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Du bist hier: Startseite1 > Unmittelbares Ansetzen

Schlagwortarchiv für: Unmittelbares Ansetzen

Alexandra Ritter

Versuch (§§ 22, 23 I StGB)

Karteikarten, Strafrecht, Uncategorized

I. Vorprüfung

1. Fehlende Deliktsvollendung
2. Versuchsstrafbarkeit (§ 23 I StGB i.V.m. § 12 I, II StGB)

II. Tatbestandsmäßigkeit

1. Tatentschluss
a) Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale
b) Sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale

2. Unmittelbares Ansetzen zur Tat
Subjektive Überschreitung der Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ und objektive Vornahme einer Handlung, die keine zusätzlichen wesentlichen Zwischenschritte mehr zur Vollziehung der Tatbestandshandlung erfordert

VI. Rechtswidrigkeit

V. Schuld

VI. Rücktritt
Insb. Rücktritt gem. § 24 StGB

17.10.2022/0 Kommentare/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2022-10-17 14:15:582022-10-17 14:15:59Versuch (§§ 22, 23 I StGB)
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft

Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT

Im Rahmen des unmittelbaren Ansetzens i.S.v. § 22 StGB findet die Abgrenzung zwischen – grundsätzlich straflosen – Vorbereitungshandlungen und dem Eintritt ins Versuchsstadium statt, die insbesondere im Fall der mittelbaren Täterschaft, in dem der Täter den Geschehensablauf zwar aktiv anstößt, aber die unmittelbare Ausführung einem nicht volldeliktisch handelnden Werkzeug überlässt, auf besondere Schwierigkeiten stößt. Mit Urteil vom 23.10.2019 (Az.: 2 StR 139/19) hat sich der BGH unter anderem nun wieder einmal mit dem Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft auseinandergesetzt und auf die Feinheiten seiner Rechtsprechung hingewiesen. Eine sichere Beherrschung der Versuchsvoraussetzungen ist nicht nur für Strafrecht AT-Klausuren unentbehrlich, wobei neben dem Vorliegen des Tatentschlusses oder einer Rücktrittsproblematik auch immer wieder das unmittelbare Ansetzen als beliebter Schwerpunkt einer Versuchsprüfung Einzug findet. Zur Erhöhung des Schwierigkeitsgrades eignet sich die Kombination mit der mittelbaren Täterschaft hervorragend. Die Entscheidung soll daher zum Anlass genommen werden, um sich mit der Problematik und den zum Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft vertretenen verschiedenen Auffassungen eingehender auseinanderzusetzen und die Thematik gutachterlich aufzuschlüsseln.
 
A) Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der T erwarb den gestohlenen Pkw des Halters H. Das Fahrzeug wurde auf den T zugelassen. Dabei hatte er schon von Beginn an den Eindruck, dass mit dem Kilometerstand des Fahrzeugs und – nach den landgerichtlichen Feststellungen und Wertungen – „auch darüber hinaus“ etwas „nicht stimmte“. Dennoch entschloss sich der T dazu, das Fahrzeug zeitnah zu veräußern. Nach einem erfolglosen Verkaufsangebot im Internet nahm er Kontakt zu dem gutgläubigen W auf, der einen Autohandel betrieb. T beauftragte W damit, das Fahrzeug „im Kundenauftrag“ für etwa 75.000 Euro zu verkaufen und versprach ihm dafür eine Provision von 2000 Euro. Der T legte dem Zeugen S eine Kopie des Fahrzeugbriefs, einen Untersuchungsbericht der Firma Bentley und einen TÜV-Bericht über das Fahrzeug vor. Dabei war ihm bewusst, dass es sich bei dem Fahrzeug um eine „Doublette“ handelte, deren Fahrzeugidentifikationsnummer auch bei einem Fahrzeug vorhanden war, das in den USA existierte. Der W bot das Fahrzeug über eine Internet-Plattform an und nannte – unbewusst wahrheitswidrig – eine Erstzulassung im Jahre 2008 sowie einen Kilometerstand von 17.000 km. Daraufhin meldete sich der Interessent I, der aber letztlich keinen Kaufvertrag abschloss.
Strafbarkeit des T nach §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB?  
 
B) Rechtsausführungen
Die Vorinstanz, das LG Wiesbaden, hat eine Strafbarkeit des T unter anderem wegen versuchten Eingehungsbetrugs in mittelbarer Täterschaft nach §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB durch Einschaltung des W angenommen. Der BGH kritisierte  die Feststellungen zu der auch als versuchter Betrug gewerteten Tat als lückenhaft; diese könnten den Schuldspruch nicht tragen. Denn den Urteilsgründen sei nicht zu entnehmen, dass der Betrug bereits das Versuchsstadium i.S.v. § 22 StGB erreicht hatte. Im Folgenden ist daher die Versuchsprüfung en détail nachzuzeichnen.
 
I. Vorprüfung
Unstreitig lag mangels Erfolgseintritts keine vollendete Tat vor. Die Strafbarkeit des Betrugs ergibt sich aus § 263 Abs. 2 StGB.
 
II. Tatentschluss
Dass der T Tatentschluss, mithin Vorsatz hinsichtlich der Merkmale des objektiven Tatbestandes des § 263 Abs. 1 StGB sowie Bereicherungsabsicht als subjektives Merkmal, aufwies, war ebenfalls nicht zu bezweifeln. Die Tat sollte auch im Wege mittelbarer Täterschaft i.S.v. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB durch Einschaltung des W ausgeführt werden. Von mittelbarer Täterschaft wird gesprochen, wenn der Täter „die Straftat (…) durch einen anderen begeht“. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn der Tatmittler ein Strafbarkeitsdefizit aufweist, aufgrund dessen er nicht volldeliktisch handelt, und das der Täter planvoll lenkend für seine Zwecke ausnutzt, sodass der tatbestandliche Erfolg letztlich als sein Werk anzusehen ist (BeckOK StGB/Kudlich, 45. Ed. 2020, § 25 Rn. 20). Vorliegend sollte der W, der unbewusst wahrheitswidrige Informationen über den Pkw auf der Internetplattform veröffentlichen sollte, nach der Vorstellung des T als vorsatzlos handelnder Tatmittler agieren. Dies wollte der T für seine Zwecke ausnutzen, sodass auch Vorsatz bezüglich der Tatbegehung im Wege mittelbarer Täterschaft bestand.
 
III. Unmittelbares Ansetzen
Hinsichtlich der Strafbarkeit des T wegen versuchten Betrugs in mittelbarer Täterschaft gemäß §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB ist also allein problematisch, ob er bereits ins Versuchsstadium eingetreten ist. Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist zwar jedenfalls dann der Fall, wenn der Täter bereits mit der tatbestandlichen Ausführungshandlung dergestalt begonnen hat, dass bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht wurde. Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des BGH auch eine „frühere, vorgelagerte Handlung […] die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Das ist der Fall, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte zur Tatbestandsverwirklichung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet“ (BGH, Urt. v. 16.9.1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 203). Dies bedeutet, dass der Täter nach der Formel der herrschenden gemischt subjektiv-objektiven Theorie „subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreiten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzen [muss], sodass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht“ (vgl. bereits BGH, Urt. v. 16.9.1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 202 f.).
 
Anmerkung: Die Bestimmung des Versuchsbeginns ist auch bezogen auf den Alleintäter mitunter noch umstritten. Eine ausführliche Darstellung verschiedener Ansätze findet sich in LK-StGB/Hillenkamp, § 22 Rn. 63 ff.
 
Fällt die Subsumtion unter diese abstrakte Formel schwer, so hat der BGH mitunter Konkretisierungen vorgenommen, indem er Kriterien, die zur Beurteilung des Versuchsbeginns herangezogen werden können, in verschiedenen Entscheidungen ausdrücklich benannt hat. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium sollen unter anderem „die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird“ (BGH, Beschl. v. 29.5.2018 – 1 StR 28/18, BeckRS 2018, 16394, Rn. 9), sein. Gelten diese Grundsätze für den Alleintäter, so kommen besondere Schwierigkeiten hinzu, wenn ein Fall mittelbarer Täterschaft vorliegt, in dem sich der Täter wie in der vorliegenden Konstellation zur Tatausführung eines nicht volldeliktisch handelnden Werkzeugs bedient. Wann der mittelbare Täter ins Versuchsstadium eintritt, ist wiederum umstritten.
 
1. Einwirkungstheorie
Eine Mindermeinung in der Literatur (s. etwa Bockelmann, JZ 1954, 468, 473; Meyer, ZStW 87 (1975), 598, 609; Puppe, GA 2013, 514, 530) nimmt den Versuchsbeginn für den mittelbaren Täter bereits mit der Einwirkung auf das Werkzeug an. Der Ausgangspunkt dieser Ansicht ist eine isolierte Betrachtung von Täter und Tatmittler, die in der Konsequenz ausschließlich auf das maßgebliche eigene Tun des Täters abstellt. Argumentiert wird damit, dass der Tatbeitrag des mittelbaren Täters ja gerade in seinem Einwirken auf den Tatmittler besteht und angesichts dessen die versuchte Tatbegehung schon dann angenommen werden muss, wenn er diese Einwirkung vornimmt oder vorzunehmen versucht.
Nach diesen Maßstäben müsste ein Eintritt ins Versuchsstadium schon in dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der T den W mit der Veräußerung des Fahrzeugs beauftragt und ihm hierzu eine Kopie des Fahrzeugbriefs, einen Untersuchungsbericht der Firma Bentley und einen TÜV-Bericht über das Fahrzeug vorgelegt hat, obwohl ihm bewusst war, dass es sich bei dem Fahrzeug um eine „Doublette“ handelte. Folgt man der Einwirkungstheorie, ist mithin ein unmittelbares Ansetzen zu bejahen.
Gegen die Einwirkungstheorie ist indes einzuwenden, dass sie das Versuchsstadium bedenklich weit nach vorn verlagert, sodass die Gefahr besteht, den Grundsatz der grundsätzlichen Straflosigkeit von Vorbereitungshandlungen auszuhöhlen. Dies ist unvereinbar mit dem gesetzgeberischen Willen, der sich in dem Erfordernis der Unmittelbarkeit ausdrückt. Diesem liegt der Gedanke zugrunde, dass nur derjenige wegen Versuchs strafbar sein soll, der sich vorstellt, die Tatbestandsverwirklichung stehe als Folge seines Handelns unmittelbar bevor (hierzu MüKoStGB/Hoffmann-Holland, 3. Aufl. 2017, § 22 Rn. 135).
 
2. Gesamtlösung
Das andere Extrem, die Gesamtlösung, betrachtet dagegen mittelbaren Täter und Tatmittler als Einheit, die nur ganzheitlich unmittelbar ansetzen kann. Ein Versuchsbeginn ist nach dieser Ansicht auch für den mittelbaren Täter erst dann gegeben, wenn unmittelbar (durch das Werkzeug) zur eigentlichen Tatausführung angesetzt wird (hierzu Erb, NStZ 1995, 424, 426; Krack, ZStW 110 (1998), 611, 625 ff.; Kühl, JuS 1983, 180, 181 f.; Küper, JZ 1983, 361, 369). Es muss also im konkreten Fall die Frage beantwortet werden, ob der W seinerseits durch das Einstellen des Fahrzeugs auf der Verkaufsplattform  sowie die Interessenbekundung des I unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung insofern angesetzt hat, als keine wesentlichen Zwischenschritte mehr erforderlich gewesen wären. Dies ist wohl dann zu verneinen, wenn der I letztlich nur sein Interesse bekundet, der W ihm aber noch kein konkretes Angebot unterbreitet hat. Da die Feststellungen keine klare Einschätzung zulassen, ist ein unmittelbares Ansetzen durch den W und damit bei Zugrundelegung der Gesamtlösung auch ein unmittelbares Ansetzen des T zu verneinen.
Auch die Gesamtlösung stößt aber auf berechtigte Kritik: Eine einheitliche Betrachtung von mittelbarem Täter und Tatmittler erscheint insofern sachwidrig, als der mittelbare Täter oftmals bereits vorher alles seinerseits zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan hat. Damit wird der Versuchsbeginn von Zufälligkeiten abhängig gemacht und das Versuchsstadium zu weit nach hinten verschoben.
 
