Die Frage um die rechtliche Zulässigkeit des sog. Dash Buttons von Amazon geht in die nächste Runde. Mit seinem Urteil vom 10. Januar 2019 – 29 U 1091/18 entschied das Oberlandesgericht München, dass die derzeitige Funktionsweise des WLAN Knopfes gegen verschiedene rechtliche Vorgaben verstößt und gab der Unterlassungsklage der Verbraucherschutzzentrale NRW vollumfänglich statt. Wie bereits aus der erstinstanzlichen Entscheidung des LG München I vom 1. März 2018 – 12 O 730/17 ersichtlich war, ergibt sich die Rechtswidrigkeit der Vorrichtung auch und insbesondere aus einem Verstoß gegen zivilrechtliche Vorgaben des BGB. Man wird deshalb von einer erhöhten Prüfungs- und Examensrelevanz des Urteils ausgehen müssen. Der nachstehende Beitrag beleuchtet die Rechtsstreitigkeit unter besonderer Berücksichtigung der klausurrelevanten Problemstellungen:
I. Sachverhalt (dem erstinstanzlichen Urteil entnommen)
„Die Parteien streiten im Wege einer Verbandsklage nach dem UKlaG um die Zulässigkeit von Bestellungen mittels des von der Beklagten vertriebenen „A Dash Buttons“ (im Folgenden: Dash Button) […]
Die Beklagte betreibt unter der Adresse www.a de eine Plattform für den Online-Handel mit Waren und bietet zusätzlich weitere Dienstleistungen an […]
Der Dash Button ist ein Gerät, das sich mit dem WLAN eines Nutzers verbinden und über die WLAN-Verbindung Signale an den WLAN-Router versenden kann. Die Versendung eines Signals wird durch das Drücken einer elektromechanischen Schaltfläche ausgelöst. Der Dash Button ist auf der Vorderseite mit dem jeweiligen Herstellerlogo und auf der Rückseite mit Angaben über technische Details beschriftet. Darüber hinaus ist er nicht beschriftet […]
Die Beklagte gibt Dash Buttons mit Beschriftung verschiedener Marken auch an Verbraucher heraus. Verbraucher, die bei der Beklagten eine kostenpflichtige A… Mitgliedschaft unterhalten, können mit diesem Gerät Haushaltsgegenstände des täglichen Bedarfs bestellen, zum Beispiel Waschmittel, Zahnhygieneartikel, Windeln, Kosmetikprodukte oder Hundefutter […]
Der Dash Button muss zunächst vom Nutzer eingerichtet werden. Dabei legt der Nutzer ein Produkt fest, das über den Dash Button bestellt werden soll. Nach der Registrierung ist der Dash Button mit einem konkreten Produkt nach Wahl des Nutzers verknüpft. Der Dash Button selbst ist mit dem WLAN des Nutzers verbunden. Für die Einrichtung des Dash Buttons ist die A Shopping App erforderlich, die der Nutzer auf seinem Smartphone installieren muss […]
Sobald der Nutzer die Schaltfläche des Dash Buttons betätigt, erhält er auf seinem Smartphone eine Push-Nachricht mit Informationen zur Bestellung, zum Preis und zum voraussichtlichen Lieferzeitpunkt. Dies aber nur, wenn er der A Shopping App erlaubt, Push-Nachrichten auf sein Smartphone zu schicken. Beim Anklicken dieser Push-Nachricht wird der Nutzer zur A Shopping App weitergeleitet. Dort werden die Details der Bestellung des Produkts, das zuvor mit dem Dash Button verknüpft wurde, aufgeführt. Der Nutzer muss die Bestellung über die A Shopping App nicht nochmals separat bestätigen. Er kann zudem über die A Shopping App die Bestellung binnen 15 Minuten nach dem Drücken des Dash Buttons kostenfrei stornieren […]“
Anmerkung: Das erstinstanzliche Urteil enthält zudem weitere Ausführungen zu den „A Dash Replenishment Nutzungsbedingungen“, die mit jedem Nutzer als Rahmenvereinbarung geschlossen werden. Die entscheidungserheblichen Passagen werden nachfolgend an den maßgeblichen Stellen genannt.
II. Was entschied das LG München?
Das Urteil der ersten Instanz thematisierte in besonders ausführlicher Weise zwei Verstöße des Dash Buttons gegen Verbraucherschutzvorschriften. Im Fokus stand dabei § 312j BGB: Gemäß § 312j Abs. 3 S. 1 BGB ist der Unternehmer verpflichtet, beim Abschluss von entgeltlichen Verbraucherverträgen im elektronischen Geschäftsverkehr Bestellvorgänge derart auszugestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, erfüllt der Unternehmer seine Pflichten, wenn diese gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer anderweitigen, entsprechenden und vor allem eindeutigen Formulierung beschriftet ist. Eben hier liegt das Problem des Dash Buttons: Dieser ist auf seiner Vorderseite nur mit dem Logo des jeweiligen Herstellers und auf der Rückseite mit technischen Details versehen. Eine ausdrückliche, eindeutige Erklärung zur zahlungspflichtigen Bestellung – wie sie etwa in einem Zahlungsbutton von Online Shops expressiv verbis vorzufinden ist – fehlt. Auch wenn es sich beim Dash Button nicht um eine virtuelle, sondern physische Schaltfläche handelt, geltend die Vorgaben des § 312j Abs. 3 S. 2 BGB unbeschränkt.
