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Schlagwortarchiv für: Strafrecht BT

Alexandra Ritter

Abgrenzung von Betrug und Diebstahl

Karteikarten, Strafrecht, Uncategorized

I. Allgemein

Betrug, § 263 StGB Diebstahl, § 242 StGB
a) Selbstschädigungsdelikt
b) Bewusste Vermögensverfügung
  Exklusivitätsverhältnisa) Fremdschädigungsdelikt
b) Wegnahme, Gewahrsamsbruch

II. Abgrenzungsfälle

1. Freiwilligkeit der Weggabe

a) Abgrenzungskriterium zwischen Verfügung und Wegnahme:

Innerer Willensrichtung des Opfers

b) Beispiel: Vorgetäuschte Beschlagnahmung

Mangels Freiwilligkeit keine Verfügung, sondern Wegnahme

2. Unmittelbarkeit

Keine Weggabe, wenn noch gelockerter Gewahrsam besteht

3. Abgrenzung von Trickdiebstahl und Dreiecksbetrug: Zurechenbarkeit einer Wegnahme durch einen Dritten

a) BefugnistheorieDritter zur Übertragung des Gewahrsams ermächtigt
b) Faktische NähetheorieTatsächliche Zugriffsmöglichkeit des Dritten ausreichend
c) LagertheorieDritter steht im Näheverhältnis zu Opfer, Dritter glaubt zudem, im Interesse des Opfers zu handeln

4. Verfügungsbewusstsein:

a) Das Verfügungsbewusstsein muss sich nach h.M. auf einen bestimmten Gegenstand beziehen – kein generelles Verfügungsbewusstsein

b) Täuschung des Opfers über Objekt der Verfügung?

Bsp.: T legt wertvolles Parfüm in einen Karton für günstige Handtücher, die er bezahlt – nach h.M. trotzdem Wegnahme

17.10.2022/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2022-10-17 15:51:212022-12-23 08:50:23Abgrenzung von Betrug und Diebstahl
Alexandra Ritter

Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 I StGB)

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I. Grundtatbestand, §§ 223 ff.

II. Erfolgsqualifikation

1. Eintritt einer schweren Folge: Tod der verletzten Person

2. Kausalität zwischen Grundtatbestand und schwerer Folge

3. Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang

Spezifische, im Grunddelikt angelegte Gefahr muss sich im Erfolg realisieren

(P): Gefahr der Körperverletzungshandlung oder des Körperverletzungserfolges?

Insb. wichtig für die Frage, ob der Versuch des § 223 StGB erfolgsqualifiziert sein kann!

  • e.A.: Gefahr des Erfolges, d.h. eingetretene Verletzung muss lebensgefährlich sein. Arg.: Wortlaut „verletzte Person“ (Letalitätsthese)
  • h.M.: Handlungsgefahr genügt, Arg.: § 223 StGB erfasst auch Misshandlung; § 224 I Nr. 5 erfasst lebensgefährliche Behandlung; Verweise auch jeweils auf Versuchstatbestände 

4. Mindestens Fahrlässigkeit hinsichtlich schwerer Folge: § 18 StGB

III. Rechtswidrigkeit

IV. Schuld und subjektiver Fahrlässigkeitsvorwurf

17.10.2022/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2022-10-17 15:28:232022-12-23 08:50:28Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 I StGB)
Alexandra Ritter

Mord (§ 211 StGB)

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Tatbezogene Mordmerkmale (2. Gruppe)

Heimtückisch:

Bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers

Arglos ist, wer sich im Zeitpunkt der Ausführungshandlung keines tatsächlichen Angriffs auf sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit versieht.

(P): Fähigkeit zum Argwohn

 – Kleinkinder, Bewusstlose (-)

 – Schlafende (+), insofern „Arglosigkeit mit in den Schlaf genommen“ wurde

(P): Arglosigkeit schutzbereiter Dritter

Wehrlos ist, wer sich infolge der Arglosigkeit nicht oder nur eingeschränkt verteidigen kann.

(P): Weitere Einschränkungen erforderlich?

 – e.M.: Tückisch-verschlagenes Vorgehen

 – a.A.: Besonders verwerflicher Vertrauensbruch

 – Rspr.: Handeln in feindlicher Willensrichtung

Grausam:

Wer dem Opfer besondere Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art aus gefühlloser und unbarmherziger Gesinnung zufügt, die nach Stärke oder Dauer über das für die Tötung unvermeidliche Maß hinausgehen.

Gemeingefährliches Mittel:

Mittel deren Wirkung auf Leib oder Leben einer Mehrzahl anderer Menschen der Täter nach den konkreten Umständen nicht beherrschen kann.

Täterbezogene Mordmerkmale (1. und 3. Gruppe)

Mordlust:

 Der Antrieb zur Tat entspringt dem Wunsch, einen Menschen sterben zu sehen.

Befriedigung des Geschlechtstriebs:

Wer Befriedigung im Tötungsakt selbst sucht; Töten, um seine sexuelle Lust an der Leiche zu befriedigen oder wer die Tötung zur Durchführung des Sexualakts zumindest in Kauf nimmt.

Habgier:

Ungezügeltes und rücksichtsloses Gewinnstreben um jeden Preis.

Niedrige Beweggründe:

Solche Beweggründe, die auf sittlich tiefster Stufe stehen, durch hemmungslose Eigensucht bestimmt und menschlich nicht nachvollziehbar sind.

  • Auffangtatbestand
  • Maßgebend ist die Vorstellung der Wertegemeinschaft Deutschlands

Ermöglichungsabsicht:

Wenn die Tötungshandlung notwendiges Mittel zur Ermöglichung einer Straftat ist.

  • Ermöglichung einer gegenüber der Tötung anderen, nicht notwendig eigenen Tat
  • Bzgl. Tötung genügt dolus eventualis

Verdeckungsabsicht:

 Wenn es dem Täter auf die Nichtentdeckung einer Straftat ankommt.

  • Nach h.M. auch bei Vermeidung außerstrafrechtlicher Konsequenzen
  • Verdeckung durch Unterlassen nach h.M. möglich
17.10.2022/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2022-10-17 15:23:262022-12-23 08:50:34Mord (§ 211 StGB)
Alexandra Ritter

Raub (§ 249 StGB)

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I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a) Wegnahme einer fremden beweglichen Sache

(P): Abgrenzung zur Räuberischen Erpressung nach §§ 253, 255 StGB

Abgrenzungskriterium:

  • Rspr.: Äußeres Erscheinungsbild
  • h.L.: Innere Willensrichtung des Opfers

b) Qualifiziertes Nötigungsmittel: Gewalt gegen eine Person oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben

c) Zusammenhang zwischen Wegnahme und Nötigung

aa) Finalzusammenhang: Nötigung muss aus der Sicht des Täters kausal für die Wegnahme in ihrer konkreten Gestalt werden

bb) Weitere Anforderungen der Rspr.: zeitlicher und örtlicher Zusammenhang zwischen Nötigungsmittel und Wegnahme

2. Subjektiver Tatbestand

a) Vorsatz

b) Zueignungsabsicht

3. Objektive Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung und entsprechender Vorsatz

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

17.10.2022/0 Kommentare/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2022-10-17 15:15:392022-10-17 15:15:40Raub (§ 249 StGB)
Alexandra Ritter

Betrug (§ 263 StGB)

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I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a) Täuschung:

Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen mit dem Ziel der Irreführung über Tatsachen
Tatsachen: Zustände und Ereignisse der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweis zugänglich sind

b) Irrtum (str. ob Zweifel einem Irrtum entgegenstehen)

c) Vermögensverfügung

Jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt

d) Vermögensschaden

Minderung des Vermögens durch Vergleich vor und nach der Vermögensverfügung

2. Subjektiver Tatbestand

a) Vorsatz bzgl. aller obj. Tatbestandsmerkmale

b) Absicht stoffgleicher und rechtswidriger Bereicherung

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

IV. Strafzumessung

V. Ggf. Strafantragserfordernis nach § 263 IV, 247, 248a StGB

17.10.2022/0 Kommentare/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2022-10-17 14:33:372022-10-17 14:33:39Betrug (§ 263 StGB)
Alexandra Ritter

Nötigung (§ 240 StGB)

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I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a) Nötigungsmittel: Gewalt oder Drohung mit empfindlichem Übel (str. ob Gewaltbegriff auch vis absoluta erfasst)

b) Nötigungserfolg: Handeln, Dulden, Unterlassen

c) Nötigungsspezifischer Zusammenhang: Mittel bewirkt Erfolg

2. Subjektiver Tatbestand

Vorsatz (str. Absicht hinsichtlich Erfolgs)

II. Rechtswidrigkeit

1. Rechtfertigungsgründe

2. Verwerflichkeit der Tat, § 240 II StGB

a) Verwerflichkeit des Mittels

b) Verwerflichkeit des Zwecks

c) Verwerflichkeit der Mittel-Zweck-Relation

III. Schuld

IV. Ggf. Strafrahmenverschiebung, § 240 IV StGB (besonders schwerer Fall)

17.10.2022/0 Kommentare/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2022-10-17 14:17:302022-10-17 14:17:31Nötigung (§ 240 StGB)
Alexandra Ritter

Diebstahl (§ 242 StGB)

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I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a) Tatobjekt: fremde, bewegliche Sache

b) Tathandlung: Wegnahme

aa) fremder Gewahrsam

bb) Bruch dieses Gewahrsams

cc) Begründung neuen Gewahrsams

2. Subjektiver Tatbestand

a) Vorsatz (bzgl. objektiver Tatbestandsmerkmale)

b) Zueignungsabsicht

aa) Vorsatz bzgl. dauerhafter Enteignung (dolus eventualis genügt)

bb) Absicht bzgl. zumindest vorübergehender Aneignung

3. Objektive Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung + Vorsatz

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

IV. Strafzumessung: Besonders schwere Fälle, § 243 StGB

1. Verwirklichung eines Regelbeispiels

2. Vorsatz (§ 15 StGB analog; ganz h.M.)

3. Keine Geringwertigkeit der Sache, § 243 II

4. Kein ausnahmsweises Entfallen der Indizwirkung

V. Ggf. Strafantrag gem. § 248a oder § 247 StGB

17.10.2022/0 Kommentare/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2022-10-17 14:16:532022-10-17 14:16:54Diebstahl (§ 242 StGB)
Alexandra Ritter

Körperverletzung (§ 223 I StGB)

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I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a) Alt. 1: Körperliche Misshandlung: Jede substanzverletzende Behandlung des Körpers, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird

b) Alt. 2: Gesundheitsschädigung: Das Hervorrufen, Steigern oder Aufrechterhalten eines vom Normalzustand negativ abweichenden pathologischen Zustands physischer (oder psychischer, str.) Art

c) Kausalität

d) Objektive Zurechnung

2. Subjektiver Tatbestand

Vorsatz

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

IV. Ggf. Strafantrag gem. § 230 StGB

V. Qualifikationen

§§ 224, 226 I, II, 227, 340 StGB

17.10.2022/0 Kommentare/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2022-10-17 14:10:082022-10-17 14:10:09Körperverletzung (§ 223 I StGB)
Charlotte Schippers

OLG Karlsruhe: Medizinische Instrumente als gefährliche Werkzeuge im Sinne des § 224 StGB

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Körperverletzungsdelikte, gerade auch die Qualifikationen des § 224 StGB sind ein Dauerbrenner im Examen, sodass ihre Beherrschung und die Kenntnis aktueller Rechtsprechung essentielle Voraussetzung für eine gute Bearbeitung der Strafrechtsklausur im ersten Examen sind. Im vorliegenden Fall hat das OLG Karlsruhe (Beschl. v. 16.3.2022 – 1 Ws 47/22, BeckRS 2022, 6692) sich inhaltlich mit der Frage beschäftigt, ob medizinische Instrumente gefährliche Werkzeuge im Sinne des § 224 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 StGB sein können.

I. Sachverhalt (leicht abgewandelt und gekürzt)

Der Angeklagte Z ist als Zahnarzt tätig. In einer Zeitspanne von ca. vier Jahren hat er, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, in 33 Fällen seinen Patient:innen Zähne gezogen, obwohl es hinreichend aussichtsreiche Behandlungsalternativen gab. Dennoch hatte er die Extraktion der Zähne als zwingend notwendig empfohlen, weshalb die betroffenen Patient:innen ihm vertraut und der Behandlung zugestimmt haben. Die Eingriffe wurden im Übrigen sachgerecht und mit den notwendigen ärztlichen Instrumenten durchgeführt. Dennoch steht fest, dass die Patient:innen bei angemessener und richtiger Aufklärung über Behandlungsalternativen diesen den Vorzug gegeben hätten, um die Zähne zu erhalten. Z wollte damit erreichen, dass seine Patient:innen zur weiteren Behandlung von ihm mit Zahnersatz versorgt würden, was für ihn größere Erträge bedeutet.

II. Rechtliche Ausführungen

1. Das OLG Karlsruhe hatte nun über die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft zu entscheiden, die sie in Bezug auf die Ablehnung der Hauptverfahrenseröffnung durch das LG Karlsruhe eingelegt hatte. Wegen der etwaigen Verfolgungsverjährung einiger der dem Z vorgeworfenen Taten kam es hier entscheidend darauf an, ob es sich lediglich um einfache Körperverletzungen gem. § 223 Abs. 1 StGB oder gefährliche Körperverletzungen gem. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB handelte, für die eine Verjährungsfrist von zehn Jahren angesetzt ist, vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB.

Das OLG Karlsruhe entschied, dass die dem Z vorgeworfenen Taten als gefährliche Körperverletzung gem. §§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, 53 StGB zu qualifizieren sind. Dreh- und Angelpunkt ist die Frage, ob es sich bei den medizinischen Instrumenten des Z um gefährliche Werkzeuge handelt.

