• Suche
  • Lerntipps
    • Examensvorbereitung
    • Fallbearbeitung und Methodik
    • Für die ersten Semester
    • Mündliche Prüfung
  • Examensreport
    • 2. Staatsexamen
    • Baden-Württemberg
    • Bayern
    • Berlin
    • Brandenburg
    • Bremen
    • Hamburg
    • Hessen
    • Lösungsskizzen
    • Mecklenburg-Vorpommern
    • Niedersachsen
    • Nordrhein-Westfalen
    • Rheinland-Pfalz
    • Saarland
    • Sachsen
    • Sachsen-Anhalt
    • Schleswig-Holstein
    • Thüringen
    • Zusammenfassung Examensreport
  • Interviewreihe
    • Alle Interviews
  • Rechtsgebiete
    • Strafrecht
      • Klassiker des BGHSt und RGSt
      • StPO
      • Strafrecht AT
      • Strafrecht BT
    • Zivilrecht
      • AGB-Recht
      • Arbeitsrecht
      • Arztrecht
      • Bereicherungsrecht
      • BGB AT
      • BGH-Klassiker
      • Deliktsrecht
      • Erbrecht
      • Familienrecht
      • Gesellschaftsrecht
      • Handelsrecht
      • Insolvenzrecht
      • IPR
      • Kaufrecht
      • Kreditsicherung
      • Mietrecht
      • Reiserecht
      • Sachenrecht
      • Schuldrecht
      • Verbraucherschutzrecht
      • Werkvertragsrecht
      • ZPO
    • Öffentliches Recht
      • BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker
      • Baurecht
      • Europarecht
      • Europarecht Klassiker
      • Kommunalrecht
      • Polizei- und Ordnungsrecht
      • Staatshaftung
      • Verfassungsrecht
      • Versammlungsrecht
      • Verwaltungsrecht
      • Völkerrrecht
  • Rechtsprechungsübersicht
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Karteikarten
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Suche
  • Menü Menü
Du bist hier: Startseite1 > Tatentschluss

Schlagwortarchiv für: Tatentschluss

Alexandra Ritter

Versuch (§§ 22, 23 I StGB)

Karteikarten, Strafrecht, Uncategorized

I. Vorprüfung

1. Fehlende Deliktsvollendung
2. Versuchsstrafbarkeit (§ 23 I StGB i.V.m. § 12 I, II StGB)

II. Tatbestandsmäßigkeit

1. Tatentschluss
a) Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale
b) Sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale

2. Unmittelbares Ansetzen zur Tat
Subjektive Überschreitung der Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ und objektive Vornahme einer Handlung, die keine zusätzlichen wesentlichen Zwischenschritte mehr zur Vollziehung der Tatbestandshandlung erfordert

VI. Rechtswidrigkeit

V. Schuld

VI. Rücktritt
Insb. Rücktritt gem. § 24 StGB

17.10.2022/0 Kommentare/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2022-10-17 14:15:582023-05-24 13:19:32Versuch (§§ 22, 23 I StGB)
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Neues zum Versuch der Erfolgsqualifikation

Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT

Mit Urteil vom 12.08.2021 (Az.: 3 StR 415/20) hat sich der BGH wieder einmal zur klausur- und examensrelevanten Konstellation des Versuchs bei erfolgsqualifizierten Delikten geäußert. Dabei hat der BGH klargestellt, dass ein Versuch eines erfolgsqualifizierten Delikts – konkret: der Brandstiftung mit Todesfolge gemäß § 306c StGB – auch dann gegeben sein kann, wenn das Grunddelikt im Versuchsstadium stecken bleibt und auch die gewollte schwere Folge nicht eintritt. Die Entscheidung soll zum Anlass genommen werden, sich die verschiedenen Varianten des Versuchs beim erfolgsqualifizierten Delikt (erfolgsqualifizierter Versuch vs. Versuch der Erfolgsqualifikation) noch einmal zu vergegenwärtigen. Ihre sichere Kenntnis und Unterscheidung sind nicht nur für Examenskandidaten, sondern bereits für Studierende unterer Semester unerlässlich.
 
A) Sachverhalt (leicht abgewandelt und vereinfacht)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der Täter (T) warf nachts das Schlafzimmerfenster des schlafenden Opfers (O) ein, um durch die so entstandene Öffnung einen sogenannten Molotowcocktail – eine mit Benzin gefüllte Glasflasche, versehen mit einer angezündeten Lunte – hineinzuwerfen. Dabei hielt T es für möglich und nahm billigend in Kauf, hierdurch einen Brand auszulösen, der wesentliche Gebäudeteile erfasst und den schlafenden O oder andere Bewohner des Mehrfamilienhauses zu Tode bringt. Wider Erwarten erlosch die Flamme jedoch kurz nach dem Hineinwerfen, bevor sich das Benzin entzünden konnte.
 
B) Rechtsausführungen
Der BGH sah hierin – wie auch das LG Mönchengladbach als Vorinstanz – unter anderem einen versuchten Mord gemäß §§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 und 3, 22, 23 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit einer versuchten schweren Brandstiftung mit Todesfolge gemäß §§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 306c, 22, 23 Abs. 1 StGB.
Da sich bei der Prüfung des versuchten Mordes vorliegend keine Besonderheiten ergeben, soll sich die hiesige Darstellung auf die Besonderheiten der versuchten schweren Brandstiftung mit Todesfolge beschränken. Freilich müsste in einer entsprechenden Klausur auch eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Mordklassikern – Heimtücke bei Schlafenden und der Gemeingefährlichkeit des Inbrandsetzens – erfolgen.
 
I. Was ein erfolgsqualifiziertes Delikt kennzeichnet
Bei § 306c StGB handelt es sich um ein sogenanntes erfolgsqualifiziertes Delikt. Erfolgsqualifizierte Delikte sind in § 18 StGB erwähnt und beschreiben Fälle, in denen ein auch für sich allein betrachtet strafbares Vorsatzdelikt dadurch qualifiziert wird, dass durch die Tat zumindest fahrlässig ein im Gesetz näher beschriebener besonderer Erfolg (zurechenbar) verursacht wird (BeckOK StGB/Kudlich, 50. Ed. 1.5.2021, § 18 StGB Rn. 3). Im hiesigen Fall kommen als Grunddelikte die §§ 306-306b StGB in Betracht; die schwere Folge ist der durch die Brandstiftung verursachte Tod eines anderen Menschen.
Weitere klausurrelevante Beispiele für erfolgsqualifizierte Delikte finden sich in § 227 StGB (Körperverletzung mit Todesfolge) und § 251 StGB (Raub mit Todesfolge).
 
II. Strafbarkeit des Versuchs bei erfolgsqualifizierten Delikten
Dass bei erfolgsqualifizierten Delikten auch der Versuch strafbar sein kann, folgt aus §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 2 StGB. Alle Erfolgsqualifikationen im derzeitigen Strafrecht sind Verbrechen, weshalb ihr Versuch stets strafbar ist. Ferner kennzeichnet den Versuch der auf die Verwirklichung eines Tatbestandes gerichtete Tatentschluss, d.h. der Täter muss Vorsatz in Bezug auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale haben sowie etwaige subjektive Tatbestandsmerkmale aufweisen. § 11 Abs. 2 StGB bestimmt nun, dass eine Tat auch dann als vorsätzlich zu qualifizieren ist, wenn sie einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, der hinsichtlich der Handlung Vorsatz voraussetzt und hinsichtlich einer dadurch verursachten besonderen Folge Fahrlässigkeit ausreichen lässt. Dies beschreibt genau den Fall erfolgsqualifizierter Delikte. Daraus folgt, dass erfolgsqualifizierte Delikte als Vorsatzdelikte anzusehen sind und damit grundsätzlich im Versuch verwirklicht werden können.
 
III. Mögliche Versuchsvarianten
Denkbar sind grundsätzlich zwei Formen des Versuchs: der erfolgsqualifizierte Versuch und der Versuch der Erfolgsqualifikation.
1. Der erfolgsqualifizierte Versuch liegt vor, wenn die Verwirklichung des Grunddelikts im Versuchsstadium bleibt, die schwere Folge aber trotzdem eintritt. Dabei ist zum einen entscheidend, dass sich im Eintritt der schweren Folge die spezifische Gefahr des Grunddelikts realisiert. Zum anderen muss dem Täter in Bezug auf den Eintritt der schweren Folge wenigstens ein Fahrlässigkeits- (wie in § 227 Abs. 1 i.V.m. § 18 StGB) oder Leichtfertigkeitsvorwurf (etwa in § 251 StGB) zur Last zu legen sein.
Lesenswert ist hierzu der prominente Gubener Hetzjagd-Fall des BGH (Urt. v. 09.10.2002 – 5 StR 42/02, NStZ 2003, 149).
 