Zusätzlich sah das LG München in der Gestaltung des Dash Buttons einen Verstoß gegen § 312j Abs. 2 BGB, wonach dem Verbraucher die Informationen nach Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 4, 5, 11 und 12 EGBGB unmittelbar vor der Abgabe der Bestellung klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung zu stellen sind. Das LG München misst der Vorschrift eine zeitlich-räumliche Dimension bei, mit der Folge, dass die wesentlichen Eigenschaften der Ware sowie der Gesamtpreis inkl. Steuern und Abgaben bei jedem Bestellvorgang erkennbar mitgeteilt werden müssen. Auch dies vermag der Dash Button nicht zu gewährleisten.
III. Aufrechterhaltende Entscheidung des OLG München
Die Berufungsinstanz bestätigt nun das Ergebnis des Landgerichts München I. Das Oberlandesgericht machte deutlich, dass der Verbraucher vor Absenden der Bestellung über den Preis und die tatsächliche Bestellte Ware informiert werden muss. Die Rahmenvereinbarung ist mit diesem verbraucherschutzrechtlichen Grundsatz jedoch unvereinbar. Das Bedingungswerk zum Dash Button sieht vor:
„1. Bestellungen, Geräte und Software
Mit einem Service-fähigen Gerät aufgegebene Bestellungen.
[…] Wenn Sie ein Produkt gewählt haben, das Sie über Ihr Service-fähiges Gerät kaufen möchten, können sich manche Angebote und Produktdetails bei späteren Nachbestellungen eventuell ändern (zum Beispiel Preis, Steuern, Verfügbarkeit, Lieferkosten und Anbieter). Jede Bestellung unterliegt den zum jeweiligen Zeitpunkt geltenden Angebotsdetails. […] Sollte Ihr Produkt zum Zeitpunkt ihrer Bestellung nicht verfügbar sein, ermächtigen Sie uns, Ihre Bestellung mit einem geeigneten Ersatzartikel der gleichen Produktart und derselben Marke (z.B. mit leicht abweichender Füllmenge) zu erfüllen.“
Neben den unzulässigen Änderungsvorbehalten, die die Klauseln insgesamt nach Auffassung der Richter intransparent wirken lassen und damit AGB rechtlich unzulässig seien, sei auch das Fehlen des Hinweises zur Zahlungspflicht ausschlaggebend für die Rechtswidrigkeit der derzeitigen Ausgestaltung des Buttons. Das OLG schließt sich demnach in vollem Umfang den Entscheidungsgründen der ersten Instanz an. Für den Dash Button besteht demzufolge dringender Änderungs- und Anpassungsbedarf. Da das Oberlandesgericht auch die Revision zum BGH nicht zugelassen hat, wird Amazon um eine Anpassung der Funktionsweise des Buttons an die Vorgaben des deutschen Zivilrechts nicht herumkommen. Notwendig wäre jedenfalls eine Anpassung des Rahmenvertrags hinsichtlich der Änderungsvorbehalte sowie eine Kennzeichnung des Buttons, die den Vorgaben aus § 312j Abs. 3 BGB entspricht.
IV. Was man für die Klausur wissen muss
Die Rechtsprechung zum Amazon Dash Button lässt sich problemlos universitäre Zivilrechtsklausuren als auch Examensklausuren einbauen. Für eine erfolgreiche Bearbeitung ist ein guter Überblick zu den Verbraucherschutzvorschriften der §§ 312 ff. BGB notwendig. Im Detail muss erkannt werden, dass auch der physische Dash Button isoliert als Telemedium i.S.v. § 312i Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1 S. 1 TMG zu qualifizieren ist. Zudem müssen die Sonderbestimmungen für den elektronischen Geschäftsverkehr nach § 312j Abs. 2, 3 BGB erkannt und geprüft werden. Darüber hinaus wird die Klausur eine klassische AGB Prüfung zum Gegenstand haben. Aufgrund des von Amazon bislang genutzten Änderungsvorbehalts muss in einem ersten Schritt § 308 Nr. 4 BGB problematisiert werden. Auch bedarf es einer Transparenzprüfung nach § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB. Punkten wird, wer beide Problemfelder erkennt und die Funktionsweise des Dash Buttons sauber subsumiert.
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