Bundestag: Stiefkindadoption auch für Unverheiratete
Der Gesetzgeber hat das Adoptionsrecht für unverheiratete Paare erneuert: Künftig dürfen auch Unverheiratete des Kind des Partners adoptieren (s. BT-Drucks. 19/15618). Der Bundestag reagiert mit seiner Gesetzesänderung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts v. 26.03.2019 – 1 BvR 673/17, in der die derzeitige Regelung, der zufolge innerhalb nichtehelicher Lebensgemeinschaft der Stiefelternteil die leiblichen Kinder des anderen Elternteils nicht adoptieren können, ohne dass bei diesem die Verwandtschaft zu diesem Kind erlischt, verfassungswidrig ist. Dreh und Angelpunkt des Beschlusses des Verfassungsgerichts war der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, da Kinder in nichtehelichen Familien mit Stiefelternteil nach geltendem Recht ungerechtfertigt ungleich behandelt würden gegenüber Kindern, deren Stiefeltern verheiratet sind. Das neue Gesetz betrifft zwar auf einfachgesetzlicher Ebene das Familienrecht, allerdings liegen der neugefassten Norm vor allem grundrechtlich geprägte Überlegungen zugrunde. Vor diesem Hintergrund lohnt sich ein Blick auf die Neuregelung auch für Studenten und Examenskandidaten.
I. Die neue Regelung im Überblick
Die auf die Entscheidung des BVerfG zurückzuführende Neuregelung wird der Gesetzgeber in einem noch einzufügenden § 1766a BGB verorten. Die Norm soll dabei wie folgt aussehen:
„§1766a
Annahme von Kindern des nichtehelichen Partners
(1) Für zwei Personen, die in einer verfestigten Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt leben, gelten die Vorschriften dieses Untertitels über die Annahme eines Kindes des anderen Ehegatten entsprechend.
(2) Eine verfestigte Lebensgemeinschaft im Sinne des Absatzes 1 liegt in der Regel vor, wenn die Personen
- seit mindestens vier Jahren oder
- als Eltern eines gemeinschaftlichen Kindes mit diesem eheähnlich zusammenleben. Sie liegt nicht vor, wenn ein Partner mit einem Dritten verheiratet ist.“
Damit wird klar, dass Paare in einer verfestigten Lebensgemeinschaft künftig Ehepaaren in Bezug auf eine Adoption eines Stiefkinds gleichgestellt werden. Die Anforderungen, die der Gesetzgeber an die konkrete Ausgestaltung der nichtehelichen Gemeinschaft für die Möglichkeit einer Adoption stellt, sind in zwei Regelbeispielen konkretisiert (BT-Drucks. 19/15618, S. 8). Der Gesetzgeber formuliert in diesem Zusammenhang hinsichtlich der Ratio des Regelungskomplexes, dass diese mit „der Regelung eine Stiefkindadoption also nur solchen nichtehelichen Paaren ermöglicht [wird], die in einer verfestigten Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt leben. Dadurch soll verhindert werden, dass ein Kind in eine instabile familiäre Situation adoptiert wird, in der die Paarbeziehung der Annehmenden keine Aussicht auf Bestand hat. Das Ziel der Annahme ist nach wie vor, zur Wahrung des Kindeswohls „dem Kind ein beständiges und ausgeglichenes Zuhause zu verschaffen […]“
Auf den ersten Blick birgt die Neuregelung auch wenig Nährboden für Auslegungsschwierigkeiten. Fraglich könnte allenfalls sein, was mit dem Begriff des „eheähnlichen“ Zusammenlebens i.S.v. Absatz 2 gemeint ist. Hier wird die instanzgerichtliche Rechtsprechung ggf. Abhilfe schaffen müssen. Den verfassungsrechtlichen Anforderungen ist jedenfalls vorerst Genüge getan.
II. Vorgeschichte: Verfassungswidrigkeit des status quo
Die Notwendigkeit einer Neuregelung ergab sich aus dem Beschluss des BVerfG. Da die zivilrechtliche Gesetzeslage den verfassungsrechtlichen Vorgaben sowohl mit Hinblick auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz – auch unter Berücksichtigung des besonderen Schutzes des Instituts der Ehe – zuwiderläuft, war der Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert. Das Verfassungsgericht gab dem Gesetzgeber im Rahmen seiner Entscheidung auf, bis zum 31.3.2020 eine Neuregelung zu treffen, die dann die Grundrechtspositionen der nichtehelichen Stiefkindfamilien berücksichtigen. Im Einzelnen geht der Neuregelung Folgendes voran:
1.Bisherige Rechtslage
Bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichts galt, dass eine Adoption eines Stiefkindes dergestalt, dass dieses zur gemeinsamen Elternschaft von leiblichen Elternteil und Stiefelternteil führt, nur zulässig ist, wenn der Stiefelternteil mit dem rechtlichen bzw. leiblichen Elternteil verheiratet ist. Hingegen ist es dem Stiefelternteil in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht möglich, das Stiefkind zu adoptieren, ohne dass damit gleichzeitig das Verwandtschaftsverhältnis dieses Kindes zu seinem rechtlichen Elternteil erlischt, §§ 1754 Abs. 1, 2, 1755 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB. In der nichtehelichen Familie bestehen in zivilrechtlicher Hinsicht auch ansonsten keine gesonderten Rechtsbeziehungen zwischen dem nicht verheirateten Stiefelternteil und dem Kind des rechtlichen (leiblichen) Elternteils.
