BGH: Verweigerung der Nacherfüllung wegen Unverhältnismäßigkeit nach § 439 Abs. 3 BGB noch im Prozess möglich
Der BGH hat sich in einer Entscheidung vom 16.10.2013 (VIII ZR 273/12) mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung verweigern kann und ob dies auch noch möglich ist, wenn er zuvor jedwede Nacherfüllung verweigert hat. Dieses Urteil dürfte vor allem für das 2. Staatsexamen Klausurrelevanz aufweisen, da prozessuale Probleme mit Rechtsfragen zum Kaufrecht verknüpft sind.
Dem Fall lag der folgende Sachverhalt zugrunde (vereinfacht):
Sachverhalt
Der Kläger schloss im August 2009 einen Leasingvertrag über einen Neuwagen. Die Leasinggeberin trat ihm die Gewährleistungsrechte aus dem Kaufvertrag über das Auto ab. Außerdem wurde im Rahmen des Leasingvertrages vereinbart, dass dieser auch dann fortgesetzt werden soll, wenn der Leasingnehmer wegen eines Mangels des Leasinggutes die Neulieferung einer mangelfreien Sache fordert.
Der Kläger rügte in der Folge verschiedene Mängel und begehrte (aus abgetretenem Recht) von dem Autohaus, das das Fahrzeug geliefert hatte, Nacherfüllung durch Lieferung eines Neufahrzeugs. Das Autohaus bestritt die Mängel und verweigerte jegliche Nacherfüllung. In der daraufhin erhobenen Klage auf Nacherfüllung konnte der Kläger nachweisen, dass die automatisch an- und ausklappenden Außenspiegel nicht zuverlässig funktionierten. Das beklagte Autohaus berief sich nun auf § 439 Abs. 3 BGB, wonach der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung verweigern kann, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.
Lösung des OLG Nürnberg
Ein erstes zentrales Problem des Falles liegt darin, dass hier zwischen den Parteien kein Kaufvertrag bestand, sondern der Kläger nur aus abgetretenem Recht aus dem Leasingvertrag vorgeht. Wählt nämlich der Leasingnehmer im Rahmen von § 439 Abs. 1 BGB die Nachlieferung einer neuen Sache als Form der Nacherfüllung, ist die Vollamortisation des Leasingguts im Rahmen des Leasingvertrages gefährdet. Der Leasinggeber, der ja selbst kein Verbaucher ist, hat nach § 439 Abs. 4 i. V. m. § 346 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB dem Lieferanten Wertersatz für den Gebrauch der zurückzugebenden mangelhaften Kaufsache zu leisten, während nicht gewährleistet ist, dass die Verwertung der neuen Leasingsache bei Ablauf des Leasingvertrages einen Mehrerlös erbringen wird, der die Mehrbelastung durch die Nutzungsvergütung ausgleicht. In der Literatur wird für diesen Fall vertreten (von Westphalen, ZIP 2001, 2258), dass das Verlangen des Leasingnehmers nach Neulieferung des Leasinggutes in der Wirkung einer Rücktrittserklärung gleichzustellen sei und zu einem Fortfall der Geschäftsgrundlage des Leasingvertrages führe; demnach hätte die Geltendmachung eines solchen Nachlieferungsanspruches die Folge, dass der Leasingnehmer damit das Gegenteil dessen erreicht, was er eigentlich begehrt, nämlich anstelle der Fortführung des Leasingvertrages unter Austausch des Leasinggutes die Vertragsbeendigung. Nach der wohl hM geht dies zu weit. Zulässig sei als Ausweg nur eine Vereinbarung zwischen Leasinggeber und Verkäufer, wonach nur die Nachbesserung als Form der Nacherfüllung verlangt werden kann. Der BGH hat diese Problematik noch nicht entscheiden. In einer Entscheidung zum alten Schuldrecht hat er aber vertreten, dass bei einem Umtausch des Leasinggutes die Geschäftsgrundlage nicht berührt sei (Urteil vom 30.07.1997 – VIII ZR 157/96). Dieser Streit musste hier jedoch nicht entschieden werden, denn die Parteien des Leasingvertrages hatten ausdrücklich geregelt, dass der Leasingvertrag auch dann fortgesetzt wird, wenn der Leasingnehmer wegen eines Mangels des Leasinggutes die Neulieferung einer mangelfreien Sache fordert.
Sodann stellt das OLG Nürnberg lediglich das Vorliegen eines (wesentlichen) Mangels fest und bejaht den Nacherfüllungsanspruch des Klägers. Ein Verweigerungsrecht des beklagten Autohauses nach § 439 Abs. 3 BGB bestehe nicht. Dies begründet das OLG kurz und knapp wie folgt:
„Da die Beklagte die Behebung des Mangels hinsichtlich der Funktion der Außenspiegel verweigert hat, die möglicherweise mit verhältnismäßig geringen Kosten durch Austausch eines elektronischen Bauteiles hätte erreicht werden können, kann sie sich nun nicht gem. § 439 Abs. 3 S. 1 BGB darauf berufen, gerade die vom Kläger geltend gemachte Art der Nacherfüllung sei für sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden.“
Ein Grund für den Ausschluss der Einrede gem. § 439 Abs. 3 BGB dürfte indes nicht gegeben sein. Ein Fall des äquipollenten Parteivorbringens liegt hier nicht vor, auch für eine Präklusion gibt es keine Hinweise. Man könnte allenfalls an einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) aufgrund widersprüchlichen Verhaltens denken, aber auch dies dürfte abzulehnen sein. Die Beklagte hat hier schlicht mehrere Verteidigungsglinien verfolgt, indem sie in erster Linie das Vorliegen eines Mangels bestreitet und sich dann subsidiär – erst als ein Mangel im Prozess bewiesen war – auf die Einrede nach § 439 Abs. 3 BGB beruft.
Lösung des BGH
Der BGH ist nun in der Revisionsentscheidung dem OLG Nürnberg zu Recht nicht gefolgt. Die Entscheidungsgründe sind zwar noch nicht einsehbar, im Rahmen der Pressemitteilung (PM Nr. 171/2013) gibt der BGH jedoch bereits einige Hinweise: Die Einrede des Verkäufers aus § 439 Abs. 3 BGB sei nicht, wie das Berufungsgericht noch angenommen hatte, allein deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte zunächst jegliche Mängel des Fahrzeugs bestritten und aus diesem Grund die Nacherfüllung insgesamt verweigert hat. Der Verkäufer sei in der Regel nicht daran gehindert, sich auf die Unverhältnismäßigkeit der Kosten der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung erst im Rechtsstreit über den Nacherfüllungsanspruch zu berufen.
Da das Berufungsgericht nicht abschließend geprüft hatte, ob hinsichtlich des festgestellten Mangels die Voraussetzungen des § 439 Abs. 3 BGB vorlagen, hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
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