3. Entlassungstheorie (h.M.)
Sachgerecht erscheint vor diesem Hintergrund die sog. Entlassungstheorie: Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Lehre geht zu Recht davon aus, dass der mittelbare Täter dann unmittelbar ansetzt, wenn er nach seiner Vorstellung von der Tat die erforderliche Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat, sodass dieser dem Tatplan nach im unmittelbaren Anschluss die Tat ausführen soll und das geschützte Rechtsgut bereits in diesem Zeitpunkt konkret gefährdet ist (s. etwa BeckOK StGB/Cornelius, 45. Ed. 2020, § 22 Rn. 65; MüKoStGB/Hoffmann-Holland, 3. Aufl. 2017, § 22 Rn. 129 m.w.N.). „Denn wer die Tat durch einen anderen begehen will (§ 25 I StGB), setzt zur Verwirklichung des Tatbestandes der geplanten Straftat unmittelbar an (§ 22 StGB), wenn er den Tatmittler zur Tatausführung bestimmt hat und ihn aus seinem Einwirkungsbereich in der Vorstellung entläßt, daß er die tatbestandsmäßige Handlung nunmehr vornehmen werde.“ (BGH, Urt. v. 26.01.1982 – 4 StR 631/81, NJW 1982, 1164). Diese Maßstäbe legt der BGH auch in der hier zu besprechenden Entscheidung an, betont aber die Wichtigkeit der zeitlichen Nähe zwischen Entlassung des Tatmittlers und Tatbestandsverwirklichung sowie der hiermit einhergehenden konkreten Gefährdung des Tatobjekts für den Versuchsbeginn:

„Bezieht der Täter notwendige Beiträge eines Tatmittlers in seinen Plan ein, so liegt ein Ansetzen des Täters zur Begehung der Tat (hier: eines Eingehungsbetrugs) im Allgemeinen zwar schon dann vor, wenn er seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat. Jedoch fehlt es an einem unmittelbaren Ansetzen durch abgeschlossene Einwirkung auf den Tatmittler, wenn dies erst nach längerer Zeit zur Tatbegehung führen soll oder wenn ungewiss bleibt, ob und wann es die gewünschte Folge hat, also wann eine konkrete Gefährdung des angegriffenen Rechtsguts eintritt; in diesen Fällen der Verzögerung oder Ungewissheit der Tatausführung durch den Tatmittler beginnt der Versuch erst, wenn der Tatmittler seinerseits unmittelbar zur Erfüllung des Tatbestands ansetzt.“ (Rn. 22)

Der Eintritt ins Versuchsstadium erfordert also nach der h.M. als notwendige Bedingung, dass der mittelbare Täter nach seiner Vorstellung von der Tat die erforderliche Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat, ihn also aus seinem Machtbereich entlassen hat. Als hinreichende Bedingung – und dies wird bei der Darstellung der Entlassungstheorie in der Klausur oft vergessen – muss aber hinzukommen, dass der Tatmittler dem Tatplan nach im unmittelbaren Anschluss (also in zeitlicher Nähe) die Tat ausführen soll und das Tatobjekt zu diesem Zeitpunkt bereits konkret gefährdet ist. Ist dies bei Entlassung des Tatmittlers noch nicht der Fall, beginnt der Versuch auch für den mittelbaren Täter erst, wenn der Tatmittler seinerseits unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt.  An dieser Stelle führte der BGH aus, den Urteilsgründen der Vorinstanz könne nicht entnommen werden, ob nach diesen Maßstäben ein Eintritt ins Versuchsstadium erfolgt sei, sodass die Revision insoweit begründet sei:

„Die Voraussetzungen des Versuchsbeginns hat das LG nicht geprüft. Es hat zum Vorstellungsbild des Angekl. vom weiteren Geschehensablauf keine Feststellungen getroffen. Auch bleibt unklar, ob mit der Bekundung des Kaufinteressenten […] als eigentliches Tatgeschehen eine konkrete Rechtsgutsgefährdung vorlag. Das Urteil teilt nicht mit, ob nur eine Sondierung der Lage durch den Kaufinteressenten stattgefunden oder ob der [W] ihm bereits ein konkretes Kaufangebot unterbreitet hatte und wie danach aus der Sicht des Angekl. ein Vertragsschluss […] hätte zustande kommen sollen.“ (Rn. 21)

 
Anmerkung: Scheitert eine Versuchsstrafbarkeit am unmittelbaren Ansetzen, ist bei Verbrechen auch stets an § 30 Abs. 2 StGB zu denken – dieser wird oft übersehen.
 
C) Fazit
Mit seiner Entscheidung folgt der BGH konsequent seiner bisherigen Rechtsprechungslinie, hebt aber die Erforderlichkeit einer präzisen Prüfung der einzelnen Voraussetzungen besonders hervor: Der Eintritt ins Versuchsstadium bei der Einschaltung eines nicht volldeliktisch handelnden Werkzeugs erfolgt, wenn der Täter seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat. Dies gilt aber nur dann, wenn der Tatmittler der Vorstellung des Täters entsprechend auch im unmittelbaren Anschluss die Tat ausführen soll und das geschützte Rechtsgut bereits in diesem Zeitpunkt konkret gefährdet ist. Fehlt es hieran, beginnt auch für den mittelbaren Täter der Versuch erst in dem Zeitpunkt, in dem das Werkzeug seinerseits unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt. In einer Klausur bedarf es also einer genauen Betrachtung der konkreten Umstände; vorschnell den Versuchsbeginn nach abgeschlossener Einwirkung auf den Tatmittler anzunehmen, wäre verfehlt.

09.03.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-03-09 09:00:452020-03-09 09:00:45BGH: Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Konkretisierung des Versuchs der Hehlerei

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Anschlussdelikte wie die Hehlerei gemäß §§ 259-260a StGB genießen bei den Studierenden erfahrungsgemäß keine große Beliebtheit, sodass sie häufig entweder in der Klausurvorbereitung gänzlich ausgespart werden oder sich die Kenntnisse auf bestimmte Klassiker (Stichwort: Erforderlichkeit eines Absatzerfolgs) beschränken – allerdings ohne, dass eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Delikt stattfindet. Verbunden wird mit dem Verbot der Hehlerei zumeist nur die Formulierung, dass die Perpetuierung einer rechtswidrigen Besitzlage verhindert werden soll. Bei einer Klausur, die schwerpunktmäßig Vermögensdelikte behandelt, ist aber eine saubere Prüfung der einzelnen Tatbestandsmerkmale unerlässlich, um in obere Notenbereiche vorstoßen zu können. Zudem ist insbesondere, wenn der Tatbestand Gegenstand aktueller BGH-Rechtsprechung ist, von einer erhöhten Klausur- und Examensrelevanz auszugehen. So hat sich der BGH in einem neuen Urteil vom 7.11.2018 (Az.: 4 StR 395/18) mit dem Versuchsbeginn bei der Hehlerei beschäftigt. Das Urteil soll zum Anlass genommen werden, um sich mit dem Tatbestand eingehender auseinanderzusetzen.
 
A. Sachverhalt (vereinfacht und abgewandelt):
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der drogenabhängige H finanzierte seine Sucht durch den regelmäßigen Verkauf von Gegenständen, die aus gewaltsam geöffneten Kraftfahrzeugen entweder durch ihn oder andere Personen gestohlen wurden. Am Morgen des 23. Oktober 2017 bot ihm der D ein Werkzeug im Wert von 2500 Euro zum Weiterverkauf an, das er zuvor aus einem Auto entwendet hatte. H wollte das Angebot annehmen, um das Werkzeug anschließend gewinnbringend zu verkaufen. Er traute dem D allerdings hinsichtlich des Wertes nicht über den Weg. Also tätigte er, bevor er dem D zusagte, zehn Suchanfragen im Internet, um den Gerätewert zu ermitteln. Zudem suchte er bereits nach potentiellen Käufern, konnte aber noch mit keiner konkreten Person in Verhandlung treten, da noch an diesem Tag seine Festnahme erfolgte.
Strafbarkeit des H?
 
B. Lösung
In Betracht kommt eine Strafbarkeit wegen versuchter gewerbsmäßiger Hehlerei gemäß §§ 259 Abs. 1, Abs. 3, 260 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB, indem der H das Angebot des D zum Weiterverkauf des gestohlenen Werkzeugs angenommen und nach potentiellen Käufern gesucht hat.
 
I. Vorprüfung
Mangels Erfolgseintritt wurde die Tat nicht vollendet. Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus §§ 259 Abs. 3, 260 Abs. 2, 23 Abs. 1 StGB.
 
II. Tatentschluss
Der H müsste mit Tatentschluss gehandelt haben. Dies setzt Vorsatz hinsichtlich der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes sowie das Vorliegen etwaiger subjektiver Tatbestandsmerkmale voraus.
 
Anmerkung: Das Urteil dient nur als „Aufhänger“, um sich auch mit den Tatbestandsmerkmalen eingehend auseinanderzusetzen. Die nachfolgenden Darlegungen sind daher viel ausführlicher, als es in einer Klausur erforderlich wäre; im Gegenteil müssen in einer Klausur selbstverständlich Problemschwerpunkte gesetzt werden.
 
1.Vorsatz hinsichtlich der Begehung einer Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB
a) Taugliches Tatobjekt
Zunächst müsste es sich bei dem Werkzeug um ein taugliches Tatobjekt handeln. Hierunter fällt jede Sache, die ein anderer aus einer rechtswidrigen, gegen fremdes Vermögen gerichteten Vortat erlangt hat.
 
aa) Rechtswidrige, gegen fremdes Vermögen gerichtete Vortat eines anderen
Der Vorsatz des H muss sich darüber hinaus darauf beziehen, dass diese Sache durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat i.S.v. § 11 I Nr. 5 StGB erlangt wurde. In Betracht kommen hierbei alle Vermögensdelikte im weiteren Sinne – so beispielsweise ein Diebstahl gemäß § 242 StGB. Dabei muss die Vortat rechtswidrig, aber nicht notwendig schuldhaft begangen sein. Wichtig ist aber, dass es sich um die Vortat eines anderen handelt. Das heißt, dass derjenige, der täterschaftlich an der Vortat mitgewirkt hat, nicht zugleich Täter der Hehlerei sein kann. Vorliegend hat der D das Werkzeug aus einem fremden Auto gestohlen, also einen Diebstahl gemäß § 242 I StGB begangen, sodass eine rechtswidrige, gegen fremdes Vermögen gerichtete Vortat eines anderen gegeben ist.
 

Umstritten ist, ob der Teilnehmer der Vortat als Täter einer Hehlerei in Betracht kommt. Das wird von der wohl h.M. mit dem Argument bejaht, dass der Teilnehmer die rechtswidrige Besitzlage nicht selbst geschaffen, sondern lediglich gefördert habe. Nach anderer Ansicht gehe das Unrecht der Perpetuierung der rechtswidrigen Besitzlage bereits in der Teilnahme an der Vortat auf, sodass es sich beim Teilnehmer nicht um einen „anderen“ handeln könne. Ausführlich zum Streit s. MüKoStGB/Maier, 3. Aufl. 2017, § 259 Rn. 61 ff. 

 
bb) Eine durch die Vortat erlangte Sache
Weiterhin müsste das Werkzeug eine Sache darstellen, die durch die Vortat erlangt wurde. Eine Sache ist jeder körperliche Gegenstand, § 90 BGB. Irrelevant sind dabei die Eigentumsverhältnisse; auch eine herrenlose Sache kann taugliches Tatobjekt sein. Bei dem Werkzeug handelt es sich zweifelsohne um einen körperlichen Gegenstand, mithin eine Sache i.S.v. § 90 BGB. Die Sache muss unmittelbar durch die Vortat erlangt worden sein, d.h. dieselbe Sache, die der Vortäter erlangt hat, muss Tatobjekt der Hehlerei sein. Nicht tatbestandsmäßig sind Surrogate – das wird vielen unter dem Stichwort straflose Ersatzhehlerei bekannt sein. Im vorliegenden Fall stellt das Werkzeug gerade die Sache dar, die der D gestohlen hat, sodass es unmittelbar aus der Vortat erlangt wurde.
 
b) Tathandlung
Ferner müsste der H Tatentschluss gehabt haben, im einvernehmlichen Zusammenwirken mit dem Vortäter die Sache anzukaufen oder sonst sich oder einem Dritten zu verschaffen, sie abzusetzen oder Absatzhilfe zu leisten. Bei den ersten beiden Varianten agiert der Hehler als Käufer: Sich Verschaffen bezeichnet die bewusste und gewollte Übernahme der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die Sache durch den Täter zu eigenen Zwecken im Wege des abgeleiteten Erwerbs. Bei der Drittverschaffung kommt es darauf an, dass der Hehler durch Weisung die Verfügungsgewalt für einen Dritten herstellt. Das Ankaufen stellt einen Unterfall des Sich Verschaffens dar. Es müssen hierfür alle Merkmale des Sich Verschaffens gegeben sein; insbesondere genügt ein bloßer Vertragsschluss nicht. Unter Absetzen versteht man die wirtschaftliche Verwertung der Sache im Interesse des Vortäters durch selbstständiges Handeln des Täters im Rahmen einer entgeltlichen rechtsgeschäftlichen Weitergabe an einen gut- oder bösgläubigen Dritten. Hierbei agiert der Hehler als „Verkaufskommissionär“. Dagegen zeichnet sich die Absatzhilfe durch die unselbständige Unterstützung des Vortäters bei der wirtschaftlichen Verwertung der Sache aus.
 

Umstritten war jahrelang, ob vollendetes Absetzen und Absatzhilfe einen Absatzerfolg, also die Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt auf den Dritten bedingt (so die h.M. im Schrifttum) oder ob jegliche Unterstützungshandlungen unabhängig vom Vorliegen eines Absatzerfolgs tatbestandsmäßig sind (so die frühere Ansicht des BGH). Dieser Streit hat sich nun erledigt, da der BGH mit Beschluss vom 22.10.2013 (Az.: 3 StR 69/13) seine frühere Linie aufgegeben hat und nunmehr ebenfalls einen Absatzerfolg verlangt.  