2. In Abgrenzung hierzu ist ein Versuch der Erfolgsqualifikation gegeben, wenn das Grunddelikt verwirklicht wird, die vom Täter billigend in Kauf genommene oder sogar beabsichtigte schwere Folge aber nicht eintritt. Diese Variante ist deshalb anzuerkennen, weil die schwere Folge zwar gemäß § 18 StGB „wenigstens“ fahrlässig verursacht werden muss, erst recht aber vorsätzlich herbeigeführt werden kann (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 20.10.1992 – GSSt 1/92, BGHSt 39, 100). Ein Beispiel macht es deutlich: Ein Versuch des § 251 StGB liegt vor, wenn der Täter mit Gewalt gegen eine Person dieser eine fremde bewegliche Sache mit Zueignungsabsicht wegnimmt und dabei billigend in Kauf nimmt, hierdurch den Tod der – letztlich überlebenden – Person zu verursachen.
Achtung: Der Versuch der Erfolgsqualifikation ist in der Klausur dann unerheblich und nicht ausführlich zu thematisieren, wenn die gewollte schwere Folge ihrerseits einen selbständig im Versuch verwirklichten Tatbestand darstellt. Denn dann wird der Versuch der Erfolgsqualifikation auf Konkurrenzebene verdrängt. Dies gilt etwa für § 227 StGB: Schießt der Täter auf das Opfer, um es zu töten, verletzt es aber nur, liegt eine verwirklichte gefährliche Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB vor. Daneben ist grundsätzlich ein versuchter § 227 StGB (in Form des Versuchs der Erfolgsqualifikation) gegeben sowie ein versuchter Totschlag nach §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB. Da das Unrecht der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge vollständig vom versuchten Totschlag erfasst wird, bleibt allein letzterer (in Tateinheit mit der gefährlichen Körperverletzung) bei der Gesamtstrafbarkeit stehen. In einem solchen Fall in der Klausur bei § 227 StGB „ein Fass aufzumachen“, stellt eine verfehlte Schwerpunktsetzung dar.
 
IV. Die der Entscheidung zugrunde liegende Konstellation: ein Unterfall des Versuchs der Erfolgsqualifikation
Diese allgemeinen Grundsätze zugrunde legend wird offenbar, dass der hiesige Fall zunächst auf keine der beiden Konstellationen so eindeutig passen mag: Weder das Grunddelikt ist voll verwirklicht noch die schwere Folge eingetreten. Dass jedoch auch der Fall, in dem das Grunddelikt lediglich versucht und die schwere Folge nur gewollt ist, eine Variante des Versuchs der Erfolgsqualifikation darstellt, hat der BGH unmissverständlich klargestellt:

„Diese kann als Versuch eines erfolgsqualifizierten Delikts auch dadurch verwirklicht werden, dass der Täter zum Grunddelikt unmittelbar ansetzt, wobei er die schwere Folge beabsichtigt oder billigend in Kauf nimmt, hinsichtlich beider Tatbestände aber nicht zur Vollendung gelangt. Weder die Inbrandsetzung oder die durch die Brandlegung bewirkte – zumindest teilweise – Zerstörung noch der Tod müssen eingetreten sein.“ (BGH, Urt. v. 12.08.2021 – 3 StR 415/20, BeckRS 2021, 33213 Rn. 7)

Der BGH argumentiert dabei wie folgt: 
1. Eine solche Annahme ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 22 StGB in Verbindung mit den jeweiligen erfolgsqualifizierten Delikten: „Wer die Ausführung des Grunddelikts versucht und dabei zudem Vorsatz in Bezug auf die Herbeiführung der schweren Folge hat, setzt nach seiner Vorstellung von der Tat sowohl unmittelbar zum Grunddelikt als auch zur Verursachung der schweren Folge an.“ (BGH, Urt. v. 12.08.2021 – 3 StR 415/20, BeckRS 2021, 33213 Rn. 11)
2. Systematische Erwägungen stützen dieses Verständnis: Wie dargelegt, sind erfolgsqualifizierte Delikte wegen § 11 Abs. 2 StGB insgesamt als Vorsatzdelikte einzuordnen. Dies hat zur Konsequenz, dass die allgemeinen Vorschriften zum Versuch Anwendung finden. Diese allgemeinen Vorschriften setzen jedoch nicht voraus, dass der Täter irgendein Tatbestandsmerkmal objektiv verwirklichen muss, sondern nur, dass er nach seiner Vorstellung von der Tat hierzu unmittelbar ansetzt. Auf dieser Grundlage wäre es nach Ansicht des BGH nicht gerechtfertigt, für den Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts stets die Vollendung des Grundtatbestands (dann Versuch der Erfolgsqualifikation) oder den Eintritt der schweren Folge (dann erfolgsqualifizierter Versuch) zu verlangen (BGH, Urt. v. 12.08.2021 – 3 StR 415/20, BeckRS 2021, 33213 Rn. 12).
3. Schließlich sprechen auch der Sinn und Zweck des relevanten Normgefüges für eine solche Annahme: Wie die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs zeigt, liegt der Grund für die Versuchsstrafbarkeit die in den Vorstellungen des Täters liegende Gefährlichkeit seines Tuns (sog. subjektive Versuchstheorie, vgl. etwa BGH, Urt. v. 29. 04.1958 – 5 StR 28/58, BGHSt 11, 324, 326 f.). Dieser subjektive Handlungsunwert tritt bei demjenigen, der mit seinem Verhalten die Verwirklichung des Grunddelikts und den Eintritt der hierin angelegten schweren Folge anstrebt, unabhängig davon zutage, ob er das Grunddelikt nur versucht oder vollendet. Ein wie auch immer gearteter objektiver Erfolgsunwert ist beim Versuch nicht gefordert. Ebenso wenig ist maßgeblich, ob und inwieweit Teilabschnitte des erfolgsqualifizierten Delikts verwirklicht sind. Hieraus schließt der BGH, dass auch derjenige wegen des Versuchs eines erfolgsqualifizierten Delikts zu bestrafen ist, der Grunddelikt und Qualifikation intendiert und an beiden Zielen scheitert (BGH, Urt. v. 12.08.2021 – 3 StR 415/20, BeckRS 2021, 33213 Rn. 13).
Damit hat sich T im hiesigen Fall nicht nur nach §§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 und 3, 22, 23 Abs. 1 StGB, sondern auch nach §§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 306c, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
 
C) Fazit
Zusammenfassend gilt: Der Versuch kann bei erfolgsqualifizierten Delikten als erfolgsqualifizierter Versuch oder als Versuch der Erfolgsqualifikation vorliegen. Letztere Variante besteht aber nicht nur in dem Fall, in dem das Grunddelikt voll verwirklicht und die – nicht eingetretene – schwere Folge jedenfalls billigend in Kauf genommen wird. Vielmehr ist ein Versuch der Erfolgsqualifikation wie im vorliegenden Sachverhalt auch dann anzunehmen, wenn das Grunddelikt nur versucht ist, der Vorsatz des Täters aber auch auf die Herbeiführung der schweren Folge gerichtet war. Dass dies konsequent ist, folgt aus dem Wortlaut des § 22 StGB, der Systematik des Gesetzes und dem Sinn und Zweck der Versuchsvorschriften, die in den Vorstellungen des Täters liegende Gefährlichkeit seines Tuns zu sanktionieren.
 

