Der BGH hat am gestrigen 16.10.2012 einen sehr interessanten Fall entschieden (Az. X ZR 37/12), der sich sehr gut eignet, die Grundsätze des Vertragsschlusses zu wiederholen und damit sowohl für Anfangssemester als auch für Examenskandidaten von höchster Bedeutung ist.
Verfügbar ist bisher nur die Pressemitteilung – dennoch zeigt die Lösung des BGH einige Besonderheiten des Vertragsschlusses auf.
Sachverhalt
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger buchte am 7. September 2009 über das Internetportal der Beklagten Flüge […] für zwei Personen. In die Buchungsmaske gab er unter der Rubrik „Person 1“ seinen Vor- und Zunamen ein. Unter der Rubrik „Person 2“ trug er in die Felder für die Eingabe des Vor- und Zunamens jeweils „noch unbekannt“ ein. Die Buchungsmaske der Beklagten enthielt folgenden Hinweis:
„Bitte beachten Sie, dass eine Namensänderung nach erfolgter Buchung nicht mehr möglich ist und der Name mit dem Namen in Ihrem Ausweis übereinstimmen muss.“
Die Beklagte übermittelte dem Kläger am selben Tag eine Buchungsbestätigung und zog den Preis für zwei Hin- und Rückflüge in Höhe von insgesamt 365,42 per Lastschrift vom Konto des Klägers ein.
Nachdem er einige Tage vor Reisebeginn die Daten seines Mitreisenden eintragen lassen wollte, dies aber von der Beklagten abgelehnt wurde, trat er die Reise gezwungenermaßen allein an und begehrte Rückzahlung der Kosten für das zweite Ticket.
Lösung der Rechtsprechung
Das AG und LG als Vorinstanz lehnten dieses Verlangen ab. Weder aus vertraglichen noch aus bereicherungsrechtlichen Ansprüchen konnte dies hergeleitet werden. Dies beruhte darauf, dass aufgrund des wirksamen Vertrages bereicherungsrechtliche Ansprüche auszuscheiden haben; der Beklagte aber auch keine Pflicht verletzt habe, sodass Schadensersatz- oder Rücktrittsansprüche ausscheiden. Begründet wird dies damit, dass die Angabe „noch unbekannt“ als Name anzusehen sei, sodass alle Voraussetzungen eines wirksamen Vertragsschlusses (zwei übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen) vorgelegen haben.
Der BGH sah dies zu Recht nunmehr anders. Anspruchsgrundlage war hierbei wohl die Leistungskondiktion aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB. Der Beklagte hat etwas durch die Leistung des Klägers erlangt. Dies wäre dann rechtsgrundlos, wenn für die Zahlung kein Rechtsgrund bestanden hätte. Ein solcher könnte in Form des Vertrages vorliegen. Fraglich ist also, ob für die Beförderung der zweiten Person ein Vertrag geschlossen wurde.
Dazu bedarf es – wie erwähnt – zweier übereinstimmender, in Bezug aufeinander abgegebener Willenserklärungen, Angebot und Annahme. Hier wäre es dann erforderlich, die Grundsätze des Vertragsschlusses im Internet wiederzugeben und insbesondere zu klären, ob das Erscheinen des „Angebots“ auf der Seite bereits ein Angebot im Rechtssinne ist. Mit der herrschenden Meinung muss dies wohl mangels Rechtsbindungswillen verneint werden.
Ein Angebot wird damit erst durch die Buchung abgegeben. Dazu legt der BGH dar:
Indem der Kläger in der Buchungsmaske als Vor- und Zuname der zweiten Person „noch unbekannt“ eingab, hat er […] der Beklagten den Abschluss eines Beförderungsvertrags angeboten, bei dem er den Mitreisenden erst nachträglich benennen wollte.
Dieses Angebot müsste auch angenommen werden. Dies wird vom BGH verneint.
Dieses Angebot hat die Beklagte aber weder ausdrücklich noch durch schlüssiges Handeln angenommen.