 
Vorliegend wollte der H das Werkzeug gewinnbringend verkaufen. Er hatte also Tatentschluss, die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Sache zu eigenen Zwecken zu erlangen, sie mithin anzukaufen.
 
c) Bereicherungsabsicht
Weiterhin hatte der H auch den finalen Willen, einen Vermögensvorteil anzustreben, also Bereicherungsabsicht.    
 
d) Zwischenergebnis
H handelte mit Tatentschluss in Bezug auf die Begehung einer Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB.
 
Anmerkung: Ein ausführliches Schema zum Tatbestand der Hehlerei findet ihr noch einmal hier. 
 
2.Vorsatz hinsichtlich der Begehung einer gewerbsmäßigen Hehlerei gemäß § 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB
Weiterhin könnte H mit dem Tatentschluss gehandelt haben, die Tat gewerbsmäßig zu begehen. Gewerbsmäßig handelt, wer in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen (s. hierzu BGH, Beschl. v. 27.2.2014 – 1 StR 15/14, NStZ 2014, 271). Laut Sachverhalt finanzierte der H seine Drogensucht durch den regelmäßigen Verkauf von Gegenständen, sodass davon auszugehen ist, dass sein Vorsatz auch auf die Begehung einer gewerbsmäßigen Hehlerei gerichtet war.
 
III. Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB
Ferner müsste der H auch unmittelbar zur Tatbegehung angesetzt haben. Das setzt nach der gemischt subjektiv-objektiven Theorie voraus, dass der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten hat und objektiv nach seiner Vorstellung von der Tat zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung angesetzt hat, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht. Den Versuchsbeginn hat der BGH aber im vorliegenden Fall mit folgender Begründung verneint:
 

„Sowohl das Sichverschaffen im Sinne von § 259 Abs. 1 StGB als auch das Ankaufen – als Unterfall des Sicherverschaffens – setzen die Erlangung der tatsächlichen Verfügungsgewalt durch den Hehler voraus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Juni 2005 – 4 StR 64/05, NStZ-RR 2005, 236; vom 29. März 1977 – 1 StR 646/76, BGHSt 27, 160, 163; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 259 Rn. 10 f.; MüKo-StGB/Maier, 3. Aufl., § 259 Rn. 78 und 100). Dementsprechend setzt der Versuch sowohl des Sichverschaffens als auch des Ankaufens ein unmittelbares Ansetzen zur Übernahme eigener Verfügungsgewalt voraus; die bloße Vereinbarung mit dem Vortäter, die Sache abnehmen zu wollen, reicht für den Versuchsbeginn nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1990 – 2 StR 287/90, BGHR StGB § 259 Abs. 1 Sichverschaffen 4; BeckOK-StGB/Ruhmannseder, Stand: 1. August 2018, § 259 Rn. 51; MüKo-StGB/Maier, aaO, § 259 Rn. 165 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 7. November 2007 – 5 StR 371/07, NStZ 2008, 409 zu § 374 AO). Die Feststellungen belegen auch keine andere Tatbestandsvariante des § 259 Abs. 1 StGB. Insbesondere ergibt sich aus der bloßen Suche des Angeklagten nach potentiellen Käufern kein versuchtes Absetzen; es fehlt hierfür an einem unmittelbaren Ansetzen zur Übertragung der Verfügungsgewalt auf einen Erwerber – etwa durch konkrete Verkaufsverhandlungen (vgl. MüKoStGB/Maier, aaO, § 259 Rn. 170; Stree/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 259 Rn. 47).“

 
Ein Versuchsbeginn könne daher nicht schon angenommen werden, wenn der Täter nur nach potentiellen Käufern sucht, ohne mit einer konkreten Person in Kontakt zu treten. Denn dann seien noch Zwischenschritte erforderlich, um zur Übernahme der Verfügungsgewalt anzusetzen. Der H hat folglich nicht unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.
 
Anmerkung: Der BGH hat sich im letzten Jahr des Öfteren mit der Konkretisierung des Versuchsbeginns auseinandergesetzt. Ausführlich aufbereitet findet ihr relevante Entscheidungen hier und hier.
 
IV. Ergebnis
H hat sich nicht wegen versuchter gewerbsmäßiger Hehlerei gemäß §§ 259 Abs. 1, Abs. 3, 260 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
 
C. Fazit
Die Entscheidung des BGH ist überzeugend. Würde man ein unmittelbares Ansetzen zur Hehlerei bereits bejahen, wenn lediglich Suchanfragen getätigt werden, ohne dass sich bereits ein konkretes Verkaufsgespräch ergeben hat, würde die Strafbarkeit zu weit nach vorn verlagert werden. Zudem – und das ist schlichte Subsumtion – erfordert das unmittelbare Ansetzen zur konkreten Tatvariante das unmittelbare Ansetzen zur Übernahme der tatsächlichen Verfügungsgewalt – und dass dies noch nicht angenommen werden kann, wenn noch gar keine Zusage gegenüber dem Vortäter erfolgt ist, dürfte offensichtlich sein. Festzustellen bleibt aber: Um beurteilen zu können, ob unmittelbar angesetzt wurde, muss Kenntnis über die exakte Definition der Tathandlung bestehen; eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Tatbestand der Hehlerei ist daher in Fallkonstellationen wie der vorliegenden unerlässlich.
 

07.02.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-02-07 09:00:292019-02-07 09:00:29BGH: Konkretisierung des Versuchs der Hehlerei
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Konkretisierung des Versuchsbeginns

Examensvorbereitung, Fallbearbeitung und Methodik, Für die ersten Semester, Rechtsprechung, Startseite, Strafrecht AT

Im Rahmen des unmittelbaren Ansetzens i.S.v. § 22 StGB findet die Abgrenzung zwischen – grundsätzlich straflosen – Vorbereitungshandlungen und dem Eintritt ins Versuchsstadium statt, die insbesondere in Fällen, in denen sich das Handeln des Täters im Vorfeld der eigentlichen Tatausführung bewegt, Schwierigkeiten bereitet. Mit Beschluss v. 29.5.2018 (Az.: 1 StR 28/18) hat sich der BGH nun wieder einmal zum unmittelbaren Ansetzen geäußert und die bislang vertretene gemischt subjektiv-objektive Theorie unter Anführung konkretisierender Elemente fortgeführt.
 

Anmerkung: Schon der Beschluss des BGH v. 8.5.2018 (Az.: 5 StR 108/18) betrifft den Versuchsbeginn, s. hierzu ausführlich unsere Entscheidungsbesprechung. Da sich der BGH in letzter Zeit mehrfach mit dem unmittelbaren Ansetzen auseinandersetzen musste, ist von einer erhöhten Wahrscheinlichkeit auszugehen, der Abgrenzungsproblematik Vorbereitung/Versuch bald in den (Examens-)Klausuren zu begegnen.

 
A. Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt):
Zwischen A und B kam es in der Wohnung des A zum Streit, wobei der B den A mehrfach schlug, sodass dieser zu Boden ging. Der C, der ebenfalls in der Wohnung anwesend war, hielt B sodann fest und forderte ihn zum Gehen auf, woraufhin B von A abließ und in Richtung Wohnungstür ging. Der in Wut geratene A wollte sich an B rächen und fasste den Entschluss, diesen mit seiner Waffe zu erschießen. Dabei ging er davon aus, den B noch im Eingangsbereich der Wohnung oder im Treppenhaus stellen zu können. B war jedoch von C, der von der Bewaffnung des A Kenntnis hatte, gewarnt worden und war bereits durch das Treppenhaus bis zur Haustür gelaufen. Auch der C verließ die Wohnung und hielt die Wohnungstür von außen zu, damit A nicht nachfolgen konnte. A bemerkte, dass die Wohnungstür von C zugehalten wurde, sodass er sich zunächst daran gehindert sah, auf B zu schießen. Dennoch schoss er – um die Blockade an der Tür aufzulösen – aus einer Entfernung von einem Meter schräg von oben nach unten durch die Wohnungstür. Die Kugel verfehlte C, dessen Verletzung A billigend in Kauf genommen hatte. Sie traf allerdings den B am linken Oberkörper, wobei das Durchdringen der Tür in schräger Bahn zu einer Geschwindigkeitsdrosselung geführt hatte, sodass die Kugel nicht in den Körper des B eindrang, sondern lediglich eine oberflächliche Verletzung verursachte. A hatte die Verletzung des B billigend in Kauf genommen, wobei er aber davon ausging, aufgrund der Geschwindigkeitsdrosselung der Kugel durch das Durchschlagen der Tür den B nicht tödlich treffen zu können. Daraufhin floh B aus dem Gebäude. Einige Sekunden nach dem Schuss konnte auch A ins Treppenhaus gelangen; er dachte, den B noch vor der Haustür erreichen und ihn dort erschießen zu können, musste dann aber feststellen, dass B entkommen war.
 
B. Lösung
Hinsichtlich der Strafbarkeit des A ist zu diskutieren, ob dieser dadurch, dass er die Waffe ergriff, in Richtung der Wohnungstür lief, um dort oder im Treppenhaus auf B schießen zu können und dann zur Überwindung der Blockade einen Schuss durch die Tür abgab, zum Totschlag gemäß § 212 I StGB unmittelbar angesetzt hat, § 22 StGB. Dies hat der BGH aber – anders als die Vorinstanz – verneint:
 
Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist zwar jedenfalls dann der Fall, wenn der Täter bereits mit der tatbestandlichen Ausführungshandlung dergestalt begonnen hat, dass bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht wurde. Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des BGH auch eine
 
„frühere, vorgelagerte Handlung […] die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Das ist der Fall, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte zur Tatbestandsverwirklichung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet (s. etwa BGH, Urteile vom 16. September 1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 203; vom 16. Januar 1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 297 f. und vom 20. März 2014 – 3 StR 424/13, NStZ 2014, 447; Beschlüsse vom 29. Januar 2014 – 1 StR 654/13, JR 2014, 299, 300 und vom 20. September 2016 – 2 StR 43/16, NStZ 2017, 86 f.).“ Dies bedeutet, dass der Täter „subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreiten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzen [muss], sodass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht“ (vgl. bereits BGH, Urt. v. 16.9.1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 202 f.).
 

Anmerkung: Die Bestimmung des Versuchsbeginns ist mitunter noch umstritten. Eine ausführliche Darstellung verschiedener Ansätze findet sich in LK-StGB/Hillenkamp, § 22 Rn. 63 ff.

 
Fällt die Subsumtion unter diese abstrakte Formel schwer, so hat der BGH eine Konkretisierung vorgenommen, indem er zwei Kriterien, die zur Beurteilung des Versuchsbeginns herangezogen werden können, ausdrücklich nennt:
 
„Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen jedoch stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles. Hierbei können etwa die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird, für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium Bedeutung gewinnen.“ (BGH, Beschl. v. 29.5.2018 – 1 StR 28/18, BeckRS 2018, 16394, Rn. 9)
 
Legt man diese Maßstäbe zugrunde, könne im vorliegenden Fall nicht von einem unmittelbaren Ansetzen ausgegangen werden: Der BGH führt aus, dass es zum Zeitpunkt der Abgabe des Schusses am „kognitiven Element des Tötungsvorsatzes“ fehle. Zu berücksichtigen sei, dass „auch nach der Aufhebung der Blockade, also des Eintritts des mit dem Schuss beabsichtigen Erfolgs, nach der Vorstellung des Angeklagten noch weitere Zwischenakte erforderlich waren, um zur Tatbestandsverwirklichung übergehen zu können. Denn ihm war angesichts der geschlossenen Wohnungstür bewusst, auch wenn [C] die Türklinke nicht mehr festhalten würde, er selbst diese zunächst würde öffnen müssen und spätestens dies dem [B] Gelegenheit geben könnte, auf die Straße zu flüchten. Das wird durch die festgestellte Verzögerung von einigen Sekunden zwischen Schussabgabe und dem Verlassen der Wohnung belegt. Danach konnte der Angeklagte nicht davon ausgehen, durch den der Aufhebung der Blockade dienenden Schuss im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang auf [B] schießen zu können“. Indem der A also erst die Tür selbst öffnen musste, um den B ins Schussfeld zu bekommen, konnte der „Grad der Gefährdung des Rechtsguts Leben“ noch nicht als konkret genug angesehen werden.
 
Auch wenn man an das Heraustreten aus der Wohnung anknüpft, ergibt sich nach der Auffassung des BGH nichts anderes: Dann fehle es ebenfalls an einem „unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Heraustreten aus der Wohnungstür unter Mitnahme der Tatwaffe einerseits und der Tatbestandsverwirklichung“, indem sich der B zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr im Hausflur befand und der A diesem erst hätte nachlaufen müssen, um dann zu einem erneuten Schuss anzusetzen. So war auch zu diesem Zeitpunkt aus Sicht des A „der Grad der Gefährdung des Rechtsguts Leben des [B] noch nicht konkret genug, da es auch bei ungestörtem Fortgang noch mehrere Zwischenakte bedurfte, um auf ihn schießen zu können“.
 
