Jeder von uns kennt ihn, den sog. Vorführeffekt. Den ganzen Tag wird man von einem technischen Defekt des neuen Gerätes geplagt, der natürlich genau dann nicht auftreten will, wenn man ihn beim Verkäufer reklamiert.
Wie in solchen Fällen zu verfahren ist, hat der VIII. Zivilsenat des BGH heute in seinem Urteil vom 26.10.2016 entschieden (Az. VIII ZR 240/15).
I. Der Sachverhalt
Der Kläger kaufte von der Beklagten einen gebrauchten PKW zum Preis von 12.300 €. Kurz nach der Übergabe bemängelte der Kläger, dass das Kupplungspedal nach Betätigung nicht mehr in seine ursprüngliche Position zurückkehrte, sondern am Fahrzeugboden hängenblieb.
Daraufhin vereinbarte er mit der Beklagten eine Probefahrt, bei der das schadhafte Pedal vorgeführt werden sollte. Allerdings zeigte sich auch nach mehrmaliger Betätigung der Defekt nicht erneut, woraufhin die Beklagte die umgehende Reparatur des Pedals verweigerte. Sie würde vielmehr erst dann tätig werden, wenn sich der Defekt ein weiteres Mal zeigen würde.
Nachdem der Kläger nach erneutem „Hängenbleiben“ des Pedals einige Tage später die Beklagte zur Reparatur aufforderte, verweigerte die Beklagte dies weiterhin. Daraufhin trat der Kläger vom Kaufvertrag zurück und verlangte Schadensersatz.
Vor Gericht bekam der Kläger auch in zweiter Instanz Recht, woraufhin die Beklagte Revision einlegte.
II. Das Urteil
Rufen wir uns an dieser Stelle noch einmal die Voraussetzungen eines wirksamen Rücktritts i.S.d. §§ 437 Nr. 2 1 Alt., 323 BGB in Erinnerung:
- Wirksamer Kaufvertrag
- Mangel i.S.d. § 434 BGB
- Erfolgloser Fristablauf oder Entbehrlichkeit der Fristsetzung
- Kein Ausschluss
Ein wirksamer Kaufvertrag lag zwischen den Beteiligten vor. Auch stellt der Defekt am Kupplungspedal einen Mangel i.S.d. § 434 BGB dar:
Bei dem durch Sachverständigengutachten bestätigten und bereits bei Gefahrübergang vorhandenen sporadischen Hängenbleiben des Kupplungspedals handelte es sich nicht um einen bloßen „Komfortmangel“, sondern um einen sicherheitsrelevanten Mangel. Denn eine solche Fehlfunktion kann, selbst wenn sie nur das Kupplungspedal selbst betrifft, unter anderem wegen des beim Fahrer hervorgerufenen Aufmerksamkeitsverlusts die Unfallgefahr signifikant erhöhen.
Fraglich war jedoch, ob der Kläger der Beklagten erfolglos eine Nacherfüllungsfrist i.S.d. § 323 I BGB setzen musste, oder ob diese gem. § 440 BGB entbehrlich war. Hierzu hat der VIII. Senat folgendes entschieden:
Der Kläger konnte ohne Fristsetzung vom Kaufvertrag zurücktreten, da es ihm nicht gem. § 440 S.1 BGB zumutbar war, ein weiteres Auftreten des Defekts abzuwarten.
Mit ihrer Erklärung anlässlich der Vorführung des Fahrzeugs, es bestünde kein Grund für die Annahme einer Mangelhaftigkeit und damit ein Tätigwerden, solange der behauptete Mangel nicht (erneut) auftrete und der Kläger damit nochmals vorstellig werde, ist die Beklagte dem Nacherfüllungsverlangen nicht gerecht geworden.
Denn eine verantwortungsvolle Benutzbarkeit des Fahrzeugs war ohne Abklärung des Mangels weitgehend aufgehoben, da der verkehrsunsichere Zustand fortbestand und es dem Kläger – der das Fahrzeug insofern auch tatsächlich noch im Juli 2013 stilllegt.
Im Übrigen ist das Rücktrittsrecht auch nicht ausgeschlossen:
Ein Rücktritt war im vorliegenden Fall auch nicht wegen Unerheblichkeit des Mangels (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) ausgeschlossen, auch wenn dieser letzten Endes (nachdem der Kläger den Rücktritt bereits erklärt hatte) mit geringen Kosten (433,49 €) beseitigt werden konnte. Denn solange die Ursache eines aufgetretenen Mangelsymptoms unklar ist, kann die Erheblichkeit des Mangels regelmäßig nur an der hiervon ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung gemessen werden, die vorliegend aufgrund der Gefahren für Verkehrssicherheit des Fahrzeugs jedenfalls als erheblich anzusehen war.
III. Ausblick
In kürzester Zeit hat sich der BGH erneut mit grundlegenden Fragen der Mängelgewährleistung im Kaufrecht befasst (siehe unser Beitrag hier). Es lohnt sich also, hier nachzuarbeiten. Schließlich steigt die Prüfungsrelevanz mit jedem Urteil weiter an.