Geprüft wird dabei, ob durch das Versenden des Bestätigungsschreibens oder durch das Abbuchen des Geldes eine Annahme erfolgte. Eine wirksame Annahme muss deckungsgleich zum Angebot sein. Im konkreten Fall würde dies bedeuten, dass die Annahme auch bezogen auf eine nicht namentlich genannte Person sein muss, ansonsten stellt sie ein neues Angebot (§ 150 Abs. 2 BGB) dar. Welchen Inhalt die Annahme hier hat, ist nach den Grundsätzen des objektiven Empfängerhorizonts (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln. Dies ergibt hier – insbesondere durch die aufgeführte Klausel und durch das Verwenden der Eingabemaske -, dass eine mit dem Angebot übereinstimmende Willenserklärung nicht abgegeben werden sollte.
Nach den Angaben der Beklagten in ihrer Buchungsmaske, nach der die Eingabe des Vor- und des Nachnamens des (zweiten) Passagiers für die Durchführung der Buchung erforderlich war, und dem Hinweis, dass eine Namensänderung nach erfolgter Buchung nicht mehr möglich sei und der angegebene Name mit dem Namen in dem Ausweis des Passagiers übereinstimmen müsse, konnte der Kläger nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont weder die Buchungsbestätigung noch die Einziehung des Entgelts dahin verstehen, dass die Beklagte ihm das Recht eingeräumt hätte, einen zweiten Fluggast nachträglich namentlich zu bestimmen.
Aus diesem Grund wurde das Angebot des Klägers nicht angenommen, sodass ein Vertrag nicht zustande kam. Damit war der Kondiktionsanspruch gegeben.
Bewertung
Die Entscheidung des BGH geht zunächst von der richtigen Prämisse aus, dass die Bezeichnung als „noch unbekannt“ keinen Namen i.S.d Eingabemaske darstellt, sondern lediglich die Option für eine spätere Eintragung bieten soll.
Die Argumente zum Vertragsschluss vermögen dann aber nicht vollends zu überzeugen. Deutlich wird dies, wenn man sich anstelle der automatischen Bearbeitung durch Computer einen Menschen als Annehmenden denken würde. Würde dieser die Bestätigung schicken und das Geld abbuchen, so wäre auch nach dem Empfängerhorizont eine Annahme gegeben. Er würde damit zeigen, dass er von seinem ursprünglich geäußerten Willen nunmehr abweicht. Überträgt man diesen Gedanken auf den vorliegenden Fall und stellt die Wertung auf, dass durch die Verwendung von technischen Mitteln der Mensch nur ersetzt werden soll, eine Veränderung der Rechtslage aber nicht eintreten darf, so muss dann hier auch Gleiches gelten.
Würde man dies so sehen wollen, verbliebe dann lediglich eine Anfechtungsmöglichkeit des Beklagten (§ 142 BGB). Jedenfalls möglich wäre hier eine Anfechtung nach § 119 BGB wegen eines Inhaltsirrtums; in Betracht käme auch eine Anfechtung nach § 123 Abs. 1 Var. 1 BGB. Die Angabe des Klägers suggeriert dem System, es läge eine wirksame Namenseingabe vor; tatsächlich stellt sie aber nur eine zusätzliche Vereinbarung einer Namensänderung dar, die der Computer dann – automatisch ohne Plausibilitätsprüfung – „untergejubelt“ bekommt. Die Situation ist damit mit § 123 BGB vergleichbar. Im Ergebnis würde damit auch hier ein Vertrag nicht mehr vorliegen.
Examensrelevanz
Der Fall eignet sich sehr gut für einen Teil einer Examensklausur und wird sicherlich in nächster Zeit laufen – gerade weil Fragen der Informationsdatenverarbeitung und des Internets zunehmend bedeutender werden. Man erkennt aber sehr gut, dass mit einer sauberen Prüfung des Vertragsschlusses – wie im Ersten Semester gelernt – ein vertretbares Ergebnis gefunden werden kann. Die Konstellation eignet sich zudem auch für Anfangssemester, um Fragen des Vertragsschlusses einmal in einer anderen Dimension zu zeigen.
Letztlich muss dem Examenskandidaten wohl eher geraten werden, der Lösung des BGH zu folgen. Dennoch kann eine vertiefte Diskussion der Annahmeproblematik und das Eingehen auf die aufgeführten Argumente dazu führen, dass die Klausur sich von den üblichen abhebt und damit weit überdurchschnittlich bewertet wird.