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Schlagwortarchiv für: Streikverbot

Dr. Sebastian Rombey

BVerfG: Streikverbot für Beamte ist verfassungsgemäß

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite

Eine aktuelle Entscheidung zu den Grundsätzen des Berufsbeamtentums, prozessual eingekleidet in eine Verfassungsbeschwerde und dazu noch politisch brisant – eine Relevanz für das Examen scheint in einer solchen Konstellation vorprogrammiert.
Denn: Der zweite Senat des BVerfG hat am heutigen Tag (BVerfG, Urt. v. 12.06.2018 – 2 BvR 1738/12 u.a.) über die Verfassungsbeschwerden mehrerer verbeamteter Lehrer entschieden. Diese hatten sich – trotz Beamtenstatus und bestehenden Streikverbots für verbeamtete Lehrer – an einem Streik der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft beteiligt. Die zuständigen Schulbehörden ergriffen Disziplinarmaßnahmen (ein Beamter dürfe nicht ohne Genehmigung des Dienstherren vom Dienst fernbleiben), die die Lehrer vor den Verwaltungsgerichten erfolgslos angriffen, so dass es zur Verfassungsbeschwerde nach Karlsruhe kam.
I. Die Ausgangslage
Eine explizite Regelung, die verbeamteten Lehrern das Streikrecht versagen würde, fehlt im Grundgesetz. Deshalb wird eine Verletzung von Art. 9 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG geltend gemacht. Kern des Verfahrens ist damit die Frage, ob die Koalitionsfreiheit auch ein Streikrecht für Beamte umfasst. Daneben wird eine Verletzung der Pflicht zur konventionskonformen Auslegung (Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit) gerügt. Art. 11 Abs. 1 EMRK gewährleiste nämlich dem Grundsatz nach jeder Person ein Streikrecht, und damit auch Beamten (streitig, vgl. dazu insbesondere die Entscheidung des EGMR, Urt. v. 12.11.2008 – 34503/97, NZA 2010, 1425, Demir u. Baykara / Türkei).
Allerdings besteht mit Art. 33 Abs. 5 GG eine Regelung über die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums. Unter dieser auch als „magna charta des Berufsbeamtentums“ bezeichneten Bestimmung versteht das BVerfG den „Kernbestand von Strukturprinzipien, die allgemein oder doch ganz überwiegend und während eines längeren, Tradition bildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind“ (so bereits BVerfG, Beschl. v. 02.12.1958 – 1 BvL 27/55, BVerfGE 8, 332 = NJW 1959, 189). Anhand dieser Definition hat die Rechtsprechung über Jahrzehnte hinweg Strukturprinzipien entwickelt, die das Berufsbeamtentum in seiner heutigen Form kennzeichnen. Es handelt sich also um Einrichtungsgarantien, die funktionell mit der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers verknüpft sind (näher BeckOK-GG/Hense, 36. Ed. 2018, Art. 33 GG Rn. 34). Zu nennen sind hier:

  • Die Ausformung des Beamtenverhältnisses als öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis,
  • die Ausformung des Beamtenverhältnisses als Treueverhältnis, das neben der Treuepflicht des Beamten als Gegenstück die Fürsorgepflicht des Dienstherren enthält,
  • das Lebenszeit-, Laufbahn-, Leistungs- (Bestenauslese), Alimentations- und Neutralitätsprinzip,
  • das Koalitionsrecht,
  • und zuletzt das in Rede stehende Streikverbot.