23.11.2021/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2021-11-23 08:22:092021-11-23 08:22:09BGH: Neues zum Versuch der Erfolgsqualifikation
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft

Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT

Im Rahmen des unmittelbaren Ansetzens i.S.v. § 22 StGB findet die Abgrenzung zwischen – grundsätzlich straflosen – Vorbereitungshandlungen und dem Eintritt ins Versuchsstadium statt, die insbesondere im Fall der mittelbaren Täterschaft, in dem der Täter den Geschehensablauf zwar aktiv anstößt, aber die unmittelbare Ausführung einem nicht volldeliktisch handelnden Werkzeug überlässt, auf besondere Schwierigkeiten stößt. Mit Urteil vom 23.10.2019 (Az.: 2 StR 139/19) hat sich der BGH unter anderem nun wieder einmal mit dem Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft auseinandergesetzt und auf die Feinheiten seiner Rechtsprechung hingewiesen. Eine sichere Beherrschung der Versuchsvoraussetzungen ist nicht nur für Strafrecht AT-Klausuren unentbehrlich, wobei neben dem Vorliegen des Tatentschlusses oder einer Rücktrittsproblematik auch immer wieder das unmittelbare Ansetzen als beliebter Schwerpunkt einer Versuchsprüfung Einzug findet. Zur Erhöhung des Schwierigkeitsgrades eignet sich die Kombination mit der mittelbaren Täterschaft hervorragend. Die Entscheidung soll daher zum Anlass genommen werden, um sich mit der Problematik und den zum Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft vertretenen verschiedenen Auffassungen eingehender auseinanderzusetzen und die Thematik gutachterlich aufzuschlüsseln.
 
A) Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der T erwarb den gestohlenen Pkw des Halters H. Das Fahrzeug wurde auf den T zugelassen. Dabei hatte er schon von Beginn an den Eindruck, dass mit dem Kilometerstand des Fahrzeugs und – nach den landgerichtlichen Feststellungen und Wertungen – „auch darüber hinaus“ etwas „nicht stimmte“. Dennoch entschloss sich der T dazu, das Fahrzeug zeitnah zu veräußern. Nach einem erfolglosen Verkaufsangebot im Internet nahm er Kontakt zu dem gutgläubigen W auf, der einen Autohandel betrieb. T beauftragte W damit, das Fahrzeug „im Kundenauftrag“ für etwa 75.000 Euro zu verkaufen und versprach ihm dafür eine Provision von 2000 Euro. Der T legte dem Zeugen S eine Kopie des Fahrzeugbriefs, einen Untersuchungsbericht der Firma Bentley und einen TÜV-Bericht über das Fahrzeug vor. Dabei war ihm bewusst, dass es sich bei dem Fahrzeug um eine „Doublette“ handelte, deren Fahrzeugidentifikationsnummer auch bei einem Fahrzeug vorhanden war, das in den USA existierte. Der W bot das Fahrzeug über eine Internet-Plattform an und nannte – unbewusst wahrheitswidrig – eine Erstzulassung im Jahre 2008 sowie einen Kilometerstand von 17.000 km. Daraufhin meldete sich der Interessent I, der aber letztlich keinen Kaufvertrag abschloss.
Strafbarkeit des T nach §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB?  
 
B) Rechtsausführungen
Die Vorinstanz, das LG Wiesbaden, hat eine Strafbarkeit des T unter anderem wegen versuchten Eingehungsbetrugs in mittelbarer Täterschaft nach §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB durch Einschaltung des W angenommen. Der BGH kritisierte  die Feststellungen zu der auch als versuchter Betrug gewerteten Tat als lückenhaft; diese könnten den Schuldspruch nicht tragen. Denn den Urteilsgründen sei nicht zu entnehmen, dass der Betrug bereits das Versuchsstadium i.S.v. § 22 StGB erreicht hatte. Im Folgenden ist daher die Versuchsprüfung en détail nachzuzeichnen.
 
I. Vorprüfung
Unstreitig lag mangels Erfolgseintritts keine vollendete Tat vor. Die Strafbarkeit des Betrugs ergibt sich aus § 263 Abs. 2 StGB.
 
II. Tatentschluss
Dass der T Tatentschluss, mithin Vorsatz hinsichtlich der Merkmale des objektiven Tatbestandes des § 263 Abs. 1 StGB sowie Bereicherungsabsicht als subjektives Merkmal, aufwies, war ebenfalls nicht zu bezweifeln. Die Tat sollte auch im Wege mittelbarer Täterschaft i.S.v. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB durch Einschaltung des W ausgeführt werden. Von mittelbarer Täterschaft wird gesprochen, wenn der Täter „die Straftat (…) durch einen anderen begeht“. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn der Tatmittler ein Strafbarkeitsdefizit aufweist, aufgrund dessen er nicht volldeliktisch handelt, und das der Täter planvoll lenkend für seine Zwecke ausnutzt, sodass der tatbestandliche Erfolg letztlich als sein Werk anzusehen ist (BeckOK StGB/Kudlich, 45. Ed. 2020, § 25 Rn. 20). Vorliegend sollte der W, der unbewusst wahrheitswidrige Informationen über den Pkw auf der Internetplattform veröffentlichen sollte, nach der Vorstellung des T als vorsatzlos handelnder Tatmittler agieren. Dies wollte der T für seine Zwecke ausnutzen, sodass auch Vorsatz bezüglich der Tatbegehung im Wege mittelbarer Täterschaft bestand.
 
III. Unmittelbares Ansetzen
Hinsichtlich der Strafbarkeit des T wegen versuchten Betrugs in mittelbarer Täterschaft gemäß §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB ist also allein problematisch, ob er bereits ins Versuchsstadium eingetreten ist. Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist zwar jedenfalls dann der Fall, wenn der Täter bereits mit der tatbestandlichen Ausführungshandlung dergestalt begonnen hat, dass bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht wurde. Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des BGH auch eine „frühere, vorgelagerte Handlung […] die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Das ist der Fall, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte zur Tatbestandsverwirklichung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet“ (BGH, Urt. v. 16.9.1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 203). Dies bedeutet, dass der Täter nach der Formel der herrschenden gemischt subjektiv-objektiven Theorie „subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreiten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzen [muss], sodass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht“ (vgl. bereits BGH, Urt. v. 16.9.1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 202 f.).
 
Anmerkung: Die Bestimmung des Versuchsbeginns ist auch bezogen auf den Alleintäter mitunter noch umstritten. Eine ausführliche Darstellung verschiedener Ansätze findet sich in LK-StGB/Hillenkamp, § 22 Rn. 63 ff.
 
Fällt die Subsumtion unter diese abstrakte Formel schwer, so hat der BGH mitunter Konkretisierungen vorgenommen, indem er Kriterien, die zur Beurteilung des Versuchsbeginns herangezogen werden können, in verschiedenen Entscheidungen ausdrücklich benannt hat. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium sollen unter anderem „die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird“ (BGH, Beschl. v. 29.5.2018 – 1 StR 28/18, BeckRS 2018, 16394, Rn. 9), sein. Gelten diese Grundsätze für den Alleintäter, so kommen besondere Schwierigkeiten hinzu, wenn ein Fall mittelbarer Täterschaft vorliegt, in dem sich der Täter wie in der vorliegenden Konstellation zur Tatausführung eines nicht volldeliktisch handelnden Werkzeugs bedient. Wann der mittelbare Täter ins Versuchsstadium eintritt, ist wiederum umstritten.
 
1. Einwirkungstheorie
Eine Mindermeinung in der Literatur (s. etwa Bockelmann, JZ 1954, 468, 473; Meyer, ZStW 87 (1975), 598, 609; Puppe, GA 2013, 514, 530) nimmt den Versuchsbeginn für den mittelbaren Täter bereits mit der Einwirkung auf das Werkzeug an. Der Ausgangspunkt dieser Ansicht ist eine isolierte Betrachtung von Täter und Tatmittler, die in der Konsequenz ausschließlich auf das maßgebliche eigene Tun des Täters abstellt. Argumentiert wird damit, dass der Tatbeitrag des mittelbaren Täters ja gerade in seinem Einwirken auf den Tatmittler besteht und angesichts dessen die versuchte Tatbegehung schon dann angenommen werden muss, wenn er diese Einwirkung vornimmt oder vorzunehmen versucht.
Nach diesen Maßstäben müsste ein Eintritt ins Versuchsstadium schon in dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der T den W mit der Veräußerung des Fahrzeugs beauftragt und ihm hierzu eine Kopie des Fahrzeugbriefs, einen Untersuchungsbericht der Firma Bentley und einen TÜV-Bericht über das Fahrzeug vorgelegt hat, obwohl ihm bewusst war, dass es sich bei dem Fahrzeug um eine „Doublette“ handelte. Folgt man der Einwirkungstheorie, ist mithin ein unmittelbares Ansetzen zu bejahen.
Gegen die Einwirkungstheorie ist indes einzuwenden, dass sie das Versuchsstadium bedenklich weit nach vorn verlagert, sodass die Gefahr besteht, den Grundsatz der grundsätzlichen Straflosigkeit von Vorbereitungshandlungen auszuhöhlen. Dies ist unvereinbar mit dem gesetzgeberischen Willen, der sich in dem Erfordernis der Unmittelbarkeit ausdrückt. Diesem liegt der Gedanke zugrunde, dass nur derjenige wegen Versuchs strafbar sein soll, der sich vorstellt, die Tatbestandsverwirklichung stehe als Folge seines Handelns unmittelbar bevor (hierzu MüKoStGB/Hoffmann-Holland, 3. Aufl. 2017, § 22 Rn. 135).
 