Im Ergebnis führt dies zu einem faktischen Ausschluss der Adoptionsmöglichkeit des Stiefelternteils in der nichtehelichen Familiengemeinschaft, da es naturgemäß weder im Interesse des Stiefelternteils, noch des leiblichen Elternteils liegt, dass das Kind aufgrund einer Adoption nur noch den Stiefelternteil als rechtlich anerkannten Elternteil hat. Vielmehr entspricht es regelmäßig auch in der nichtehelichen Familiengemeinschaft dem Interesse beider Elternteile, – und ggf. auch demjenigen des Kindes – eine gemeinsame Elternschaft rechtsverbindlich innezuhaben. Man denke etwa an Konstellationen, in denen neben dem Stiefkind auch weitere Kinder Teil der Familiengemeinschaft sind, bei denen eine gemeinsame Elternschaft besteht. In einem der Entscheidung des Verfassungsgerichts vorangegangenen Beschluss des BGH ging dieser noch davon aus, dass eine großzügigere Auslegung der zivilrechtlichen Normen nicht möglich ist. Die eindeutigen Regelungen der § 1741 Abs. 2 S. 1 bis 3, § 1754 Abs. 1 und Abs. 2 und § 1755 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB seien insbesondere einer teleologischen Reduktion nicht zugänglich (BGH Beschl. v. 8.2.2017 – XII ZB 586/15, NJW 2017, 1672, 1673).
Eine Adoption des Kindes war summa summarum also nicht möglich, jedenfalls nicht, ohne das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu seinem Elternteil erlischt. Dass dieses Ergebnis in tatsächlicher Hinsicht nicht den Interessen der Unverheirateten entspricht und wohl auch unter Berücksichtigung der Belange des Kindes im Zweifel nur wenig zufriedenstellend ist, lag auf der Hand. Dies bestätigten dann auch die Richter aus Karlsruhe:
2. Die Entscheidung des BVerfG
Die zivilrechtlichen Normen hielten – das Ergebnis vorweggenommen – dem verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab nicht stand. Das Verfassungsgericht entschied, dass für die Beantwortung der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Differenzierung zwischen nichtehelicher und ehelicher Familiengemeinschaft mit Stiefelternteil ein strenger Prüfungsmaßstab anzuwenden sei, der über das bloße Willkürverbot hinausginge. Das Gericht wendete also nicht die sog. Willkürformel, sondern die „neue Formel“ an. Die Adoption betrifft die Persönlichkeitsentfaltung des Kindes und damit einen wesentlichen Teil seiner grundrechtlichen Positionen. Die zivilrechtliche Ungleichbehandlung zwischen ehelichen und nichtehelichen Familiengemeinschaften genügen im Ergebnis den strengen Rechtfertigungsanforderungen im Rahmen von Art. 3 I GG nicht. Nach Auffassung des BVerfG mag es zwar ein legitimer Zweck sein, verhindern zu wollen, dass ein Kind unter unzulänglichen familiären Beziehungen aufwachsen muss. Dieses Ziel werde jedoch mit Blick auf die Situation des Stiefkindes nicht durch den Adoptionsausschluss erreicht. Gleichermaßen sei es ein legitimer Zweck, die Stiefkindadoption nur in Stabilität versprechenden Lebensgemeinschaften zuzulassen, um zu verhindern, dass ein Kind vom Stiefelternteil adoptiert wird, obwohl dessen Beziehung zum rechtlichen Elternteil keine längere Bestandsaussicht hat; der vollständige Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien sei jedoch kein angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks. Zuletzt sei auch die zivilrechtliche Differenzierung nicht durch die in Art. 6 Abs. 1 GG zugunsten der Ehe enthaltene Wertentscheidung gerechtfertigt.
Wesentlich waren vor allem die Überlegungen des BVerfG zum Gebot der Erforderlichkeit innerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung, da das Gericht der derzeitigen Differenzierung vor allem überschießende Wirkung attestiert. Milderes Mittel sei etwa eine auf den Fortbestand der Paarbeziehung der Eltern gerichtete Stabilitätsprognose, sofern der Gesetzgeber die Unterscheidung zwischen ehelicher und nichtehelicher Familiengemeinschaft aufrechterhalten wolle. Ausdrücklich hieß es in dem Beschluss:
„Ein milderes Mittel bestünde hier darin, die Stiefkindadoption auch in nichtehelichen Stiefkindfamilien zu ermöglichen, wenn die Beziehung der Eltern Stabilität verspricht. Nach der derzeitigen Rechtslage trifft der Ausschluss der Stiefkindadoption alle nichtehelichen Stiefkindfamilien, mithin auch jene, in denen die Eltern in stabiler nichtehelicher Partnerschaft leben und diese Stabilität auch zukünftig erwartet werden darf. Gemessen an der Zwecksetzung der Differenzierung gibt es in diesen Fällen keinen Grund, die Stiefkindadoption zu verhindern. Die Regelung hat insofern überschießende Wirkung. Wie die zumeist jüngeren Regelungen anderer Rechtsordnungen zeigen, bestehen demgegenüber verschiedene zielgenauere Möglichkeiten, die Stiefkindadoption für Stabilität versprechende nichteheliche Stiefkindfamilien zu öffnen.
