Jur:Next Urteil: Ausgleichsansprüche innerhalb der nichtehelichen Lebensgemeinschaft?
Der nachfolgende Beitrag stammt aus der Kooperation mit Jur:Next und behandelt ein examensrelevantes Urteil des Bundesgerichtshofs, das sich mit Ausgleichansprüchen bei der Trennung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft befasst.
BGH Urteil vom 4. März 2015 – XII ZR 46/13: Ausgleichsansprüche innerhalb der nichtehelichen Lebensgemeinschaft (neLG), erbrachte Leistungen in der Immobilie der Eltern der Lebenspartnerin
Fundstelle: Entscheidungsdatenbank des BGH (https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/list.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=5b4d57c35a5f0c0325d1418e08cfeb72)
Problemaufriss
Momentan häufen sich beim BGH Urteile zu zwar altbekannten, aber doch sehr examensrelevanten Bereichen: Zum einen gibt es ein aktuelles Urteil zum Thema Ausgleichsansprüche von Eltern gegenüber Schwiegerkindern bei einer Schenkung im Falle der Scheidung (BGH vom 3. Dezember 2014 – XII ZB181/13). Zum anderen beschäftigt sich der BGH mit der Frage, ob nach der Trennung einer neLG Ausgleichsansprüche gegen die Eltern der Partnerin/des Partners bestehen, wenn in deren Immobilie Leistungen erbracht werden.
Das hier behandelte Urteil des BGH stellt die Frage in den Mittelpunkt, ob jemand von den Eltern der ehemaligen Lebenspartnerin einer neLG Ausgleich verlangen kann, wenn er in deren Immobilie Arbeits- und Sachleistungen erbracht hat mit dem Zweck, selbst mit seiner Familie dort kostenfrei zu wohnen. Eine sicher in der Praxis sehr häufige Konstellation!
Relevant wird dabei, ob ein Vertrag zwischen den Parteien besteht und damit ein Ausgleich nach § 313 BGB in Frage kommt oder ob ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 812 ff. BGB besteht. Insbesondere das Thema „Kooperationsvertrag“ zwischen Freund der Tochter und Eltern wird vom Gericht eingehend geprüft und ist sicher eine nicht jedem Examenskandidaten geläufige Problematik.
Leitsatz:
„Erbringt jemand nicht unerhebliche Arbeits- und Materialleistungen in einer von ihm und seiner, mit ihm nicht verheirateten Partnerin bewohnten, im Eigentum ihrer Eltern stehenden Immobilie, zu dem Zweck, sich und seiner Familie dort langfristig ein Unterkommen zu sichern, kann nicht ohne Weiteres von dem Abschluss eines Kooperationsvertrages zwischen ihm und den Eltern ausgegangen werden.“
Interessant und damit examensrelevant macht diese Entscheidung, dass das Gericht lehrbuchhaft die einzelnen vertraglichen Ansprüche (§ 313 BGB aus Leihvertrag oder einem sog. „Kooperationsvertrag“) sowie Ansprüche aus §§ 812 ff. BGB prüft. Im Ergebnis kommt das Gericht dazu, dass im vorliegenden Fall keine Ausgleichsansprüche bestehen, obwohl der ehemalige Freund der Tochter erhebliche Arbeits- und Sachleistungen in der Immobilie der Eltern erbracht hat. Der BGH hat die Revision des Klägers daher zurück gewiesen.
Sachverhalt
Streitgegenstand sind Ausgleichsansprüche des Klägers gegenüber den Eltern seiner ehemaligen Lebensgefährtin für erbrachte Arbeits- und Materialleistungen sowie übernommene Darlehensraten.
Der Kläger macht gegen die Beklagten, die Eltern seiner ehemaligen Lebensgefährtin, Ausgleichsansprüche wegen Investitionen in deren Immobilie geltend. Der Kläger lebte mit der Tochter der Beklagten bis März 2010 in einer neLG, aus der ein Kind entstanden ist.
