Das Referendariat wird von vielen Juristen genutzt, um Auslandserfahrungen zu sammeln – so auch vom Autor dieser Zeilen: Ich verbrachte die ersten drei Monate meiner Anwaltsstation in New York City bei der Kanzlei Ernst&Linder – eine großartige Erfahrung, die ich nicht mehr missen möchte. Im Folgenden möchte ich meine Erfahrungen hinsichtlich der Suche nach dem richtigen Ort und dem richtigen Ausbilder teilen sowie einen kurzen Einblick in meine Zeit vor Ort geben.
I. Die Entscheidungsfindung: Welche Station, welcher Ort?
Zu Beginn des Referendariats überlegen wohl die meisten Referendare, ob sie eine Auslandsstation in ihre Ausbildung einbauen. Kaum ein Zeitraum kommt hierfür so gelegen wie das Referendariat. Während im Studium die Fokussierung auf das Erste Staatsexamen einen Erasmus-Aufenthalt für viele unattraktiv macht, verpasst man im Referendariat vergleichsweise wenig und ist zudem bereits ein „gestandener Jurist“.
Die Entscheidung eine Stage im Ausland zu verbringen hatte ich daher schnell getroffen. Wie wohl die meisten Referendare bemühte ich mich zunächst um einen Ausbildungsplatz beim Auswärtigen Amt bzw. den Außenhandelskammern. Das Auswärtige Amt bietet ein eigens eingerichtetes Bewerbungsverfahren für Referendare an. Einfach und unkompliziert. Allerdings ist die Zuteilung der Ausbildungsplätze zumindest undurchsichtig – welche Auswahlkriterien wie gewertet werden, wird nicht mitgeteilt. So erhielt ich denn – zugegebenermaßen doch überrascht – keinen Ausbildungsplatz.
Was nun? Ich entschied mich nunmehr mein Glück in der Anwaltsstation im Ausland zu suchen und es es einmal mit Bewerbungen für Anwaltskanzleien zu versuchen. Und welcher Ort birgt für Anwälte eine größere Anziehungskraft als New York? Mit der Idee auch einmal wie Harvey Specter am HotDog-Stand im Tom Ford-Anzug einen gegnerischen Anwalt mit ein paar treffsicheren Sprüchen bloßzustellen, bewarb ich mich bei einigen Kanzleien in Manhattan. Eine Liste mit ausbildenden Kanzleien findet sich auf der Seite des Deutschen Generalkonsulats in New York. Die meisten Kanzleien meldeten sich auch zeitnah und ich führte mehrere telefonische Bewerbungsgespräche. Schnell kristallisierte sich heraus, dass ich bei Dr. Marcus Ernst, Partner bei Ernst&Linder, meine Stage verbringen würde.
II. Die Reisevorbereitungen oder: Auf der Suche nach dem Passierschein A-38
Um in den USA als Referendar arbeiten zu können, ist ein J-1 Visum notwendig. Ernst&Linder begleiten einen Bewerber hierbei tatkräftig und finanzieren überdies das knapp 1000$ teure Verfahren. Bereits vor einem Jahr, also noch unter der Obama-Adminstration, war das Visumsverfahren für den Bewerber jedoch euphemistisch gesprochen „arbeitsintensiv“. Eine Unmenge an Dokumenten musste eingereicht werden; selbst ein gültiger Mietvertrag in Deutschland und bestehende Konten wurden abgefragt, um meine Absicht, nach Ablauf meines internships nach Deutschland zurückzukehren, zu untermauern. Doch hiermit nicht genug: So bedarf es eines von einem privaten Sponsor in den USA ausgestellten Dokuments, um das J1-Visum beantragen zu können (sog. DS-2019-Zertifikat). Teils fühlte man sich wie im Asterix-Klassiker auf der Suche nach dem Passierschein A-38. Zu eurer Beruhigung: Weder musste man einen Krokodilfluss auf einem unsichtbaren Seil überqueren noch alle Mahlzeiten des belgischen Kochs Mannekenpix verdrücken. Dies mag sich aber in der nächsten Zeit unter Präsident Trump vielleicht noch ändern. Dieser hatte jedenfalls im Wahlkampf einmal fallenlassen, dass keine J1-Visa mehr erteilt werden sollten, da hiervon Ausländer profitierten und Inländern Studienplätze verloren gingen (America First!).