2. Gesamtlösung
Das andere Extrem, die Gesamtlösung, betrachtet dagegen mittelbaren Täter und Tatmittler als Einheit, die nur ganzheitlich unmittelbar ansetzen kann. Ein Versuchsbeginn ist nach dieser Ansicht auch für den mittelbaren Täter erst dann gegeben, wenn unmittelbar (durch das Werkzeug) zur eigentlichen Tatausführung angesetzt wird (hierzu Erb, NStZ 1995, 424, 426; Krack, ZStW 110 (1998), 611, 625 ff.; Kühl, JuS 1983, 180, 181 f.; Küper, JZ 1983, 361, 369). Es muss also im konkreten Fall die Frage beantwortet werden, ob der W seinerseits durch das Einstellen des Fahrzeugs auf der Verkaufsplattform  sowie die Interessenbekundung des I unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung insofern angesetzt hat, als keine wesentlichen Zwischenschritte mehr erforderlich gewesen wären. Dies ist wohl dann zu verneinen, wenn der I letztlich nur sein Interesse bekundet, der W ihm aber noch kein konkretes Angebot unterbreitet hat. Da die Feststellungen keine klare Einschätzung zulassen, ist ein unmittelbares Ansetzen durch den W und damit bei Zugrundelegung der Gesamtlösung auch ein unmittelbares Ansetzen des T zu verneinen.
Auch die Gesamtlösung stößt aber auf berechtigte Kritik: Eine einheitliche Betrachtung von mittelbarem Täter und Tatmittler erscheint insofern sachwidrig, als der mittelbare Täter oftmals bereits vorher alles seinerseits zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan hat. Damit wird der Versuchsbeginn von Zufälligkeiten abhängig gemacht und das Versuchsstadium zu weit nach hinten verschoben.
 
3. Entlassungstheorie (h.M.)
Sachgerecht erscheint vor diesem Hintergrund die sog. Entlassungstheorie: Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Lehre geht zu Recht davon aus, dass der mittelbare Täter dann unmittelbar ansetzt, wenn er nach seiner Vorstellung von der Tat die erforderliche Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat, sodass dieser dem Tatplan nach im unmittelbaren Anschluss die Tat ausführen soll und das geschützte Rechtsgut bereits in diesem Zeitpunkt konkret gefährdet ist (s. etwa BeckOK StGB/Cornelius, 45. Ed. 2020, § 22 Rn. 65; MüKoStGB/Hoffmann-Holland, 3. Aufl. 2017, § 22 Rn. 129 m.w.N.). „Denn wer die Tat durch einen anderen begehen will (§ 25 I StGB), setzt zur Verwirklichung des Tatbestandes der geplanten Straftat unmittelbar an (§ 22 StGB), wenn er den Tatmittler zur Tatausführung bestimmt hat und ihn aus seinem Einwirkungsbereich in der Vorstellung entläßt, daß er die tatbestandsmäßige Handlung nunmehr vornehmen werde.“ (BGH, Urt. v. 26.01.1982 – 4 StR 631/81, NJW 1982, 1164). Diese Maßstäbe legt der BGH auch in der hier zu besprechenden Entscheidung an, betont aber die Wichtigkeit der zeitlichen Nähe zwischen Entlassung des Tatmittlers und Tatbestandsverwirklichung sowie der hiermit einhergehenden konkreten Gefährdung des Tatobjekts für den Versuchsbeginn:

„Bezieht der Täter notwendige Beiträge eines Tatmittlers in seinen Plan ein, so liegt ein Ansetzen des Täters zur Begehung der Tat (hier: eines Eingehungsbetrugs) im Allgemeinen zwar schon dann vor, wenn er seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat. Jedoch fehlt es an einem unmittelbaren Ansetzen durch abgeschlossene Einwirkung auf den Tatmittler, wenn dies erst nach längerer Zeit zur Tatbegehung führen soll oder wenn ungewiss bleibt, ob und wann es die gewünschte Folge hat, also wann eine konkrete Gefährdung des angegriffenen Rechtsguts eintritt; in diesen Fällen der Verzögerung oder Ungewissheit der Tatausführung durch den Tatmittler beginnt der Versuch erst, wenn der Tatmittler seinerseits unmittelbar zur Erfüllung des Tatbestands ansetzt.“ (Rn. 22)

Der Eintritt ins Versuchsstadium erfordert also nach der h.M. als notwendige Bedingung, dass der mittelbare Täter nach seiner Vorstellung von der Tat die erforderliche Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat, ihn also aus seinem Machtbereich entlassen hat. Als hinreichende Bedingung – und dies wird bei der Darstellung der Entlassungstheorie in der Klausur oft vergessen – muss aber hinzukommen, dass der Tatmittler dem Tatplan nach im unmittelbaren Anschluss (also in zeitlicher Nähe) die Tat ausführen soll und das Tatobjekt zu diesem Zeitpunkt bereits konkret gefährdet ist. Ist dies bei Entlassung des Tatmittlers noch nicht der Fall, beginnt der Versuch auch für den mittelbaren Täter erst, wenn der Tatmittler seinerseits unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt.  An dieser Stelle führte der BGH aus, den Urteilsgründen der Vorinstanz könne nicht entnommen werden, ob nach diesen Maßstäben ein Eintritt ins Versuchsstadium erfolgt sei, sodass die Revision insoweit begründet sei:

„Die Voraussetzungen des Versuchsbeginns hat das LG nicht geprüft. Es hat zum Vorstellungsbild des Angekl. vom weiteren Geschehensablauf keine Feststellungen getroffen. Auch bleibt unklar, ob mit der Bekundung des Kaufinteressenten […] als eigentliches Tatgeschehen eine konkrete Rechtsgutsgefährdung vorlag. Das Urteil teilt nicht mit, ob nur eine Sondierung der Lage durch den Kaufinteressenten stattgefunden oder ob der [W] ihm bereits ein konkretes Kaufangebot unterbreitet hatte und wie danach aus der Sicht des Angekl. ein Vertragsschluss […] hätte zustande kommen sollen.“ (Rn. 21)

 
Anmerkung: Scheitert eine Versuchsstrafbarkeit am unmittelbaren Ansetzen, ist bei Verbrechen auch stets an § 30 Abs. 2 StGB zu denken – dieser wird oft übersehen.
 
C) Fazit
Mit seiner Entscheidung folgt der BGH konsequent seiner bisherigen Rechtsprechungslinie, hebt aber die Erforderlichkeit einer präzisen Prüfung der einzelnen Voraussetzungen besonders hervor: Der Eintritt ins Versuchsstadium bei der Einschaltung eines nicht volldeliktisch handelnden Werkzeugs erfolgt, wenn der Täter seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat. Dies gilt aber nur dann, wenn der Tatmittler der Vorstellung des Täters entsprechend auch im unmittelbaren Anschluss die Tat ausführen soll und das geschützte Rechtsgut bereits in diesem Zeitpunkt konkret gefährdet ist. Fehlt es hieran, beginnt auch für den mittelbaren Täter der Versuch erst in dem Zeitpunkt, in dem das Werkzeug seinerseits unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt. In einer Klausur bedarf es also einer genauen Betrachtung der konkreten Umstände; vorschnell den Versuchsbeginn nach abgeschlossener Einwirkung auf den Tatmittler anzunehmen, wäre verfehlt.