Die Beklagten sind Eigentümer eines Hausanwesens. Um die Wohnsituation der Familie zu verbessern, wurde dieses Haus um- und ausgebaut. Zur Finanzierung nahmen die Beklagten einen Kredit von 50.000 € auf. Von September 2008 bis September 2009 trug der Kläger die monatliche Rate von 158 €.
Nach der Trennung zog der Kläger aus der Wohnung aus. Seine ehemalige Freundin und das gemeinsame Kind blieben weiter dort wohnen. Der Kläger hat insgesamt 25.000 € eingeklagt.
Die Klage begründet er damit, dass er in Abstimmung mit den Beklagten das Haus umgebaut habe. Er habe insgesamt 2.168 Arbeitsstunden geleistet, 3.099,47 € für Material bezahlt und über ein Jahr die Darlehensrate bezahlt.
Durch seine Leistungen hätte die Immobilie eine Wertsteigerung von 90.000 € erfahren.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten hin abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger – im Ergebnis erfolglos – mit seiner Revision.
Entscheidung des Gerichts
Das Gericht weist die zulässige Revision als unbegründet zurück, weil der Kläger keinen Anspruch auf Ausgleich hat.
Das Gericht unterteilt seine Begründung – vorbildlich wie in einer Examensklausur – nach den verschiedenen erbrachten Leistungen des Klägers: Arbeitsleistung, Materialkosten und Darlehenstilgung.
I. Wegen der erbrachten Arbeitsleistung hat der Kläger weder einen vertraglichen Anspruch noch einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung.
1. Zwischen den Parteien bestehen nach Ansicht des BGH keine Ansprüche auf Vertragsanpassung nach § 313 BGB.
a) Ein sogenannter „Kooperationsvertrag“ ist zwischen den Eltern als Eigentümer und dem Freund der Tochter nicht zustande gekommen. Arbeitsleistungen sind keine Zuwendungen, da dadurch keine Vermögenswerte übertragen werden. Nach der Rechtsprechung des BGH sind Arbeitsleistungen rein wirtschaftlich betrachtet ebenso eine geldwerte Leistung und können daher zu Ausgleichsansprüchen führen.
Hierzu müsste eine zumindest stillschweigende Übereinkunft zwischen den Parteien vorliegen, dass die Leistungen zur Ausgestaltung der Lebensgemeinschaft erbracht werden und darin ihre Geschäftsgrundlage haben. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn die Leistungen über eine bloße Gefälligkeit hinaus gehen oder einen messbaren Vermögenszuwachs beim anderen Teil herbeiführen.
Hier fehlt es an einer solchen Übereinkunft, auch wenn die Arbeitsleistungen des Klägers über eine reine Gefälligkeit hinausgehen und der Wert der Immobilie dadurch gesteigert wurde. Denn bei den Parteien handelt es sich gerade nicht um Partner einer neLG, sondern um Eltern und den Freund der Tochter. Rein begrifflich können die Arbeitsleistungen daher nicht der Ausgestaltung einer (zwischen den Parteien bestehenden) Lebensgemeinschaft dienen. Der Kläger hat die Arbeitsleistungen erbracht, um die Wohnverhältnisse für sich und seine Familie zu verbessern.
b) Das Berufungsgericht hat zwischen den Parteien einen Leihvertrag über die Immobilie angenommen. Zwischen den Parteien war nicht nur ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis gewollt, sondern ein rechtlich verbindliches Leihverhältnis; der Kläger wollte auf Dauer und fest die Immobilie mit seiner Familie bewohnen. Dieser Leihvertrag führt aber nicht zu Ausgleichsansprüchen nach § 313 BGB.
Zum einen ist die Anpassung des Leihvertrages nicht Streitgegenstand, die Klage ist gerichtet auf Zahlung. Der Leihvertrag enthält aber im Gegenzug keine Verpflichtung des Klägers, Leistungen zu erbringen. Inhalt des Leihvertrages ist nur, dass der Kläger mit seiner Familie die Immobilie unentgeltlich nutzen kann.
