Haftung beim vorzeitigen Herausstellen des Sperrmülls
Das AG Neustadt hatte kürzlich über eine Klage zu entscheiden, wobei der zu Grunde liegende Sachverhalt interessanten Stoff für Klausuren des ersten sowie des zweiten Examen bereit hält (Urteil vom 20.02.2012 – 55 C 1520/11).
Sachverhalt
Zwecks Auflösung einer Wohnung hatte die A sich von einer Abfallbeseitigungsfirma einen Termin für die Sperrmüllabfuhr geben lassen. Entgegen den klaren Vorgaben der Firma stellte die A den Sperrmüll allerdings nicht erst am Morgen des Abholtages, sondern bereits am Nachmittag des Vortages heraus. Die A tat dies, damit sich Interessenten aus den zum Teil brauchbaren Gegenständen etwas heraussuchen konnten.
Problematisch war allerdings, dass das Fahrzeug des B in unmittelbarer Nähe zum Sperrmüll geparkt war. Das Fahrzeug wurde im Laufe des Tages durch mehrere Kratzer beschädigt. Die Beweisaufnahme ergab, dass die Schäden durch Teile des Sperrmülls der A hervorgerufen wurden. Es konnte jedoch nicht mehr aufgeklärt werden, ob der Sperrmüll zu dicht am Fahrzeug des Klägers abgestellt wurde oder ob das Fahrzeug des Klägers erst geparkt wurde, als der Sperrmüll bereits herausgestellt worden war, und anschließend durch unbekannte Dritte, die den Sperrmüll durchwühlten, beschädigt wurde.
Entscheidungsgründe
Das AG Neustadt hat der Klage des B gegen A auf Kostenerstattung in Höhe der Neulackierung von 385,50 Euro stattgegeben. Inhaltlich handelt es sich dabei um einen deliktischen Anspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB.
Nach Auffassung des Gerichts kam es nicht darauf an, ob der Sperrmüll zu dicht am Fahrzeug abgestellt wurde oder ob es erst geparkt wurde, als der Sperrmüll bereits herausgestellt worden war. Denn die Beklagte habe, indem sie den Sperrmüll zu früh herausstellte, ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Sie habe die Abfuhr der nicht mehr benötigen Möbel organisiert und war somit dafür verantwortlich, dass dadurch kein Schaden entstand. Insbesondere hätte sie den Müll nicht zu früh herausstellen dürfen.
Das AG Neustadt knüpfte insofern für die Verletzungshandlung bereits an das zu frühe Herausstellen des Mülls an. Sofern dann Dritte die Schäden verursachen, ist die A dennoch verantwortlich i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB. Auch das Verschulden war sodann konsequent zu bejahen, da die A nach den Wertungen des Gerichts damit rechnen musste, dass bei einem zu frühen Herausstellen des Mülls Schäden an umliegenden Fahrzeugen entstehen können.
Im Rahmen einer Klausurbearbeitung hätte man anschließend noch über eine Haftungsminderung gemäß § 254 Abs. 1 BGB wegen eines Mitverschuldens des B nachdenken können. Entsprechend dem vorgenannten Beweisergebnis ließ sich aber gerade nicht mehr feststellen, ob der B erst später sein Fahrzeug neben dem Sperrmüll geparkt hat oder ob der Sperrmüll nachträglich in der Nähe des Fahrzeugs abgestellt wurde. Bei Vorliegen eines solchen non liquets, also der Nichterweisbarkeit einer Tatsache, ist nach den Grundsätzen der allgemeinen Darlegungs- und Beweislast zu entscheiden.
Die Voraussetzungen von § 254 Abs. 1 BGB müssen, da sie sich anspruchsmindernd auswirken, regelmäßig vom Anspruchsgegner bewiesen werden. Die A konnte hier den notwendigen Beweis nicht erbringen, so dass zu ihren Lasten davon auszugehen war, dass kein Mitverschulden vorlag. Der Anspruch des B gemäß § 823 Abs. 1 BGB, dessen Voraussetzungen – abgesehen von der Verletzungshandlung und dem Verschulden – unproblematisch gegeben waren, war somit in voller Höhe anzuerkennen.
Examensrelevanz
Das Herausarbeiten bestimmter Verkehrssicherungspflichten im Rahmen deliktischer Schadensersatzansprüche wird äußerst häufig im ersten sowie im zweiten Staatsexamen abgeprüft. Wichtig ist bei derartigen Klausuren, dass man als Verletzungshandlung (bzw. Unterlassen) nicht bloß an den unmittelbaren Schädigungsakt anknüpft, sondern dass man darüber hinaus auch vorangeganene Akte als taugliche deliktische Handlung in Betracht zieht.
Beweisprobleme kommen im ersten Examen deutlich seltener vor als im zweiten. Gleichwohl müssen auch hier die Gründzuge der Darlegungs- und Beweislast beherrscht werden, da sie mitunter durchaus Eingang in die Prüfungen finden. Dies ist im ersten Examen meist dann der Fall, wenn eine Verletzungshandlung durch einen Dritten begangen wurde, dieser aber entweder nicht auffindbar oder insolvent ist.
Unter rechtlichen Gesichtspunkten durchaus nachvollziehbar … Mit gesundem Menschenverstand betrachtet schlichtweg unglaublich (bei mir kommt der Sperrmüll-Trupp um 6:00 Uhr).
Ich hab den Fall dabei so verstanden, dass vom Gericht gerade nicht problematisiert worden war, ob die Schäden möglicherweise auf Dritte zurückzuführen sind …
@Ringo: Es ließ sich wohl gerade nicht mehr feststellen, wie die Schäden entstanden sind, sprich, ob es Dritte waren, der Wind oder sonstwer, konnte nicht erwiesen werden.
Danke für die Klarstellung!