09.03.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-03-09 09:00:452020-03-09 09:00:45BGH: Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Konkretisierung des Versuchs der Hehlerei

Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Rechtsprechung, Startseite, Strafrecht BT

Anschlussdelikte wie die Hehlerei gemäß §§ 259-260a StGB genießen bei den Studierenden erfahrungsgemäß keine große Beliebtheit, sodass sie häufig entweder in der Klausurvorbereitung gänzlich ausgespart werden oder sich die Kenntnisse auf bestimmte Klassiker (Stichwort: Erforderlichkeit eines Absatzerfolgs) beschränken – allerdings ohne, dass eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Delikt stattfindet. Verbunden wird mit dem Verbot der Hehlerei zumeist nur die Formulierung, dass die Perpetuierung einer rechtswidrigen Besitzlage verhindert werden soll. Bei einer Klausur, die schwerpunktmäßig Vermögensdelikte behandelt, ist aber eine saubere Prüfung der einzelnen Tatbestandsmerkmale unerlässlich, um in obere Notenbereiche vorstoßen zu können. Zudem ist insbesondere, wenn der Tatbestand Gegenstand aktueller BGH-Rechtsprechung ist, von einer erhöhten Klausur- und Examensrelevanz auszugehen. So hat sich der BGH in einem neuen Urteil vom 7.11.2018 (Az.: 4 StR 395/18) mit dem Versuchsbeginn bei der Hehlerei beschäftigt. Das Urteil soll zum Anlass genommen werden, um sich mit dem Tatbestand eingehender auseinanderzusetzen.
 
A. Sachverhalt (vereinfacht und abgewandelt):
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der drogenabhängige H finanzierte seine Sucht durch den regelmäßigen Verkauf von Gegenständen, die aus gewaltsam geöffneten Kraftfahrzeugen entweder durch ihn oder andere Personen gestohlen wurden. Am Morgen des 23. Oktober 2017 bot ihm der D ein Werkzeug im Wert von 2500 Euro zum Weiterverkauf an, das er zuvor aus einem Auto entwendet hatte. H wollte das Angebot annehmen, um das Werkzeug anschließend gewinnbringend zu verkaufen. Er traute dem D allerdings hinsichtlich des Wertes nicht über den Weg. Also tätigte er, bevor er dem D zusagte, zehn Suchanfragen im Internet, um den Gerätewert zu ermitteln. Zudem suchte er bereits nach potentiellen Käufern, konnte aber noch mit keiner konkreten Person in Verhandlung treten, da noch an diesem Tag seine Festnahme erfolgte.
Strafbarkeit des H?
 
B. Lösung
In Betracht kommt eine Strafbarkeit wegen versuchter gewerbsmäßiger Hehlerei gemäß §§ 259 Abs. 1, Abs. 3, 260 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB, indem der H das Angebot des D zum Weiterverkauf des gestohlenen Werkzeugs angenommen und nach potentiellen Käufern gesucht hat.
 
I. Vorprüfung
Mangels Erfolgseintritt wurde die Tat nicht vollendet. Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus §§ 259 Abs. 3, 260 Abs. 2, 23 Abs. 1 StGB.
 
II. Tatentschluss
Der H müsste mit Tatentschluss gehandelt haben. Dies setzt Vorsatz hinsichtlich der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes sowie das Vorliegen etwaiger subjektiver Tatbestandsmerkmale voraus.
 
Anmerkung: Das Urteil dient nur als „Aufhänger“, um sich auch mit den Tatbestandsmerkmalen eingehend auseinanderzusetzen. Die nachfolgenden Darlegungen sind daher viel ausführlicher, als es in einer Klausur erforderlich wäre; im Gegenteil müssen in einer Klausur selbstverständlich Problemschwerpunkte gesetzt werden.
 
1.Vorsatz hinsichtlich der Begehung einer Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB
a) Taugliches Tatobjekt
Zunächst müsste es sich bei dem Werkzeug um ein taugliches Tatobjekt handeln. Hierunter fällt jede Sache, die ein anderer aus einer rechtswidrigen, gegen fremdes Vermögen gerichteten Vortat erlangt hat.
 
aa) Rechtswidrige, gegen fremdes Vermögen gerichtete Vortat eines anderen
Der Vorsatz des H muss sich darüber hinaus darauf beziehen, dass diese Sache durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat i.S.v. § 11 I Nr. 5 StGB erlangt wurde. In Betracht kommen hierbei alle Vermögensdelikte im weiteren Sinne – so beispielsweise ein Diebstahl gemäß § 242 StGB. Dabei muss die Vortat rechtswidrig, aber nicht notwendig schuldhaft begangen sein. Wichtig ist aber, dass es sich um die Vortat eines anderen handelt. Das heißt, dass derjenige, der täterschaftlich an der Vortat mitgewirkt hat, nicht zugleich Täter der Hehlerei sein kann. Vorliegend hat der D das Werkzeug aus einem fremden Auto gestohlen, also einen Diebstahl gemäß § 242 I StGB begangen, sodass eine rechtswidrige, gegen fremdes Vermögen gerichtete Vortat eines anderen gegeben ist.
 

Umstritten ist, ob der Teilnehmer der Vortat als Täter einer Hehlerei in Betracht kommt. Das wird von der wohl h.M. mit dem Argument bejaht, dass der Teilnehmer die rechtswidrige Besitzlage nicht selbst geschaffen, sondern lediglich gefördert habe. Nach anderer Ansicht gehe das Unrecht der Perpetuierung der rechtswidrigen Besitzlage bereits in der Teilnahme an der Vortat auf, sodass es sich beim Teilnehmer nicht um einen „anderen“ handeln könne. Ausführlich zum Streit s. MüKoStGB/Maier, 3. Aufl. 2017, § 259 Rn. 61 ff. 

 
bb) Eine durch die Vortat erlangte Sache
Weiterhin müsste das Werkzeug eine Sache darstellen, die durch die Vortat erlangt wurde. Eine Sache ist jeder körperliche Gegenstand, § 90 BGB. Irrelevant sind dabei die Eigentumsverhältnisse; auch eine herrenlose Sache kann taugliches Tatobjekt sein. Bei dem Werkzeug handelt es sich zweifelsohne um einen körperlichen Gegenstand, mithin eine Sache i.S.v. § 90 BGB. Die Sache muss unmittelbar durch die Vortat erlangt worden sein, d.h. dieselbe Sache, die der Vortäter erlangt hat, muss Tatobjekt der Hehlerei sein. Nicht tatbestandsmäßig sind Surrogate – das wird vielen unter dem Stichwort straflose Ersatzhehlerei bekannt sein. Im vorliegenden Fall stellt das Werkzeug gerade die Sache dar, die der D gestohlen hat, sodass es unmittelbar aus der Vortat erlangt wurde.
 
b) Tathandlung
Ferner müsste der H Tatentschluss gehabt haben, im einvernehmlichen Zusammenwirken mit dem Vortäter die Sache anzukaufen oder sonst sich oder einem Dritten zu verschaffen, sie abzusetzen oder Absatzhilfe zu leisten. Bei den ersten beiden Varianten agiert der Hehler als Käufer: Sich Verschaffen bezeichnet die bewusste und gewollte Übernahme der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die Sache durch den Täter zu eigenen Zwecken im Wege des abgeleiteten Erwerbs. Bei der Drittverschaffung kommt es darauf an, dass der Hehler durch Weisung die Verfügungsgewalt für einen Dritten herstellt. Das Ankaufen stellt einen Unterfall des Sich Verschaffens dar. Es müssen hierfür alle Merkmale des Sich Verschaffens gegeben sein; insbesondere genügt ein bloßer Vertragsschluss nicht. Unter Absetzen versteht man die wirtschaftliche Verwertung der Sache im Interesse des Vortäters durch selbstständiges Handeln des Täters im Rahmen einer entgeltlichen rechtsgeschäftlichen Weitergabe an einen gut- oder bösgläubigen Dritten. Hierbei agiert der Hehler als „Verkaufskommissionär“. Dagegen zeichnet sich die Absatzhilfe durch die unselbständige Unterstützung des Vortäters bei der wirtschaftlichen Verwertung der Sache aus.
 

Umstritten war jahrelang, ob vollendetes Absetzen und Absatzhilfe einen Absatzerfolg, also die Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt auf den Dritten bedingt (so die h.M. im Schrifttum) oder ob jegliche Unterstützungshandlungen unabhängig vom Vorliegen eines Absatzerfolgs tatbestandsmäßig sind (so die frühere Ansicht des BGH). Dieser Streit hat sich nun erledigt, da der BGH mit Beschluss vom 22.10.2013 (Az.: 3 StR 69/13) seine frühere Linie aufgegeben hat und nunmehr ebenfalls einen Absatzerfolg verlangt.  