Mit dieser Argumentation hat der BGH den Versuchsbeginn verneint, sodass eine Strafbarkeit wegen versuchten Totschlags ausscheidet.
 

Anmerkung: Scheitert eine Versuchsstrafbarkeit am unmittelbaren Ansetzen, ist bei Verbrechen auch stets an § 30 II StGB zu denken – dieser wird oft übersehen.

 
C. Fazit
Auch wenn der BGH durch die Nennung der Kriterien Dichte des Tatplans und Grad der Rechtsgutgefährdung seine abstrakte Formel des unmittelbaren Ansetzens näher bestimmt hat, so bleibt die Rechtsprechung zum Versuchsbeginn undurchsichtig. Mit Blick auf den bereits angesprochenen Beschluss v. 8.5.2018, in dem der BGH ebenfalls den Eintritt ins Versuchsstadium verneint hat, wird aktuell – entgegen früherer Rechtsprechung (so z.B. Urt. v. 16.9.2015 – 2 StR 71/15) – eine wohl eher restriktive Linie verfolgt. Im vorliegenden Falle wäre mit guten Argumenten sicherlich auch eine andere Ansicht vertretbar gewesen. In der Klausur ist stets wichtig, dass auf den konkreten Fall eingegangen wird und alle im Sachverhalt genannten relevanten Umstände ausgeschöpft werden.
 

05.11.2018/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2018-11-05 09:00:382018-11-05 09:00:38BGH: Konkretisierung des Versuchsbeginns
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Kein Versuchsbeginn bei Klingeln an der Tür

Examensvorbereitung, Rechtsprechung, Startseite, Strafrecht AT

In nahezu jeder strafrechtlichen Examensklausur muss eine Versuchsprüfung vorgenommen werden. Eine sichere Beherrschung der Versuchsvoraussetzungen ist unentbehrlich, wobei neben dem Vorliegen eines Tatentschlusses oder einer Rücktrittsproblematik auch das unmittelbare Ansetzen i. S. v. § 22 StGB – zu dem sich nun wieder einmal der BGH mit Beschluss v. 8.5.2018 (Az.: 5 StR 108/18) geäußert hat – den Schwerpunkt der Prüfung bilden kann. Dies lässt sich zur Erhöhung des Schwierigkeitsgrads auch gut mit weiteren Problemen, zB dem Versuchsbeginn bei einer wie im vorliegenden Fall gegebenen Mittäterschaft, kombinieren, sodass von einer gesteigerten Examensrelevanz auszugehen ist.
 
A. Sachverhalt (vereinfacht und abgewandelt):
A, B und C schlossen sich zusammen, um sich künftig in arbeitsteiligem Vorgehen der Wohnungsschlüssel älterer Menschen zu bemächtigen, in deren Wohnungen einzudringen und dort werthaltige Gegenstände und Geld zu entwenden. Hierzu klingelten sie zunächst an der Tür des 103 Jahre alten O, welcher die Tür mit vorgelegter Sicherungskette öffnete. Unter einem Vorwand bat der A um Einlass. Beim O kam allerdings angesichts des Erscheinens der fremden Personen Misstrauen auf, sodass er die Tür wieder schloss. A, B und C verweilten noch einige Zeit vor der Tür, in der Hoffnung, dass der O die Wohnung irgendwann verlassen werde. Dann sollte sich B dem Wohnungsschlüssel ermächtigen, damit die Tat noch ausgeführt werden konnte. Der O verließ seine Wohnung aber nicht, A, B und C gaben schließlich auf und fuhren mit dem Auto wieder weg.
Auf dem Heimweg fiel ihnen der 73 Jahre alte U als geeignetes Opfer auf. Wie zuvor vereinbart, stieg die C aus dem Auto aus, bedrängte den U körperlich und versuchte, in seine Jackeninnentasche zu greifen, um den Wohnungsschlüssel zu erlangen. Der U entgegnete jedoch nur „Verfatz dich!“ und stieß die C von sich. Diese gab auf und stieg unverrichteter Dinge wieder ins Auto.
 
B. Lösung
Hinsichtlich der Strafbarkeit der Beteiligten ist allein problematisch, ob diese bereits i. S. v. § 22 StGB unmittelbar zum schweren Bandendiebstahl gemäß § 244a StGB angesetzt haben. Den Eintritt in das Versuchsstadium hat der BGH aber – in beiden Fällen – verneint.
I. Zunächst könnte problematisiert werden, ob im ersten Tatkomplex (Geschehen mit dem O) überhaupt ein Versuchsbeginn für B und C in Betracht kommt, hat doch nur der A um Einlass gebeten. Das gleiche Problem stellt sich – und hier noch deutlicher – im zweiten Tatkomplex (Geschehen mit dem U) hinsichtlich des Versuchsbeginns für A und B, indem der U lediglich von C bedrängt wird, während A und B im Auto warten. Es stellt sich also die Problematik des Versuchsbeginns bei der Mittäterschaft.
1. Nach der von der hM vertretenen Gesamtlösung (s. hierzu z. B. BGH v. 23.1.1958 – 4 StR 613/57, BGHSt 11, 271; v. 2.6.1993 – 2 StR 158/93; BeckOK-StGB/Beckemper/Cornelius, § 22 Rn. 59) wird der Versuchsbeginn für alle Beteiligten einheitlich beurteilt. Danach wird nicht auf die gesonderten Tatbeiträge abgestellt, sondern es treten alle Mittäter ins Versuchsstadium ein, wenn einer unmittelbar ansetzt. Insofern käme auch ein Versuchsbeginn für die Mittäter, die nicht die unmittelbare Handlung vornehmen, sondern sich lediglich im Hintergrund aufhalten, in Betracht.
2. Dagegen prüft die Einzellösung den Versuchsbeginn für jeden Mittäter gesondert (s. z. B. Bloy, ZStW 113 (2001), 93; Kratzsch, JA 1983, 587; LK-StGB/Roxin, § 25 Rn. 198 ff.), sodass der einzelne Mittäter erst dann ins Versuchsstadium eintritt, wenn er zu der Handlung, die seine Mittäterschaft begründet, unmittelbar ansetzt (BeckOK-StGB/Beckemper/Cornelius, § 22 Rn. 60).
3. Die Gesamtlösung ist vorzugswürdig, da die Einzellösung dem Grundgedanken der Mittäterschaft – der gegenseitigen Zurechnung der im Rahmen des Tatplans liegenden Tatbeiträge – nicht gerecht wird (BGH v. 23.1.1958 – 4 StR 613/57, BGHSt 11, 271, 276; BeckOK-StGB/Beckemper/Cornelius, § 22 Rn. 61). Zudem würde derjenige Mittäter unbillig privilegiert, der seinen Tatbeitrag erst zu einem späten Zeitpunkt erbringen soll.
 
II. Hierauf kommt es aber ohnehin nicht an, wenn auch für den jeweils unmittelbar Handelnden ein unmittelbares Ansetzen zu verneinen ist. Fraglich ist also, ob der Eintritt in das Versuchsstadium angenommen werden kann. Nach der herrschenden gemischt objektiv-subjektiven Theorie ist dies – wie der BGH ausführt –

„nicht erst der Fall, wenn der Täter ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht, sondern schon dann, wenn er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden. Das Versuchsstadium erstreckt sich dementsprechend auf Handlungen, die im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen; der Täter muss subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreiten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzen, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht (vgl. etwa BGH, Urteile vom 16. September 1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 202 f.; vom 26. Oktober 1978 – 4 StR 429/78, BGHSt 28, 162, 163; Beschluss vom 14. März 2001 – 3 StR 48/01, NStZ 2001, 415, 416 mwN).

Anmerkung: Die Bestimmung des Versuchsbeginns ist mitunter noch umstritten. Eine ausführliche Darstellung verschiedener Ansätze findet sich in LK-StGB/Hillenkamp, § 22 Rn. 63 ff.
Vorliegend geht der BGH in beiden Fällen davon aus, dass zwar „wichtige Vorbereitungshandlungen“ vorgenommen wurden. Gleichwohl „waren die Maßnahmen noch nicht so weit gediehen, dass ihr Tun ohne weitere Zwischenakte unmittelbar in die Verwirklichung des Straftatbestandes des § 244a StGB hätte einmünden können.“
Dies konkretisiert der BGH für das Geschehen mit O wie folgt:

„Bei Tat 1 setzte die Ausführung des Diebstahls voraus, dass der Zeuge [O] die Sicherheitskette abnehmen, die Tür öffnen, die […] Angeklagten einlassen und sich […] ablenken lassen würde. Erst dann hätten die anderen Täter die Wohnung durchsuchen und Gegenstände entwenden können. Damit sollte ihr Tun noch nicht unmittelbar in Wegnahmehandlungen einmünden (vgl. schon RG JW 1926, 2753; siehe auch BGH, Urteil vom 6. Oktober 1977 – 4 StR 404/77; Beschluss vom 14. März 2001 – 3 StR 48/01, aaO, jeweils mwN).
Soweit sich die Strafkammer für ihren gegenteiligen Standpunkt auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs stützt, in denen bereits das Klingeln an der Tür als Versuchsbeginn angesehen wurde (vgl. etwa BGH, Urteile vom 16. September 1975 – 1 StR 264/75, aaO, S. 203 f.; vom 11. Juli 1984 – 2 StR 249/84, NStZ 1984, 506 mwN), sind diese auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Sie betreffen Raubdelikte, bei denen der Täter nach dem Öffnen der Tür sofort Gewalthandlungen gegen das Opfer vollführen wollte und damit – anders als vorliegend – bereits ein Tatbestandsmerkmal des § 249 StGB erfüllt hätte.“

Anmerkung: Diese Annahme ist sicherlich nicht unproblematisch, berücksichtigt man, dass der BGH in früheren Entscheidungen gleichwohl den Versuchsbeginn bereits beim Klingeln an der Tür angenommen hat. Verwiesen wird hier insbesondere auf das Urteil v. 16.9.2015 (Az.: 2 StR 71/15), in dem der BGH zum Versuchsbeginn beim Diebstahl(!) ausgeführt hat:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein unmittelbares Ansetzen zum Diebstahl vor, wenn ein Diebstahl aus der Wohnung eines Opfers dadurch ermöglicht werden soll, dass sich ein Täter unter einem Vorwand Einlass verschafft, um das Tatopfer abzulenken und dann zu bestehlen. Der Angriff auf den fremden Gewahrsam beginnt in diesen Fällen bereits mit dem Begehren um Einlass (BGH, Urteil vom 12. März 1985 – 5 StR 722/84; vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 – 3 StR 105/10). Nach der zuvor bereits bei anderen Opfern vielfach erfolgreich praktizierten Vorgehensweise hatten die Angeklagten hier die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ mit dem nicht unter einem Rücktrittsvorbehalt stehenden unmittelbaren Einwirken auf das zuvor bereits ausgespähte Tatopfer an der Wohnungstür überschritten. Zu diesem Zeitpunkt war auch eine konkrete Gefährdung des Opfervermögens bereits eingetreten. Dass das Gelingen und damit die Vollendung der Tat letztlich noch von dem Erfolg der Täuschung und von dem Auffinden von Wertgegenständen innerhalb der Wohnung abhängig war, und der Diebstahl hier „ohne Zutun“ der Angeklagten gescheitert ist, hindert nicht den Eintritt ins Versuchsstadium.“

Inwiefern sich die vorliegende Konstellation davon unterscheiden soll, erschließt sich nicht.
In Bezug auf das Geschehen mit dem U lehnt der BGH den Eintritt in das Versuchsstadium mit folgender Begründung ab:

„Entsprechendes gilt für Tat 2. In Bezug auf den Diebstahl von Gegenständen aus der Wohnung des ausgewählten Tatopfers hätten die Angeklagten diese noch aufsuchen und öffnen müssen (vgl. zum Versuchsbeginn bei der Beschaffung von [Nach-]Schlüsseln z.B. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1978 – 4 StR 429/78, aaO, S. 163 f.; Beschluss vom 24. Mai 1991 – 5 StR 4/91, BGHR StGB § 22 Ansetzen 14). Allerdings käme die Verwirklichung des § 244a StGB auch hinsichtlich des Wohnungsschlüssels selbst in Betracht, wobei insoweit der Versuchsbeginn nicht zweifelhaft erschiene (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 1957 – 5 StR 299/57, GA 1958, 191). Jedoch kann den Feststellungen nicht entnommen werden, ob die Angeklagten den Eigentümer insoweit dauernd enteignen wollten, also mit Zueignungsabsicht handelten. Dies versteht sich nach Lage des Falles auch nicht von selbst. Denn es liegt im Bereich des nicht nur denktheoretisch Möglichen, dass die Angeklagten etwa den für sie nach Gebrauch wertlosen Wohnungsschlüssel in der Wohnung zurückzulassen beabsichtigten.“

Mithin ist in beiden Fällen ein unmittelbares Ansetzen zu verneinen, sodass eine Strafbarkeit wegen versuchten schweren Bandendiebstahls ausscheidet.
 
