung vorlegen, wobei dann § 23 BVerfGG und zudem eine strenge formgerechte Vorlagebegründung nach § 80 II BVerfGG gelten. Ein Antrag der Prozessparteien ist nicht erforderlich und überdies auch nicht genügend (§ 80 III BVerfGG).
 
6. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
Eine Vorlageunzulässigkeit in diesem Sinne besteht nur dann, wenn die Verfassungsmäßigkeit des vorgelegten Gesetzes bereits vom BVerfG entschieden wurde (siehe § 31 II 1 BVerfGG).
 
Begründetheit
Der Antrag im Verfahren der konkreten Normenkontrolle ist begründet, wenn der geltend gemachte Verfassungsverstoß vorliegt, was stets dann der Fall ist, wenn die vorgelegte Norm entweder in formeller oder in materieller Hinsicht gegen die Verfassung verstößt. Der Prüfungsmaßstab ist bei der Überprüfung von Bundesrecht insofern das GG und bei der Überprüfung von Landesrecht zudem das Bundesrecht, einschließlich bundesrechtlicher Rechtsverordnungen. Nach § 82 BVerfGG gelten die §§ 77-79 BVerfGG entsprechend.
 
Ausführungen des BVerfG zur Sache
Das BVerfG setzte innerhalb des Vorlagenantrags des Amtsgerichts am Punkt der Vorlagebegründung an und stellte diesbezüglich fest, dass diese nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 2 BVerfGG genügt. Dort heißt es:

„Die Begründung muß angeben, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig ist und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist. Die Akten sind beizufügen.“

Diesen Anforderungen folgend habe das Amtsgericht jedoch weder die einschlägige Fachliteratur noch die Rechtsprechung des BVerfG zur Sukzessivadoption eingetragener Lebenspartner (Urteil vom 19.02.2013, Az. 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09) in ausreichendem Maße berücksichtigt. Insbesondere dies hätte jedoch zur Grundlage der rechtlichen Ausführungen des Gerichts gemacht werden müssen, unabhängig davon, dass in der besagten Entscheidung des BVerfG offen gelassen wurde, ob der Ausschluss der gemeinschaftlichen Adoption durch zwei eingetragene Lebenspartner mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Diese Sachfrage war zwar nicht der Gegenstand des Verfahrens, doch seien dort teilweise ähnliche bzw. identische verfassungsrechtliche Vorfragen betroffen. Da insofern eine sachliche Nähe zu dem hier vorliegenden Verfahren besteht, hätte sich das Amtsgericht zumindest mit der zuvor getroffenen Entscheidung des BVerfG in der Form auseinandersetzen müssen, wie sich die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Rechtslage zu den dortigen Erwägungen verhält. Angesichts der nur kurzen Zeitspanne zwischen dem Urteil des BVerfG und dem Beschluss des Amtsgerichts mag man jedoch auch darüber spekulieren, ob dem Gericht dieses Urteil überhaupt bekannt war.
In Zukunft werden sich die Instanzgerichte von daher eingehender mit der Rechtsprechung des BVerfG auseinandersetzen müssen, um den formalen Anforderungen an eine konkrete Normenkontrolle zu genügen. Dass das BVerfG den Gerichten hier nunmehr die Daumenschrauben anlegt, passt insoweit zu den erst kürzlich getroffenen Ausführungen des Präsidenten des BVerfG zur Belastungsgrenze des Gerichts, denn eine konkrete Normenkontrolle aufgrund formaler Gründe als unzulässig zu verwerfen erspart dem BVerfG zumindest sich in der Sache äußern zu müssen.
 

25.02.2014/0 Kommentare/von Dr. Marius Schäfer
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Marius Schäfer https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Marius Schäfer2014-02-25 12:00:592014-02-25 12:00:59Das BVerfG und die konkrete Normenkontrolle: Zurückweisung einer Vorlage zum Adoptionsrecht

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