In einem Beschluss vom 18. November 2010 hat der BGH entschieden, dass trotz fehlender Erkenntnisse zum Vorstellungsbild des Angeklagten ein strafbefreiender Rücktritt vom versuchten sexuellen Missbrauch von Kindern nach dem korrigierten Rücktrittshorizont noch möglich sein kann. § 176 Abs. 1 StGB ist eher selten Gegenstand von Examensklausuren. Jedoch eignet sich diese Entscheidung, um die Voraussetzungen und einzelne Problematiken des Rücktritts vom Versuch – insbesondere Abgrenzung beendeter / unbeendeter Versuch nach Abstandnahme von der Tat, korrigierter Rücktrittshorizont – zu wiederholen.
Sachverhalt
Der Angeklagte A hat nach ablehnender Beantwortung seiner Frage, ob das Kind K sein Geschlechtsteil einmal streicheln wolle, von einer weiteren Tatausführung Abstand genommen. Einfache Aufforderungen hatten in der Vergangenheit bei anderen Kindern bereits den gewünschten Erfolg gehabt.
Entscheidung des BGH
Das Landgericht hatte ihn wegen versuchten sexuellen Missbrauchs gem. §§ 176, 22, 23 StGB wegen seiner Frage, ob das Kind K sein Geschlechtsteil einmal streicheln wolle, verurteilt.
Der BGH hat hier jedoch einen strafbefreienden Rücktritt angeprüft und bejaht:
„Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen hätte das Landgericht erörtern müssen, ob der Angeklagte von dem versuchten sexuellen Missbrauch von Kindern nicht strafbefreiend gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB zurückgetreten ist
Dies hätte – trotz offenbar fehlender Erkenntnisse zum Vorstellungsbild des Angeklagten – mit Blick auf den Umstand nahe gelegen, dass er nach ablehnender Beantwortung seiner Frage durch B., ob sie seinen Penis mal streicheln wolle (UA S. 10), von einer weiteren Tatausführung Abstand genommen hat. Denn es ist insoweit jedenfalls nicht auszuschließen, dass ein unbeendeter Versuch vorgelegen hat, von dem der Angeklagte ohne weiteres Zutun allein durch Nichtweiterverfolgung der Tat zurücktreten konnte.
Zwar hatte der Angeklagte durch seine Frage an K. zunächst alles zur Verwirklichung des Tatbestands Erforderliche getan. Dass er deshalb in diesem Augenblick den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs für möglich hielt, lag mit Blick auf den Umstand, dass einfache Aufforderungen in der Vergangenheit den gewünschten Erfolg gehabt hatten, zwar nahe. Doch wäre dann, wenn der Angeklagte unmittelbar nach dieser letzten Ausführungshandlung seinen Irrtum erkannt hätte und zugleich zu der Erkenntnis gelangt wäre, dass weitere Handlungen zum erstrebten Erfolg von Nöten wären, eine so genannte Korrektur seines Rücktrittshorizontes anzunehmen (vgl. dazu Fischer, StGB, 57. Aufl., § 24 Rn. 15a mN zur Rspr.), die die Annahme eines beendeten Versuchs ausschließen würde. Soweit das Tatopfer sofort nach der Aufforderung das Ansinnen des Angeklagten ablehnte, ist nach den bisherigen Feststellungen letztlich nicht auszuschließen, dass der Angeklagte in diesem Augenblick seinen Rücktrittshorizont tatsächlich korrigierte und erkannte, dass es zur Vollendung noch weiteren Handelns seinerseits bedurfte.
Wäre er dabei ungeachtet der zur Zurückhaltung auffordernden Haltung seiner Ehefrau davon ausgegangen, dass ihm nach der Weigerung des Tatopfers noch weitere, gleichartige Handlungsmöglichkeiten – wie etwa die Wiederholung seiner Aufforderung, gegebenenfalls auch in fordernder Form, oder das Anbieten einer „Belohnung“ – zur Verfügung stehen, wäre der Versuch auch nicht fehlgeschlagen. Es ist auch insoweit nicht auszuschließen, dass der Angeklagte gerade im Bewusstsein dieser Möglichkeiten von der weiteren Tatausführung Abstand genommen hat und freiwillig und damit strafbefreiend zurückgetreten ist (vgl. BGH StV 1995, 634).