Gegeben ist allerdings eine Strafbarkeit wegen Verabredung des Verbrechens des schweren Bandendiebstahls gemäß §§ 244a, 30 II StGB. Eine Straffreiheit nach § 31 StGB kommt nicht in Betracht, da die Ausführung der Tat nicht freiwillig aufgegeben wurde.
Scheitert eine Versuchsstrafbarkeit am unmittelbaren Ansetzen, ist bei Verbrechen stets auch an § 30 II StGB zu denken – dieser wird oft übersehen.
 
C. Fazit
Festzuhalten bleibt: Das Klingeln an der Tür kann bereits den Eintritt ins Versuchsstadium bedeuten, muss es aber nicht. Insbesondere vor dem Hintergrund der genannten Entscheidung (BGH v. 16.9.2015, Az.: 2 StR 71/15), lässt die Rechtsprechung eine klare Linie diesbezüglich wohl eher vermissen. In der Klausur muss daher – wie immer – auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt und anhand des konkreten Sachverhaltes argumentiert werden.
 

30.08.2018/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2018-08-30 10:00:252018-08-30 10:00:25BGH: Kein Versuchsbeginn bei Klingeln an der Tür
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Examensrelevantes Wissen zum Versuchsdelikt Teil I – Der Versuch

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Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Sebastian Rechenbach veröffentlichen zu können. Er hat an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena studiert und ist ab Mai Rechtsreferendar im Bezirk des OLG Jena.

Examensrelevantes Wissen zum Versuchsdelikt Teil I – Der Versuch

I. Einleitung
Sowohl im schriftlichen als auch im mündlichen Examen stellt die Thematik des Versuchsdeliktes einen sog. „Running Gag“ dar. Deshalb müssen bei den Prüflingen die Basics sitzen! Um dieses Ziel zu erreichen, behandelt die zweiteilige Beitragsreihe in gebotener Kürze die wichtigen Basics für die Fallbearbeitung, wobei sich der erste Teil dem Versuch widmet und im zweiten Teil die Rücktrittsproblematik im Mittelpunkt stehen wird. Die weitere Gliederung des Beitrages kann zugleich als Aufbauschema für das Gutachten angesehen werden.
 
II. Vorprüfung?
1. Beim Versuchsdelikt wird zunächst eine gedankliche Vorprüfung vorgenommen, ob die Tat nicht vollendet wurde und ob der Versuch überhaupt strafbar ist. Allerdings braucht diese, entgegen der immer noch h.M., nach meinem Dafürhalten im Gutachten nicht erwähnt zu werden und  ist daher als eigener Prüfungspunkt grds. entbehrlich – aus zwei Gründen:
a) Ist streitig, ob der Täter das Delikt vollendet hat (z.B. wegen mangelnder objektiver Zurechnung), muss mit der Prüfung des möglichen vollendeten Deliktes begonnen werden, da dort dann regelmäßig ein Problem steckt, das zu thematisieren ist.
b) Dass der Versuch strafbar ist, zeigt man dem Korrektor, indem die §§ 22, 23 I, 12 (I oder II) StGB im Obersatz zitiert werden; z.B. T könnte sich zum Nachteil von O des versuchten Totschlages nach §§ 212, 22, 23 I, 12 I StGB schuldig gemacht haben, als er mit dem Butterfly-Messer dem O fünf Mal in die Brust stach.
Die Korrektoren werden sich freuen, wenn sie nicht erst seitenlange Vorprüfungen lesen müssen!
 
2. Allerdings gibt es von diesem Vorgehen eine Ausnahme: Den erfolgsqualifizierten Versuch,  dem die Konstellation – Grunddelikt versucht, qualifizierende Folge eingetreten – zugrunde liegt:

  • Beispiel (Gubener Hetzjagdfall, BGHSt. 48, 34 ff.): Skinhead H versucht den algerischen Asylbewerber A zu verprügeln. A gerät in Panik, flüchtet vor H und kann ihn auch abhängen. A fühlt sich dennoch nicht sicher vor H und geht zu einem Haus, um sich verstecken zu können. Da sich dessen Tür nicht öffnen lässt, tritt er deren untere Glasscheibe ein und zieht sich tödliche Schnittverletzungen zu.

a) Nach einem Teil der Lit. ist ein erfolgsqualifizierter Versuch nicht möglich, da die schwere Folge an der Vollendung des Grunddeliktes anknüpft und dies nicht erfüllt ist, wenn das Grunddelikt lediglich versucht wurde (vgl. Kühl, StrafR AT, 6. Aufl., § 17a, Rn. 44).
b) Nach Teilen der Rspr. und der Lit. ist ein erfolgsqualifizierter Versuch stets möglich, da sich durch die schwere Folge die in der Handlung angelegte Gefahr verwirklicht (vgl. BGHSt. 48, 34 [37 f.]; Heinrich, StrafR AT, 3. Aufl., Rn. 696).
c) Nach der h.L. und Teilen der Rspr. ist nach der Struktur des Tatbestandes zu differenzieren: Baut die jeweilige Erfolgsqualifikation auf den Erfolg des Grunddeliktes auf, soll ein erfolgsqualifizierter Versuch nicht möglich sein (z.B. § 226 I StGB; str. für § 227 StGB). Anders ist dies, wenn die Handlungsgefahr des Grunddeliktes in den Vordergrund gestellt wird, wie z.B. bei den §§ 178, 251 StGB (vgl. eingehend BGHSt. 42, 158 [159 ff.]; Wessels/Beulke, StrafR AT, 42. Aufl., Rn. 617).
 
III.  Tatbestand
Der Tatbestand besteht beim Versuchsdelikt, ebenso wie der eines vorsätzlichen vollendeten Deliktes, aus einem objektiven und einem subjektiven Tatbestand. Jedoch wird der objektive Tatbestand beim Versuch „unmittelbares Ansetzen“ und der subjektive Tatbestand „Tatentschluss“ genannt. Außerdem wird im Gegensatz zur Prüfung beim vorsätzlichen vollendeten Delikt der subjektive Tatbestand vor dem objektiven Tatbestand geprüft.
 
1. Tatentschluss (subjektiver Tatbestand)
Im Tatentschluss ist zu prüfen, ob der Täter mit einem auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale eines Deliktes gerichteten Vorsatz und ggf. mit notwendigen subjektiven Tatbestandsmerkmalen handelte. Alles entscheidend ist also nur die Vorstellung des Täters!
a) Vorsatz
Der Täter muss in der Vorstellung der tatsächlichen Umstände, die, lägen sie vor, den objektiven Tatbestand eines Deliktes erfüllten, und mit unbedingten Handlungs- und Vollendungswillen handeln. An dieser Stelle werden mithin alle objektiven Tatbestandsmerkmale eines Deliktes am Maßstab der Tätervorstellung geprüft: Gab z.B. der Täter T den Schuss mit der Pistole auf das Opfer O ab, um es als andere Person töten zu wollen? Ob T mit der Pistole O überhaupt hätte treffen können, ist für die Strafbarkeit irrelevant.
Im Rahmen des Vorsatzes sollten folgende Sonderkonstellationen bekannt sein:
aa) Untauglicher Versuch,

  • der stets strafbar ist und vorliegt, wenn der Täter entgegen seiner Vorstellung unter den gegebenen Umständen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen den Tatbestand eines Deliktes nicht verwirklichen kann.
  • Beispiel: Mit Tötungsvorsatz schießt T auf den bereits toten O.

bb) Grob unverständiger Versuch,

  • der als besonderer Fall des untauglichen Versuches ebenfalls strafbar ist und vorliegt, wenn der Täter völlig abwegige Vorstellungen von gemeinhin bekannten Ursachenzusammenhängen hat, die für jeden durchschnittlichen Menschen offensichtlich sind. Es kann nach § 23 III StGB von Strafe abgesehen werden, was aber in einer Klausur des ersten Examens keine Rolle spielt, sondern erst für das zweite Examen interessant wird.
  • Beispiel: T will O durch Zugabe einer Dosis Ascorbinsäure in dessen Tee töten; weiß dabei aber nicht, dass es sich um ungefährliches Vitamin C handelt.

cc) Abergläubischer Versuch,

  • der nicht strafbar ist und vorliegt, wenn der Täter nach seiner Vorstellung glaubt den Tatbestand eines Deliktes mit magischen Kräften herbeiführen zu können.
  • Beispiel: Harry H will seine Freundin F totzaubern.

dd) Wahndelikt,

  • das ebenso nicht strafbar ist und vorliegt, wenn der Täter den Sachverhalt genau kennt, aber denkt, dass sein Handeln strafbar ist.
  • Beispiel: Harry H glaubt, dass Zaubern in Deutschland strafbar ist.

ee) Irrtümer,
denen der Täter erliegen kann, spielen bei der Abgrenzung des untauglichen Versuches vom Wahndelikt eine Rolle:

  • Es gilt der Grundsatz, dass ein Tatsachenirrtum zum untauglichen Versuch und ein Rechtsirrtum zum Wahndelikt führen.
  • Problematisch ist nun aber die Abgrenzung bei einem Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale (z.B. fremd, zuständige Stelle), wobei die h.M. davon ausgeht, dass ein untauglicher Versuch dann vorliegt, wenn die Fehlvorstellung durch einen Sachverhaltsirrtum bedingt ist oder aber wenn das Vorstellungsbild des Täters mit Blick auf die rechtsgutsbezogene Komponente rechtliche Relevanz aufweist (vgl. Jäger, Examens-Rep. StrafR AT, 5. Aufl., Rn. 290 ff.).

ff) Tatentschluss auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage

  • ist ausreichend, da dabei nicht das Ob, sondern nur das Wie zweifelhaft ist (vgl. BGH NStZ 1991, 233 f.).

b) Sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale
Die zu prüfenden sonstigen subjektiven Tatbestandsmerkmale sind solche, die aus dem Strafrecht BT bekannt sein sollten, z.B. Zueignungsabsicht bei § 242 StGB, Habgier bei § 211 StGB.
 
2. Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB (objektiver Tatbestand)
Um den objektiven Tatbestand eines Versuchsdeliktes zu verwirklichen, muss ein Täter zur Tatbestandsverwirklichung nach § 22 StGB unmittelbar angesetzt haben. Wann dies gegeben ist, ist in den meisten Fällen unproblematisch, sodass oftmals ein Satz genügt, z.B: „Durch den Schuss auf O hat T unmittelbar i.S.d. § 22 StGB angesetzt.“
a) Wann liegt unmittelbares Ansetzen i.S.d. § 22 StGB vor?
Entscheidend ist die Frage, wann ein Täter i.S.d. § 22 StGB unmittelbar ansetzt, nur (!) in wirklich problematischen Konstellationen.

  • Beispiel (BGH NStZ-RR 2004, 361 f.): T ist auf dem Weg zur Wohnung von O, um diesen zu töten. Seinen Besuch kündigt er telefonisch bei O an. An der Wohnung angekommen, schlägt T mehrmals an die Wohnungstür und fordert O auf herauszukommen, da T ihn jetzt umbringen will. O öffnet nicht und begibt sich auf den Balkon. Da niemand öffnet, geht T wieder.

Die Theorienvielfalt dazu ist kaum überschaubar, lässt sich aber auf die vier folgenden Ansätze eingrenzen:
aa) Zwischenaktstheorie, nach der ein Täter unmittelbar ansetzt, wenn nach der Vorstellung des Täters zwischen seinem Verhalten und der Tatbestandsverwirklichung kein wesentlicher Zwischenakt mehr liegt.
bb) „Jetzt-geht’s-los-Formel“, nach der ein Täter die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschritten haben muss, um unmittelbar i.S.d. § 22 StGB anzusetzen.
cc) Sphärentheorie, nach der ein Täter unmittelbar ansetzt, wenn er in die Schutzsphäre des Opfers eingedrungen ist und nach seiner Vorstellung zwischen Handlung und erwartetem Erfolgseintritt ein enger zeitlich-räumlicher Zusammenhang besteht.
dd) Die Rspr. und h.L. vertreten hingegen einen Kombinationsansatz: Der Täter muss demnach subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschritten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung angesetzt haben. Er muss also Handlungen vorgenommen haben, die nach dem Tatplan im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen (vgl. BGHSt. 40, 299 [301]; Wessels/Beulke, StrafR AT, 42. Aufl., Rn. 601). – arg.: Die voranstehenden Theorien werden, einzeln betrachtet, nicht allen Fallgestaltungen gerecht.
b) Problematische Fälle zum unmittelbaren Ansetzen
aa) Versuchsbeginn beim unechten Unterlassungsdelikt,

  • entweder beim Verstreichenlassen der ersten oder der letzten Rettungsmöglichkeit; oder nach (zutreffender) h.M. wenn der Garant die Herrschaft über das Geschehen aus der Hand gibt.

bb) Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft,

  • wenn der Täter auf den Tatmittler einwirkt oder erst, wenn der Tatmittler auf das Opfer einwirkt oder aber nach (zutreffender) h.M. wenn der Täter das Geschehen aus der Hand gegeben hat.

cc) Versuchsbeginn bei Mittäterschaft,
zu dem sich zwei Lösungsansätze entwickelt haben:

  • Einzellösung, nach der der Versuch für jeden Täter erst beginnt, wenn er selbst unmittelbar i.S.d. § 22 StGB ansetzt (vgl. Puppe, StrafR AT, 2. Aufl., § 39 Rn. 13). – arg.: Tatherrschaft, die der Mittäterschaft immanent ist, kann erst dann möglich sein, wenn der Mittäter selbst tätig wird.
  • Gesamtlösung (Rspr.; h.M.), nach der alle Mittäter in das Versuchsstadium treten, sobald einer von ihnen unmittelbar i.S.d. § 22 StGB ansetzt (vgl. BGHSt. 40, 299 [301 f.]; Seher, JuS 2009, 304 [309]). – arg.: Die Täter wollen eine gemeinsame Tat begehen, weshalb nach § 25 II StGB eine umfassende Zurechnung der Tatbeiträge stattfinden soll – unabhängig davon, wann der einzelne Täter seinen Tatbeitrag erbringt.