2. Zur Einordnung als gefährliches Werkzeug, so das OLG Karlsruhe, komme es darauf an, dass dieses nach der Konzeption des § 224 Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht mehr wie früher als ein Beispiel für eine Waffe, sondern die Waffe als Unterfall des gefährlichen Werkzeugs einzuordnen sei (Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 224 Rn. 9). Daher sei eine Abgrenzung dahingehend auch nicht mehr anhand der Frage vorzunehmen, ob es wie eine Waffe zu Angriffs- oder Verteidigungszwecken eingesetzt werde (so noch BGH, Urt. v. 23.12.1986 – 1 StR 598/86; Urt. v. 22.2.1978 – 2 StR 372/77). Das OLG Karlsruhe stellt die jetzt maßgeblichen Punkte heraus:

„Vielmehr ist auch bei ärztlichen Instrumenten wie der vorliegend vom Angeklagten verwendeten Instrumente zur Zahnextraktion danach zu fragen, ob der Gegenstand aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und der Verwendung im konkreten Fall dazu geeignet ist, dem Opfer erhebliche Verletzungen beizubringen.“

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.3.2022 – 1 Ws 47/22, BeckRS 2022, 6692 Rn. 7 m.w.N., Hervorhebung der Verfasserin

Folgend nimmt das Gericht die entsprechende Subsumtion vor: Zunächst erkennt es an, dass die Zahnentfernung zwar aufgrund der örtlichen Betäubung nicht mit Schmerzen verbunden ist. Dennoch seien die auf die Behandlung folgenden Verletzungen und damit einhergehenden Schmerzen und Beeinträchtigungen so gravierend, dass von der Qualifikation als gefährliches Werkzeug auszugehen sei:

„Die vom Angeklagten vorsätzlich ohne medizinische Indikation zur Zahnextraktion verwendeten Instrumente […] führten unmittelbar nach dem Eingriff aber […] nach Trennung der Verbindung zum versorgenden Nerv zu dem unwiederbringlichen Verlust eines Teils des Gebisses sowie zusätzlich zu einer – jedenfalls für die Dauer einiger Tage – offenen Wunde im Mundraum der Patienten. Derartige Eingriffe sind nach Abklingen der lokalen Narkose regelmäßig mit nicht unerheblichen Schmerzen, Beschwerden bei der Nahrungsaufnahme und der Gefahr von Entzündungen verbunden, welche nur durch Einnahme von Tabletten und oralhygienische Maßnahmen gemindert werden können, und zwar insbesondere dann, wenn wie vorliegend nacheinander mehrere Zähne entfernt werden […]. Von sowohl nach ihrer Intensität als auch ihrer Dauer gravierenden Verletzungen im Mundraum der Patienten ist daher auszugehen (vgl. auch BeckOK StGB/Eschelbach StGB, 52. Ed. 01.02.2022, § 224 Rn. 28, 28.4), weshalb in den genannten Fällen der Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 Ziff. 2 StGB erfüllt ist […].“

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.3.2022 – 1 Ws 47/22, BeckRS 2022, 6692 Rn. 8; Hervorhebung der Verfasserin

Das OLG stellt daneben heraus, dass es, wenn es um die Einordnung als gefährliche Werkzeuge gehe, auf die Tatsache nicht ankomme, dass Z zum Zeitpunkt der Eingriffe approbierter Zahnarzt und zur sachgerechten Anwendung der Instrumente und Durchführung der Operation in der Lage war sowie die Instrumente auch so angewendet hat.

Im Ergebnis gab das OLG Karlsruhe der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft statt und hob den ablehnenden Beschluss des LG Karlsruhe hinsichtlich der Eröffnung des Hauptverfahrens (teilweise) auf.

III. Summa

Insgesamt handelt es sich hier um einen Fall, der keine großen Überraschungen bietet. Es geht um eine saubere Subsumtion unter die – Jurastudent:innen  allgemeinhin bekannte – Definition des gefährlichen Werkzeugs. Dabei ist zu beachten, dass auch die Folgen der Behandlung mit den medizinischen Instrumenten mitentscheidend sein können. Eine prozessrechtliche Einkleidung wie hier ist für das erste Examen allerdings ungewöhnlich, was jedoch nicht daran hindert, die inhaltlichen Erwägungen des OLG Karlsruhe aufzunehmen.

10.08.2022/1 Kommentar/von Charlotte Schippers
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Charlotte Schippers https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Charlotte Schippers2022-08-10 06:51:242022-08-12 12:50:01OLG Karlsruhe: Medizinische Instrumente als gefährliche Werkzeuge im Sinne des § 224 StGB
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Neues zum Gewahrsamsbruch am Geldautomaten

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Mit aktuellem Beschluss vom 03.03.2021 hat sich der BGH (Az.: 4 StR 338/20) wieder einmal zu Feinheiten des Gewahrsamsbruchs beim Diebstahl geäußert: Konkret widmete sich der BGH der Frage, wie sich die Gewahrsamsverhältnisse am Bargeld im Ausgabefach eines Geldautomaten darstellen, wenn der Kunde den Auszahlungsvorgang durch Einführen seiner Karte und Eingabe der PIN bereits ausgelöst hat. Hierzu hat der BGH ausgeführt, dass mit der Bereitstellung des Geldes im Ausgabefach und der hierdurch eröffneten Zugriffsmöglichkeit jedenfalls ein (Mit-)Gewahrsam des Berechtigten begründet wird. Dessen antizipierter Erlangungswille genügt für die Annahme eines erforderlichen subjektiven Herrschaftswillens. Ein Blick in die Grundzüge der Entscheidung lohnt sich nicht nur für Examenskandidaten: Die der Entscheidung zugrunde liegende Konstellation lässt sich problemlos in Klausuren ab dem Grundstudium einfügen und eignet sich auch hervorragend für mündliche Prüfungen. Das Setting des Falls ­– der Kunde am Bankautomaten – lädt dabei dazu ein, die erforderliche saubere Prüfung der Diebstahlsmerkmale mit der regelmäßig folgenden Abgrenzung Raub / räuberische Erpressung und sogar mit EC-Karten-Problemen zu kombinieren.
 
A) Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der Täter (T) stellte sich in einer Bankfiliale in die Nähe seines Opfers (O). Er wartete darauf, dass der O in der Absicht, Bargeld abzuheben, seine EC-Karte in einen Geldautomaten eingeführt und seine PIN-Nummer ordnungsgemäß eingegeben hatte. Sodann bedrängte T den O, indem er ihn zur Seite schubste, und gab in das Bedienfeld einen Betrag von 500,00 Euro ein. Das sodann anforderungsgemäß ausgegebene Bargeld entnahm T dem Automaten und entfernte sich.
 
Strafbarkeit des T nach § 242 Abs. 1 StGB?
 
Anmerkung: In einem Fall mit einer offensichtlichen qualifizierten Nötigungshandlung wäre die Prüfung einer Strafbarkeit wegen Raubes gemäß § 249 StGB vorrangig. Aus didaktischen Gründen – und weil die vollendete qualifizierte Nötigung in der hier zu besprechenden Entscheidung durch die Vorinstanz nicht festgestellt wurde – erfolgen die nachstehenden Ausführungen zum Gewahrsamsbruch im Rahmen einer Diebstahlsprüfung. Diese sind freilich für die Prüfung einer Wegnahme im Rahmen von § 249 StGB bei einer entsprechenden Sachverhaltskonstellation dieselben.
 
B) Rechtserwägungen
In Betracht kommt eine Strafbarkeit des T wegen Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB.
 
I. Objektiver Tatbestand
1. Fremde bewegliche Sache
Es müsste sich hierfür bei den Geldscheinen zunächst um fremde bewegliche Sachen handeln. Fremd ist eine Sache, wenn sie jedenfalls nicht im Alleineigentum des Täters steht (MüKoStGB/Schmitz, 3. Aufl. 2017, StGB § 242 StGB Rn. 31). Vorliegend ist mithin zu klären, ob die Bank das Geld an den T gemäß § 929 S. 1 BGB durch Ausgabe der Scheine übereignet hat. Adressat des mit dem Ausgabevorgang verbundenen Einigungsangebots ist nach den vertraglichen Beziehungen zwischen Kontoinhaber und Geldinstitut und der Interessenlage der Parteien gleichwohl lediglich der Kontoinhaber, nicht aber ein unberechtigter Benutzer des Geldautomaten. Dies gilt nach der ganz herrschenden Meinung auch dann, wenn eine technisch ordnungsgemäße Bedienung des Automaten vorangegangen ist (BGH, Beschluss v. 21.03.2019 – 3 StR 333/18, NStZ 2019, 726 Rn. 8; BGH, Beschluss v. 16.11.2017 – 2 StR 154/17, NJW 2018, 245 Rn. 9 m.w.N.). Denn bei der Auslegung der konkludenten rechtsgeschäftlichen Erklärung der Bank sind die Interessen und Zwecke, die mit einer dinglichen Einigung verfolgt werden, zu berücksichtigen. Danach hat ein Geldinstitut keinen Anlass, das in seinem Automaten befindliche Geld an einen unberechtigten Benutzer der Bankkarte und der Geheimzahl des Kontoinhabers zu übereignen. Im Gegenteil richtet sich sein Übereignungsangebot erkennbar ausschließlich an den Kontoinhaber (BGH, Beschluss v. 21.03.2019 – 3 StR 333/18, NStZ 2019, 726 Rn. 9; BGH, Beschluss v. 16.11.2017 – 2 StR 154/17, NJW 2018, 245 Rn. 10). Da der O an einer Annahme durch den T gehindert worden ist, ist das Eigentum an den Geldscheinen mithin bei der Bank verblieben.
 
Anmerkung: Im aktuellen Beschluss stellt der BGH die Fremdheit unter Verweis auf die oben genannten Entscheidungen lediglich fest, ohne selbst eine mögliche Übereignung zu prüfen. In einer Klausur müsste selbstverständlich schon an dieser Stelle eine ausführliche Prüfung erfolgen.
 
2. Wegnahme 
Diese müsste der T aber auch weggenommen haben. Unter Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendiger Weise tätereigenen Gewahrsams zu verstehen. Gewahrsam bedeutet die von einem natürlichen Willen getragene tatsächliche Sachherrschaft, deren Umfang nach der Verkehrsauffassung bestimmt wird. Maßgeblich ist hierbei, dass objektiv keine Hindernisse bestehen, den Willen zur unmittelbaren Einwirkung auf die Sache zu verwirklichen. Hierzu muss nicht notwendigerweise eine räumliche Nähe zur Sache bestehen. Vielmehr genügt es, wenn die Sachherrschaft bei einer räumlichen Trennung im Bereich des sozial Üblichen für eine bestimmte Zeit ausgeübt werden kann. Subjektiv ist ein Herrschaftswille erforderlich, der sich aber auch auf eine Vielzahl von Sachen in einem bestimmten Bereich beziehen kann. Beispielsweise hat der abwesende Wohnungsinhaber einen generellen Gewahrsamswillen hinsichtlich aller Sachen in der Wohnung, auch wenn er nicht zugegen ist (Lackner/Kühl/Kühl, 29. Aufl. 2018, § 242 StGB Rn. 9, 11) und insoweit eine sogenannte Gewahrsamslockerung besteht.
 
a) Bruch des Gewahrsams des Geldinstituts?
Vorliegend könnte der T den Gewahrsam des Geldinstituts gebrochen haben, indem er die Scheine dem Ausgabefach entnahm. Es stellt sich jedoch diesbezüglich die Frage, ob die Herausnahme von Bargeld, das ein Geldautomat nach äußerlich ordnungsgemäßer Bedienung ausgibt, den Bruch des – gelockert fortbestehenden – Gewahrsams des den Automaten betreibenden Geldinstituts bzw. der für dieses handelnden natürlichen Personen (vgl. LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 242 Rn. 57 mwN) darstellt oder ob die Freigabe des Geldes als willentliche Aufgabe des Gewahrsams zu werten ist. Dies ist umstritten und wird auch in der höchstinstanzlichen Rechtsprechung uneinheitlich beurteilt (für eine willentliche Aufgabe des Gewahrsams – mit der Folge, dass dieser nicht mehr gebrochen werden kann – hat sich der zweite Strafsenat des BGH im Jahr 2017 ausgesprochen, s. BGH, Beschluss v. 16.11.2017 – 2 StR 154/17, NJW 2018, 245; dagegen hat der dritte Strafsenat im Jahr 2019 einen fortbestehenden Gewahrsam des Geldinstituts an im Ausgabefach liegenden Scheinen angenommen, s. hierzu BGH, Beschluss v. 21.03.2019 – 3 StR 333/18, NStZ 2019, 726).
 
b) Jedenfalls Bruch des (Mit-)Gewahrsams des Bankkunden
In dem aktuellen Beschluss vom 03.03.2021 hat sich der vierte Strafsenat des BGH es leicht gemacht und die Problematik offengelassen: Denn jedenfalls war nach der Ansicht des BGH im Zeitpunkt der Entnahme des Geldes durch den T bereits ein (Mit-)Gewahrsam des O an dem Geld begründet worden. Der BGH hat hierbei darauf hingewiesen, dass die Eigentumsverhältnisse in Bezug auf die Geldscheine nicht maßgeblich für die Bestimmung der Gewahrsamsverhältnisse sind:

„Hiernach kommt es für die Sachherrschaft zwar nicht auf eine Berechtigung an der Sache an, denn sonst könnte ein deliktischer Gewahrsam niemals erlangt werden (vgl. Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 242 Rn. 25); vielmehr ist der Gewahrsam ein faktisches Herrschaftsverhältnis über eine Sache. Dessen Bestehen oder Nichtbestehen beurteilt sich auch danach, ob Regeln der sozialen Anschauung bestehen, nach denen die Sache einer bestimmten, ihr nicht unbedingt körperlich am nächsten stehenden Person zugeordnet wird (vgl. Schmitz in MK-StGB, 3. Aufl., § 242 Rn. 70).“ (Rn. 8)

Ausgehend von diesen Maßstäben hat der BGH angenommen, dass mit der Bereitstellung im Ausgabefach und der hierdurch eröffneten Zugriffsmöglichkeit jedenfalls ein (Mit-)Gewahrsam des Berechtigten, der durch die Einführung der Karte und die ordnungsgemäße Eingabe der PIN den Auszahlungsvorgang eingeleitet hat, begründet worden ist. Denn:

„Der Verkehr ordnet das Geld ab diesem Zeitpunkt jedenfalls auch dieser Person als das „ihre“ zu, wie sich auch daran zeigt, dass es sozial üblich ist und teils auch durch entsprechende Hinweise oder Vorrichtungen der Banken eingefordert wird, dass Dritte während des Abhebevorgangs Abstand zu dem Automaten und dem an ihm tätigen Kunden halten.“ (Rn. 10)

Das Vorliegen eines entsprechenden Herrschaftswillens des Bankkunden hat der BGH ebenfalls bejaht. Der in subjektiver Hinsicht erforderliche Herrschaftswille wird ebenfalls durch die Verkehrsanschauung geprägt. Es genügt zur Annahme eines Herrschaftswillens ein genereller, auf sämtliche in der eigenen Herrschaftssphäre befindlichen Sachen bezogener Wille ebenso wie der nur potentielle Beherrschungswille des schlafenden Gewahrsamsinhabers und ein antizipierter Erlangungswille in Bezug auf Sachen, die erst noch in den eigenen Herrschaftsbereich gelangen werden. Einen ebensolchen antizipierten Erlangungswillen hat der BGH im vorliegenden Fall angenommen:

„Der Abhebevorgang wird gerade zu dem Zweck und mit dem Willen zur Sachherrschaft über das ausgegebene Bargeld in Gang gesetzt. Dabei bezieht sich der antizipierte Herrschaftswille jedenfalls dann, wenn es sich – wie hier – bei dem Kartennutzer um den Kontoinhaber handelt, auf sämtliches Bargeld, das infolge des von ihm ausgelösten Vorgangs durch den Automaten ausgegeben wird. Denn das Bargeld wird – wie ihm bewusst ist – gerade unter entsprechender Belastung seines Bankkontos freigegeben. Für die Frage des Herrschaftswillens ist es deshalb unerheblich, dass im vorliegenden Fall jeweils nicht die Geschädigten, sondern die Angeklagten den Auszahlungsbetrag eingaben. Auch kommt es nicht darauf an, ob das Ansichnehmen des im Ausgabefach liegenden Geldes durch die Angeklagten von den Geschädigten wahrgenommen wurde oder ob dies heimlich geschah. Denn auch ein vom Bankkunden unbemerktes Ansichnehmen des Geldes änderte nichts an dessen Willen, an dem infolge seiner Eingabe bereitgestellten Geld die Sachherrschaft auszuüben.“ (Rn. 11)

Indem der T das Geld dem Ausgabefach entnommen hat, hat er mithin jedenfalls den (Mit-)Gewahrsam des O gebrochen und durch das Ansichnehmen und Fortlaufen eigenen Gewahrsam begründet.
 
II. Subjektiver Tatbestand
1. Vorsatz
T handelte auch mit Wissen und Wollen, also vorsätzlich.
2. Zueignungsabsicht
Er handelte zudem in der Absicht, sich die Geldscheine rechtswidrig zuzueignen.
 
III. Rechtswidrigkeit, Schuld
Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
 
IV. T hat sich wegen Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
 
C) Fazit und Ausblick
Nach der aktuellen Entscheidung des BGH wird jedenfalls ein (Mit-)Gewahrsam des Bankkunden an den Geldscheinen begründet, die der Bankautomat nach ordnungsgemäßer Einführung der EC-Karte und Eingabe der PIN im Ausgabefach freigibt. Wenn nun ein anderer diese Geldscheine nimmt, bricht er also – unabhängig von der Frage, ob zu diesem Zeitpunkt noch das Bankinstitut (Mit-)Gewahrsamsinhaber ist, und unabhängig von den Eigentumsverhältnissen in Bezug auf die Geldscheine – jedenfalls den Gewahrsam des Bankkunden. Dies hat der BGH freilich nur für den berechtigten Karteninhaber entschieden. Hiervon ausgehend stellt sich als Ausblick beispielsweise die Frage, wie zu entscheiden wäre, wenn es sich um den nicht berechtigten oder den „nicht so“-berechtigten Karteninhaber handeln würde – eine komplexe Problematik, die im Rahmen von Hausarbeiten oder Examensklausuren in jedem Fall eine fundierte Argumentation erfordert. 
 

26.04.2021/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2021-04-26 09:20:412021-04-26 09:20:41BGH: Neues zum Gewahrsamsbruch am Geldautomaten
Dr. Melanie Jänsch

OLG Hamm: Strafbarkeit bei kontaktloser Zahlung ohne PIN durch den Nichtberechtigten

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Mit Beschluss vom 07.04.2020 (Az.: 4 RVs 12/20) hat sich das OLG Hamm mit einer neuen Konstellation aus dem Bereich der extrem klausur- und examensrelevanten EC-Karten-Fälle, namentlich der Strafbarkeit bei der Verwendung einer EC-Karte im Wege kontaktloser Zahlung ohne PIN-Abfrage durch den Nichtberechtigten, befasst. Angesichts der Vielzahl der zu prüfenden Delikte und der sie betreffenden Streitigkeiten sowie der Erforderlichkeit exakter Subsumtion unter zumeist schwer greifbare Definitionen ist eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Thematik für jeden Examenskandidaten ohnehin ein Muss. Kommen aktuelle Entscheidungen mit neuen Problemen – wie der Behandlung kontaktloser Zahlungsvorgänge – hinzu, ist der Einzug der Problematik in Klausuren und mündliche Prüfungen umso wahrscheinlicher. Die Entscheidung soll daher im Rahmen des nachfolgenden Beitrags ausführlich besprochen werden.
 
Anmerkung: Für eine ausführliche Übersicht verschiedener EC-Karten-Konstellationen ist auf unseren Grundlagenbeitrag zu verweisen.
 
A) Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der O verlor in der Stadt sein Portemonnaie, worin sich unter anderem seine EC-Karte befand. Noch am gleichen Tag gelangte der T in den Besitz des Portemonnaies und begab sich – in dem Wissen, dass ihm die Karte nicht gehörte und er zur Nutzung nicht berechtigt war – sogleich zum Supermarkt S. Dort tätigte er an der Kasse beim Mitarbeiter M nacheinander verschiedene Einkäufe, indem er die zuvor aufgefundene EC-Karte auf das Kartenlesegerät zur Bezahlung auflegte. Da alle Einkäufe jeweils einen Warenwert von unter 25,00 Euro aufwiesen, war die Eingabe der PIN nicht erforderlich, was dem T bekannt war und von diesem bewusst ausgenutzt wurde. Die bei den Einkäufen erhaltenen Waren beabsichtigte er für sich zu behalten.
Strafbarkeit des T nach dem StGB?
 
B) Rechtsausführungen
I. Betrug, §§ 263 Abs. 1, 4, 248a StGB
In Betracht kommt eine Strafbarkeit wegen Betrugs gemäß §§ 263 Abs. 1, 4, 248a StGB.  
1. Dies erfordert im objektiven Tatbestand zunächst eine Täuschung über Tatsachen, die kausal einen Irrtum auf Seiten Vermögensverfügenden erregt oder aufrechterhalten hat. Vorliegend könnte der T den Mitarbeiter M konkludent über seine Berechtigung zur Zahlung mit der EC-Karte getäuscht haben, sodass dieser den T irrig für den berechtigten Karteninhaber hielt. Eine Täuschung liegt in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Dabei genügt jedes Verhalten, durch das im Wege einer Einwirkung auf das intellektuelle Vorstellungsbild eines anderen eine Fehlvorstellung über die Realitäten erregt oder unterhalten werden kann (Schönke/Schröder/Perron, 30. Aufl. 2019, StGB § 263 Rn. 6). Dieses Verhalten müsste kausal zu einem Irrtum, also einem Widerspruch zwischen subjektiver Vorstellung und der Wirklichkeit, geführt haben (BeckOK StGB/Beukelmann, 46. Ed. (Stand: 01.05.2020), StGB § 263 Rn. 23). Nicht ausreichend ist hierfür der Fall, dass sich der Getäuschte überhaupt keine Gedanken macht; dagegen genügt sogenanntes sachgedankliches Mitbewusstsein in Form eines ständigen Begleitwissens (exemplarisch BGH, Urt. v. 09.06.2009 – 5 StR 394/08, NJW 2009, 2900, 2901, Rn. 17; BeckOK StGB/Beukelmann, 46. Ed. (Stand: 01.05.2020), StGB § 263 Rn. 25). Im vorliegenden Fall hat das OLG Hamm indes sowohl das Vorliegen einer Täuschung als auch eines Irrtums vor dem Hintergrund der besonderen Modalität des kontaktlosen Bezahlens ohne PIN-Abfrage verneint:

„Die Berechtigung […] zur Verwendung der ec-Karte war aus der objektiven Perspektive des an den Zahlungsvorgängen beteiligten Betreibers des H-Marktes bzw. den in seinem Lager stehenden Kassenmitarbeitern bei der kontaktlosen ec-Zahlung ohne PIN-Abfrage ohne rechtliche Relevanz, weil der Zahlungsausgleich des Händlers unabhängig von der Berechtigung des Angeklagten durch die [Bank] garantiert war. […] Anders als bei der herkömmlichen Bezahlung im POS-Verfahren, bei welcher die ec-Karte durch ein Lesegerät gezogen wird, muss bei der kontaktlosen Bezahlung mittels near field communication-Technologie („NFC“) die Karte nicht in das Kartenlesegerät eingesteckt, sondern nur in dessen Nähe gehalten werden, um den elektronischen Zahlungsvorgang auszulösen. Zudem kann die kartenausgebende Bank […] bei kontaktlos ausgelösten Transaktionen unter bestimmten Voraussetzungen davon absehen, eine starke Kundenauthentifizierung zu verlangen […]. Das bedeutet, dass die Bank darauf verzichten kann, die zu der ec-Karte gehörige PIN (personal identification number) abzufragen. […] Wird mit einer ec-Karte kontaktlos ein Zahlungsvorgang ausgelöst, werden die Zahlungsdaten an die Autorisierungszentrale der kartenausgebenden Bank übermittelt. Dort überprüft ein Computer der kartenausgebenden Bank, ob die verwendete ec-Karte in keine Sperrdatei eingetragen ist, der Verfügungsrahmen nicht überschritten wird und ob die Voraussetzungen für das Absehen von einer PIN-Abfrage im konkreten Fall vorliegen (vgl. Altenhain JZ 1997, 752). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erteilt der Bankencomputer eine elektronische Autorisierung des Umsatzes, die dem am Zahlvorgang beteiligten Händler […] übermittelt wird. Mit der positiven Autorisierung gibt das kartenausgebende Kreditinstitut zugleich die Erklärung gegenüber dem Händler ab, dass es die Forderung in Höhe des am ec-Terminal autorisierten Betrages begleichen werde (vgl. Nr. 5 der Händlerbedingungen für die Teilnahme am electronic cash-System der deutschen Kreditwirtschaft, Stand Oktober 2016).“ (Rn. 10 ff.)

Kurz zusammengefasst erlangt der Händler bei der kontaktlosen Bezahlung ohne PIN-Abfrage also nach erfolgreicher Autorisierung unmittelbar eine einredefreie Forderung gegen die Bank, sodass für die Entstehung des Zahlungsanspruchs die Berechtigung des kartenvorlegenden Kunden unerheblich ist. Angesichts dessen besteht kein Anlass für die Mitarbeiter, sich Gedanken über die Berechtigung zur Kartenverwendung zu machen. Ebenfalls besteht sowohl für den Betreiber des Supermarktes als auch für die Mitarbeiter keine Pflicht, die Berechtigung des Kunden auf andere Weise – etwa durch Ausweiskontrolle – zu überprüfen. Vor diesem Hintergrund „fehlt es an einer Grundlage für die Annahme, dass der Angeklagte als Kunde seine Berechtigung zur Kartennutzung nach der Verkehrsanschauung fälschlich konkludent erklärt hätte und dass die Kassenmitarbeiter wenigstens im Sinne eines sachgedanklichen Mitbewusstseins einer entsprechenden irrigen Vorstellung unterlegen wären.“ (Rn. 14)
2. Mangels Täuschung und korrespondierenden Irrtums der im Lager des Supermarktinhabers stehenden Angestellten scheidet eine Strafbarkeit wegen Betrugs mithin aus.
 
Merke: Eine relevante Täuschung bzw. ein Irrtum fehlen immer dann, wenn sich der Kartenaussteller gegenüber dem Händler verpflichtet, den Rechnungsbetrag zu begleichen, denn dann muss sich der Händler bzw. sein Mitarbeiter keine Gedanken über die Berechtigung des Kartenverwenders machen. Das ist stets der Fall im sog. Drei-Parteien-System bei der Verwendung von Kreditkarten, aber auch in dem angesprochenen Point-of-Sales-Verfahren (POS-Banking, auch electronic cash-System genannt), das hier in Form des kontaktlosen Zahlens ohne PIN-Abfrage vorliegt. Anderes gilt dagegen für das Lastschriftverfahren, denn hier garantiert die Bank nicht die Begleichung der Forderung; vielmehr trägt hier der Händler das Risiko der Lastschriftrückgabe, sodass bei einer Verwendung durch den Nichtberechtigten eine Strafbarkeit nach § 263 StGB in Betracht kommt (Lackner/Kühl/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 263 Rn. 11; Schönke/Schröder/Perron, 30. Aufl. 2019, StGB § 263 Rn. 30).
 
