OLG München: Weinbestände sind keine Haushaltsgegenstände
Das OLG München entschied vor Kurzem eine Rechtsfrage, die ohne weiteres als Baustein für sachenrechtliche Examensklausuren verwendet werden kann (Urteil v. 01.08.2011 – 12 UF 161/11). Das OLG München entschied nämlich, dass eine Sammlung wertvoller Weine kein „Haushaltsgegenstand“ im Sinne des Eherechts darstellt. Zwar befasste sich das Urteil thematisch mit dem weniger examensrelevanten Scheidungsrecht, in der Sache sind die rechtlichen Erwägungen des OLG jedoch durchaus klausurtauglich, da sie im Rahmen der Prüfung der examensträchtigen Vorschrift des § 1369 BGB eine Rolle spielen.
Sachverhalt
Im Keller eines Münchner Ehepaares befand sich eine Sammlung teilweise sehr wertvoller Weine (darunter auch ältere Jahrgänge Chateau Petrus und Chateau Lafleur). Der Ehemann hatte diese im Laufe der Jahre angeschafft, da er sich schon lange für Weine interessiert hatte. Während die Ehefrau nur ab und an einen Schluck davon trank, kümmerte sich der Ehemann um den Bestand. Er dokumentierte anhand einer Liste die gesammelten Flaschen, überwachte zu welchem Zeitpunkt ein Konsum am besten in Frage kam und wählte entsprechende Weine zum Verzehr aus. Auch den Schlüssel zum Weinkeller hatte nur er.
Rechtliche Würdigung
Wenn ein Examenssachverhalt nun so gestrickt wäre, dass der Ehemann, der mit seiner Frau im gesetzlichen Güterstand lebt, die teuren Weine verkaufen möchte, wäre er – vorausgesetzt, er ist auch Eigentümer der Weine – nicht an einer Veräußerung gehindert. Insbesondere das Verfügungsverbot des § 1369 BGB würde nach der rechtlichen Würdigung des OLG München einem Verkauf (§ 433 BGB) und einer Übereignung (§§ 929 ff. BGB) nicht entgegenstehen. Nach § 1369 Abs. 1 BGB kann ein Ehegatte zwar nur über ihm gehörende Gegenstände des ehelichen Haushalts verfügen und sich zu einer solchen Verfügung auch nur verpflichten, wenn der andere Ehegatte einwilligt. Das OLG München stellte indes fest, dass es sich bei den Weinbeständen nicht um Haushaltsgegenstände handelt.
Haushaltsgegenstände sind nach Auffassung des Gerichts alle beweglichen Gegenstände, die nach den Vermögens- und Lebensverhältnissen der Ehegatten für die Wohnung, den Haushalt und das Zusammenleben bestimmt sind und damit der gemeinsamen Lebensführung dienen. Der Begriff sei darüber hinaus auch weit auszulegen. Daher würden grundsätzlich auch Vorräte an Nahrungsmitteln, die zwar keine Haushaltsgegenstände im eigentlichen Sinne darstellen, unter den Rechtsbegriff „Haushaltsgegenstände“ fallen. Keine Haushaltsgegenstände seien aber die Gegenstände, die ausschließlich dem Beruf oder dem persönlichen Bedarf eines Ehegatten dienen. Auch die Gegenstände, die zum persönlichen Gebrauch bestimmt seien und den individuellen Interessen eines der Ehegatten dienten, fallen nach Auffassung des OLG München nicht unter den Begriff der Haushaltsgegenstände. Entscheidend sei bei der Betrachtung jeweils die Zweckbestimmung und Nutzung der Gegenstände im Einzelfall. Nicht zu den Haushaltsgegenständen gehörten daher etwa Münzsammlungen und Briefmarkensammlungen. Genausowenig erfasst seien indes Luxusweinbestände, sofern sie – wie im hier dargestellten Fall – ausschließlich von einem der Ehepartner verwaltet werden.
Examensrelevanz
Angesichts der Tatsache, dass über § 1369 BGB ein vermeintlich einfach zu lösender sachen- oder bereicherungsrechtlicher Fall, in dessen Rahmen die Eigentumslage im Hinblick auf einen bestimmten Gegenstand erörtert werden muss, erheblich verkompliziert werden kann, eignet sich das hier besprochene Urteil hervorragend für das Abfragen in juristischen Prüfungen.
Darüber hinaus sollte bekannt sein, dass im Rahmen von Verfügungen, die nach § 1369 BGB unwirksam sind, auch § 1368 BGB anwendbar ist (vgl. § 1369 Abs. 3 BGB). Diese Vorschrift regelt gesetzlich eine Prozessstandschaft zugunsten des benachteiligten Ehegatten. Dies hat zur Folge, dass die Rechte des verfügenden Ehegatten gegenüber dem vermeintlichen Vertragspartner, also demjenigen, der die Sache (in diesem Fall die Weinbestände) unrechtmäßig erhalten hat, auch von dem benachteiligten Ehegatten (hier der Ehefrau) im Wege eines Prozesses geltend gemacht werden können.
Im Rahmen der Zulässigkeit einer zivilrechtlichen Klage (im ersten sowie zweiten Examen wird dies häufig eine Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO sein), wäre diese Fragestellung ausnahmsweise bereits bei der Zulässigkeit (und zwar unter dem Stichwort „Prozessführungsbefugnis“) zu erörtern. In der Begründetheit der Klage würde sodann nochmal kurz auf § 1368 BGB einzugehen sein (wobei der Prüfungspunkt hierbei als „Aktivlegitimation“ zu bezeichnen wäre).
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