 
IV. Rechtswidrigkeit und Schuld
Für die Rechtswidrigkeit und Schuld ergibt sich für das Versuchsdelikt nichts Besonderes.
 
V. Persönliche Strafausschließungsgründe und Persönliche Strafaufhebungsgründe
An dieser Stelle sollte auf mögliche persönliche Strafausschließungsgründe (z.B. Angehörigenprivileg nach § 258 VI StGB) und persönliche Strafaufhebungsgründe (z.B. Rücktritt nach § 24 StGB, vgl. dazu aber Teil II) geachtet werden.
 
VI. Strafzumessung (Regelbeispiele)
Wurde zuvor der Versuch bejaht und v.a. ein möglicher Rücktritt abgelehnt, gelangt man ggf. noch zur Prüfung von möglichen Regelbeispielen. Dabei ist in Konstellationen, in denen der Täter das Grunddelikt und das Regelbeispiel lediglich versucht hat, umstritten, ob es einen Versuch in einem besonders schweren Fall geben kann:

  • Beispiel (versuchter Einbruchsdiebstahl, BGHSt. 33, 370 ff.): Dieb D will in die Gaststätte des Wirtes W einbrechen, um dort wertvolle Gegenstände zu stehlen. Dazu will D ein Fenster aufbrechen und durch dieses in das Haus steigen. Als er gerade das Fenster aufbricht, trifft die durch den Nachbarn N verständigte Polizei ein und unterbindet die Fortführung der Tat.

1. Nach der Rspr. und Teilen der Lit. sind Regelbeispiele wie Tatbestandsmerkmale zu behandeln, sodass ein Versuch in einem besonders schweren Fall möglich ist (vgl. BGHSt. 33, 370 [374 f.]; Gropp, StrafR AT, 3. Aufl., § 9, Rn. 49i). – arg.: Regelbeispiele typisieren einen erhöhten Unrechts- und Schuldgehalt und dieser fällt für die Begründung der Regelwirkung dann gegenüber dem Grunddelikt ins Gewicht, wenn dieses nicht vollendet wurde.
2. Nach der h.L. kann die straferhöhende Wirkung von Regelbeispielen erst eintreten, wenn sie durch den Täter verwirklicht werden (vgl. Zöller, StrafR BT I, 38 f.). Der Ansicht hat sich auch der BGH im Bereich des Sexualstrafrechts angeschlossen. In einer Entscheidung zum § 176 III Nr. 2 StGB a.F. geht der 5. Strafsenat des BGH davon aus, dass es im System des Strafgesetzbuches keinen Versuch eines besonders schweren Falles geben könne, da die gesetzlichen Regelbeispiele keine Tatbestände im engeren Sinn seien, sondern lediglich Strafzumessungsregeln enthalten (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 293; ebenso BGH NStZ 2003, 602 zum § 177 II StGB). – arg.: Der Wortlaut des § 22 StGB bezieht sich lediglich auf Tatbestände und nicht auf Strafzumessungsvorschriften, weswegen die erste Ansicht gegen Art. 103 II GG verstößt. Zudem geht die Indizwirkung eines Regelbeispieles nicht schon bei dessen Versuch von diesem aus.

05.03.2013/4 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2013-03-05 14:52:482013-03-05 14:52:48Examensrelevantes Wissen zum Versuchsdelikt Teil I – Der Versuch
Christian Muders

Strafrechts-Klassiker: Der Bärwurz-Fall

Klassiker des BGHSt und RGSt, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT

BGH, Urteil v. 12.08.1997 – 1 StR 234/97 (= BGHSt 43, 177 ff. = NJW 1997, 3453 f.)

Ist nach der Vorstellung des Täters, der seinen Teil zur Tatbestandsverwirklichung bewirkt hat, die Mitwirkung des Opfers zwingend erforderlich aber noch ungewiß, so beginnt der Versuch, wenn sich das Opfer so in den Wirkungskreis des Tatmittels begibt, daß sein Verhalten nach dem Tatplan bei ungestörtem Fortgang unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung münden kann.

1. Der Sachverhalt
Anfang März 1994 waren Unbekannte in das Einfamilienhaus des A eingedrungen, hatten sich in der im Erdgeschoss gelegenen Küche warme Speisen zubereitet und auch dort vorhandene Flaschen mit verschiedenen Getränken ausgetrunken. Weiter waren Geräte der Unterhaltungselektronik in das Dachgeschoss des Hauses verbracht worden. Die vom A am 6. März 1994 verständigte Polizei ging deshalb davon aus, die Täter könnten an den folgenden Tagen noch einmal zurückkehren, um die zum Abtransport bereitgestellte Diebesbeute abzuholen. In der Nacht vom 8. auf den 9. März 1994 hielten sich deshalb vier Polizeibeamte in dem Haus auf, um mögliche Einbrecher ergreifen zu können. Zugleich hatte sich der A, der vom Beruf Apotheker war, schon am Nachmittag des 8. März 1994 aus Verärgerung über den vorangegangenen Einbruch dazu entschlossen, im Flur des Erdgeschosses eine handelsübliche Steingutflasche mit der Aufschrift „Echter Hiekes Bayerwaldbärwurz“ aufzustellen, die er mit einem hochgiftigen Stoff gefüllt und sodann wieder verschossen hatte. Im Wissen darum, dass bereits der Konsum geringster Mengen der genannten Mischung rasch zum Tode führen kann, nahm A es beim Aufstellen der Flasche jedenfalls in Kauf, dass möglicherweise erneut Einbrecher im Haus erscheinen, aus der Flasche trinken und tödliche Vergiftungen erleiden könnten. Später kamen dem A Bedenken, da er die observierenden Polizeibeamten nicht eingeweiht hatte und er nunmehr erkannte, dass auch ihnen von der Giftflasche Gefahr drohte. Er wies die Beamten, die die Flasche nicht angerührt hatten, auf deren giftigen Inhalt hin. Am nächsten Morgen wurde er telefonisch von einem Kriminalbeamten aufgefordert die Giftflasche zu beseitigen. Nach einigem Zureden des Beamten erklärte A sich schließlich damit einverstanden, dass jener die Flasche sicherstellte.
2. Die Kernfrage
Der A war wegen des Geschehens in seinem Haus neben der Inverkehrbringung von schädlichen Stoffen als Lebensmittel (strafbar nach § 51 Abs. 1 Ziff. 1 Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz LMBG) auch wegen eines – in den Entscheidungsgründen des BGH nicht näher konkretisierten – versuchten Tötungsdelikts zu Lasten der mutmaßlichen Einbrecher angeklagt worden. Nach Auffassung der Eingangsinstanz, des LG Passau, hatte der Angeklagte die Schwelle zu einem solchen Versuch indes trotz Aufstellens der Flasche noch nicht überschritten. Hiergegen hat die Staatsanwaltschaft Revision zu Lasten des A eingelegt.
3. Das sagt der BGH
Der BGH hat die Entscheidung des LG Passau bestätigt, also eine Strafbarkeit des A wegen versuchten Tötungsdelikts ebenfalls verworfen.
a) Hierzu hat das Gericht zunächst einmal – geradezu schulmäßig – den Tatbestand des Versuchs, wie er sich nach § 22 StGB darstellt, definiert:

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Dazu muß der Täter Handlungen vornehmen, die nach seiner Vorstellung im Falle ungestörten Fortgangs ohne Zwischenakte unmittelbar in die Tatbestandserfüllung münden können. Die Begehung von Handlungen, wie sie im gesetzlichen Tatbestand umschrieben sind, ist allerdings nicht erforderlich. Es genügt, wenn die Handlung des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals unmittelbar vorgelagert ist oder in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Tatbestandserfüllung steht (…).

Kann danach also auch ein Vorverhalten des Täters für den Versuchsbeginn ausreichend sein, betont der BGH im Anschluss hieran allerdings sogleich, dass (umgekehrt) auch dann, wenn der Täter nicht allein eine Vorbereitungshandlung, sondern bereits eine Tathandlung abgeschlossen hat (!), die Schwelle zur Versuchsstrafbarkeit noch nicht notwendigerweise überschritten sein muss:

Diese der Abgrenzung von Versuch und Vorbereitungshandlung dienenden Grundsätze hat die Rechtsprechung zunächst anhand von Fällen entwickelt, in denen der Täter – wie beim unbeendeten Versuch – nach seiner Vorstellung noch nicht alles zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan hat; sie gelten aber auch, wenn der Täter – wie beim beendeten Versuch – die nach seinem Tatplan erforderlichen eigenen Handlungen bereits vollständig erbracht hat. Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, selbst abgeschlossenes Täterhandeln müsse nicht stets unmittelbar in die Erfüllung eines Straftatbestandes einmünden und reiche damit für sich genommen nicht aus, die Frage nach dem Versuchsbeginn zu beantworten (…).

b) Die letztzitierte Aussage konkretisiert der BGH im Anschluss hieran zunächst einmal für solche Fälle, die (unstrittig) der mittelbaren Täterschaft zuzuordnen sind, bei denen also ein klassisches „Dreiecksverhältnis“ bestehend aus Hintermann, Werkzeug und Deliktsopfer vorliegt:

Das ist für Fälle entschieden, in denen der Täter notwendige Beiträge eines Tatmittlers in seinen Plan einbezieht. Hier liegt zwar ein Ansetzen des Täters zur Tat schon vor, wenn er seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat, es ist also nicht erforderlich, daß der Tatmittler seinerseits durch eigene Handlungen zur Tat ansetzt. Ein unmittelbares Ansetzen ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Tatmittler in der Vorstellung entlassen wird, er werde die tatbestandsmäßige Handlung nunmehr in engem Zusammenhang mit dem Abschluß der Einwirkung vornehmen (…). Demgegenüber fehlt es hieran, wenn die Einwirkung auf den Tatmittler erst nach längerer Zeit wirken soll oder wenn ungewiß bleibt, ob und wann sie einmal Wirkung entfaltet. In diesen Fällen beginnt der Versuch erst dann, wenn der Tatmittler, dessen Verhalten dem Täter über § 25 Abs. 1 StGB zugerechnet wird, seinerseits unmittelbar zur Tat ansetzt. Entscheidend für die Abgrenzung ist daher, ob nach dem Tatplan die Einzelhandlungen des Täters in ihrer Gesamtheit schon einen derartigen Angriff auf das geschützte Rechtsgut enthalten, daß es bereits gefährdet ist und der Schaden sich unmittelbar anschließen kann (…) oder ob die Begründung einer solchen Gefahr dem noch ungewissen späteren Handeln des Tatmittlers überlassen bleibt.

c) Die vorstehende Betrachtung für Dreieckskonstellationen überträgt der BGH sodann auf Fälle wie den vorliegenden Sachverhalt, bei denen Tatmittler und späteres Opfer identisch sind, das Opfer also als „Tatmittler gegen sich selbst“ eingesetzt wird. Das Gericht sieht solche „Zweierverhältnisse“ freilich nicht direkt als Fälle einer mittelbaren Täterschaft an, sondern erkennt hier nur „eine der mittelbaren Täterschaft verwandte Struktur“ an. Aufgrund dieser verwandten Struktur sei jedoch in solchen Fällen eine identische Abgrenzung bei der Frage des „unmittelbaren Ansetzens“ vorzunehmen:

Zwar setzt der Täter bereits zur Tat an, wenn er seine Falle aufstellt, doch wirkt dieser Angriff auf das geschützte Rechtsgut erst dann unmittelbar, wenn sich das Opfer in den Wirkungskreis des vorbereiteten Tatmittels begibt. Ob das der Fall ist, richtet sich nach dem Tatplan. Steht für den Täter fest, das Opfer werde erscheinen und sein für den Taterfolg eingeplantes Verhalten bewirken, so liegt eine unmittelbare Gefährdung (nach dem Tatplan) bereits mit Abschluß der Tathandlung vor (etwa wenn der Täter eine Zeitbombe an einem belebten Platz deponiert; vgl. dazu auch RGSt 66, 141: mit Sicherheit in absehbarer Zeit zu erwartendes Betätigen eines Lichtschalters und dadurch bewirktes Ingangsetzen einer „Brandstiftungsanlage“). Hält der Täter – wie hier – ein Erscheinen des Opfers im Wirkungskreis des Tatmittels hingegen für lediglich möglich, aber noch ungewiß oder gar für wenig wahrscheinlich (etwa beim Wegwerfen einer mit Gift gefüllten Schnapsflasche im Wald), so tritt eine unmittelbare Rechtsgutsgefährdung nach dem Tatplan erst dann ein, wenn das Opfer tatsächlich erscheint, dabei Anstalten trifft, die erwartete selbstschädigende Handlung vorzunehmen und sich deshalb die Gefahr für das Opfer verdichtet (…). Dieses Stadium war im vorliegenden Fall noch nicht erreicht.