II. Computerbetrug, §§ 263a Abs. 1, 2, 263 Abs. 4, 248a StGB
Zu prüfen ist ferner eine Strafbarkeit wegen Computerbetrugs gemäß §§ 263a Abs. 1, 2, 263 Abs. 4, 248a StGB.
1. Hierfür ist im Rahmen des objektiven Tatbestandes erforderlich, dass durch unrichtige Gestaltung des Programms, die Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, die unbefugte Verwendung von Daten oder durch sonstige unbefugte Einwirkung auf den Ablauf das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs beeinflusst wird. In Betracht kommt vorliegend allein eine unbefugte Verwendung von Daten i.S.v. Var. 3 durch das kontaktlose Zahlen ohne Berechtigung des Verwendenden. Durch das Halten der Karte in die Nähe des Kartenlesegeräts hat T elektronisch den Zahlungsvorgang ausgelöst; eine Verwendung von Daten liegt also vor. Indes müsste es sich aber auch um eine unbefugte Verwendung von Daten handeln. Wie das Merkmal unbefugt zu bestimmen ist, ist in Rechtsprechung und Lehre umstritten.
a) Nach der subjektiven Auslegung ist hierunter das Verwenden gegen den Willen des Berechtigten zu verstehen (so etwa BayOLG, NJW 1991, 438, 440). Unabhängig davon, ob man die kartenausstellende Bank oder den ursprünglichen Karteninhaber O als Berechtigten erachtet, widerspricht eine Zahlung durch einen Nichtberechtigten in jedem Fall dem Willen des Berechtigten. Eine unbefugte Verwendung wäre nach dieser Ansicht gegeben.
b) Nach der computerspezifischen Auslegung ist ein unbefugtes Verwenden dagegen nur dann zu bejahen, „wenn der durch Täterhandeln verletzte Wille in der konkreten Programmgestaltung hinreichend Niederschlag gefunden hat. Aus dem Anwendungsbereich der Norm ausgeschieden werden mit diesem Ansatz insbesondere die Fälle, in denen der Täter den elektronisch gesteuerten Automaten ordnungsgemäß bedient“ (MüKoStGB/Mühlbauer, 3. Aufl. 2019, StGB § 263a  45). Da T den Zahlungsvorgang aus objektiver Perspektive ordnungsgemäß ausgelöst hat – die fehlende Berechtigung also in der Programmgestaltung keinen Niederschlag gefunden hat –, handelt es sich nach der computerspezifischen Auslegung nicht um eine unbefugte Verwendung.
c) Nach der überwiegend in Rechtsprechung und Literatur vertretenen betrugsspezifischen oder auch täuschungsäquivalenten Auslegung ist entscheidend, ob die Handlung gegenüber einem Menschen eine Täuschung i.S.v.  263 StGB darstellen würde (MüKoStGB/Mühlbauer, 3. Aufl. 2019, StGB § 263a Rn. 44). Das ist dann der Fall, wenn der Täter jedenfalls konkludent seine Berechtigung zur Inanspruchnahme der Leistung vorspiegelt. Legt man – wie auch das OLG Hamm in der vorliegenden Entscheidung – die betrugsspezifische Auslegung zugrunde, ist die Verwendung ebenfalls nicht als unbefugt zu werten:

„Gemessen an diesen Maßstäben fehlt es bei den hier vorliegenden kontaktlosen Einsätzen einer ec-Karte im POS-Verfahren, bei denen die PIN bei der Bezahlung gerade nicht abgefragt wird, an der Betrugsähnlichkeit. Denn anders als in den Fällen, in denen der Bankcomputer die PIN vom Kartenverwender abfragt, wird hierbei die Berechtigung desjenigen, der den elektronischen Zahlungsvorgang durch Vorhalten der Karte vor das Lesegerät auslöst, gerade nicht durch Anwendung einer starken Kundenauthentifizierung im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 ZAG überprüft. […] Gegenüber einem an die Stelle des Bankcomputers in der Autorisierungszentrale tretenden Bankangestellten würden also auch nur die Einhaltung des Verfügungsrahmens, die Nicht-Eintragung in eine Sperrdatei und das Vorliegen der Voraussetzungen für das Absehen von der starken Kundenauthentifizierung erklärt. Nicht erklärt würde hingegen, dass die Voraussetzungen zur vollen Überprüfung der materiellen Berechtigung zur Kartennutzung vorliegen. Damit aber würde ein fiktiver menschlicher Bankangestellter an Stelle des Bankcomputers auch keinem dahingehenden Irrtum bezüglich der Berechtigung unterliegen, womit es an der für die Unbefugtheit erforderlichen Betrugsähnlichkeit fehlt.“ (Rn. 22)

Anmerkung: Das ist also gerade der Unterschied zu dem Fall, dass der Nichtberechtigte ohne Wissen und Wollen des Karteninhabers Zugang zur PIN erhalten hat und bei der Kartenzahlung ebendiese – sich unberechtigt verschaffte – PIN eingibt. Dieser Fall ist nahezu unstreitig von § 263a StGB erfasst (Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl. 2018, § 263a Rn. 14 m.w.N.; MüKoStGB/Mühlbauer, 3. Aufl. 2019, § 263a Rn. 57).
 
d) Da die Meinungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, muss der Streit entschieden werden. Vorzugswürdig erscheint die betrugsspezifische Auslegung, da nur diese den Sinn und Zweck des  263a StGB, einen Auffangtatbestand für die Fälle zu bilden, in denen gerade kein Mensch getäuscht wird, widerspiegelt. Zudem würde etwa die subjektive Auslegung einen Wertungswiderspruch zu § 266b StGB bedeuten. Denn dieser kennt zum einen keine Versuchsstrafbarkeit, zum anderen hat er einen geringeren Strafrahmen als § 263a StGB. Durch die Anwendung des § 263a StGB auf den berechtigten Karteninhaber würden diese bewussten Wertungen des Gesetzgebers unterlaufen werden. Damit handelt es sich nicht um eine unbefugte Verwendung von Daten.
2. Auch nach § 263a StGB hat sich T nicht strafbar gemacht.
 
III. Fälschung beweiserheblicher Daten, §§ 269 Abs. 1, 270 StGB
Weiter hat das OLG Hamm eine Strafbarkeit wegen Fälschung beweiserheblicher Daten gemäß §§ 269 Abs. 1, 270 StGB geprüft.
1. Die Strafbarkeit setzt im objektiven Tatbestand zunächst voraus, dass eine Datenurkunde vorliegt. Bereits dies hat das Gericht verneint:

„Ein Speichern oder Verändern beweiserheblicher Daten gemäß § 269 Abs. 1 StGB erfordert nämlich, dass beweiserhebliche Daten so manipuliert werden, dass im Falle ihrer visuellen Wahrnehmbarkeit im Sinne des § 267 StGB eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde (Fischer StGB, 67. Aufl. 2020, § 269 Rn. 5; Heger in Lackner/Kühl-StGB, 29. Aufl. 2018, § 269 Rn. 2). Die betroffenen Daten müssen also bis auf das Erfordernis der visuellen Wahrnehmbarkeit alle Merkmale des Urkundenbegriffs aufweisen. Die hier insofern allein in Frage kommenden Transaktionsdaten erfüllen aber nicht alle Urkundenvoraussetzungen. Zwar werden bei dem Einsatz einer ec-Karte im POS-Verfahren am Kartenlesegerät die Transaktionsdaten (z.B. Kontonummer und Gültigkeitsdatum der ec-Karte) als Gedankenerklärung in das Autorisierungssystem eingelesen. Allerdings ist in Bezug auf die Transaktionsdaten bei den hier vorliegenden kontaktlosen Zahlungen mittels ec-Karte ohne PIN-Abfrage die Garantiefunktion des Urkundenbegriffs nicht erfüllt. Diese erfordert, dass der vermeintliche Aussteller der Gedankenerklärung erkennbar ist. An einer solchen eindeutigen Identifikationsmöglichkeit fehlt es aber mangels PIN-Abfrage.“ (Rn. 26 f.)

Anders die Eingabe der PIN, die nur dem berechtigten Karteninhaber mitgeteilt wird, erlaube der kontaktlose Bezahlvorgang ohne PIN-Eingabe also keinen Rückschluss darauf, dass der Verwender der berechtigte Karteninhaber sei. Der bloße unmittelbare Besitz könne hierfür nicht genügen. Insofern fehle es an einer Zuordnung der Gedankenerklärung zu dem berechtigten Karteninhaber als Aussteller.
2. Mangels Datenurkunde scheitert also auch eine Strafbarkeit nach §§ 269 Abs. 1, 270 StGB.
 
IV. Scheck- und Kreditkartenmissbrauch, § 266b Abs. 1 StGB
Eine Strafbarkeit wegen Scheck- und Kreditkartenmissbrauchs nach § 266b Abs. 1 StGB kommt nicht in Betracht, da T kein berechtigter Karteninhaber ist und daher kein tauglicher Täter sein kann.
 
V. Ausspähen von Daten, § 202a Abs. 1 StGB
Ebenso wenig ergibt sich eine Strafbarkeit wegen Ausspähens von Daten gemäß § 202a Abs. 1 StGB. Denn hierfür ist erforderlich, dass sich der Täter die auf der Karte gespeicherten Daten unter Überwindung einer Zugangssicherung verschafft (hierzu Lackner/Kühl/Heger, 29. Aufl. 2018, StGB, § 202a Rn. 5). Zum einen sind die Daten indes schon nicht besonders gesichert, soweit sie auf der ec-Karte mittels herkömmlichen Lesegeräts auslesbar sind. Jedenfalls hat sich der T aber keinen Zugang zu etwaig gesicherten Daten unter Überwindung einer Sperre verschafft.
 
VI. Urkundenunterdrückung, § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB
Bleibt als letzter Straftatbestand die Unterdrückung beweiserheblicher Daten als Unterfall der Urkundenunterdrückung gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu prüfen.
1. Vorliegen müssen dafür beweiserhebliche Daten, über die der Täter nicht ausschließlich verfügen darf. Entsprechend der Legaldefinition in § 202a Abs. 2 StGB werden ausschließlich elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeicherte oder übermittelte Daten erfasst (Schönke/Schröder/Heine/Schuster, 30. Aufl. 2019, StGB, § 274 Rn. 22c m.w.N.). Hier bestehen die beweiserheblichen Daten nach den Ausführungen des OLG Hamm in der Höhe des Verfügungsrahmens sowie den Umständen der bisherigen Karteneinsätze seit der letzten PIN-Abfrage (Anzahl der bisherigen Einsätze im kontaktlosen Bezahlverfahren ohne PIN-Abfrage und Höhe der jeweiligen Zahlbeträge nach den Vorgaben von Art. 11 lit. b), c) der Technischen Regulierungsstandards), die im Computer der Autorisierungszentrale bzw. auf dem Chip der ec-Karte gespeichert werden.
 
Anmerkung: Ob die Daten wie i.R.d. § 269 StGB urkundengleich sein müssen, hat das OLG Hamm offen gelassen; nach seinen Ausführungen ist hier Urkundengleichheit jedenfalls anzunehmen, denn der Verfügungsrahmen sowie die Umstände der bisherigen Kartennutzung seit der letzten PIN-Abfrage würden Gedankenerklärungen darstellen, die durch die Speicherung hinreichend perpetuiert seien. Weiterhin seien diese Daten beweiserheblich, weil sie für die Autorisierung weiterer Bezahlvorgänge mit der Karte Relevanz erlangen würden. Im Gegensatz zu den Transaktionsdaten (s.o.) ergebe sich eindeutig die kartenausstellende Bank als Aussteller der Daten, sodass auch die Garantiefunktion gegeben sei (ausführlich Rn. 37).
 
2. Mit der Verwendung der Karte hat der T diese Daten überschrieben, also gelöscht bzw. verändert i.S.d. Norm, sodass der objektive Tatbestand vorliegt.
3. T handelte auch wissentlich und willentlich, mithin vorsätzlich. Darüber hinaus handelte er nach den Feststellungen des Gerichts auch in dem Bewusstsein, dass die notwendige Folge seines Handels der Nachteil des Berechtigten ist, mit der Urkunde keinen Beweis mehr erbringen zu können (s. hierzu auch BGH, Urt. v. 08.10.1953 – 4 StR 395/53, NJW 1953, 1924).
4. Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
5. T hat sich nach § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar gemacht.
 
Anmerkung: Ebenfalls schuldig gemacht hat sich der T wegen Datenveränderung gemäß § 303a Abs. 1 StGB. Die Datenveränderung tritt aber im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter dem ebenfalls verwirklichten § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB zurück (Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl. 2019, § 303a Rn. 14).
 
C) Fazit
Kurz zusammengefasst gilt nach der Entscheidung des OLG Hamm also:

  • Wer als Nichtberechtigter mit einer EC-Karte kontaktlos ohne PIN-Abfrage bezahlt, der macht sich mangels Täuschung und Irrtums nicht nach § 263 StGB und mangels unbefugten Verwendens auch nicht nach § 263a StGB strafbar. Denn anders als in Fällen, in denen die PIN abgefragt wird, wird bei der kontaktlosen Zahlung die Berechtigung des Kunden nicht durch Anwendung einer starken Kundenauthentifizierung überprüft – und damit fehlt es in dieser Konstellation an der Betrugsähnlichkeit.
  • Ebenso scheitert eine Strafbarkeit nach § 269 Abs. 1, 270 StGB sowie nach § 266b Abs. 1 StGB.
  • Ein solches Verhalten kann aber als Urkundenunterdrückung gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB sowie nachrangig als Datenveränderung gemäß § 303a Abs. 1 StGB strafbar sein.

 

14.09.2020/3 Kommentare/von Dr. Melanie Jänsch
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Gastautor

OLG Karlsruhe: Beendigung einer Beziehung als empfindliches Übel

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Wir freuen uns sehr, nachfolgend einen Gastbeitrag von Charlotte Schippers veröffentlichen zu können. Die Autorin hat an der Universität Bonn Rechtswissenschaft studiert und ist am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit tätig. 
 

Beendigung einer Beziehung als empfindliches Übel

Der Beschluss des OLG Karlsruhe vom 17. Januar 2019 – 2 Ws 341/18

 
I. Einleitung
Die Nötigung gem. § 240 StGB kann in jeder strafrechtlichen (Examens-)Klausur zu prüfen sein. Und auch wenn die vorliegend besprochene Entscheidung sich mit den nicht examensrelevanten Sexualdelikten befasst, namentlich der sexuellen Nötigung gem. § 177 StGB, sollte ihr in der Examensvorbereitung Beachtung geschenkt werden, denn die durch das OLG Karlsruhe vorgenommenen Ausführungen lassen sich ohne weiteres auch auf den § 240 Abs. 1 StGB übertragen.
 