III. Die Wohnungssuche
Während man günstige Flüge nach New York von Düsseldorf oder Frankfurt relativ leicht findet, ist die Wohnungssuche in New York eine echte Herausforderung – es sei denn, man verfügt über ein Wohnungsbudget von mehr als 2000€ pro Monat. Letztlich sind immer Kompromisse notwendig und selbst die sind noch teuer. Man mag mir eine schlechte Suche vorwerfen, doch erscheint mir ein Zimmer (!), das weniger als 30 Metrominuten vom Union Square entfernt, nicht rattenverseucht und zumindest 10qm groß ist, nicht unter 1200€ pro Monat zu haben zu sein. Dies gilt zumindest, wenn man mit echten New Yorkern zusammenwohnen möchte und nicht in einem Webster-Appartment oder der Kolping-Unterkunft bleiben möchte. Nachteil ist dort sicherlich, dass man geneigt sein mag, nur mit den Mitbewohnern Zeit zu verbringen. Wichtig ist auf jeden Fall die Anbindung an die Metro (na klar!) und hier vor allem an die Expresslinien. Steigt man hier direkt an einer Expressstation ein, werden aus 45 Minuten ganz schnell deren 30. Mich verschlug es letztendlich nach Williamsburg, ein junges Viertel in Brooklyn am East River, das alles bietet, was wohl die meisten Mitzwanziger suchen: Einkaufsmöglichkeiten, Bars, Restaurants, Clubs. Eine sehr angenehme Mischung!
IV. Die Kanzlei – Ernst&Linder als idealer Ausbildungsort in Manhattan
Die Ausbildung in der Kanzlei Ernst&Linder ist schlichtweg vorbildlich. Jedem motivierten, engagierten und aufgeschlossenem Referendar kann ich eine Stage bei Ernst&Linder nur empfehlen. Die Arbeitszeiten sind flexibel, aber grundsätzlich täglich von 9.30 bis 18.00 Uhr. Wenn mehr anfällt, kann man mehr arbeiten – wenn weniger anfällt, auch mal früher gehen. Neben der „Unterhaltsbeihilfe“ des Landes zahlt die Kanzlei eine Aufwandsentschädigung; ich erhielt zudem einen leistungsbezogenen Bonus. Ernst&Linder ist eine kleine Kanzlei, so dass man häufig „ins kalte Wasser springen muss“. So kam inhaltlich viel neues auf mich zu: Vorwiegend amerikanisches Gesellschaftsrecht, aber auch Immobiliarsachenrecht und Werkrecht waren Schwerpunkte meiner Tätigkeit. Dies hängt aber letztlich davon ab, was in der Kanzlei „gerade ansteht“. Der größte Teil der Arbeit ist auf Englisch, so dass hier gute Kenntnisse unabdingbar sind. Dr. Ernst nimmt immer Rücksicht auf die logischerweise begrenzten Kenntnisse im amerikanischen Recht. So erklärt er eingehend bestimmte Verfahren, so dass man einen guten Einblick gerade in das amerikanische Gesellschaftsrecht bekommt. Auch persönlich ist Dr. Ernst ein sehr umgänglicher Ausbilder, der Referendaren auf Augenhöhe begegnet. Nicht zuletzt gibt er praktische Tipps, weist auf anstehende Events in Museen hin und schenkte mir sogar Karten für die Oper Tristan&Isolde in der Metropolitan Opera! Dass man täglich mit Blick aus dem Büro auf die Freiheitsstatue arbeiten kann (kein Scherz!) und bei einem Kaffee auch einmal den Sonnenuntergang in der Kanzlei genießen kann, ist sicherlich auch kein Nachteil…
V. Das Leben in New York
Um es mit Präsident Trump zu sagen: „It´s awesome. It´s great. I mean, I have seen it!“ Die Anzahl an Kultur-, Politik- und Sportevents ist schlichtweg nicht zu erfassen. Es gibt für jeden einfach alles zu tun. Da hier nicht der richtige Ort für Urlaubstipps ist, beschränke ich mich auf drei Dinge, die wirklich jeder, der einmal länger als ein paar Wochen in New York gelebt hat, gemacht haben sollte:
- Für Sportfans: Mets/Yankees oder Giants/Jets
- Für Kunstfans: Frick-Collection
- Für jeden: Einen Sonntag im Centralpark verbringen!
VI. Nutzt die Chance!
Meine Zeit in New York war großartig. Sicherlich sollten einem die Kosten eines Aufenthalts bewusst sein, da es kaum etwas schlimmeres vor Ort gibt als zu wenig Geld zu haben. Das fängt bereits bei der Unterkunft an, geht über das Essen und endet bei Events, die einfach immer teuer sind. Ich kann jedoch nur sagen, dass sich jeder ausgegebene Dollar gelohnt hat und ich die Zeit für immer in allerbester Erinnerung halten werde.