Sodann verteidigt der BGH seine Kriterien für diese differenzierte Betrachtung:

Zwar wird gegen diese Lösung der beachtliche Einwand vorgebracht, dabei müsse – entgegen § 22 StGB – nicht mehr der Täter, sondern das Opfer zur Tat ansetzen (Roxin, JuS 1979, 1, 10). Doch ist hier nicht die Frage des Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung, sondern diejenige der Unmittelbarkeit angesprochen. Mit der Aufnahme dieses Merkmals in die gesetzlichen Voraussetzungen des § 22 StGB hat sich der Gesetzgeber dazu bekannt, daß die Strafbarkeit des Versuchs nicht völlig losgelöst von einer Gefährdung des geschützten Rechtsguts einsetzt (…). Wollte man darauf verzichten, wäre die Strafbarkeit des Versuchs weit vorverlagert und müßte – wie Roxin (…) annimmt – auch Fälle erfassen, in denen der Täter seine Tathandlungen in einem frühen Stadium abschließt, ohne das angegriffene Rechtsgut damit zunächst konkret zu gefährden, und das weitere Geschehen danach ungesteuert aus der Hand gibt. Eine so weite Vorverlagerung der Versuchsstrafbarkeit erscheint nicht sachgerecht.

Schlussendlich beschließt das Gericht seine Überlegungen mit einem Rekurs zu den (unstreitigen) Fällen der mittelbaren Täterschaft:

Zwar ist – wie die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs zeigt – eine objektive Gefährdung nicht erforderlich, doch muß danach gefragt werden, wann sich die Tathandlung nach dem Tatplan dem gefährdeten Rechtsgut ausreichend nähert, um die Strafbarkeit des Täters zu begründen. Bezieht der Täter ein selbstschädigendes Opferverhalten in seinen Tatplan ein und gibt er damit das Gelingen seines Plans teilweise aus der Hand, so spricht rechtlich nichts dagegen, auf dieses Opferverhalten für die Frage der Unmittelbarkeit des Angriffs abzustellen. Diese Zurechnung des Opferverhaltens hat ihren rechtlichen Grund vielmehr in der bereits dargelegten Nähe solcher Selbstschädigungsfälle zu Fällen mittelbarer Täterschaft und der dabei gebotenen Zurechnung des Tatmittlerverhaltens über § 25 Abs. 1 StGB.

d) Zum Abschluss subsumiert der BGH die von ihm erarbeiteten Erkenntnisse noch unter den konkreten Fall und verneint danach ein unmittelbares Ansetzen durch A:

Bei Anlegung der genannten Maßstäbe war die Schwelle von der Vorbereitungshandlung zum Versuch im vorliegenden Fall noch nicht überschritten. Zwar hatte der Angeklagte aus seiner Sicht alles getan, was er selbst zur Vergiftung eines möglichen Einbrechers tun mußte, doch stand eine Schädigung möglicher Tatopfer nach seiner Vorstellung noch nicht unmittelbar bevor. Tatsächlich sind bis zur Sicherstellung der Giftflasche keine Einbrecher mehr im Haus des Angeklagten erschienen. Wie der Angeklagte wußte, war dies wegen des damit verbundenen Entdeckungsrisikos von vorn herein auch nicht sehr wahrscheinlich. Der Verdacht, es könne dennoch geschehen, gründete sich allein auf die zum Abtransport im Dachgeschoß bereitgelegte Diebesbeute. Daß die Täter, die bei der ersten Tat durch den ersten Stock ins Haus gelangt waren, auch im Wiederholungsfall wieder Lebensmittel im Erdgeschoß verzehren würden, war schon wegen der vier im Hause versteckten Polizeibeamten kaum zu erwarten. Auch dies war dem Angeklagten bewußt. Er konnte allenfalls noch mit einem späteren, nicht mehr polizeilich überwachten Auftauchen der Einbrecher und deren Griff zur Giftflasche rechnen. Damit war auch aus seiner Sicht eine im Sinne der obenstehenden Ausführungen ausreichend konkrete, d.h. unmittelbare, Gefährdung möglicher Tatopfer noch nicht gegeben.

4. Fazit
Der „Bärwurzfall“ ist einer der Klassiker zum unmittelbaren Ansetzen beim Versuch, den jeder Student und Referendar kennen sollte.
a) Einordnung der Selbstverletzung in die Täterschaftsformen
Dabei gilt es zunächst zu erkennen, dass für die Entscheidung der Frage, wann in Fällen der Selbstverletzung des Werkzeugs ein unmittelbares Ansetzen vorliegt, nicht unbedingt relevant ist, ob diese Konstellation als Fall der mittelbaren Täterschaft (so die wohl h.L.; vgl. nur Joecks, Studienkommentar, 7. Aufl. 2007, § 25 Rn. 21; Kindhäuser, LPK, 4. Aufl. 2010, § 25 Rn. 9) oder aber als unmittelbare Täterschaft des Delinquenten konstruiert wird, auch wenn es sicherlich nicht schadet, dieser Frage – zumindest in Hausarbeiten – etwas Raum in der Fallbearbeitung zu gewähren. Denn die Feststellung zur Strafbarkeit des Täters muss eigentlich unabhängig von dieser Einordnung vorgenommen werden, was bereits daran deutlich wird, dass ähnliche Konstellationen auch für solche Fälle denkbar sind, in denen unstrittig nur eine unmittelbare Täterschaft in Betracht kommt. So bilden etwa Herzberg/Hoffmann-Holland (in: MüKo/StGB, 2. Aufl. 2011, § 22 Rn. 127) das Beispiel, dass der Täter mittags einen bissigen Hund auf sein eingezäuntes Grundstück verbringt, damit das Tier gegen 16.00 Uhr die wegeberechtigte Nachbarin am Betreten hindern kann – auch hier ist zu entscheiden, ob der Tatbestand der Nötigung (§ 240 Abs. 1, 2 StGB) bereits mit dem Verbringen des Hundes auf das Grundstück oder aber erst mit dem Versuch der Nachbarin, ihr Wegerecht in Anspruch zu nehmen, beginnt; dies würde etwa in der Konstellation relevant werden, in welcher der Hund weit vor Eintreffen der Nachbarin am geplanten Tatort aufgrund einer Verletzung, die er sich auf dem Grundstück zufällig zugezogenen hat, verendet.
b) Die Lösung des BGH
Im Hinblick auf die Bestimmung des Versuchsbeginns im vorliegenden Fall erscheint die Differenzierung des BGH, der zwischen Konstellationen unterscheidet, bei denen der Täter sicher von der Mitwirkung des Opfers ausgeht und solchen, bei denen er bezüglich dieses Aktes eher unsicher ist, jedenfalls vom „Rechtsgefühl“ her durchaus einsichtig. So würde etwa kaum jemand in Frage stellen, dass der Attentäter, der am Abend eine Bombe im Auto seines Opfers deponiert, welche selbiges am Morgen beim Anfahren auslösen soll, bereits mit dem Verbringen des Sprengstoffes in den Pkw unmittelbar zur Tat ansetzt (so jedenfalls der BGH, vgl. Urteil v. 07.10.1997 – 1 StR 635/96 = NStZ 1998, 294). Demgegenüber erscheint eine Versuchsstrafbarkeit für Fälle wie den vorliegenden, in denen eine Distanz zur Tatbegehung nicht nur in zeitlicher Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf das „ob“ der Verwirklichung besteht, zumindest zweifelhaft. Die Lösung des BGH, hier nicht den (täterbezogenen) Begriff des „Ansetzens“ in Frage zu stellen, sondern das Merkmal der „Unmittelbarkeit“ für die Verneinung einer Versuchsstrafbarkeit fruchtbar zu machen, ist jedenfalls von der Warte aus zu begrüßen, dass so direkt mit einer Tatbestandsvoraussetzung des § 22 StGB operiert werden kann, und nicht (allein) auf theoretische Überlegungen, etwa zum Strafgrund des Versuchs, zurückgegriffen werden muss. Fraglich erscheint dann jedoch, inwiefern dieses Merkmal für die vom BGH vorgenommene Differenzierung, die ja maßgeblich auf die Wahrscheinlichkeitsvorstellungen des Täters abstellt, inhaltlich überhaupt nutzbar gemacht werden kann. Insofern erscheint eine Interpretation des Unmittelbarkeitskriteriums immerhin dergestalt möglich, selbiges nicht nur „naturwissenschaftlich“, d.h. als Maßstab in zeitlicher Hinsicht, zu deuten, sondern es (zusätzlich) auch normativ aufzuladen, indem gefragt wird, ob noch ein „wesentlicher Zwischenschritt“ bis zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist – ein Gedanke, der bei der Bestimmung des Versuchsbeginns in Gestalt der „Zwischenakts-Theorie“ ohnehin allgemein herangezogen wird (vgl. etwa LK-Hillenkamp, 12. Aufl. 2007, § 22 Rn. 77). Ist sich der Täter aber der Mitwirkung des Opfers sicher, könnte man selbige als nicht mehr „wesentlichen“ Zwischenschritt werten, da die Tat dann quasi automatisch nach Abschluss der Handlung des Täters abläuft. Ist hingegen die Mitwirkung des Opfers fraglich bis unwahrscheinlich, ist dessen Tun noch als wesentlicher Akt zwischen Täterhandeln und Erfolgseintritt zu werten, der somit einer „Unmittelbarkeit“ des durch den Delinquenten bereits verwirklichten Beitrags i.F. des Präparierens der Falle entgegensteht.
c) Die Lösung der h.L.
Daneben werden von der Literatur auch konkurrierende Vorschläge gemacht, um das „unmittelbare Ansetzen“ bei geplanter Selbstverletzung des Opfers qua „Fallenstellung“ zu bestimmen. So soll nach h.L. darauf abzustellen sein, ob der Täter nach dem Bereitstellen der Falle (als Schaffung des relevanten Todesrisikos) das Geschehen so aus der Hand gibt, dass er sich einer Einflussmöglichkeit auf den Tatablauf beraubt – ist dies nicht der Fall, weil der Täter etwa „vor Ort“ bleibt, soll der Versuchsbeginn demgegenüber erst dann eintreten, wenn sich das Opfer tatsächlich in den Wirkungsbereich der Falle begibt und somit konkret gefährdet wird (grundlegend dazu Roxin, JuS 1979, 1 ff.; ebenso Schönke/Schröder-Eser, 28. Aufl. 2010, § 22 Rn. 42 a.E.; Wessels/Beulke, AT, 32. Aufl. 2002, Rn. 603, jew. m.w.N.). Dieser Vorschlag ist zunächst mit dem Ausgangspunkt der Rspr. identisch, da auch hier mit der fehlenden „Unmittelbarkeit“ des Ansetzens argumentiert wird, welches inhaltlich mit der ausbleibenden Gefährdung des Opfers (nach Tätervorstellung) gleichgesetzt wird. Allein die Konkretisierung dieser Opfergefährdung (bzw. aus Täterperspektive die Unmittelbarkeit der Tathandlung) wird divergierend zum BGH bestimmt, indem selbige von der subjektiven Ebene, also den Wahrscheinlichkeitsvorstellungen des Täters, auf eine objektive Ebene „heruntergeholt“ und nach den verbleibenden Einwirkungsmöglichkeiten des Delinquenten gefragt wird. Dieser Ansatz erscheint dabei auf den ersten Blick insofern konsequent, als auch in anderen Fällen, etwa bei einem Attentäter, der im Hinterhalt mit einem Gewehr auf sein Opfer lauert, darauf abgestellt wird, wann sich das Opfer dem geplanten Tatort nähert. Freilich ist in der letztgenannten Konstellation gerade noch keine eigene Tathandlung des Attentäters gegeben, da dieser noch das Gewehr anlegen und schießen muss, was sich in Fällen der beabsichtigten Selbstverletzung des Opfers durchweg anders darstellt – hier ist das Todeswerkzeug ja bereits präpariert und harrt nur noch seiner automatischen Auslösung durch das Zielobjekt. Zudem müsste man bei Anwendung dieser Lehre konsequenterweise auch bei Sprengstofffallen dann, wenn der Täter in der Nähe des Tatortes bleibt, um etwa seinen Erfolg abzuwarten, ebenfalls trotz Anbringens der Bombe davon ausgehen, dass ein Versuch erst zu dem Zeitpunkt beginnt, in dem das Opfer tatsächlich auf der Bildfläche erscheint – was sich in derjenigen Konstellation zu Gunsten des Täters auswirken würde, in welcher der Sprengsatz bereits frühzeitig, etwa von einem vorbeikommenden Passanten, zufällig entdeckt wird, so dass der Bombenattentäter im Ergebnis straflos bliebe. Schließlich kann diesem Ansatzpunkt vorgeworfen werden, dass mit Erwägungen, die auf eine Eingriffsmöglichkeit des Täters nach Abschluss der bereits vorgenommenen Tathandlung abstellen, eigentlich auf Umstände zurückgegriffen wird, die grundsätzlich allein der Frage des Rücktritts zugehörig sind: So könnte man in dem dem vorliegenden Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt, in welchem der A die Polizei vor der Flasche warnt und sich nach deren Zureden bereiterklärt, diese den Beamten zu überlassen, auch von einem Rücktritt des A vom mit dem Aufstellen der Flasche beendeten Versuch gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB sprechen.
d) Vorschläge zur Klausurbearbeitung
Insgesamt lassen einen die vorgehend angesprochenen Lösungsmöglichkeiten für die Konstellation einer zeitlich gestreckten Selbstverletzung des Opfers sämtlich etwas unbefriedigt zurück. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass das Spannungsverhältnis, welches zwischen der bereits ausgeführten eigenen Handlung des Täters einerseits und der fehlenden zeitlichen Nähe zur Opfergefährdung andererseits besteht, nicht vollständig ausgeräumt werden kann. Bei der Klausurbearbeitung bietet es sich insofern an, in Fällen, in denen das Opfer ohnehin in den Bereich der Falle tappt, mit einer „jedenfalls“-Argumentation ein unmittelbares Ansetzen unproblematisch zu bejahen, da dieser Zeitpunkt nach allen Lehren den spätestmöglichen Beginn des Versuchs markiert. Ähnliches gilt – freilich in umgekehrter Richtung – auch für Sachverhalte, die dem vorgenannten Urteil nachgebildet sind, da hier sowohl Rspr. als auch h.L. eine „Unmittelbarkeit“ des Ansetzens verneinen würden, auch wenn sie dies mit je unterschiedlichen Erwägungen tun – eine Streitentscheidung ist also auch hier nicht erforderlich. Problematisch bleiben demnach v.a. die Fälle, in denen ein in sicherer Gewissheit des Opferverhaltens handelnder Täter am Tatort verbleibt, die tödliche Falle aber zufällig vor Eintreffen des Opfers von dritter Seite entschärft wird. Hier kann man durchaus mit der Argumentation, dass jedes mögliche Eingreifen des Täters nach Bereitmachen der Falle allenfalls als Rücktritt vom beendeten Versuch zu werten wäre, was dessen vorangehendem Handeln nicht den Charakter einer bloßen Vorbereitungshandlung geben kann, dessen Strafbarkeit gut begründen. Umgekehrt kann dann, wenn der Apotheker im oben genannten Fall sicher von einer Rückkehr der Täter ausgeht, mit der dennoch fehlenden „unmittelbaren Gefährdung“ argumentiert werden, die sich daraus ergibt, dass der Apotheker hier noch jederzeit die Steinflasche mit dem vergifteten Getränk entfernen, also seine bisherige Tathandlung revozieren könnte – was wiederum dem „Rechtsgefühl“ in dieser Konstellation, nämlich einer Straflosigkeit des Täters, am ehesten entsprechen dürfte. Ergänzend kann zur Lösung beider Fälle schließlich noch auf den Sphärengedanken zurückgegriffen werden, der ebenfalls allgemein bei der Frage des unmittelbaren Ansetzens häufig zur Konkretisierung herangezogen wird (vgl. nur Kindhäuser, LPK, 4. Aufl. 2010, § 22 Rn. 22; S/S/W-Kudlich/Schuhr, 1. Aufl. 2009, § 22 Rn. 39): Denn im Fall der Autobombe wirkt der Täter bereits mit Anbringen des Sprengstoffes an dem Pkw jedenfalls insoweit auf die Sphäre des Opfers ein, als das Auto letzterem (als Eigentümer bzw. Gewahrsamsinhaber) unstrittig zugeordnet ist. Anderes gilt demgegenüber für den „Bärwurzfall“, da hier die Falle genau genommen nicht in der Sphäre des Opfers, sondern des Täters deponiert wird, welcher die Steingutflasche ja in seinem eigenen Haus aufstellt.

