BGH: Deutsche Zivilgerichte für Klagen gegen Ratingagenturen zuständig
Der BGH hat mit Beschluss vom 13.12.2012 – Az. III ZR 282/11 entschieden, dass US-Ratingagenturen grundsätzlich vor deutschen Zivilgerichten verklagt werden können (zur Haftung von Ratingagenturen nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, s. hier).
I. Sachverhalt und Gang des Verfahrens
Der Kläger hatte sich beim Erwerb später wertlos gewordener Lehmann–Zertifikate auf die positiven Bewertungen der Ratingagentur Standard & Poor‘s verlassen. Der Emittentin der Zertifikate wurde dabei von der Ratingagentur bis zuletzt eine Kreditwürdigkeit von A bescheinigt, die für den Erwerb der Zertifikate ausschlaggebend gewesen sein soll. Die Frage, ob sich die Beklagte dem Grunde nach schadensersatzpflichtig gemacht hat, ist mit dem BGH-Beschluss indes noch nicht geklärt, da der BGH sich im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ausschließlich mit verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten zu beschäftigen hatte. Darunter die Frage, ob sich die örtliche Zuständigkeit des LG Frankfurt/Main aus § 23 ZPO herleiten lässt.
Das LG Frankfurt hatte die Frage der örtlichen Zuständigkeit in einem gesonderten Verfahren behandelt und seine örtliche Zuständigkeit verneint. Auf die Berufung des Klägers wurde das Verfahren vom OLG Frankfurt zurück an das Landgericht verwiesen. Die Ratingagentur erhob daraufhin erfolgreich Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.
II. Rechtliche Bewertung
Im Wesentlichen beanstandeten die Richter aus Karlsruhe, dass das OLG Frankfurt die örtliche Zuständigkeit gar nicht prüfte, sondern zu Unrecht davon ausging, die Beklagte habe sich rügelos eingelassen, obwohl die Ratingagentur ihre rechtlichen Zweifel an der örtlichen Zuständigkeit explizit vorgetragen hatte, wobei schon die wirksame Zustellung der Klage bestritten wurde. Erst im abschließenden Teil des Verdikts bezog der Senat Stellung zur Frage der örtlichen Zuständigkeit und ließ damit Anleger und ihre Anwälte aufhorchen.
§ 23 Besonderer Gerichtsstand des Vermögens und des Gegenstands
Für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Bei Forderungen gilt als der Ort, wo das Vermögen sich befindet, der Wohnsitz des Schuldners und, wenn für die Forderungen eine Sache zur Sicherheit haftet, auch der Ort, wo die Sache sich befindet.
Nach Ansicht des BGH treffe es zwar zu, dass die Anwendbarkeit des § 23 ZPO nur dann in Betracht kommt, wenn die Rechtsstreitigkeit einen über die Vermögensbelegenheit hinausgehenden Inlandsbezug aufweise (vgl. BGHZ 115, 90, 94 ff.). Danach wurde es zur Bejahung des Inlandsbezugs regelmäßig nicht als ausreichend erachtet, wenn sich lediglich Vermögenswerte des Anspruchsgegners im Inland befanden. Bei der Konkretisierung der an den „Inlandsbezug“ zu stellenden Anforderungen müsse allerdings die Entstehungsgeschichte der Vorschrift berücksichtigt werden (historische Gesetzesauslegung). Die Vorgängerregelung in § 24 CPO von 1877 sei danach von der Überlegung getragen gewesen einen Auffanggerichtsstand für klagende Inländer (unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit) zu schaffen, da andernfalls Ausländer mit im Inland gelegenem Vermögen nicht verklagt werden könnten. So hat das Reichsgericht beispielsweise den Inländerschutz im Rahmen der Anwendung des § 23 ZPO stets hervorgehoben (RGZ 6, 400, 403). Der Senat kam daher zu dem Ergebnis, dass der Wohnsitz des Klägers in Deutschland als ein für die Anwendung des § 23 ZPO hinreichender Inlandsbezug anzusehen ist.
III. Fazit
Bei geschädigten Anlegern und Anlegeranwälten ist der BGH-Beschluss auf große Zustimmung gestoßen. Dies ist allerdings auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass es nun, neben den Banken und sonstigen Finanzdienstleistern, einen weiteren potentiellen Anspruchsgegner gibt, zumal die vielbeschworenen US-Ratingagenturen bislang als weitestgehend unantastbar galten. Dem Zivilprozessrecht zugeneigte Prüfer könnten aufgrund des enormen medialen Echos dieser Entscheidung durchaus auf die Idee kommen das Thema im Rahmen einer mündlichen Prüfung anzusprechen.
Besonders gut fand ich den Kommentar in einer deutschen Zeitung (Quelle wird nach geliefert!), dass der BGH aufgrund eines Gesetzes aus dem Jahre 1879 den deutschen Anlegern die Möglichkeit eröffnet hat amerikanische Rating-Agenturen zu verklagen! ZPO? lol
Liest sich schön.
@Diogenes: Das müsste das Handelsblatt gewesen sein.