2) Aus dem Leihvertrag besteht auch kein Anspruch auf Verwendungsersatz nach § 601 Abs. 2 Satz 1 BGB. Der Verwendungsersatz richtet sich nach den Regeln der GoA. Der Anspruch ist hier nach den getroffenen Feststellungen nach § 685 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, da der Kläger als Geschäftsführer im Zeitpunkt der Bauausführung nicht die Absicht hatte, von dem Geschäftsherren Ersatz zu verlangen.
3) Auch scheiden Ansprüche des Klägers aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 BGB aus.
a) Eine condictio ob causam finitam nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB scheidet aus, da das Leihverhältnis als Rechtsgrund nicht weggefallen ist. Allein der Auszug des Klägers reicht dafür nicht aus.
b) Ebenso wenig kommt eine condictio ob rem in Frage nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB. Zwischen den Parteien besteht zwar eine Zweckabrede. Der Kläger errichtet für seine Familie die Wohnung und kann dafür im Gegenzug selbst mit seiner Familie auf Dauer dort mietfrei wohnen. Dieser bezweckte Erfolg ist durch den Auszug des Klägers zumindest nicht vollständig eingetreten.
Die Beklagten sind jedoch nicht bereichert. Das Leihverhältnis besteht fort, die Wohnung wird weiter von der Tochter und der Enkeltochter mietfrei bewohnt. Die Beklagten können die Werterhöhung durch Vermietung nicht durch eine entsprechend höhere Miete realisieren (ein strittiger Punkt…Die Bereicherung könnte auch in der Werterhöhung der Immobilie per se gesehen werden).
II. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ersatz der Materialkosten.
1. Parallel zu der Arbeitsleistung scheiden auch hier vertragliche Ansprüche aus. Eine Schenkung i.S. des § 516 BGB liegt ebenfalls nicht vor, da der Kläger durch das Material nicht den Beklagten etwas zuwenden wollte, sondern für sich und seine Familie eine Wohnung bauen wollte.
2. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung bestehen auch hier nicht (siehe oben).
III. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausgleich der Darlehensrate.
1. Der BGH lässt offen, ob hier eine Schenkung vorliegt oder nicht. Einzige Anspruchsgrundlage für einen Ausgleich ist § 313 BGB. Dessen Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt. Der Zahlung der Darlehensraten durch den Kläger lag erkennbar die Vorstellung zugrunde, die Immobilie dauerhaft mietfrei nutzen zu können. Diese Grundlage ist durch den Auszug des Klägers – zumindest teilweise – weggefallen.
Ein Festhalten am Schenkungsvertrag ist aber nicht unzumutbar. Nicht jede einschneidende Veränderung der Verhältnisse soll nach dem Willen des Gesetzes zu einer Anpassung oder Kündigung führen.
Eine Interessenabwägung im Einzelfall ergibt hier, dass ein Festhalten am Vertrag nicht unzumutbar ist. Der Kläger hat 13 Monate lang die Rate von 158 €, also insgesamt 2.054 € bezahlt. Dies ist im Gegenzug für mietfreies Wohnen nach Ansicht des BGH zumutbar.
2. Ein Bereicherungsanspruch nach §§ 812, 267 BGB bei Tilgung fremder Schulden scheidet hier ebenfalls aus, da die zugrunde liegende Zweckabrede, dafür mietfrei zu wohnen, zumindest teilweise und für eine bestimmte Zeit erfüllt worden ist.
Bewertung der Entscheidung
Die Entscheidung des Gerichts überzeugt. Das Gericht prüft absolut vorbildlich – beinahe wie in einer Examensklausur – Schritt für Schritt, getrennt nach den jeweils erbrachten Leistungen Arbeit, Material und Darlehensrate, die einzelnen Anspruchsgrundlagen durch. Der BGH lehnt einen Anspruch sowohl aus Vertrag als auch aus §§ 812 ff. BGB für sämtliche verschiedenen Leistungen ab.