27.10.2012/1 Kommentar/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-10-27 10:00:322012-10-27 10:00:32Strafrechts-Klassiker: Der Bärwurz-Fall
Samuel Ju

BGH: Wann liegt ein unmittelbares Ansetzen zum versuchten Betrug vor?

Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT

Der Bundesgerichtshof hatte in einem Beschluss vom 12.01.2011 (BGH, 1 StR 540/10) über einen Fall zu entscheiden, in dem es insbesondere um die Frage ging, ob der Täter zum versuchten Betrug unmittelbar angesetzt hat.
Sachverhalt
Seit 2002 arbeitete der Angeklagte A für die 1923 geborene Frau F als Hausmeister. Nachdem diese im September 2005 schwer gestürzt war, kümmerte er sich gegen entsprechendes Honorar u.a. auch um deren körperliche Hygiene und Verpflegung. Im August 2008 erklärte sich F mit dem Vorschlag des Angeklagten einverstanden, ihm das ihr gehörende Grundstück, dessen Verkehrswert das Urteil nicht mitteilt, zu schenken. In dem darauf stehenden Haus sollte sie weiterhin unentgeltlich wohnen dürfen und vom A wie bisher gepflegt werden. Bei diesem Gespräch spiegelte A der F „bewusst wahrheitswidrig … vor, dass für die Übertragung des Anwesens eine Schenkungssteuer in Höhe von 150.000 € anfallen würde“, obwohl er „wusste, dass die“ Steuer „wesentlich niedriger … sein“, nämlich 81.175,40 € betragen würde. Da der A sie nicht hätte bezahlen können, willigte F ein, ihm 150.000 € zusätzlich „zur Begleichung der anfallenden Schenkungssteuer zu schenken“. Mitte September 2008 beauftragte der A einen befreundeten Rechtsanwalt, einen Überlassungsvertrag zu entwerfen. Der Entwurf enthielt in § 9 folgende Regelung: „Die Überlasserin übergibt dem Übernehmer neben der Überlassung des Grundstücks einen Betrag in Höhe von 150.000 € als Schenkung. Den Betrag in Höhe von 150.000 € übergibt die Überlasserin an den Übernehmer im Ausgleich der mit der Überlassung und auch der Schenkung des Betrages von 150.000 € anfallenden Schenkungssteuer. Sollte die anfallende Schenkungssteuer unter dem Betrag von 150.000 € liegen, ist vom Übernehmer eine teilweise Rückerstattung nicht geschuldet. Ein möglicher Restbetrag wird dem Übernehmer von der Überlasserin geschenkt“.
Nachdem der A den Vertragsentwurf gebilligt hatte, übersandte ihn sein Rechtsanwalt an einen Notar, der den Beurkundungstermin auf den 1. Oktober 2008 um 17.00 Uhr bestimmte. Zu der Beurkundung kam es jedoch nicht mehr, weil der A am Vormittag des genannten Tages festgenommen wurde.
Hat sich der A wegen versuchen Betruges strafbar gemacht?
Entscheidung des BGH
A könnte sich wegen versuchten Betrugs gemäß §§ 263 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.
Vorprüfung
a. Nichtvollendung der Tat (+).
b. Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB.
1. Tatbestand
a. subjektiver Tatbestand (= Tatentschluss)
A müsste mit Tatentschluss gehandelt haben.
Tatentschluss bedeutet die Verwirklichung des gesamten subjektiven Unrechtstatbestandes des betreffenden Delikts. Da A bewusst wahrheitswidrig die F täuschen wollte, , hatte A Tatentschluss, §§ 212, 15 StGB.
b. Objektiver Tatbestand (= unmittelbares Ansetzen)
Im objektiven Tatbestand müsste der A nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt haben. (sog. Ansatzformel des § 22 StGB).
Fraglich ist, ob der Angeklagte die nach § 22 StGB für den Versuchsbeginn maßgebliche Schwelle schon überschritten hat.
BGH:

Zwar genügt es es hierfür regelmäßig, dass ein Täter bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes verwirklicht (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 296; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2002 – 1 StR 222/01, NStZ 2002, 433, 435). Jedoch muss das, was der Täter zur Verwirklichung seines Vorhabens getan hat, zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand und dessen beabsichtigter Verwirklichung in Beziehung gesetzt werden. Handelt es sich aber dabei – wie vorliegend – um ein mehraktiges Geschehen, so ist erst diejenige Täuschungshandlung maßgeblich, die den Getäuschten unmittelbar zur irrtumsbedingten Verfügungsverfügung bestimmen und den Vermögensschaden herbeiführen soll (vgl. Satzger in SSW, StGB, 1. Aufl., § 263 Rn. 254).
Daher lag es nicht nahe, auf die in dem ersten, im August 2008 geführten Gespräch hinsichtlich der Höhe der Schenkungssteuer gemachte Angabe abzustellen. Denn diese konnte nicht ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in die angestrebte Vermögensverschiebung münden, sondern sollte diese nur vorbereiten.
Insbesondere bedurfte es auch nach der Vorstellung des Angeklagten noch der Ausarbeitung eines entsprechenden schriftlichen Vertrages und zwingend (§ 311b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB) dessen notarieller Beurkundung.
Angesichts dessen vermag der Senat den Feststellungen ebenfalls nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte gar ohne Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals das Vorbereitungsstadium (hierzu BGH, Urteil vom 16. Januar 1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 297; BGH, Beschluss vom 7. Februar 7 2002 – 1 StR 222/01, NStZ 2002, 433, 435) bereits verlassen und die Schwelle zum „Jetzt geht es los“, also zum ohne Zwischenakte den Tatbestand verwirklichenden Tun, überschritten hatte.

Ein unmittelbares Ansetzen des A zum versuchten Betrug ist vorliegend nicht zu bejahen.
Ergebnis: Mithin hat sich der A nicht des versuchten Betrugs gem. §§ 263 Abs. 1, 22, 23 StGB strafbar gemacht.
Das LG Augsburg in der Vorinstanz hatte ein unmittelbares Ansetzen des A bejaht, indem es auf die Täuschungshandlung im August 2008 abstellte. Darüber hinaus rügte der BGH, dass das LG Augsburg einen möglichen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch nicht geprüft hatte.

Denn jedenfalls hat das Landgericht nicht geprüft, ob der Angeklagte von dem – angenommenen – Betrugsversuch strafbefreiend zurückgetreten ist. Eventuell ist es im Hinblick auf die einige Stunden vor dem Notartermin erfolgte Festnahme des Angeklagten von einem fehlgeschlagenen Versuch ausgegangen. Hierdurch hat es sich jedoch den Blick auf die Möglichkeit verstellt, dass der Angeklagte bereits zuvor vom Versuch zurückgetreten ist.
Insofern wäre es für die Voraussetzungen des für den allein handelnden Täter maßgeblichen § 24 Abs. 1 StGB zunächst darauf angekommen, ob ein beendeter oder ein unbeendeter Versuch vorliegt. Im ersten Fall erlangt der Täter Strafbefreiung nur dann, wenn er durch aktives Tun den Eintritt des Erfolges freiwillig verhindert. Im zweiten Fall genügt es, wenn er während der Ausführung seines Tatplans dessen weitere Durchführung freiwillig aufgibt. Maßgeblich für die Abgrenzung ist der sog. Rücktrittshorizont, d.h. die Vorstellung des Täters nach der letzten Ausführungshandlung (BGH, Urteil vom 12. November 1987 – 4 StR 541/87, BGHSt 35, 90, 93 f.).
Hierzu enthält das Urteil keinerlei Feststellungen. Diese zu treffen hätte aber schon wegen der Ausgestaltung des dem Notar übermittelten Entwurfs eines Übernahmevertrages Anlass bestanden. Denn hierin war nicht nur von der für das zu schenkende Grundstück anfallenden Steuer die Rede, sondern es wurde – was das Landgericht ebenfalls nicht ausdrücklich gewürdigt hat – zutreffend auch auf diejenige für die Geldschenkung hingewiesen. Beide zusammen hätten nach den §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7, 10, 16 Abs. 1 Nr. 5, 19 Abs. 1 ErbStG (in der zum Tatzeitraum geltenden Fassung) 128.992 € betragen, wenn man die in der Beweiswürdigung mitgeteilte Annahme des Angeklagten zugrunde legt, „das Haus“ sei 300.000 € wert. Schließlich verwies der Vertragsentwurf auf die Möglichkeit, dass die insgesamt fällig werdende Steuer weniger als 150.000 € ausmachen könnte. Der Umstand, dass diese in Aussicht genommene Regelung keine Täuschung (mehr) enthielt und der Notar verpflichtet gewesen wäre, sie J vor der Beurkundung vorzulesen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BUrkG), durfte in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben und hätte zur Prüfung der Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 StGB führen müssen.

09.03.2011/2 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2011-03-09 10:12:292011-03-09 10:12:29BGH: Wann liegt ein unmittelbares Ansetzen zum versuchten Betrug vor?

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