OLG Köln: Strafbarkeit nach § 265a StGB bei Tragen einer Mütze mit Aufschrift „Ich fahre schwarz“
Das OLG Köln (Beschluss v. 28.09.2015 – III-1 RVs 118/15) hat eine Entscheidung des Landgerichts Bonn bestätigt, wonach ein Fahrgast sich wegen Beförderungserschleichung (§ 265a I StGB) auch dann strafbar macht, wenn er an seiner Mütze einen Zettel mit der sicht- und lesbaren Aufschrift „Ich fahre schwarz“ angebracht hat.
Zivilrechtlich ist der Fall eindeutig: Ein Vertrag kommt durch konkludente Erklärungen zustande. Durch das Betreten der Bahn nimmt der Fahrgast das Angebot auf Abschluss eines Beförderungsvertrags an. Die hierzu im Widerspruch stehende Aufschrift ist unbeachtlich – ein typischer Fall des Einwands widersprüchlichen Verhaltens (bzw. genauer: protestatio facto contraria non valet; vgl. hierzu den sog. Hamburger Parkplatzfall, der heute ebenfalls durch Auslegung zu lösen wäre).
Sachverhalt
Der Entscheidung des OLG Köln lag der folgende einfache Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte hatte am 11.11.2011 in Köln den ICE Richtung Frankfurt/Main bestiegen und sich einen Sitzplatz gesucht, ohne über eine Fahrkarte zu verfügen; zuvor hatte er einen Zettel mit der Aufschrift „Ich fahre schwarz“ in seine umgeklappte Wollmütze gesteckt, ohne sich beim Einsteigen oder bei der Sitzplatzsuche einem Mitarbeiter der Deutschen Bahn zu präsentieren. Erst bei einer routinemäßigen Fahrscheinkontrolle wurde der Zugbegleiter auf den Angeklagten und den von diesem getragenen Zettel aufmerksam.
Lösung
Die Entscheidung betrifft zunächst das klassische Klausurproblem, ob beim „schlichten“ Schwarzfahren (also ohne Umgehen von Kontrollvorrichtungen) eine Strafbarkeit nach § 265a I StGB gegeben ist. Umstritten ist, ob hierin bereits ein „Erschleichen“ gesehen werden kann. Nach Ansicht des BGH ist dies zu bejahen (s. Beschluss v. 08.01.2009 – 4 StR 117/08, NJW 2009, 1091). Eine Beförderungsleistung werde bereits dann erschlichen, wenn der Täter ein Verkehrsmittel unberechtigt benutze und sich dabei allgemein mit dem Anschein umgebe, er erfülle die nach den Geschäftsbedingungen des Betreibers erforderlichen Voraussetzungen. Die h.L. lehnt dies hingegen ab (s. etwa Lackner/Kühl/Heger, StGB, § 265a Rn. 6a; NK-StGB/Hellmann, § 265a Rn. 35 ff; Hinrichs, NJW 2001, 932; BeckOK StGB/Valerius, § 265a Rn. 21).
Folgt man dem BGH, so stellt sich im vorliegenden Fall das zusätzliche Problem, ob durch die Aufschrift auf der Mütze eine andere Bewertung angezeigt ist. Das OLG Köln lehnt dies ab. Mit seinem Verhalten gebe sich der Fahrgast den Anschein, er erfülle die nach den Geschäftsbedingungen der Bahn erforderlichen Voraussetzungen für die Beförderung. Der an der Mütze angebrachte Zettel mit der Aufschrift „Ich fahre schwarz“ erschüttere diesen Eindruck nicht. Hierzu wäre erforderlich, dass der Fahrgast offen und unmissverständlich zum Ausdruck bringt, den Fahrpreis nicht entrichten zu wollen. Dass andere Fahrgäste vor Fahrtantritt oder während der Fahrt die Aufschrift wahrnehmen, sei unerheblich. So sei es nach den Beförderungsbedingungen möglich gewesen, noch im Zug einen Fahrschein zu lösen, so dass das Verhalten des Angeklagten zunächst regelkonform erschien. Auch interessiere sich ein Fahrgast regelmäßig nicht dafür, ob andere Fahrgäste über eine Fahrkarte verfügten. Schließlich sei es nicht Sache der anderen Fahrgäste, den Fahrpreisanspruch der Deutschen Bahn AG durchzusetzen oder den Fahrgast ohne Fahrschein an der Beförderung zu hindern.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln vom 28.09.2015
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