Die Entscheidung ist ein seltenes, aber dafür umso relevanteres Beispiel für ein Urteil, das ganz konkret nah am Gesetzestext prüft und den Sachverhalt subsummiert.
Sicher ist an einigen Stellen – gerade im 1. Staatsexamen – auch eine andere Ansicht vertretbar. Dabei kommt es auch immer konkret auf den gestellten Sachverhalt an.
Examensrelevanz
Die Entscheidung zeichnet insgesamt eine sehr leichte Lesbarkeit aus. Die Urteilsbegründung ist aus sich heraus sehr gut verständlich und beinahe vorbildlich gegliedert. Daher kann diese Entscheidung gut als Vorlage für eine Examensklausur herangezogen werden.
Die Entscheidung hat Examensrelevanz. Das Thema neLG und Ansprüche bei Beendigung sowie der Unterschied zu Ansprüchen bei Scheidung einer Ehe ist nach wie vor ein „heißes Eisen“. Dies gerade umso mehr, da diese Thematik den BGH gerade wieder rauf und runter (neLG, Schenkungen von Schwiegereltern und Rückforderungsansprüche bei Scheidung, s.o.) beschäftigt hat.
siehe auch:
Scherpe, Julia Caroline, Vermögensrechtliche Abwicklung
beendeter nichtehelicher Lebensgemeinschaften-
Zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung und Konkurrenz von § 313 BGB und
condictio ob rem, JuristenZeitung, Volume 69, Number 13, July
2014, pp. 659-667(9)
Abstract:
In diversen Entscheidungen hat der BGH bereits zum Thema der
vermögensrechtlichen Abwicklung beendeter nichtehelicher Lebensgemeinschaften
Stellung genommen. Dabei bleibt insbesondere das genaue Verhältnis von Störung
bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage und Zweckverfehlungskondiktion unklar. Der
folgende Beitrag vertritt die Auffassung, dass der Fortbestand der
nichtehelichen Lebensgemeinschaft Primärzweck einer Leistung zwischen den
Partnern ist und dies zu einer ausschließlichen Anwendbarkeit des § 812 Abs. 1
Satz 2 Alt. 2 BGB führt.
Zuwendungsbeziehungen bestanden evtl. zwischen dem Kläger einerseits und auf der anderen Seite seiner (vormaligen) Lebenspartnerin gemeinsam mit deren Eltern.
Für einen Ersatzanspruch müsste damit u.U. schlüssig dargelegt sein, dass eine Erstattung, etwa als Auftragsaufwandentschädigung, jedenfalls für den Fall der Beendigung der Partnerschaft, vorgesehen war.
Andernfalls könnte im Zweifel grds. von nicht erstattungsfähigen einseitigen Zuwendungen iSv. Schenkung auszugehen sein, soweit Zuwendungen solche der Gegenseite, wie etwa Einräumung einer Wohnmöglichkeit o.ä., überstiegen haben sollten.
Eine insoweitige Erstattung könnte hierbei danach evtl. nur entsprechend von Schenkungsrecht, etwa wegen groben Undankes o.ä., näher als durchgreifend erscheinen.
Die Beendigung einer Partnerschaft und in der Folge die Aufhebung einer Mitwohnmöglichkeit dürfte allerdings m.E. eher noch keinen groben Undank idS. beinhalten.
Also, wenn das im Vgl zu der bisherigen BGH-Rspr zu n-e LGen nicht absolut unschlüssig ist…
Der Schutzpatron von Waisen und Kindern strickt an einer Rechtsfolgenjurisprudenz, die nix mehr mit der herkömmlichen juristischen Dogmatik zu tun hat.
Hätten die Schwiegereltern die Whg von dem hiesigen Kläger repariert und nach der Auseinandersetzung der n-e LG das Geld von ihm sehen wollen, so würde sich sowohl eine zum Wegfall taugliche GG, als auch ein für die cond ob rem erforderlicher, später weggefallen Zweck locker finden lassen.
Schwachsinn vom Feinsten.