II. Argumentationshilfen für die Klausur
Hintergrund dieses letztgenannten Strukturprinzips ist der Gedanke, dass der Staat stets handlungsfähig bleiben muss, was nur der Fall ist, wenn er sich auch in Krisenzeiten auf seine Beamten verlassen kann. Eine Ausnahme vom Streikverbot für bestimmte Gruppen von Beamten, hier Lehrer, könnte zu einem Ungleichgewicht der Grundsätze des Berufsbeamtentums führen. Um es plastisch zu machen: Die Beamten sollen sich nicht die positiven Seiten des Berufsbeamtentums „herauspicken“ können, ohne gleichzeitig auch die negativen Seiten in Kauf nehmen zu müssen. Denn dieses Ungleichgewicht könnte dazu führen, dass etwa das Alimentationsprinzip mit all seinen Vorzügen ebenfalls in Frage zu stellen wäre. Zudem könnte anderenfalls ein System von Beamten erster und zweiter Klasse entstehen, bestehend aus Beamten erster Klasse, die vom Streikrecht ausgenommen sind, und aus Beamten zweiter Klasse, für die das Streikrecht gerade fortbesteht. So warnte bereits der damalige Bundesinnenminister Thomas De Maizière. Einige Literaten gehen sogar davon aus, bei dem Streikverbot handele es sich um einen „konstitutiven Bestandteil der rechtsstaatlichen Demokratie“ (Di Fabio, Das beamtenrechtliche Streikverbot, 2012, Untertitel des Werkes).
Gegen eine ausnahmslose Geltung des Streikverbots streitet indes, dass die Handlungsfähigkeit des Staates möglicherweise auch dann gewährleistet werden könnte, wenn bestimmte Gruppen von Beamten vom Streikverbot ausgenommen würden. Insoweit wird von Seiten der verbeamteten Lehrer vorgeschlagen, nicht nach dem Beamtenstatus an sich zu differenzieren, sondern nach der Funktion, die der jeweilige Beamte ausübt (so auch Henriette Schwarz vom DGB). In Krisenzeiten müssten allein originär hoheitliche Tätigkeiten, wie sie etwa von Polizei oder Militär aus Sicherheitsgründen wahrgenommen werden, zwingend gewährleistet sein; der Unterricht in Schulen gehöre indes funktionell nicht dazu. Trifft diese Argumentation zu, unterfallen verbeamtete Lehrer nicht Art. 33 Abs. 4 GG und damit auch nicht dem Streikverbot des Art. 33 Abs. 5 GG. Soweit allerdings die erstgenannte Auffassung, die verbeamtete Lehrer als vom Streikverbot erfasst ansieht, zutrifft, könnte das Streikverbot, jedenfalls was verbeamtete Lehrer angeht, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.
III. Die Entscheidung des BVerfG, Urt. v. 12.06.2018 – 2 BvR 1738/12 u.a.
In seinem heutigen Urteil hat das BVerfG sich den Argumenten der erstgenannten Ansicht weitestgehend angeschlossen. Das Streikverbot verstoße nicht gegen die Koalitionsfreiheit. Dem Urteil liegen die folgenden Erwägungen zu Grunde:

  • Der Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG ist eröffnet. Dazu die Pressemitteilung des BVerfG Nr. 46/2018: „Zwar sind Beamte von der tariflichen Lohngestaltung ausgeschlossen. Entscheidend ist im konkreten Fall aber, dass die Disziplinarverfügungen die Teilnahme an gewerkschaftlich getragenen, auf – wenngleich nicht eigene – Tarifverhandlungen bezogene Aktionen sanktionieren. Ein solches umfassendes Verständnis von Art. 9 Abs. 3 GG greift im Sinne einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung auch die Wertungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 11 EMRK auf, wonach auch der Unterstützungsstreik jedenfalls ein ergänzendes Element der Koalitionsfreiheit darstellt.“
  • Auch stellt das Streikverbot einen Eingriff dar, da die Koalitionsfreiheit verkürzt wird. Die Disziplinarmaßnahmen und deren fachgerichtliche Bestätigung hindern fraglos die verbeamteten Lehrer an der Teilnahme am Arbeitskampf.
  • Allerdings ist der Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
  • Dazu das BVerfG: „Ein Streikrecht, auch nur für Teile der Beamtenschaft, griffe in den grundgesetzlich gewährleisteten Kernbestand von Strukturprinzipien ein und gestaltete das Verständnis vom und die Regelungen des Beamtenverhältnisses grundlegend um. Es hebelte die funktionswesentlichen Prinzipien der Alimentation, der Treuepflicht, der lebenszeitigen Anstellung sowie der Regelung der maßgeblichen Rechte und Pflichten einschließlich der Besoldung durch den Gesetzgeber aus, erforderte jedenfalls aber deren grundlegende Modifikation. Für eine Regelung etwa der Besoldung durch Gesetz bliebe im Falle der Zuerkennung eines Streikrechts kein Raum. Könnte die Besoldung von Beamten oder Teile hiervon erstritten werden, ließe sich die derzeit bestehende Möglichkeit des einzelnen Beamten, die verfassungsmäßige Alimentation gerichtlich durchzusetzen, nicht mehr rechtfertigen. Das Alimentationsprinzip dient aber zusammen mit dem Lebenszeitprinzip einer unabhängigen Amtsführung und sichert die Pflicht des Beamten zur vollen Hingabe für das Amt ab.“
  • Kurzum: Das Streikverbot ist untrennbar mit den anderen hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums verbunden; Ausnahmen davon zuzulassen, hieße, das gesamte System aus dem Gleichgewicht zu bringen.
  • Zudem könne auf diese Weise auch praktische Konkordanz zwischen den tangierten der Koalitionsfreiheit und den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums hergestellt werden. Dazu das BVerfG: „Unabhängig hiervon verzichtete die Anerkennung eines Streikrechts für „Randbereichsbeamte“ auf die Gewährleistung einer stabilen Verwaltung und der staatlichen Aufgabenerfüllung jenseits hoheitlicher Tätigkeiten. Davon abgesehen schüfe ein solchermaßen eingeschränktes Streikrecht eine Sonderkategorie der „Beamten mit Streikrecht“ oder „Tarifbeamten“, die das klar konzipierte zweigeteilte öffentliche Dienstrecht in Deutschland durchbräche.“
  • Darüber hinaus sei das Grundgesetz auch nicht konventionswidrig ausgelegt (und damit nicht gegen den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit verstoßen) worden. Denn: „Unabhängig davon, ob das Streikverbot für deutsche Beamte einen Eingriff in Art. 11 Abs. 1 EMRK darstellt, ist es wegen der Besonderheiten des deutschen Systems des Berufsbeamtentums jedenfalls nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 EMRK beziehungsweise Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK gerechtfertigt.“ Mithin kann die Frage, ob ein Eingriff vorliegt, offengelassen werden, eine Rechtfertigung aber mit ähnlicher Argumentation wie oben über Art. 11 Abs. 2 S. 1 und 2 EMRK begründet werden.