 
Vorliegend wollte der H das Werkzeug gewinnbringend verkaufen. Er hatte also Tatentschluss, die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Sache zu eigenen Zwecken zu erlangen, sie mithin anzukaufen.
 
c) Bereicherungsabsicht
Weiterhin hatte der H auch den finalen Willen, einen Vermögensvorteil anzustreben, also Bereicherungsabsicht.    
 
d) Zwischenergebnis
H handelte mit Tatentschluss in Bezug auf die Begehung einer Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB.
 
Anmerkung: Ein ausführliches Schema zum Tatbestand der Hehlerei findet ihr noch einmal hier. 
 
2.Vorsatz hinsichtlich der Begehung einer gewerbsmäßigen Hehlerei gemäß § 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB
Weiterhin könnte H mit dem Tatentschluss gehandelt haben, die Tat gewerbsmäßig zu begehen. Gewerbsmäßig handelt, wer in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen (s. hierzu BGH, Beschl. v. 27.2.2014 – 1 StR 15/14, NStZ 2014, 271). Laut Sachverhalt finanzierte der H seine Drogensucht durch den regelmäßigen Verkauf von Gegenständen, sodass davon auszugehen ist, dass sein Vorsatz auch auf die Begehung einer gewerbsmäßigen Hehlerei gerichtet war.
 
III. Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB
Ferner müsste der H auch unmittelbar zur Tatbegehung angesetzt haben. Das setzt nach der gemischt subjektiv-objektiven Theorie voraus, dass der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten hat und objektiv nach seiner Vorstellung von der Tat zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung angesetzt hat, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht. Den Versuchsbeginn hat der BGH aber im vorliegenden Fall mit folgender Begründung verneint:
 

„Sowohl das Sichverschaffen im Sinne von § 259 Abs. 1 StGB als auch das Ankaufen – als Unterfall des Sicherverschaffens – setzen die Erlangung der tatsächlichen Verfügungsgewalt durch den Hehler voraus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Juni 2005 – 4 StR 64/05, NStZ-RR 2005, 236; vom 29. März 1977 – 1 StR 646/76, BGHSt 27, 160, 163; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 259 Rn. 10 f.; MüKo-StGB/Maier, 3. Aufl., § 259 Rn. 78 und 100). Dementsprechend setzt der Versuch sowohl des Sichverschaffens als auch des Ankaufens ein unmittelbares Ansetzen zur Übernahme eigener Verfügungsgewalt voraus; die bloße Vereinbarung mit dem Vortäter, die Sache abnehmen zu wollen, reicht für den Versuchsbeginn nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1990 – 2 StR 287/90, BGHR StGB § 259 Abs. 1 Sichverschaffen 4; BeckOK-StGB/Ruhmannseder, Stand: 1. August 2018, § 259 Rn. 51; MüKo-StGB/Maier, aaO, § 259 Rn. 165 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 7. November 2007 – 5 StR 371/07, NStZ 2008, 409 zu § 374 AO). Die Feststellungen belegen auch keine andere Tatbestandsvariante des § 259 Abs. 1 StGB. Insbesondere ergibt sich aus der bloßen Suche des Angeklagten nach potentiellen Käufern kein versuchtes Absetzen; es fehlt hierfür an einem unmittelbaren Ansetzen zur Übertragung der Verfügungsgewalt auf einen Erwerber – etwa durch konkrete Verkaufsverhandlungen (vgl. MüKoStGB/Maier, aaO, § 259 Rn. 170; Stree/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 259 Rn. 47).“

 
Ein Versuchsbeginn könne daher nicht schon angenommen werden, wenn der Täter nur nach potentiellen Käufern sucht, ohne mit einer konkreten Person in Kontakt zu treten. Denn dann seien noch Zwischenschritte erforderlich, um zur Übernahme der Verfügungsgewalt anzusetzen. Der H hat folglich nicht unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.
 
Anmerkung: Der BGH hat sich im letzten Jahr des Öfteren mit der Konkretisierung des Versuchsbeginns auseinandergesetzt. Ausführlich aufbereitet findet ihr relevante Entscheidungen hier und hier.
 
IV. Ergebnis
H hat sich nicht wegen versuchter gewerbsmäßiger Hehlerei gemäß §§ 259 Abs. 1, Abs. 3, 260 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
 
C. Fazit
Die Entscheidung des BGH ist überzeugend. Würde man ein unmittelbares Ansetzen zur Hehlerei bereits bejahen, wenn lediglich Suchanfragen getätigt werden, ohne dass sich bereits ein konkretes Verkaufsgespräch ergeben hat, würde die Strafbarkeit zu weit nach vorn verlagert werden. Zudem – und das ist schlichte Subsumtion – erfordert das unmittelbare Ansetzen zur konkreten Tatvariante das unmittelbare Ansetzen zur Übernahme der tatsächlichen Verfügungsgewalt – und dass dies noch nicht angenommen werden kann, wenn noch gar keine Zusage gegenüber dem Vortäter erfolgt ist, dürfte offensichtlich sein. Festzustellen bleibt aber: Um beurteilen zu können, ob unmittelbar angesetzt wurde, muss Kenntnis über die exakte Definition der Tathandlung bestehen; eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Tatbestand der Hehlerei ist daher in Fallkonstellationen wie der vorliegenden unerlässlich.
 

07.02.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-02-07 09:00:292019-02-07 09:00:29BGH: Konkretisierung des Versuchs der Hehlerei
Gastautor

Examensrelevantes Wissen zum Versuchsdelikt Teil I – Der Versuch

Fallbearbeitung und Methodik, Lerntipps, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Verschiedenes

Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Sebastian Rechenbach veröffentlichen zu können. Er hat an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena studiert und ist ab Mai Rechtsreferendar im Bezirk des OLG Jena.

Examensrelevantes Wissen zum Versuchsdelikt Teil I – Der Versuch

I. Einleitung
Sowohl im schriftlichen als auch im mündlichen Examen stellt die Thematik des Versuchsdeliktes einen sog. „Running Gag“ dar. Deshalb müssen bei den Prüflingen die Basics sitzen! Um dieses Ziel zu erreichen, behandelt die zweiteilige Beitragsreihe in gebotener Kürze die wichtigen Basics für die Fallbearbeitung, wobei sich der erste Teil dem Versuch widmet und im zweiten Teil die Rücktrittsproblematik im Mittelpunkt stehen wird. Die weitere Gliederung des Beitrages kann zugleich als Aufbauschema für das Gutachten angesehen werden.
 
II. Vorprüfung?
1. Beim Versuchsdelikt wird zunächst eine gedankliche Vorprüfung vorgenommen, ob die Tat nicht vollendet wurde und ob der Versuch überhaupt strafbar ist. Allerdings braucht diese, entgegen der immer noch h.M., nach meinem Dafürhalten im Gutachten nicht erwähnt zu werden und  ist daher als eigener Prüfungspunkt grds. entbehrlich – aus zwei Gründen:
a) Ist streitig, ob der Täter das Delikt vollendet hat (z.B. wegen mangelnder objektiver Zurechnung), muss mit der Prüfung des möglichen vollendeten Deliktes begonnen werden, da dort dann regelmäßig ein Problem steckt, das zu thematisieren ist.
b) Dass der Versuch strafbar ist, zeigt man dem Korrektor, indem die §§ 22, 23 I, 12 (I oder II) StGB im Obersatz zitiert werden; z.B. T könnte sich zum Nachteil von O des versuchten Totschlages nach §§ 212, 22, 23 I, 12 I StGB schuldig gemacht haben, als er mit dem Butterfly-Messer dem O fünf Mal in die Brust stach.
Die Korrektoren werden sich freuen, wenn sie nicht erst seitenlange Vorprüfungen lesen müssen!
 