II. Entscheidung
Das OLG hatte sich also mit der Frage auseinanderzusetzen, ob es sich bei einem angedrohten Beziehungsabbruch um ein empfindliches Übel handeln kann. Hierzu kam es aufgrund folgenden Sachverhalts.
 
1. Sachverhalt (leicht abgewandelt)
T meldete sich unter Angabe des falschen Namens X und unter Verwendung weiterer unrichtiger Angaben über seine Person bei einem sozialen Netzwerk an, wo er dann mit der 17 Jahre alten O in Kontakt trat. O ist psychisch labil und lebt in schwierigen Verhältnissen, sodass sie sich in die fiktive Person X verliebte und der Internet-Beziehung einen hohen Stellenwert beimaß, was T auch erkannte. T selbst traf sich in der Folge mit O und kündigte ihr an, dass, sollte sie sich weigern, mit ihm in sexuellen Kontakt zu treten, X die Beziehung zu ihr beenden werde, sodass O ihm Folge leistete.
 
2. Lösung
Durch die Ankündigung, dass X die Beziehung beenden werde, sollte O nicht mit ihm (T) in sexuellen Kontakt treten, hat sich T nach der Entscheidung des OLG wegen sexueller Nötigung gem. § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB strafbar gemacht.
 
Erforderlich hierfür ist eine Nötigungshandlung, die das OLG Karlsruhe in einer Drohung mit einem empfindlichen Übel gesehen hat.
Grundsätzlich ist unter einem empfindlichen Übel ein solch erheblicher Nachteil zu verstehen, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinn des Täterverlangens zu motivieren, und von dem Bedrohten in seiner Lage nicht erwartet werden kann, dass er der Bedrohung in besonnener Selbstbehauptung standhält. Das OLG verweist an dieser Stelle auf eine Entscheidung des BGH, in der dieser die Auffassung vertritt, dass die Drohung, eine freundschaftliche Beziehung zu beenden, diese Voraussetzungen nicht erfülle.[1]
Inzwischen sei, anders als in der genannten Entscheidung, aber nach ständiger BGH-Rechtsprechung ein individuell-objektiver Maßstab zugrunde zu legen: Relevant sei eine Sichtweise, die den Opferhorizont und nicht den eines besonnenen Durchschnittsmenschen berücksichtige. Dafür spreche auch, dass die Nötigungsdelikte die Willensentschließungs- und –betätigungsfreiheit schützen sollen. Demnach hat die Frage, weshalb gerade von dem Bedrohten in der konkreten Situation erwartet werden könne, der Drohung standzuhalten, entscheidende Bedeutung. Folglich könne damit auch, wenn die Beziehung für den Bedrohten einen entsprechenden Stellenwert hat, ein angedrohter Beziehungsabbruch ein empfindliches Übel darstellen.
Hierunter subsumierte das OLG nun wie folgt: Da für O die Beziehung mit X aufgrund ihrer psychischen Labilität und ihrer schwierigen familiären Verhältnisse einen erheblichen emotionalen Stellenwert habe, sei der angedrohte Abbruch der Beziehung von ihr subjektiv als massiver Verlust empfunden worden. Dieser hohe Stellenwert zeige sich auch daran, dass O sich auf den sexuellen Verkehr mit einem fremden Mann eingelassen habe, um den Abbruch der Beziehung zu verhindern, obwohl dies nicht ihrem sonstigen sexuellen Verhalten entspreche. Folglich nahm sie nur wegen dieser Ankündigung die sexuellen Handlungen, die T verlangte, vor bzw. ließ ihre Vornahme zu.
Somit liegt nach Auffassung des OLG eine Drohung mit einem empfindlichen Übel vor. Der Nötigungserfolg liegt in den aufgrund der Drohung vorgenommenen/zugelassenen sexuellen Handlungen, sodass im Ergebnis eine Strafbarkeit des T gem. § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB gegeben ist.
 
III. Bewertung und Fazit
In der vom OLG Karlsruhe abgelehnten BGH-Entscheidung, der ein ähnlich gelagerter Fall zugrunde liegt, wird die Drohung mit einem empfindlichen Übel verneint. Die Trennung sei hier als bloße Enttäuschung für das Opfer einzuordnen. Daran änderte auch nichts, dass das Opfer stark an dem „Drohenden“ hing und er wiederum wusste, dass es nach Inaussichtstellen der Trennung seinen Forderungen nachgeben würde.[2] Mit dem Argument, dass das empfindliche Übel im zwischenmenschlichen Bereich restriktiv auszulegen ist, wird die Entscheidung des OLG Karlsruhe daher kritisiert, denn es würden die individuellen Gegebenheiten überbetont.[3]
Dagegen kann man aber anführen, dass persönliche Gründe herangezogen werden können und sollen. So sollten auch in einem Fall wie dem des BGH bspw. die Dauer der Beziehung, Kinder oder soziale Abhängigkeit beachtet werden. Im Grundsatz gilt jedenfalls der Maßstab bzgl. der Empfindlichkeit des Übels, „der bei dem Betroffenen in seiner sozialen Rolle und unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Entscheidungsnotstandes anzulegen ist und der von ihm die Aufrechterhaltung der Integrität der Willensentschließung bei besonnener Selbstbehauptung nicht mehr erwarten lässt“.[4] Legt man nun den konkreten Fall zugrunde, also, dass eine psychisch labile 17-Jährige aus schwierigen familiären Verhältnissen, die in emotionaler Abhängigkeit zu einer durch den Täter geschaffenen Internet-Beziehung steht, dem Drängen eines erwachsenen Mannes nachgibt, scheint es auf der anderen Seite schwer nachvollziehbar, hier noch von einer in Aussicht gestellten „bloßen Enttäuschung“ auszugehen.
Es zeigt sich jedenfalls, dass mit entsprechender Begründung und vernünftiger Argumentation mit den Sachverhaltsangaben an dieser Stelle beide Lösungen vertretbar sind. Was die Bedeutung der individuellen Gegebenheiten und des objektiv-individuellen Maßstabs angeht, lohnt es sich daher, sich mit der vorliegenden Entscheidung zu beschäftigen.
 
[1] BGH, Urt. v. 31.3.1982 – 2 StR 2/82, NStZ 1982, 287
[2] BGH, Urt. v. 31.3.1982 – 2 StR 2/82, NStZ 1982, 287
[3] Ladiges, „Beziehungsabbruch“ als empfindliches Übel, RÜ 2019, 433, 434.
[4] MüKoStGB/Sinn, 3. Aufl. 2017, § 240 Rn. 83.

11.07.2019/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2019-07-11 09:14:242019-07-11 09:14:24OLG Karlsruhe: Beendigung einer Beziehung als empfindliches Übel
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Konkretisierung des Gewahrsamswechsels bei kleinen, leicht transportablen Sachen

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Mit Urteil vom 6.3.2019 hat der BGH (Az.: 5 StR 593/18) eine Konkretisierung des Gewahrsamswechsels beim Diebstahl vorgenommen. Er widmete sich hierbei konkret der Frage, inwieweit bei kleinen, leicht transportablen Sachen die Begründung neuen Gewahrsams durch Verbringen der Sache in eine Gewahrsamsenklave möglich ist. Eine sichere Beherrschung dieser Klassiker-Problematik ist insbesondere für ein gutes Abschneiden in Strafrecht BT-Klausuren oder der Übung im Strafrecht unentbehrlich. Ein Blick in die Entscheidung lohnt aber nicht nur für die unteren Semester: Auch in Examensklausuren oder mündlichen Prüfungen eignet sich die Problematik hervorragend, um den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen.   
 
A) Sachverhalt (leicht abgewandelt und vereinfacht)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der D nahm in einem Supermarkt vier Flaschen Jägermeister und zwei Flaschen Bacardi aus dem Regal, legte sie zunächst in einen Einkaufskorb und dann in eine von ihm mitgeführte Sporttasche, die er anschließend verschloss, um die Flaschen ohne Bezahlung für sich zu behalten. Bevor D den Supermarkt verlassen konnte, wurde er vom Ladendetektiv gestoppt.
Hat sich D wegen eines vollendeten Diebstahls strafbar gemacht?
 
B) Rechtserwägungen
Der D könnte sich, indem er die sechs Flaschen in seine Sporttasche gelegt hat, wegen Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.
 
I. Objektiver Tatbestand
1. Fremde bewegliche Sache
Bei den sechs Flaschen handelt es sich um fremde bewegliche Sachen i.S.v. § 90 BGB, mithin um taugliche Tatobjekte.
2. Wegnahme
Diese müsste der D aber auch weggenommen haben. Unter Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendiger Weise tätereigenen Gewahrsams zu verstehen. Gewahrsam bedeutet die von einem natürlichen Willen getragene tatsächliche Sachherrschaft, deren Umfang nach der Verkehrsauffassung bestimmt wird. Maßgeblich ist hierbei, dass objektiv keine Hindernisse bestehen, den Willen zur unmittelbaren Einwirkung auf die Sache zu verwirklichen. Hierzu muss nicht notwendigerweise eine räumliche Nähe zur Sache bestehen. Vielmehr genügt es, wenn die Sachherrschaft bei einer räumlichen Trennung im Bereich des sozial Üblichen für eine bestimmte Zeit ausgeübt werden kann. Subjektiv ist ein Herrschaftswille erforderlich, der sich aber auch auf eine Vielzahl von Sachen in einem bestimmten Bereich beziehen kann. Beispielsweise hat der abwesende Wohnungsinhaber einen generellen Gewahrsamswillen hinsichtlich aller Sachen in der Wohnung, auch wenn er nicht zugegen ist (Lackner/Kühl/Kühl, 29. Aufl. 2018, StGB § 242 Rn. 9, 11) und insoweit eine sogenannte Gewahrsamslockerung besteht. Nach diesen Maßstäben hatte der Ladeninhaber Gewahrsam über die Flaschen, die sich im Regal des Supermarktes befanden. Dass ggf. keine ständige Überwachungs- oder Zugriffsmöglichkeit bestand, ist hierbei irrelevant. Anzunehmen ist eine objektive Sachherrschaft und ein genereller Gewahrsamswille hinsichtlich aller Gegenstände, die sich im Supermarkt befinden.
Fraglich ist indes, ob der Gewahrsam von dem D gebrochen wurde und dieser neuen Gewahrsam begründet hat. Für die Frage dieses Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft ist entscheidend, dass der Täter sie derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben kann und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach ständiger Rechtsprechung nach den Anschauungen des täglichen Lebens (s. BGH, Urt. v. 6.3.2019 – 5 StR 593/18, BeckRS 2019, 3712, Rn. 3 m.w.N.). Abzustellen ist damit auf die Gesamtumstände des konkreten Falls, wobei – wie der BGH betont – insbesondere die Größe, das Gewicht und die Transportmöglichkeit der betreffenden Sache zu berücksichtigen ist:

„Danach macht es einen entscheidenden Unterschied, ob es sich bei dem Diebesgut um umfangreiche, namentlich schwere Sachen handelt, deren Abtransport mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, oder ob es nur um kleine, leicht transportable Gegenstände geht. Bei unauffälligen, leicht beweglichen Sachen, wie etwa bei Geldscheinen sowie Geld- und Schmuckstücken, lässt die Verkehrsauffassung für die vollendete Wegnahme schon ein Ergreifen und Festhalten der Sache genügen. Steckt der Täter einen Gegenstand in Zueignungsabsicht in seine Kleidung, so schließt er allein durch diesen tatsächlichen Vorgang die Sachherrschaft des Bestohlenen aus und begründet eigenen ausschließlichen Gewahrsam.“

Dabei komme es auch nicht darauf an, dass sich die Person noch im Gewahrsamsbereich des Berechtigten – also etwa dem Supermarkt – befindet, wenn die Sache wie im vorliegenden Fall in einer mitgeführten Tasche verstaut wird. Der BGH zieht bei seiner Argumentation eine Parallele zu seiner ständigen Rechtsprechung, nach der ein Verstecken einer Sache unter der Kleidung bereits zur Erlangung der ausschließlichen Sachherrschaft des Täters genügt: 

„Die Verkehrsauffassung weist […] im Regelfall einer Person, die einen Gegenstand in der Tasche ihrer Kleidung trägt, die ausschließliche Sachherrschaft zu, und zwar auch dann, wenn er sich noch im Gewahrsamsbereich des Berechtigten befindet […] Für ohne Weiteres transportable, handliche und leicht bewegliche Sachen kann jedenfalls dann nichts anders gelten, wenn der Täter sie in einem Geschäft – wie hier – in Zueignungsabsicht in eine von ihm mitgeführte Hand-, Einkaufs-, Akten- oder ähnliche Tasche steckt; hierdurch bringt er sie in ebensolcher Weise in seinen ausschließlichen Herrschaftsbereich wie beim Einstecken in seine Kleidung […]. Ob er hierbei die Aussicht hat, den Gewahrsam längere Zeit aufrechtzuerhalten, ist für die Frage, ob die Wegnahme vollendet ist, ohne Belang, denn die Tatvollendung setzt keinen gesicherten Gewahrsam voraus.“

Das heißt: Der Täter kann eigenen Gewahrsam durch das Verbringen der Sache in eine sogenannte Gewahrsamsenklave begründen, wenn er durch Verstecken unter eigener Kleidung oder dem Einstecken in eine mitgebrachte Tasche dem ursprünglichen Gewahrsamsinhaber jegliche Zugriffsmöglichkeit entzieht. In Abgrenzung hierzu bleibt es bei einer bloßen Gewahrsamslockerung, wenn der Gegenstand in der generellen Herrschaftssphäre verbleiben oder eine Zugriffsmöglichkeit (z.B. infolge Sichtkontakt, Wissen um Verbleib) bestehen bleiben soll, ohne dass zugleich das Einbringen in eine generelle Herrschaftssphäre oder Gewahrsamsenklave des Täters eben diese Zugriffsmöglichkeit ausschließt (Kulhanek, NStZ 2016, 727; vgl. auch Kudlich, JA 2013, 552, 553 f.).
Abzugrenzen ist die Entscheidung insbesondere vom Urteil vom 8.12.2016 (Az.: 5 StR 512/16), in dem der BGH ausführte, das alleinige Hineinlegen von Waren in einem Selbstbedienungsmarkt in eine mitgeführte Sporttasche begründe noch keinen neuen (eigenen) Gewahrsam an den Gegenständen, wenn diese sichtbar in der offenen Tasche transportiert werden. Im hier vorliegenden Fall hat der Täter die Sporttasche aber wieder verschlossen, sodass die Flaschen aus dem Sichtfeld der Supermarktangestellten verschwunden sind. Hierdurch konnte gerade keine Kenntnis mehr über den Ort des Verbleibes bestehen, was die Zugriffsmöglichkeit durch den ursprünglichen Gewahrsamsinhaber erschwerte. Aus diesem Grund sei anzunehmen, dass bereits in diesem Zeitpunkt ein Gewahrsamswechsel stattgefunden habe. Ob sich anderes ergebe, wenn der Täter die Flaschen in zwei Tüten gepackt und zudem eine weitere mit Waren gefüllte Tüte mit sich geführt hätte, um den Anschein eines regulären Einkaufs zu erwecken, hat der BGH ausdrücklich offen gelassen, denn eine solche Konstellation sei hier nicht gegeben. Es komme stets auf die Umstände des Einzelfalls an.
Damit liege im betreffenden Fall bereits durch das Verstauen der Flaschen in der Sporttasche eine Wegnahme vor, sodass der objektive Tatbestand gegeben ist.
 