IV. Fazit
Die Entscheidung entfaltet eine erhebliche Breitenwirkung (so der Präsident des BVerfG, Andreas Voßkuhle) und betrifft rund 600.000 verbeamtete Lehrer in ganz Deutschland. Zu Recht geht das BVerfG davon aus, dass das Streikverbot ausnahmslos fortgelten müsse. Man überlege sich etwa, es käme zu Streiks der verbeamteten Lehrer während der zentralen Abiturprüfungen oder in unteren Jahrgangsstufen zu spontanen Schulausfällen. Insoweit ist das Urteil des BVerfG durchaus nachvollziehbar.
 

12.06.2018/0 Kommentare/von Dr. Sebastian Rombey
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Sebastian Rombey https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Sebastian Rombey2018-06-12 10:58:192018-06-12 10:58:19BVerfG: Streikverbot für Beamte ist verfassungsgemäß
Redaktion

Notiz: BVerwG: Streikverbot für Beamten weiterhin gültig

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verwaltungsrecht

Das BVerwG hat nun mit Entscheidung vom 27.02.2014 (2 C 1/13) die vom OVG Münster (3d A 317/11.O) in der Vorinstanz getroffene Entscheidung bestätigt, wonach Beamten ein Streikrecht nicht zusteht. Siehe dazu auch die Mitteilung auf juris.
Wir hatten bereits hier von der Entscheidung des OVG Münster berichtet und die zu Grunde liegenden Erwägungen detailliert skizziert. In der damals veröffentlichten Pressemitteilung hieß es konkret:

Die in Art. 11 EMRK und in Art. 9 Abs. 3 GG geregelte Koalitionsfreiheit werde durch die in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums eingeschränkt, so dass Beamten in der Bundesrepublik Deutschland mit Blick auf deren Treuepflicht gegenüber ihrem Dienstherrn und vor dem Hintergrund der Erhaltung der Funktionsfähigkeit staatlichen Handelns ein Streikrecht nicht zustehe. Dieses Streikverbot gelte unabhängig davon, welche konkrete Funktion der einzelne Beamte ausübe, denn allein der Status als Beamtersei entscheidend.

Dieser Auffassung hat sich das BVerwG offensichtlich angeschlossen, ebenso wie das OVG Lüneburg zwischenzeitlich mit Entscheidung vom 12.06.2012 (20 BD 7/11 und 20 BD 8/11 – Pressemitteilung).
Das Thema bleibt damit ein ganz heißer Kandidat für zukünftige Klausuren im 1. und 2. Staatsexamen. Die wesentlichen Grundsätze müssen dem Prüfling dabei bekannt sein, da die Klausur andernfalls aufgrund der speziellen Thematik nur sehr schwer zu lösen ist.

