Strafrechtsklausur in Reimen – Das Interview mit dem Dichter
Am letzten Wochenende ist unser Beitrag zu einer gereimten Strafrechtsklausur bei euch auf eine überwältigende Resonanz gestoßen.
Viele Leser werden sich sicherlich gefragt haben, ob die Klausur denn tatsächlich echt ist und wie es überhaupt dazu gekommen ist. Wir freuen uns sehr, dass wir mit Tobias Lutzi, dem Autor der Klausur ein Interview führen konnten.
Hallo Tobias. Mit deiner gereimten Strafrechtsklausur hast du ja für eine Menge Erheiterung gesorgt. Unsere Leser interessiert jetzt natürlich auch, was dahinter steckt und wer sich überhaupt traut, so etwas zu machen. Vielleicht stellst du dich deswegen erst einmal kurz selbst vor.
Vielen Dank. Ich heiße Tobias Lutzi und studiere inzwischen im 10. Semester Jura in Köln, habe die letzten beiden Jahre allerdings in Paris verbracht. Zur Zeit nehme ich am Willem C. Vis Moot Court teil, dessen Finale in wenigen Wochen in Wien stattfindet. Anschließend beginnt die Examensvorbereitung.
In Köln arbeite ich am Institut für internationales Privatrecht, außerdem für die Kanzlei Osborne Clarke. Daneben engagiere ich mich in der Fachschaft und der Wikipedia-Community.
Am meisten interessiert die Leser wahrscheinlich die Frage, wie man auf so eine tolle Idee kommt.
Die Idee hatte ich schon länger, bisher habe ich mich aber nie getraut, sie umzusetzen. Inhaltlich muss man beim Reimen schon erhebliche Abstriche machen. Insofern war die Aktion auch primär ein Experiment: Ich wollte testen, ob man es trotz der vielen Zeit, die man für ein Gedicht benötigt, schafft, die wesentlichen Punkte anzusprechen und die Klausur zu bestehen.
Trotzdem schon ganz mutig das Ganze, brauchtest du den Schein noch?
Ehrlich gesagt hatte ich die Übung schon beim ersten Termin bestanden, so dass von der Prüfung nichts mehr abhing. Ich hatte allerdings die Befürchtung, dass die Klausur in irgendeiner Form von Korrektor oder Dozent missverstanden wird.
Hast du dich denn speziell auf den Reim vorbereitet?
Ich habe mir am Tag zuvor zwei Stunden Zeit genommen und einen bereits besprochenen Fall in Gedichtsform gelöst. Das hat mir zumindest ein Gefühl dafür gegeben, wie viel Zeit man pro Tatbestandsmerkmal und Handlungsabschnitt ungefähr benötigt. Leider konnte ich mich in der Klausur aber kaum noch an einzelne Reime erinnern – in Anbetracht der vielen Definitionen und Streitstände, die man sich hätte zurechtlegen können, eigentlich schade. Andererseits: Ein zehnseitiges Gedicht hätte bestimmt niemand lesen wollen.
Gab es irgendwelche Schwierigkeiten beim Reimen oder ging die Klausur locker durch?
Das Ganze hat sich in der Klausursituation doch als ziemlich anspruchsvoll erwiesen. Zwar war der Sachverhalt zum Glück recht zugänglich, immer wieder bin ich auf der Suche nach metrisch passenden Formulierungen und Reimwörtern aber (gefühlt) minutenlang hängen geblieben. Ganz am Ende musste ich dann auch noch feststellen, dass der T in Wirklichkeit A heißt – und aus einem „Oh weh!“ ein „Aha!“ machen.
Eine besondere Schwierigkeit liegt außerdem im Gutachtenstil, der beim Aufbau so gut wie keine Freiheiten lässt und einen immer wieder in den Konjunktiv zwingt. An einigen Stellen konnte ich mir nur mit Interjektionen helfen. Außerdem habe ich bewusst nur Paarreime und (mit wenigen Ausnahmen) Jamben verwandt; kompliziertere Techniken hätten mich – gerade unter Zeitdruck – sicher vollends überfordert.
Für einen Juristen war das ja recht ungewöhnlich. Reimst du auch privat?
Nur für meine Freundin.
Du bist ja nicht der einzige Dichterjurist – gibt’s ein Vorbild?
Bei der Fragestellung denkt man natürlich zuerst an Goethe, obwohl ich persönlich viel mehr auf Schiller halte (der sicher kein „Dichterjurist“ war). Keinen von beiden möchte ich mir aber als Vorbild anmaßen.
Was hast du denn für ein Feedback bekommen?
Ein ziemlich überwältigendes. Vor allem im Internet hat sich die Klausur rasend schnell verbreitet; viele Studenten haben sich über Facebook für die nette Abwechslung in ihrem Studienalltag bedankt. Auch im Kollegen- und Freundeskreis gab es Zuspruch.
Und wie sieht’s mit dem Korrektor aus? Der war ja eher langweilig.
Dafür aber umso großzügiger. Gerade bei ernsthafter Korrektur sind 5 Punkte eine sehr freundliche Bewertung. Im Übrigen trägt die Ernsthaftigkeit der Korrektur sicher zum Unterhaltungswert der Klausur bei.
Was würdest du den Leuten entgegnen, die meinen, dass sind ja nie fünf Punkte.
Dass sie damit nicht ganz Unrecht haben; methodisch und inhaltlich hat die Bearbeitung (zwangsläufig) große Lücken. Zu meiner Verteidigung glaube ich aber, die wichtigen Probleme des Falls doch angesprochen und vertretbar gelöst zu haben.
Planst du schon die gereimte Examensklausur oder dann lieber auf Nummer sicher gehen?
Da wäre dann zumindest genug Zeit für ein anspruchsvolles Versmaß. Aber Spaß beiseite, das wäre sicher eine ziemlich dumme Idee. Eine solide gutachterliche Bearbeitung ist in Versform einfach nicht möglich – und das Examen dann doch eine Spur zu wichtig.
Und danach: Pläne für die Zukunft? Eher Lyrik oder weiter Jura?
Das schließt sich ja nicht aus. Aber im Zweifel: Jura.
Mit deiner Klausur hast du viele Studenten zum Lachen gebracht. Wie kann man das Studium generell noch lustiger gestalten?
Allgemein, indem man Freude daran entwickelt. Dazu gehört auch, das Fach nicht immer ganz ernst zu nehmen. Humorvolle Urteile und Aufsätze beweisen regelmäßig, dass das geht. Ein Beispiel: Wieser, NJW 1990, 1971: Die Pfändung von Gartenzwergen. Auf der nächsten Seite ist außerdem ein auf Frühhochdeutsch gereimtes Urteil des AG Schöneberg abgedruckt. Ein weiterer Tipp: Die geniale Kurzgeschichte „Der Vertrag“ von Ludwig Thoma.
Willst du unseren Lesern abschließend noch etwas sagen?
Dass ich mir sehr über ihre Komplimente gefreut habe.
Herzlichen Dank für das nette Interview.
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