II. Subjektiver Tatbestand
1. Vorsatz
D handelte auch mit Wissen und Wollen, also vorsätzlich.
2. Zueignungsabsicht
Er handelte zudem in der Absicht, sich die Sachen rechtswidrig zuzueignen.
 
III. Rechtswidrigkeit, Schuld
Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
 
IV. D hat sich wegen eines vollendeten Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
 
C) Fazit
Eine Wegnahme kleiner, leicht transportabler Sachen kann also nicht nur dann gegeben sein, wenn sie unter der Kleidung des Täters versteckt, sondern auch, wenn sie in einer mitgebrachten Tasche verstaut werden. Dies bedeutet indes nicht, dass mit Verbringen einer Sache in eine mitgebrachte Tasche oder einen Rucksack stets ein Gewahrsamswechsel stattfindet. Im Gegenteil weist der BGH ausdrücklich darauf hin, dass die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind und in einer anderen Konstellation (- etwa, wenn mehrere Tüten getragen werden, um den Anschein eines regulären Einkaufs zu erwecken, oder auch wenn die Tasche geöffnet bleibt -) eine andere Beurteilung angezeigt sein kann. In der Klausur ist es daher wichtig, unter Ausschöpfung aller im Sachverhalt vorhandenen Informationen zu diskutieren, ob ein Gewahrsamswechsel stattgefunden hat – das Ergebnis ist hierbei zweitrangig.
 

08.05.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-05-08 09:15:142019-05-08 09:15:14BGH: Konkretisierung des Gewahrsamswechsels bei kleinen, leicht transportablen Sachen
Dr. Melanie Jänsch

Klassiker des Strafrechts: EC-Karten-Fälle

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EC-Karten-Fälle sind absolute Klassiker, die von jedem Examenskandidaten beherrscht werden sollten. Die Thematik stellt viele Studierende vor Probleme, was nicht zuletzt an der Vielgestaltigkeit der Konstellationen, der Vielzahl der zu prüfenden Delikte und der unterschiedlichen strafrechtlichen Bewertung einzelner – auf den ersten Blick ähnlich erscheinender –  Handlungen liegt. So kommen als zu prüfende Delikte regelmäßig Betrug (§ 263 StGB), Untreue (§ 266 StGB), Computerbetrug (§ 263a StGB), Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten (§ 266b StGB), Erschleichen von Leistungen (§ 265a StGB) sowie Diebstahl (§ 242 StGB) und Unterschlagung (§ 246 StGB) in Betracht. Insbesondere die Tatbestände des Computerbetrugs gemäß § 263a StGB und des Kreditkartenmissbrauchs gemäß § 266b StGB, die regelmäßig den Schwerpunkt der Prüfung bilden werden, vermögen aufgrund der teilweise sehr technisch formulierten Definitionen und verschiedener Streitigkeiten schwer greifbar zu sein. Im Rahmen dieses Beitrags soll die Thematik besser handhabbar gemacht werden, indem typische Problemfelder – illustriert anhand von Beispielsfällen – dargestellt und problemorientiert aufgeschlüsselt werden. Freilich kann hier nicht jeder mögliche Fall nachgezeichnet werden. Sofern man sich aber mit den gängigsten Konstellationen auseinandersetzt, fördert dies die Entwicklung eines Grundverständnisses, mit dessen Hilfe auch unbekannte Konstellationen in den Griff gekriegt werden können.
 
A) Anknüpfungspunkte
Zur (gedanklichen) Ordnung der vorzunehmenden Prüfung sollte sich vor Augen geführt werden, dass Unterschiede der einzelnen Konstellationen – die dann auch zu einer unterschiedlichen strafrechtlichen Beurteilung führen – nur in zweierlei Hinsicht bestehen können: Zum einen in Bezug auf die Person des Handelnden und zum anderen in zeitlicher Hinsicht. Hinsichtlich der Person des Handelnden ist zu unterscheiden zwischen

  • Dem Karteninhaber
  • Dem Nichtberechtigten

Für die strafrechtliche Bewertung in zeitlicher Hinsicht bestehen drei Anknüpfungspunkte:

  • Die Erlangung der Karte
  • Die Verwendung der Karte
  • Die Erlangung des Geldes

Es sind selbstverständlich nicht stets alle Anknüpfungspunkte problematisch und daher anzusprechen. Es kann aber im Rahmen der Erstellung der Gliederung hilfreich sein, sich an den einzelnen Elementen „entlang zu hangeln“, um sich die klassischen Problemfelder ins Gedächtnis zu rufen.
 
B) Typische Fallkonstellationen
Für die nachfolgende Betrachtung soll zur Systematisierung also zuerst auf zwei typische strafrechtlich relevante Handlungen des Karteninhabers, sodann auf Handlungen des Nichtberechtigten abgestellt werden, um die Unterschiede aufzuzeigen.  
 
I. Karteninhaber als Täter
Die Erlangung der Karte durch den späteren Karteninhaber ist regelmäßig nicht strafrechtlich relevant. Die klassischen Probleme betreffen die Verwendung der Karte und die Erlangung des Geldes.
Ausgangssituation: Das Konto des A bei der B-Bank weist eine erhebliche Unterdeckung auf. Ein Mitarbeiter der B-Bank hat dem A auch bereits mitgeteilt, dass er vor weiteren Abhebungen sein Konto auffüllen müsse. Insbesondere dürfe er – so stehe es in den AGB der Bank – seine EC-Karte nicht über seinen Dispokreditrahmen hinaus benutzen.
 
Fall 1:
Obwohl der A nur noch 1,27 Euro auf seinem Konto hat, bezahlt er im Laden des C mit seiner EC-Karte einen Betrag von 50 Euro im Wege des Lastschriftverfahrens mittels Unterschrift. Ohne Eingabe der PIN wird ein Lastschriftbeleg produziert, den der C dann bei der B-Bank einreichen will. Diese weist die Lastschrift allerdings wegen fehlender Kontodeckung zurück. Strafbarkeit des A?
 
1.Scheck- und Kreditkartenmissbrauch, § 266b I StGB
A könnte sich wegen Scheck- und Kreditkartenmissbrauchs nach § 266b I StGB strafbar gemacht haben.
a) Als berechtigter Karteninhaber ist A tauglicher Täter.
b) Es müsste sich bei der EC-Karte aber auch um ein taugliches Tatobjekt handeln. Dem ausdrücklichen Wortlaut nach sind jedoch nur Scheck- und Kreditkarten erfasst.
aa) Nach einer Ansicht kommen daher EC-Karten grundsätzlich nicht als taugliches Tatobjekt in Betracht (Wessels/Hillenkamp, StrafR BT 2, Rn. 795), sodass eine Strafbarkeit nach § 266b StGB von vornherein ausscheiden würde.
bb) Nach anderer Ansicht ist eine Subsumtion unter den Begriff der Scheckkarte trotz fehlender Beziehung zum Scheckverkehr möglich (Fischer, § 266b StGB, Rn. 6a f.), sodass auch eine EC-Karte hierunter fallen könnte.
cc) Jedoch muss der Streit nicht entschieden werden, wenn die Strafbarkeit aus einem anderen Grund scheitert: Denn die ganz herrschende Meinung verlangt, dass die Zahlungskarte – damit sie einer Kreditkarte in der Bewertung gleichkommt – eine Garantiefunktion aufweisen muss. Dies bedeutet, dass mit der Ausgabe der Karte an den Karteninhaber eine Garantie der Bank gegenüber einem Dritten übernommen wird. Vorausgesetzt wird ein Drei-Partner-System, in dem der Aussteller der Karte dem Dritten, dessen Leistungen der Inhaber der Karte in Anspruch nimmt, Erfüllung garantiert (BGH v. 21.11.2001 – 2 StR 160/01, BGHSt 47, 160). Dies ist aber beim Elektronischen Lastschriftverfahren gerade nicht der Fall, da die B-Bank die Lastschrift zurückweisen kann; insofern trägt allein C das Risiko. Mangels Garantiefunktion handelt es sich bei der EC-Karte also nicht um ein taugliches Tatobjekt, sodass eine Strafbarkeit nach § 266b I StGB ausscheidet.
 
2.Computerbetrug, § 263a I StGB
In Betracht kommt zudem eine Strafbarkeit wegen Computerbetrugs nach § 263a I StGB zu Lasten der B-Bank.
 

Anmerkung: Da offensichtlich kein menschliches Gegenüber getäuscht wurde, wäre es hier verfehlt, einen Betrug gegenüber und zu Lasten der B-Bank zu prüfen.

 
a) Hierfür ist im Rahmen des objektiven Tatbestandes erforderlich, dass durch unrichtige Gestaltung des Programms, die Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, die unbefugte Verwendung von Daten oder durch sonstige unbefugte Einwirkung auf den Ablauf das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs beeinflusst wird.
b) Fraglich erscheint hier insbesondere, ob über das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs beeinflusst und insofern eine Vermögensschädigung wurde. Dies ist dann der Fall, wenn Täter in einer Weise auf den Computer einwirkt, dass das Resultat der dort vollzogenen Verwertung von Daten geändert wird und hierdurch eine vermögensrelevante Disposition verursacht wird (Fischer, § 263a StGB, Rn. 20). Vorliegend konnte die B-Bank aber die Lastschrift zurückgeben, sodass durch die bloße Produktion des Lastschriftbelegs keine vermögensrelevante Disposition getroffen wurde. Mithin ist A auch nicht nach § 263a StGB strafbar.
 
3. Betrug, § 263 I StGB
In Betracht kommt jedoch eine Strafbarkeit wegen Betrugs gemäß § 263 I StGB gegenüber und zu Lasten des C.
a) Indem der A die Lastschriftermächtigung erteilt hat, hat er konkludent seine Kontodeckung erklärt und somit den C über Tatsachen getäuscht. Der C unterlag auch hinsichtlich der Kontodeckung einer Fehlvorstellung, mithin einem Irrtum, auf dem die Vermögensverfügung – die Aushändigung der Kaufgegenstände – beruhte. Dies wurde mangels Zahlung des A auch nicht durch ein wirtschaftliches Äquivalent ausgeglichen, sodass der C auch einen Schaden erlitten hat. Der objektive Tatbestand ist mithin gegeben.
b) Dies wusste und wollte A auch, handelte also vorsätzlich. Zudem handelte er in der Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung.
c) Er handelte rechtswidrig und schuldhaft.
d) A hat sich wegen Betrugs gemäß § 263 I StGB gegenüber und zu Lasten des C strafbar gemacht.
 
Fall 2:
Obwohl der A nur noch 1,27 Euro auf seinem Konto hat, versucht er, an einem Geldautomaten der D-Bank unter Verwendung seiner EC-Karte und seiner PIN 100 Euro abzuheben. Da die D-Bank keine Onlineprüfung seiner Kontodeckung vornimmt, gelingt dies. Strafbarkeit des A?
 
1.Scheck- und Kreditkartenmissbrauch, § 266b I StGB
Fraglich ist, ob A sich durch diese Handlung wegen Scheck- und Kreditkartenmissbrauchs nach § 266 I StGB strafbar gemacht hat.
a) Als berechtigter Karteninhaber ist er tauglicher Täter.
b) Die EC-Karte müsste ein taugliches Tatobjekt darstellen, was – wie oben dargelegt – nur dann der Fall sein kann, wenn mit ihr eine Garantiefunktion verbunden ist.
aa) Das ist nach einer Ansicht beim Abheben am Geldautomaten ohnehin nie der Fall, da die Karte lediglich als „Schlüssel“ für das Konto verwendet wird (so etwa Bernsau, Der Scheck- oder Kreditkartenmissbrauch durch den berechtigten Karteninhaber, 1990, S. 154 ff.).
bb) Die herrschende Meinung differenziert hierbei danach, ob die Abhebung an einem institutseigenen oder institutsfremden Bankautomaten vorgenommen wird. Hebt der Täter an einem Automaten des Kartenausstellers Geld ab, ist hier das für die Garantiefunktion erforderliche Drei-Partner-System gerade nicht gegeben. Handelt es sich dagegen um einen institutsfremden Automaten, ist die Garantiefunktion zu bejahen, da die kartenausstellende Bank (hier: die B-Bank) aufgrund der zwischen den Banken bestehenden „Vereinbarungen über das deutsche Geldautomatensystem“ verpflichtet ist, der anderen Bank (hier: der D-Bank) den Betrag zu erstatten (s. hierzu auch BGH v. 21.11.2001 – 2 StR 160/01, BGHSt 47, 160). Vorliegend hat der A das Geld an einem Automaten der D-Bank, also einem institutsfremden Geldautomaten, abgehoben, sodass die erforderliche Drei-Partner-Konstruktion vorliegt.
c) Hierdurch hat der A auch die ihm eingeräumte Möglichkeit, die B-Bank zu einer Zahlung zu veranlassen, missbraucht und diese dadurch geschädigt.
d) Dies tat er auch vorsätzlich. Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
e) A hat sich wegen Scheck- und Kreditkartenmissbrauchs nach § 266b I StGB strafbar gemacht.
 