16.03.2014/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2014-03-16 09:00:172014-03-16 09:00:17Notiz: BVerwG: Streikverbot für Beamten weiterhin gültig
Nicolas Hohn-Hein

OVG NRW: Uneingeschränktes Streikverbot für Beamte in Deutschland

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

Thematisch passend zu den derzeit laufenden Warnstreiks der Angestellten im öffentlichen Dienst (Bus- und Bahn) in verschiedenen Großstädten hat sich das OVG NRW gestern mit der Frage auseinandergesetzt, ob Beamten in Deutschland ein Streikrecht zusteht (OVG NRW, 3d A 317/11.O – Beschluss vom 7.03.2012). Die Urteilsbegründung liegt derzeit noch nicht vor, folgt im Ergebnis aber der bisherigen höchstrichterlichen Rechtssprechung (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 11.06.1958 – 1 BvR 1/52, 46/52 -, BVerfGE 8, 1, 17; BVerwG, Urteil vom 03.12.1980 – 1 D 86/79 -, BVerwGE 73, 97 ff.). Kommentare sind wie immer ausdrücklich erwünscht.
Sachverhalt (verkürzt)
Die verbeamtete Lehrerin L ist mit ihrer derzeitigen Berufssituation unzufrieden. Sie beschließt daher, am 28.01.2009, 05.02.2009 und 10.02.2009 ohne Genehmigung des Dienstherrn (Land NRW) an Warnstreiks der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) teilzunehmen, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Unterricht kann sie an diesen Tagen nicht erteilen. In der Folge wird ihr vom Land NRW durch eine Disziplinarverfügung eine Geldbuße in Höhe von 1.500 EUR auferlegt.
L ist erbost. Sie beruft sich auf die EMRK und die Rechtssprechung des EGMR zum Beamtenrecht, wonach ihr ein Streikrecht zustehe. Die Geldbuße sei „völlig rechtswidrig“.
Art. 11 EMRK, Art. 9 Abs. 3 GG als Anknüpfungspunkt
Ausgangspunkt für die Prüfung sind die jeweiligen Normen des GG und der EMRK zur Koalitionsfreiheit, Art. 11 EMRK und Art. 9 Abs. 3 GG. Hiernach ist zunächst jeder berechtigt, sich zu Gewerkschaften zusammenzuschließen und die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses bestehenden Rechte gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen. L beruft sich auf die „EMRK und die Rechtsprechung des EGMR“. Hiernach gilt die Koalitionsfreiheit auch dann, wenn auf Seiten des Arbeitgebers der Staat steht. Der Staat muss Tätigkeiten der Gewerkschaften zulassen und ermöglichen. Das Streikrecht für Angehörige des öffentlichen Dienstes darf zwar beschränkt, nicht aber völlig ausgeschlossen werden (EGMR, 6.2.1976, EGMR-E 1, 172 – Schmidt u. Dahlström/Schweden; EGMR, 27. 6. 2002, Nr. 38190/97 – Federation of Offshore workers‘ trade unions/Norwegen für Ölarbeit). Da bei der Auslegung des Grundgesetztes die Wertungen der EMRK und des EGMR zu berücksichtigen sind, soweit dem nicht wichtige Prinzipien des deutschen Verfassungsrechts entgegenstehen, müssen diese Grundsätze auch für Art. 9 Abs. 3 GG gelten.
Beschränkung durch Art. 11 Abs. 2 S.2 EGMR?
Art. 11 Abs. 2 EGMR sieht in besonderen Ausnahmefällen eine Beschränkung der in Abs. 1 genannten Rechte vor. Es besteht allerdings Einigkeit darüber, dass dies nur unter äußerst engen Voraussetzungen möglich ist (Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, Art. 11, Rz. 35). Der Begriff der „Staatsverwaltung“ wird eng ausgelegt. Hier könnte wohl – in einer Klausur – vertreten werden, dass, auch mit Blick auf Satz 1, nur solche Angehörige des öffentlichen Dienstes gemeint sind, die für die Funktionweise des Staates und seiner demokratischen Ordnung unerlässlich sind, sodass ein Streik zu erheblichen Erschütterungen im Staatsgefüge führen würde (a.A. vertretbar). Ob dies auch auf Lehrer zutrifft, ist wahrscheinlich eher zweifelhaft. Das EGMR hat diese Frage jedenfalls bisher offen gelassen (EGMR, 22.11.2001, 39799/98 NJW 2002, 3087 – Volkmer/Deutschland)
Einschränkung über Art. 33 Abs. 5 GG – Grundsätze des Berufsbeamtentums
Das OVG ist offensichtlich einen anderen – direkteren – Weg gegangen und hat die Einschränkung der EMRK mit der Anwendbarkeit der Grundsätze zum Berufsbeamtentum gemäß Art. 33 Abs. 5 GG begründet. Die EMRK stehen nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht über dem Grundgesetz, sondern mit den Bundesgesetzen auf einer Stufe. Daher müsse sich Art. 11 EMRK an Art. 33 Abs. 5 GG messen lassen. Um aus der Pressemitteilung zu zitieren:

Die in Art. 11 EMRK und in Art. 9 Abs. 3 GG geregelte Koalitionsfreiheit werde durch die in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums eingeschränkt, so dass Beamten in der Bundesrepublik Deutschland mit Blick auf deren Treuepflicht gegenüber ihrem Dienstherrn und vor dem Hintergrund der Erhaltung der Funktionsfähigkeit staatlichen Handelns ein Streikrecht nicht zustehe. Dieses Streikverbot gelte unabhängig davon, welche konkrete Funktion der einzelne Beamte ausübe, denn allein der Status als Beamter sei entscheidend.

Damit hat das OVG NRW zum Ausdruck gebracht, dass es für die Anwendung von Art. 33 Abs. 5 GG hinsichtlich Art. 11 Abs. 1 EMRK nicht darauf ankommt, welche Funktion, d.h. welches Amt der Beamte im Einzelfall innehat oder wie bedeutend sein Fernbleiben von Dienst für die Funktionsweise des Verwaltungsapparates hat. Die Vorinstanz (VG Kassel) war der Auffassung, dass Art. 33 Abs. 5 GG selbst im Lichte der EMRK einschränkend dahingehend ausgelegt werden müsse, dass auch Beamten ein Streikrecht haben. Dem tritt das OVG NRW entgegen. Ein Hergebrachter Grundsatz i.S.v. Art. 33 V GG ist nicht jede überkommene beamtenrechtliche Detailregelung; vielmehr „kann es sich nur um jenen Kernbereich von Strukturprinzipien handeln, die allgemein oder doch ganz überwiegend und während eines längeren, Tradition bildenden Zeitraumes, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind“ (Battis, BBG, § 4, Rz. 4). Zu den hergebrachten Grundsätzen zählt nach Ansicht des OVG und in Fortführung der höchstrichterlichen Rechtsprechung damit auch das besondere Verhältnis des Beamten zum seinem Dienstherrn (Stichwort: Sonderrechtsverhältnis), dem Staat, und die besondere Verantwortung für die Allgemeinheit bzw. für die Funktionsfähigkeit des Staatsapparates. Ein Streik und streikähnliche Handlungsweisen („Dienst nach Vorschrift“ o. ä.) zur Verfolgung von Beschäftigungsbelangen oder -interessen ist den Beamten daher verwehrt; denn ein derartiger „Arbeitskampf“ würde sich letztlich gegen den Gesetzgeber oder die gesetzlich festgelegte Rechtsstellung des Beamten richten (Badura in: Maunz/Dürig, GG, Art. 33, Rz. 58. Auch hier lässt sich mit Sicherheit ohne weiteres das Gegenteil vertreten, zumal die L lediglich an drei Unterrichtstagen fehlte und „schwere Beeinträchtigungen“ für den ordnungsgemäßen Ablauf des Schulbetriebs allem Anschein nicht gegeben waren.
Fazit
Schöne Entscheidung, die gewiss bald Eingang in Klausuren und mündliche Prüfungen finden wird. Es lässt sich nicht nur abprüfen, in welchem Verhältnis die EMRK und der EGMR zu den Normen des GG stehen, sondern es ist auch eine gute Argumentation hinsichtlich Art. 33 Abs. 5 GG gefragt. Auf das Ergebnis, ob ein Streikrecht in Frage kommt, wird es dabei wohl weniger ankommen, das zeigt schon die Uneinigkeit der Rechtsprechung der letzten Jahre. Vielmehr sollte man sich mit den wesentlichen Grundsätzen im Beamtenrecht und Art. 33 GG wenigstens einmal beschäftigt haben. Zudem ist der Prüfling gezwungen, einen Blick in Art. 11 EMRK zu riskieren.
In rechtlicher Hinsicht wird abzuwarten sein, ob möglicherweise das BVerfG das letzte Wort haben wird. Ein uneingeschränktes Streikverbot für Beamte ist jedenfalls ein klarer Bruch mit der sich aus der Rechtssprechung des EGMR abzeichnenden Tendenz, nach der Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst „normalen“ Angestelltenverhältnisse zunehmend angeglichen werden.

08.03.2012/3 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2012-03-08 09:53:172012-03-08 09:53:17OVG NRW: Uneingeschränktes Streikverbot für Beamte in Deutschland

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