Der Gesetzgeber könnte eine Regelung treffen, nach der die zu erwartende Stabilität nichtehelicher Paarbeziehungen im Einzelfall geprüft werden muss. Dieser Weg wurde in einigen anderen Rechtsordnungen gewählt […] Für die Prüfung der Stabilitätsaussichten einer nichtehelichen Partnerschaft können zur Verbesserung der Vorhersehbarkeit zusätzlich oder alternativ konkrete Stabilitätsindikatoren vorgegeben werden. Insbesondere könnte eine konkret bezifferte Mindestdauer der Beziehung oder des Zusammenlebens mit der anderen Person, dem Kind oder beiden verlangt werden.“
Und noch weiter:
„Dass es einen gesteigerten Aufwand bedeutet, die Adoptionsvoraussetzungen auch in nichtehelichen Stiefkindfamilien zu prüfen anstatt entsprechende Anträge – wie bisher – unter Verweis auf das geltende Recht kategorisch abzulehnen, kann die Benachteiligung der betroffenen Kinder nicht rechtfertigen, zumal bei einer Adoption ohnehin immer eine Einzelfallprüfung erfolgt.“
3. Vereinbarkeit mit dem Gebot des Schutzes der Ehe?
Auf die Frage, ob sich eine Ungleichbehandlung von ehelicher und nichtehelicher Lebensgemeinschaft aus Art. 6 Abs. 1 GG legitimieren lässt, kam das BVerfG ebenfalls zu einem negativen Ergebnis. Zwar stellt die Norm die Institute der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen (Verfassungs-)Ordnung. Bestandteil dieses Schutzes sind zum einen ein Beeinträchtigungsverbot, zum anderen aber auch ein Förderungsgebot. Dem Gesetzgeber ist es vor diesem Hintergrund grundsätzlich nicht verwehrt, die Ehe und ihre Lebensbereiche gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen (vgl. BVerfGE 124, 199, 225). Zu denken ist etwa an Begünstigungen im Bereich des Unterhalts, der Versorgung oder im Steuerrecht. Allerdings gilt das Förderungsgebot nicht uneingeschränkt: Stellt eine Förderung der Ehe gleichzeitig eine Benachteiligung anderer Lebensformen dar, obgleich der in Rede stehende Lebenssachverhalt und der mit der gesetzlichen Regelung verfolgte Zweck vergleichbar sind, rechtfertigt der bloße Verweis auf das Schutzgebot der Ehe die Differenzierung nicht ohne Weiteres. Es bedarf dann vielmehr eines Differenzierungsgrundes. Einen solchen erkennt das BVerfG für die Adoption des Stiefkindes in ehelichen und nichtehelichen Familien nicht.
In der Konsequenz ergab sich also, dass auch das Schutz- und Förderungsgebot aus Art. 6 Abs. 1 GG die zugunsten der Ehe enthaltene Wertentscheidung der § 1741 Abs. 2 S. 1 bis 3, § 1754 Abs. 1 und Abs. 2 und § 1755 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB nicht rechtfertigt, mithin ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt.
III. Das Wesentliche zusammengefasst
Der Gesetzgeber schreitet konsequent voran und setzt das verfassungsrechtlich Gebotene um. Hierbei geht er sogar über die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen hinaus: Blickt man auf die Entscheidung des BVerfG zurück, wäre es sicherlich auch möglich gewesen, den vollständigen Ausschluss des Adoptionsrechts durch eine am Einzelfall festzumachende Prüfung in Gestalt einer „Stabilitätsprognose“ zu ersetzen. Klar war indes auch, dass dieses im Beschluss des Gerichts ausdrücklich vorgesehene Instrumentarium zu einem Mehr an Rechtsunsicherheit führen würde und die Entscheidung für eine Adoption des Stiefkinds eher hindert als fördert. Die Ausgestaltung der neuen Regelung ist deshalb zu begrüßen, nicht zuletzt, da sie auf den ersten Blick ein hohes Maß an Bestimmtheit und damit auch praktischer Rechtssicherheit mit sich bringt.
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Nichteheliche Partnerschaften können grundsätzlich weniger stabil rechtlich verfestigt wirken.
Dadurch sollte eine Zunahme von Eltern und damit von rechtlichen Schwierigkeiten mit zum Nachteil eines Kindes grundsätzlich möglich sein.
Wenn man trotzdem eine mögliche Zunahme von Eltern noch einzuschränken versuchen wollte, sollte dies verfassungsrechtlich gleichheitsrechtlich problematisch wirken.
Es kann eine Begünstiging zufällig früherer Partner trotz ansich gleichen Partnerschaftsstatus mitsichbringen, was verfassungsrechtlich problematisch und unzulässig wirken kann.