2. Computerbetrug, § 263a I StGB
Überdies kommt eine Strafbarkeit wegen Computerbetrugs gemäß § 263a I StGB in Betracht.
a) Dies erfordert im objektiven Tatbestand zunächst eine taugliche Tathandlung. A könnte durch die Abhebung an dem Automaten der D-Bank unbefugt Daten verwendet A hat die PIN eingegeben und der Magnetstreifen wurde eingelesen, eine Verwendung von Daten liegt mithin vor. Indes müsste es sich aber auch um eine unbefugte Verwendung von Daten handeln. Wie das Merkmal unbefugt zu bestimmen ist, ist umstritten.
aa) Nach einer subjektiven Auslegung ist hierunter das Verwenden gegen den Willen des Berechtigten zu verstehen, wobei als Berechtigter die kartenausstellende Bank anzusehen ist (so etwa BayOLG, NJW 1991, 438, 440). Da es dem Willen der B-Bank widerspricht – so steht es auch ausdrücklich in den AGB –, wenn der Karteninhaber sein Konto überzieht, ist eine unbefugte Verwendung nach dieser Ansicht zu bejahen.
bb) Nach der computerspezifischen Auslegung ist ein unbefugtes Verwenden dagegen nur dann zu bejahen, „wenn der durch Täterhandeln verletzte Wille in der konkreten Programmgestaltung hinreichend Niederschlag gefunden hat. Aus dem Anwendungsbereich der Norm ausgeschieden werden mit diesem Ansatz insbesondere die Fälle, in denen der Täter den elektronisch gesteuerten Automaten ordnungsgemäß bedient“ (MüKoStGB/Mühlbauer, 3. Aufl. 2019, StGB § 263a Rn. 45). Da die Überprüfung der Kontodeckung allerdings in der Programmgestaltung gerade keinen Niederschlag gefunden hat, handelt es nach der computerspezifischen Auslegung nicht um eine unbefugte Verwendung.
cc) Nach einer dritten Ansicht, der betrugsspezifischen oder auch täuschungsäquivalenten Auslegung, ist entscheidend, ob die Handlung gegenüber einem Menschen eine Täuschung i.S.v. § 263 StGB darstellen würde (MüKoStGB/Mühlbauer, 3. Aufl. 2019, StGB § 263a Rn. 44). Das ist dann der Fall, wenn der Täter jedenfalls konkludent seine Berechtigung zur Inanspruchnahme der Leistung vorspiegelt. Fraglich ist, ob dies vorliegend der Fall ist.
(1) Man könnte annehmen, dass der Kontoinhaber auch einen Bankangestellten durch eine Zahlungsanfrage konkludent darüber täuschen würde, dass sich der auszuzahlende Betrag noch innerhalb seines Kreditrahmens befindet.
(2) Überzeugender erscheint es jedoch, anzunehmen, dass ein Bankangestellter die Bonität gerade nicht prüfen würde. Vielmehr ist es als ausreichend zu erachten, wenn dem berechtigten Karteninhaber die Karte samt PIN zur Benutzung überlassen wurde; über mehr braucht sich ein Bankangestellter keine Gedanken zu machen – gleiches muss für den Prüfungsumfang des Geldautomaten gelten. Damit handelt es sich auch nach der täuschungsäquivalenten Auslegung nicht um eine unbefugte Verwendung von Daten.
dd) Da die Meinungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, muss der Streit entschieden werden. Vorzugswürdig erscheint die betrugsspezifische Auslegung, da nur diese den Sinn und Zweck des § 263a StGB, einen Auffangtatbestand für die Fälle zu bilden, in denen gerade kein Mensch getäuscht wird, widerspiegelt. Zudem würde etwa die subjektive Auslegung einen Wertungswiderspruch zu § 266b StGB bedeuten. Denn dieser kennt zum einen keine Versuchsstrafbarkeit, zum anderen hat er einen geringeren Strafrahmen als § 263a StGB. Durch die Anwendung des § 263a StGB auf den berechtigten Karteninhaber würden diese bewussten Wertungen des Gesetzgebers unterlaufen werden. Damit handelt es sich nicht um eine unbefugte Verwendung von Daten.
b) A hat sich nicht nach § 263a I StGB strafbar gemacht.
 
3.Erschleichen von Leistungen, § 265a I StGB
Jedoch könnte sich A möglicherweise wegen Erschleichens von Leistungen gemäß § 265a I StGB strafbar gemacht haben.
a) Dies setzt im objektiven Tatbestand ein Erschleichen voraus. Hierfür ist aber nach richtiger herrschender Meinung erforderlich, dass der Automat objektiv ordnungswidrig bedient wird. Das ist aber gerade nicht der Fall, da A den Geldautomaten funktionsgemäß verwendet hat.

Anmerkung: Die Bestimmung des Merkmals Erschleichen ist wiederum umstritten, soll im Rahmen dieses Beitrags allerdings nicht weiter thematisiert werden. Ein ausführlicher Überblick über die verschiedenen Ansichten findet sich in MüKoStGB/Hefendehl, 3. Aufl. 2019, StGB § 265a Rn. 106 ff.

b) Mangels Tathandlung scheitert auch eine Strafbarkeit nach § 265a StGB.
 
4.Untreue, § 266 I StGB
In Betracht kommt jedoch eine Strafbarkeit des A wegen Untreue gemäß § 266 I StGB.
a) Damit der Missbrauchstatbestand (Alt. 1) einschlägig ist, müsste eine rechtsgeschäftliche Verfügungsmacht bestehen. Aufgrund einer solchen Verfügungsmacht könnten die einzelnen Buchungen vorgenommen worden sind. Jedoch ist dies abzulehnen: Denn die Möglichkeit, Geld abzuheben, wurden bereits mit der Einrichtung des Kontos geschaffen. Insofern sind einzelne Abbuchungen nicht als eigene Verfügungen i.S.v. § 266 I Alt. 1 StGB zu kategorisieren.
b) Möglicherweise hat A jedoch die Treubruchsvariante (Alt. 2) verwirklicht. Dafür müsste eine Vermögensbetreuungspflicht bestehen, die der A verletzt hat. Unter den Begriff der Vermögensbetreuungspflicht fällt nicht schon jede vertragliche Verpflichtung, das Vermögen eines anderen nicht zu schädigen. Vielmehr ist eine Fürsorgepflicht von einiger Bedeutung erforderlich, die anhand der Kriterien des Grades der Selbständigkeit, der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und der Verantwortlichkeit des Verpflichteten ermittelt wird. Zudem darf es sich bei der Vermögensbetreuungspflicht nicht um eine beiläufige Nebenpflicht handeln. Im Gegenteil muss sie eine Hauptpflicht darstellen (MüKoStGB/Dierlamm, 3. Aufl. 2019, StGB § 266 Rn. 45). Hiervon ausgehend kann eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Bank aber nicht angenommen werden.
c) A hat sich nicht nach § 266 I StGB strafbar gemacht.
 
5.Diebstahl, § 242 I StGB
Dadurch, dass der A die 100 Euro an sich genommen hat, könnte er sich auch wegen Diebstahls nach § 242 I StGB strafbar gemacht haben.
a) Dazu müsste der A im objektiven Tatbestand eine fremde bewegliche Sache weggenommen haben. Unter Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendiger Weise tätereigenen Gewahrsams zu verstehen. Ein Gewahrsamsbruch ist dann anzunehmen, wenn der Gewahrsam des Berechtigten gegen dessen Willen aufgehoben wird. Dies ist dann nicht der Fall, wenn ein tatbestandsausschließendes Einverständnis der Bank gegeben ist.
aa) Ein Einverständnis der Bank könnte man mit dem Argument verneinen, dass nach innerer Willensrichtung eine gewollte Gewahrsamsübertragung nur dann gegeben sei, wenn auch die entsprechende Kontodeckung vorliege.
bb) Richtigerweise – und so sieht es auch der BGH (s. etwa BGH v. 22.11.1991 – 2 StR 376/91, NJW 1992, 445 f.) – kommt es jedoch auf das äußere Erscheinungsbild des Vorgangs an. Sofern der Automat äußerlich ordnungsgemäß verwendet wird, ist anzunehmen, dass der Berechtigte mit dem Gewahrsamsübergang einverstanden ist.
cc) Damit liegt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vor, das einen Gewahrsamsbruch ausschließt.
b) Mangels Wegnahme hat sich A nicht nach § 242 I StGB strafbar gemacht.
 
6.Unterschlagung, § 246 I StGB
Schließlich könnte sich A aber wegen Unterschlagung gemäß § 246 I StGB strafbar gemacht haben.  
a) Dafür müsste es sich bei dem Geld um eine fremde bewegliche Sache handeln. Fremd ist eine Sache, wenn sie nicht im Alleineigentum des Täters steht.
aa) Hier kann entweder auf die Erwägungen zur Gewahrsamsübertragung verwiesen werden, sodass bei funktionsgemäßer Bedienung des Automaten auch eine Eigentumsübertragung an den berechtigten Karteninhaber erfolgen soll.
bb) Selbst wenn man aber annimmt, die Eigentumsübertragung erfolge unter einer aufschiebenden Bedingung i.S.v. § 158 I BGB, dann kann es sich bei der Bedingung nur um die grundsätzliche Berechtigung des Karteninhabers handeln. Und diese war bei dem A zweifellos gegeben.
b) Mithin liegt keine fremde Sache vor, sodass auch eine Strafbarkeit nach § 246 I StGB ausscheiden muss.
 

Anmerkung: Fall 2 ist ein Klausurklassiker, jedoch wenig praxisrelevant. Denn heutzutage verfügen die meisten Geldautomaten über eine Onlinevernetzung. Das bedeutet, dass, sofern eine Abhebung an einem Automaten einer institutsfremden Bank geplant ist, diese regelmäßig eine Anfrage an die kartenausstellende Bank sendet, ob hinreichende Kontodeckung besteht. Wenn die Auszahlung nicht bestätigt wird, wird diese verweigert. In einem solchen Fall müssen die erläuterten Probleme im Rahmen von Versuchsprüfungen dargestellt werden. Zu beachten ist dabei insbesondere, dass Scheck- und Kreditkartenmissbrauch und Untreue im Versuch gerade nicht strafbar sind. Damit müsste schwerpunktmäßig eine Strafbarkeit wegen versuchten Computerbetrugs nach §§ 263a I Var. 3, II, 263 II, 22, 23 I StGB geprüft werden, wobei auch hier der Fokus auf der Diskussion des Merkmals unbefugt liegen würde.

 
II. Nichtberechtigter als Täter
Ist der Täter nicht der berechtigte Karteninhaber, kommen bereits Probleme auf der Ebene der Erlangung der Karte in Betracht (s. z.B. hierzu Fall 2). Klassische Probleme bestehen aber auch bei der Verwendung der Karte und der Erlangung des Geldes.
 
Fall 1:
F, deren Konto eine ausreichende Deckung aufweist, bittet ihren Freund T, mit ihrer EC-Karte einen bestimmten Geldbetrag abzuheben. Sie teilt ihm zu diesem Zweck ihre PIN mit. T hebt allerdings, ohne F dies mitzuteilen, einen Mehrbetrag ab, und behält diesen. Den absprachegemäß abgehobenen Betrag gibt er der F. Strafbarkeit des T?
 
1.Scheck- und Kreditkartenmissbrauch, § 266b I StGB
Eine Strafbarkeit wegen Scheck- und Kreditkartenmissbrauchs nach § 266b I StGB kommt nicht in Betracht, da T kein berechtigter Karteninhaber ist und daher kein tauglicher Täter sein kann.
 
2. Computerbetrug, § 263a I StGB
Möglich erscheint aber eine Strafbarkeit wegen Computerbetrugs nach § 263a I Var. 3 StGB.
a) Dies erfordert im objektiven Tatbestand eine taugliche Tathandlung. T könnte durch die Abhebung unbefugt Daten verwendet haben. T hat die PIN eingegeben und der Magnetstreifen wurde eingelesen, eine Verwendung von Daten liegt mithin vor. Indes müsste es sich aber auch um eine unbefugte Verwendung von Daten handeln.
aa) Legt man die subjektive Auslegung zugrunde, ist dies der Fall: Wenn ein Dritter absprachewidrig einen Mehrbetrag abhebt, läuft dies sowohl dem Willen der Bank als auch dem Willen des Karteninhabers zuwider. Damit ergibt sich nach dieser Ansicht eine unbefugte Verwendung von Daten.
bb) Nach der computerspezifischen Auffassung ist das dagegen nicht der Fall, da die fehlende Befugnis im Innenverhältnis gerade nicht im Programm einen Niederschlag erfährt.
cc) Fraglich ist, wie der Fall unter Zugrundelegung der täuschungsäquivalenten Auslegung zu lösen ist. Bedenkt man den Fall der Täuschung eines hypothetischen Bankangestellten, so würde dieser nicht prüfen, ob T seine Befugnisse im Innenverhältnis überschreitet. Solange dieser die Karte nicht deliktisch erlangt hat, also vom berechtigten Karteninhaber zur Abhebung beauftragt wurde, kommt es nicht darauf an, dass absprachewidrig ein Mehrbetrag abgehoben wurde. Denn hierauf würde sich die Prüfung eines Bankangestellten nicht erstrecken und dann kann dies auch nicht vom Prüfungsumfang des Automaten erfasst sein. Mithin ist nach dieser Ansicht ein unbefugtes Verwenden von Daten ebenfalls nicht gegeben.
dd) Zu folgen ist der täuschungsäquivalenten Auslegung (s.o.), sodass T nicht tatbestandsmäßig handelte.
b) T hat sich nicht nach § 263a I StGB strafbar gemacht.
 