2. Allerdings gibt es von diesem Vorgehen eine Ausnahme: Den erfolgsqualifizierten Versuch,  dem die Konstellation – Grunddelikt versucht, qualifizierende Folge eingetreten – zugrunde liegt:

  • Beispiel (Gubener Hetzjagdfall, BGHSt. 48, 34 ff.): Skinhead H versucht den algerischen Asylbewerber A zu verprügeln. A gerät in Panik, flüchtet vor H und kann ihn auch abhängen. A fühlt sich dennoch nicht sicher vor H und geht zu einem Haus, um sich verstecken zu können. Da sich dessen Tür nicht öffnen lässt, tritt er deren untere Glasscheibe ein und zieht sich tödliche Schnittverletzungen zu.

a) Nach einem Teil der Lit. ist ein erfolgsqualifizierter Versuch nicht möglich, da die schwere Folge an der Vollendung des Grunddeliktes anknüpft und dies nicht erfüllt ist, wenn das Grunddelikt lediglich versucht wurde (vgl. Kühl, StrafR AT, 6. Aufl., § 17a, Rn. 44).
b) Nach Teilen der Rspr. und der Lit. ist ein erfolgsqualifizierter Versuch stets möglich, da sich durch die schwere Folge die in der Handlung angelegte Gefahr verwirklicht (vgl. BGHSt. 48, 34 [37 f.]; Heinrich, StrafR AT, 3. Aufl., Rn. 696).
c) Nach der h.L. und Teilen der Rspr. ist nach der Struktur des Tatbestandes zu differenzieren: Baut die jeweilige Erfolgsqualifikation auf den Erfolg des Grunddeliktes auf, soll ein erfolgsqualifizierter Versuch nicht möglich sein (z.B. § 226 I StGB; str. für § 227 StGB). Anders ist dies, wenn die Handlungsgefahr des Grunddeliktes in den Vordergrund gestellt wird, wie z.B. bei den §§ 178, 251 StGB (vgl. eingehend BGHSt. 42, 158 [159 ff.]; Wessels/Beulke, StrafR AT, 42. Aufl., Rn. 617).
 
III.  Tatbestand
Der Tatbestand besteht beim Versuchsdelikt, ebenso wie der eines vorsätzlichen vollendeten Deliktes, aus einem objektiven und einem subjektiven Tatbestand. Jedoch wird der objektive Tatbestand beim Versuch „unmittelbares Ansetzen“ und der subjektive Tatbestand „Tatentschluss“ genannt. Außerdem wird im Gegensatz zur Prüfung beim vorsätzlichen vollendeten Delikt der subjektive Tatbestand vor dem objektiven Tatbestand geprüft.
 
1. Tatentschluss (subjektiver Tatbestand)
Im Tatentschluss ist zu prüfen, ob der Täter mit einem auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale eines Deliktes gerichteten Vorsatz und ggf. mit notwendigen subjektiven Tatbestandsmerkmalen handelte. Alles entscheidend ist also nur die Vorstellung des Täters!
a) Vorsatz
Der Täter muss in der Vorstellung der tatsächlichen Umstände, die, lägen sie vor, den objektiven Tatbestand eines Deliktes erfüllten, und mit unbedingten Handlungs- und Vollendungswillen handeln. An dieser Stelle werden mithin alle objektiven Tatbestandsmerkmale eines Deliktes am Maßstab der Tätervorstellung geprüft: Gab z.B. der Täter T den Schuss mit der Pistole auf das Opfer O ab, um es als andere Person töten zu wollen? Ob T mit der Pistole O überhaupt hätte treffen können, ist für die Strafbarkeit irrelevant.
Im Rahmen des Vorsatzes sollten folgende Sonderkonstellationen bekannt sein:
aa) Untauglicher Versuch,

  • der stets strafbar ist und vorliegt, wenn der Täter entgegen seiner Vorstellung unter den gegebenen Umständen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen den Tatbestand eines Deliktes nicht verwirklichen kann.
  • Beispiel: Mit Tötungsvorsatz schießt T auf den bereits toten O.

bb) Grob unverständiger Versuch,

  • der als besonderer Fall des untauglichen Versuches ebenfalls strafbar ist und vorliegt, wenn der Täter völlig abwegige Vorstellungen von gemeinhin bekannten Ursachenzusammenhängen hat, die für jeden durchschnittlichen Menschen offensichtlich sind. Es kann nach § 23 III StGB von Strafe abgesehen werden, was aber in einer Klausur des ersten Examens keine Rolle spielt, sondern erst für das zweite Examen interessant wird.
  • Beispiel: T will O durch Zugabe einer Dosis Ascorbinsäure in dessen Tee töten; weiß dabei aber nicht, dass es sich um ungefährliches Vitamin C handelt.

cc) Abergläubischer Versuch,

  • der nicht strafbar ist und vorliegt, wenn der Täter nach seiner Vorstellung glaubt den Tatbestand eines Deliktes mit magischen Kräften herbeiführen zu können.
  • Beispiel: Harry H will seine Freundin F totzaubern.

dd) Wahndelikt,

  • das ebenso nicht strafbar ist und vorliegt, wenn der Täter den Sachverhalt genau kennt, aber denkt, dass sein Handeln strafbar ist.
  • Beispiel: Harry H glaubt, dass Zaubern in Deutschland strafbar ist.

ee) Irrtümer,
denen der Täter erliegen kann, spielen bei der Abgrenzung des untauglichen Versuches vom Wahndelikt eine Rolle:

  • Es gilt der Grundsatz, dass ein Tatsachenirrtum zum untauglichen Versuch und ein Rechtsirrtum zum Wahndelikt führen.
  • Problematisch ist nun aber die Abgrenzung bei einem Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale (z.B. fremd, zuständige Stelle), wobei die h.M. davon ausgeht, dass ein untauglicher Versuch dann vorliegt, wenn die Fehlvorstellung durch einen Sachverhaltsirrtum bedingt ist oder aber wenn das Vorstellungsbild des Täters mit Blick auf die rechtsgutsbezogene Komponente rechtliche Relevanz aufweist (vgl. Jäger, Examens-Rep. StrafR AT, 5. Aufl., Rn. 290 ff.).

ff) Tatentschluss auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage

  • ist ausreichend, da dabei nicht das Ob, sondern nur das Wie zweifelhaft ist (vgl. BGH NStZ 1991, 233 f.).

b) Sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale
Die zu prüfenden sonstigen subjektiven Tatbestandsmerkmale sind solche, die aus dem Strafrecht BT bekannt sein sollten, z.B. Zueignungsabsicht bei § 242 StGB, Habgier bei § 211 StGB.
 
2. Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB (objektiver Tatbestand)
Um den objektiven Tatbestand eines Versuchsdeliktes zu verwirklichen, muss ein Täter zur Tatbestandsverwirklichung nach § 22 StGB unmittelbar angesetzt haben. Wann dies gegeben ist, ist in den meisten Fällen unproblematisch, sodass oftmals ein Satz genügt, z.B: „Durch den Schuss auf O hat T unmittelbar i.S.d. § 22 StGB angesetzt.“
a) Wann liegt unmittelbares Ansetzen i.S.d. § 22 StGB vor?
Entscheidend ist die Frage, wann ein Täter i.S.d. § 22 StGB unmittelbar ansetzt, nur (!) in wirklich problematischen Konstellationen.

  • Beispiel (BGH NStZ-RR 2004, 361 f.): T ist auf dem Weg zur Wohnung von O, um diesen zu töten. Seinen Besuch kündigt er telefonisch bei O an. An der Wohnung angekommen, schlägt T mehrmals an die Wohnungstür und fordert O auf herauszukommen, da T ihn jetzt umbringen will. O öffnet nicht und begibt sich auf den Balkon. Da niemand öffnet, geht T wieder.

Die Theorienvielfalt dazu ist kaum überschaubar, lässt sich aber auf die vier folgenden Ansätze eingrenzen:
aa) Zwischenaktstheorie, nach der ein Täter unmittelbar ansetzt, wenn nach der Vorstellung des Täters zwischen seinem Verhalten und der Tatbestandsverwirklichung kein wesentlicher Zwischenakt mehr liegt.
bb) „Jetzt-geht’s-los-Formel“, nach der ein Täter die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschritten haben muss, um unmittelbar i.S.d. § 22 StGB anzusetzen.
cc) Sphärentheorie, nach der ein Täter unmittelbar ansetzt, wenn er in die Schutzsphäre des Opfers eingedrungen ist und nach seiner Vorstellung zwischen Handlung und erwartetem Erfolgseintritt ein enger zeitlich-räumlicher Zusammenhang besteht.
dd) Die Rspr. und h.L. vertreten hingegen einen Kombinationsansatz: Der Täter muss demnach subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschritten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung angesetzt haben. Er muss also Handlungen vorgenommen haben, die nach dem Tatplan im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen (vgl. BGHSt. 40, 299 [301]; Wessels/Beulke, StrafR AT, 42. Aufl., Rn. 601). – arg.: Die voranstehenden Theorien werden, einzeln betrachtet, nicht allen Fallgestaltungen gerecht.
b) Problematische Fälle zum unmittelbaren Ansetzen
aa) Versuchsbeginn beim unechten Unterlassungsdelikt,

  • entweder beim Verstreichenlassen der ersten oder der letzten Rettungsmöglichkeit; oder nach (zutreffender) h.M. wenn der Garant die Herrschaft über das Geschehen aus der Hand gibt.

bb) Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft,

  • wenn der Täter auf den Tatmittler einwirkt oder erst, wenn der Tatmittler auf das Opfer einwirkt oder aber nach (zutreffender) h.M. wenn der Täter das Geschehen aus der Hand gegeben hat.

cc) Versuchsbeginn bei Mittäterschaft,
zu dem sich zwei Lösungsansätze entwickelt haben:

  • Einzellösung, nach der der Versuch für jeden Täter erst beginnt, wenn er selbst unmittelbar i.S.d. § 22 StGB ansetzt (vgl. Puppe, StrafR AT, 2. Aufl., § 39 Rn. 13). – arg.: Tatherrschaft, die der Mittäterschaft immanent ist, kann erst dann möglich sein, wenn der Mittäter selbst tätig wird.
  • Gesamtlösung (Rspr.; h.M.), nach der alle Mittäter in das Versuchsstadium treten, sobald einer von ihnen unmittelbar i.S.d. § 22 StGB ansetzt (vgl. BGHSt. 40, 299 [301 f.]; Seher, JuS 2009, 304 [309]). – arg.: Die Täter wollen eine gemeinsame Tat begehen, weshalb nach § 25 II StGB eine umfassende Zurechnung der Tatbeiträge stattfinden soll – unabhängig davon, wann der einzelne Täter seinen Tatbeitrag erbringt.

 
IV. Rechtswidrigkeit und Schuld
Für die Rechtswidrigkeit und Schuld ergibt sich für das Versuchsdelikt nichts Besonderes.
 
V. Persönliche Strafausschließungsgründe und Persönliche Strafaufhebungsgründe
An dieser Stelle sollte auf mögliche persönliche Strafausschließungsgründe (z.B. Angehörigenprivileg nach § 258 VI StGB) und persönliche Strafaufhebungsgründe (z.B. Rücktritt nach § 24 StGB, vgl. dazu aber Teil II) geachtet werden.
 
VI. Strafzumessung (Regelbeispiele)
Wurde zuvor der Versuch bejaht und v.a. ein möglicher Rücktritt abgelehnt, gelangt man ggf. noch zur Prüfung von möglichen Regelbeispielen. Dabei ist in Konstellationen, in denen der Täter das Grunddelikt und das Regelbeispiel lediglich versucht hat, umstritten, ob es einen Versuch in einem besonders schweren Fall geben kann:

  • Beispiel (versuchter Einbruchsdiebstahl, BGHSt. 33, 370 ff.): Dieb D will in die Gaststätte des Wirtes W einbrechen, um dort wertvolle Gegenstände zu stehlen. Dazu will D ein Fenster aufbrechen und durch dieses in das Haus steigen. Als er gerade das Fenster aufbricht, trifft die durch den Nachbarn N verständigte Polizei ein und unterbindet die Fortführung der Tat.

1. Nach der Rspr. und Teilen der Lit. sind Regelbeispiele wie Tatbestandsmerkmale zu behandeln, sodass ein Versuch in einem besonders schweren Fall möglich ist (vgl. BGHSt. 33, 370 [374 f.]; Gropp, StrafR AT, 3. Aufl., § 9, Rn. 49i). – arg.: Regelbeispiele typisieren einen erhöhten Unrechts- und Schuldgehalt und dieser fällt für die Begründung der Regelwirkung dann gegenüber dem Grunddelikt ins Gewicht, wenn dieses nicht vollendet wurde.
2. Nach der h.L. kann die straferhöhende Wirkung von Regelbeispielen erst eintreten, wenn sie durch den Täter verwirklicht werden (vgl. Zöller, StrafR BT I, 38 f.). Der Ansicht hat sich auch der BGH im Bereich des Sexualstrafrechts angeschlossen. In einer Entscheidung zum § 176 III Nr. 2 StGB a.F. geht der 5. Strafsenat des BGH davon aus, dass es im System des Strafgesetzbuches keinen Versuch eines besonders schweren Falles geben könne, da die gesetzlichen Regelbeispiele keine Tatbestände im engeren Sinn seien, sondern lediglich Strafzumessungsregeln enthalten (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 293; ebenso BGH NStZ 2003, 602 zum § 177 II StGB). – arg.: Der Wortlaut des § 22 StGB bezieht sich lediglich auf Tatbestände und nicht auf Strafzumessungsvorschriften, weswegen die erste Ansicht gegen Art. 103 II GG verstößt. Zudem geht die Indizwirkung eines Regelbeispieles nicht schon bei dessen Versuch von diesem aus.

05.03.2013/4 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2013-03-05 14:52:482013-03-05 14:52:48Examensrelevantes Wissen zum Versuchsdelikt Teil I – Der Versuch

Über Juraexamen.info

Deine Zeitschrift für Jurastudium, Staatsexamen und Referendariat. Als gemeinnütziges Projekt aus Bonn sind wir auf eure Untersützung angewiesen, sei es als Mitglied oder durch eure Gastbeiträge. Über Zusendungen und eure Nachrichten freuen wir uns daher sehr!

Werbung

Anzeige

Neueste Beiträge

  • Neues zur falsa demonstratio beim Grundstückskauf
  • Die verschiedenen gerichtlichen Verfahren vor dem EuG und dem EuGH – Teil 2
  • Die verschiedenen gerichtlichen Verfahren vor dem EuG und dem EuGH – Teil 1

Weitere Artikel

Auch diese Artikel könnten für dich interessant sein.

Gastautor

Neues zur falsa demonstratio beim Grundstückskauf

BGB AT, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Tagesgeschehen, Zivilrecht

Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Marie-Lou Merhi veröffentlichen zu können. Die Autorin studiert Rechtswissenschaften im siebten Semester an der Universität Bonn Examenskandidaten aufgepasst: Der BGH hat abermals zur […]

Weiterlesen
06.09.2023/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2023-09-06 10:00:002023-09-06 15:16:09Neues zur falsa demonstratio beim Grundstückskauf
Alexandra Ritter

Die verschiedenen gerichtlichen Verfahren vor dem EuG und dem EuGH – Teil 2

Europarecht, Europarecht Klassiker, Examensvorbereitung, Lerntipps, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Startseite, Uncategorized, Verschiedenes

Dies ist Teil 2 zu den verschiedenen gerichtlichen Verfahren vor dem EuG und dem EuGH, in dem das Vorabentscheidungsverfahren und die Schadensersatzklage dargestellt werden. In Teil 1 erfolgten bereits Darstellungen […]

Weiterlesen
30.08.2023/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2023-08-30 08:17:102023-09-04 13:02:58Die verschiedenen gerichtlichen Verfahren vor dem EuG und dem EuGH – Teil 2
Alexandra Ritter

Die verschiedenen gerichtlichen Verfahren vor dem EuG und dem EuGH – Teil 1

Europarecht, Europarecht Klassiker, Examensvorbereitung, Lerntipps, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Startseite, Uncategorized, Verschiedenes

Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit den Klagen vor den europäischen Gerichten in der Form, wie sie im ersten Examen oder in Vorlesungen zum Europarecht geprüft werden können. Das Europarecht […]

Weiterlesen
30.08.2023/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2023-08-30 08:17:022023-09-04 13:03:07Die verschiedenen gerichtlichen Verfahren vor dem EuG und dem EuGH – Teil 1

Support

Unterstütze uns und spende mit PayPal

Jetzt spenden
  • Über JE
  • Das Team
  • Spendenprojekt
  • Gastautor werden
  • Mitglied werden
  • Alumni
  • Häufige Fragen
  • Impressum
  • Kontakt
  • Datenschutz

© 2022 juraexamen.info

Nach oben scrollen