3.Untreue, § 266 I StGB
Fraglich ist, ob eine Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 I StGB in Betracht kommt.
a) Einzig in Betracht kommt die Verwirklichung der Treubruchsvariante (Alt. 2). Dafür müsste jedoch eine Vermögensbetreuungspflicht bestehen, die der T verletzt hat. Gemessen an den oben dargestellten strengen Anforderungen kann in dem bloßen Auftrag der F, einen bestimmten Geldbetrag abzuheben, noch keine Vermögensbetreuungspflicht gesehen werden. Denn es fehlt an der Selbständigkeit der Tätigkeit. Mithin scheidet auch die Treubruchsvariante aus.
c) T hat sich nicht wegen Untreue nach § 266 I StGB strafbar gemacht.
 
4. Diebstahl, § 242 I StGB
Eine Strafbarkeit wegen Diebstahls scheitert am fehlenden Gewahrsamsbruch. Wie oben erläutert, besteht ein tatbestandsausschließendes Einverständnis der Bank in allen Fällen, in denen der Geldautomat objektiv funktionsgemäß bedient wird.
 
5. Unterschlagung, § 246 I StGB
Möglicherweise hat sich T aber wegen Unterschlagung nach § 246 I StGB strafbar gemacht.
a) Hierbei ist wiederum problematisch, ob es sich bei dem Geld um eine fremde Sache handelt. Das wäre dann nicht der Fall, wenn eine Eigentumsübertragung an den T gewollt war. Dies ist – in Abweichung zu I. Fall 2 – aber gerade nicht der Fall. Unabhängig davon, ob man auf die äußerlich funktionsgemäße Bedienung abstellt oder aber eine Bedingung konstruiert, stimmen die beiden Ansichten insofern überein, als die kartenausstellende Bank stets an den berechtigten Karteninhaber übereignen will (s. hierzu auch OLG Köln v. 09.07.1991 – Ss 624/90, NJW 1992, 125, 127). Insofern könnte man lediglich überlegen, ob der T als Vertreter der F das Angebot auf Übereignung angenommen hat. Dies wird man aufgrund der entsprechenden Vollmacht aber nicht hinsichtlich des Mehrbetrags annehmen dürfen. Mithin ist eine fremde bewegliche Sache gegeben.
b) Indem der T den Mehrbetrag behalten hat, ist auch die Manifestation des Zueignungswillens zu bejahen.
c) T handelte auch vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.
d) T ist nach § 246 I StGB strafbar.
 
6. Betrug, §§ 263 I, 13 I StGB
Überdies kommt eine Strafbarkeit wegen Betrugs durch Unterlassen gemäß §§ 263 I, 13 I StGB gegenüber und zu Lasten der F in Betracht.
a) Im Rahmen des objektiven Tatbestandes müsste T über Tatsachen getäuscht haben. Vorliegend verschwieg der T der F, dass er einen absprachewidrig einen Mehrbetrag abgehoben hat. Man könnte überlegen, ob der T dadurch, dass er der F den absprachegemäß abgehobenen Betrag gegeben hat, schlüssig erklärt hat, dass er keinen Mehrbetrag abgehoben hat. Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt hier aber eindeutig in der Nichtaufklärung, also in einem Unterlassen. Die erforderliche Garantenpflicht ergibt sich aus der Auskunfts- und Rechenschaftspflicht im Rahmen des Auftrags nach § 666 BGB. Indem der T es unterlassen hat, die F über die Abhebung des Mehrbetrags aufzuklären, hat er ihre Fehlvorstellung aufrechterhalten, dass er nur den dem Auftrag entsprechenden Betrag abgehoben hat. Im Nichtgeltendmachen der Forderung liegt ein Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt, mithin die Vermögensverfügung. Aufgrund der Unkenntnis hat F auch ihre Forderung nicht geltend gemacht, sodass kein wirtschaftliches Äquivalent, also ein Schaden, gegeben ist. Damit hat T den objektiven Tatbestand verwirklicht.
b) Er handelte auch vorsätzlich und in der Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung.
c) Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
d) T hat sich nach §§ 263 I, 13 I StGB strafbar gemacht.
 
Fall 2:
T fragt seine Freundin F, ob er sich kurzfristig ihre EC-Karte ausborgen könnte. Er wolle damit kein Geld abheben, sondern nur in seinem Freundeskreis den Unterstellungen entgegentreten, er sei pleite und seine EC-Karte sei eingezogen worden. F ist bereit, T diesen Gefallen zu tun und gibt ihm zu diesem Zweck ihre Geldbörse, in der neben der EC-Karte nur noch ein Zettel mit der PIN-Nummer ist. Wie von Anfang an geplant, geht T mit der Karte zum Geldautomaten und hebt 1000 Euro ab. Strafbarkeit des T?

 
1. Betrug, § 263 I StGB
Indem der T der F sagte, er wolle mit der Karte nur angeben und kein Geld abheben, und diese ihm daraufhin die Karte aushändigte, könnte er sich wegen Betruges gegenüber und zu Lasten der F gemäß § 263 I StGB strafbar gemacht haben.
a) T täuschte die F über die Tatsache, dass er von vornherein mit der Karte Geld abheben wollte, wodurch bei dieser eine Fehlvorstellung, mithin ein Irrtum, erregt wurde. Durch die Übergabe der Geldbörse, die die EC-Karte und die PIN enthielt, nahm sie auch eine Handlung vor, die sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkte, sodass auch eine Vermögensverfügung vorliegt.
b) Fraglich ist allerdings, ob schon zu diesem Zeitpunkt ein Vermögensschaden gegeben ist. Das ist insoweit problematisch, als es zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu einer Geldabhebung durch den T gekommen ist. Es könnte aber bereits eine konkrete Vermögensgefährdung vorliegen, die mit einer Vermögensschädigung gleichzustellen ist. Wie eine solche zu bestimmen ist, ist umstritten.
aa) Teilweise wird eine konkrete Vermögensgefährdung erst angenommen, wenn der Eintritt des Vermögensschadens nur noch vom Zufall abhängt. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Täter selbst noch Handlungen vornehmen muss, um den Schaden herbeizuführen (so etwa Schönke/Schröder, § 263 StGB, Rn. 143 f.). Hier muss der T noch am Geldautomaten Geld abheben, um den Vermögensschaden herbeizuführen, sodass nach dieser Ansicht eine konkrete Vermögensgefährdung noch nicht angenommen werden kann.
bb) Man könnte aber auch die konkrete Vermögensgefährdung dann bereits bejahen, wenn die wesentliche Zugriffsschwelle des Täters überschritten ist. Das wird man bei der Erlangung der EC-Karte samt PIN bejahen müssen, sodass nach dieser Ansicht eine konkrete Vermögensgefährdung gegeben ist.
cc) Die unterschiedlichen Ergebnisse erfordern die Entscheidung des Streits. Die besseren Gründe sprechen für die erste Ansicht: Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist eine restriktive Auslegung geboten. Zudem würde, wenn man die Anforderungen lockern würde, die Grenze zum Versuch unbillig verschoben. Daher ist zu diesem Zeitpunkt noch keine konkrete Vermögensgefährdung anzunehmen, die einem Vermögensschaden gleichsteht.

Anmerkung: Mit guten Argumenten ist eine andere Ansicht hier natürlich ebenso gut vertretbar.

dd) Durch die Erlangung der Karte hat sich T noch nicht nach § 263 I StGB strafbar gemacht.
 
2. Scheck- und Kreditkartenmissbrauch, § 266b I StGB
Eine Strafbarkeit wegen Scheck- und Kreditkartenmissbrauchs nach § 266b I StGB durch das Geldabheben kommt nicht in Betracht, da T kein berechtigter Karteninhaber ist und daher kein tauglicher Täter sein kann.
 
3. Computerbetrug, § 263a I StGB
Fraglich ist, ob eine Strafbarkeit wegen Computerbetrugs nach § 263 I Var. 3 StGB besteht.
a) Auch hier geht es wieder um die Bestimmung des Tatbestandsmerkmals der unbefugten Verwendung. Da hier der täuschungsäquivalenten Auslegung gefolgt wird, stellt sich die Frage, ob sich das Geldabheben des T als täuschungsgleich darstellt. Dies ist der Fall: Einen hypothetischen Bankangestellten würde T über seine generelle Befugnis zur Benutzung der Karte täuschen, sodass ein unbefugtes Verwenden der Daten anzunehmen ist.
b) Hierdurch beeinflusste er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs und führte einen Vermögensschaden i.H.v. 1000 Euro herbei.
c) Dies tat er auch vorsätzlich und in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.
d) Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
e) T hat sich nach § 263 I Var. 3 StGB strafbar gemacht.
 
4. Untreue, § 266 I StGB
Eine Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 I StGB scheidet mangels Vermögensbetreuungspflicht aus.
 
5. Erschleichen von Leistungen, § 265a I StGB
Mangels Erschleichen hat sich der T beim Geldabheben auch nicht nach § 265a I StGB strafbar gemacht.
 
6. Diebstahl, § 242 I StGB
Ebenso scheitert eine Strafbarkeit nach § 242 I StGB, da aufgrund der äußerlich funktionsgemäßen Bedienung ein tatbestandsausschließendes Einverständnis der Bank vorliegt.
 
7. Betrug, § 263 I StGB
Indes ist dann mit der Erlangung des Geldes ein Vermögensschaden eingetreten, mithin ein vollendeter Betrug (hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen s.o.) gegeben.
 
8. Unterschlagung, § 246 I StGB
Eine Unterschlagung durch dieselbe Handlung muss dann konsequenterweise ausscheiden, da eine durch Betrug erlangte Sache nicht gleichzeitig unterschlagen werden kann.
 
C) Zusammenfassung
Bei der ersten Auseinandersetzung mit der Problematik stellt sich diese oftmals als schwierig und kompliziert dar. Dabei hilft es, eine Ordnung in zeitlicher Hinsicht (Erlangung der Karte, Verwendung der Karte, Erlangung des Geldes) und hinsichtlich der Person des Handelnden (Karteninhaber/Nichtberechtigter) vorzunehmen. Als Faustformeln – die natürlich nicht auf jede Abwandlung passen – kann man sich folgendes merken:

  • Beim berechtigten Karteninhaber treten bezüglich der Erlangung der Karte regelmäßig keine Probleme auf. Bei der Verwendung der Karte kann er sich nach § 266b StGB strafbar machen, aber nur, wenn der Karte insofern eine Garantiefunktion zukommt. Eine Strafbarkeit nach § 263a I Var. 3 StGB scheidet dagegen nach der täuschungsäquivalenten Auslegung regelmäßig aus, da nur die generelle Befugnis zur Benutzung der Karte geprüft wird. Ebenso zu prüfen sind § 266 I StGB, § 265a I StGB, § 242 I StGB und § 246 I StGB, die aber – jedenfalls in den klassischen EC-Karten-Fällen – in der Regel abzulehnen sind.
  • Handelt der Nichtberechtigte, kann bezüglich der Erlangung der Karte § 263 I StGB (wie in Fall 2) oder § 242 I StGB zu prüfen sein. Der Nichtberechtigte kann sich nicht nach § 266b StGB strafbar machen; hier erscheint im Einzelfall allenfalls eine Teilnahme möglich. Bei § 263a I Var. 3 StGB kommt es hinsichtlich des Merkmals unbefugt darauf an, ob der berechtigte Karteninhaber dem Nichtberechtigten die Karte zur Verwendung überlassen hat. Ist das der Fall, scheidet eine Strafbarkeit auch dann aus, wenn der Nichtberechtigte absprachewidrig einen Mehrbetrag abhebt, denn der Umfang der Berechtigung im Innenverhältnis wird von der Bank nicht geprüft. Ist er jedoch nicht zur Verwendung befugt, kommt eine Strafbarkeit nach § 263a StGB in Betracht. § 266 StGB und § 265a StGB sind zu prüfen, aber in der Regel nicht einschlägig. Gleiches gilt für § 242 I StGB. Anknüpfend an die Erlangung des Geldes kann oftmals noch ein Schwerpunkt in der Prüfung einer Unterschlagung oder eines Betrugs (ggf. durch Unterlassen) liegen.

 

21.03.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-03-21 10:44:112019-03-21 10:44:11Klassiker des Strafrechts: EC-Karten-Fälle
Gastautor

Klausurrelevante Probleme: Manipulation von Organtransplantationsunterlagen

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Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Sina Nienhaus veröffentlichen zu können. Anhand eines Beispielsfalls analysiert sie die klausurrelevanten Probleme des „Organspende-Skandals“. Der Sachverhalt eignet sich aufgrund der vielfältigen Probleme aus dem Allgemeinen Teil sowie der Kombination mit den Urkundendelikten vortrefflich als Gegenstand einer Klausur oder mündlichen Examensprüfung.
A. Sachverhalt
Die Zuweisung von Organen erfolgt nach § 12 Transplantationsgesetz (TPG) über Eurotransplant als zentrale Vermittlungsstelle. Diese erstellt anhand bestimmter Parameter, welche den Gesundheitszustand und damit die Dringlichkeit einer Transplantation abbilden, eine Rangfolge. Für den Fall der vorliegend besonders relevanten Lebertransplantationen ist dabei der so genannte MELD-Score („Model for endstage Liver Disease“) ausschlaggebend. Dies wird durch Richtlinien der Bundesärztekammer, zu deren Erlass sie nach § 16 I 1 Nr. 5 TPG ermächtigt ist, medizinisch konkretisiert. Die Vergabe von Organen erfolgt dabei über das Standardverfahren, welches ein durch verschiedene Kriterien bestimmtes Rangsystem darstellt. Die Vergabe ist aber auch nach einem beschleunigten Verfahren möglich, wenn aufgrund medizinischer Erfordernisse eine möglichst orts- und zeitnahe Transplantation geboten ist. Der prozentuale Anteil dieser Fälle ist in den letzten Jahren stark angestiegen.
Der leitende Transplantationsmediziner  hat wiederholt die Krankenakten eigener Patienten, welche ein Spenderorgan benötigten, auf verschiedenen Wegen manipuliert, um eine schnellere Zuteilung eines solchen Organs im Wege des Standardverfahrens zu erreichen. So hat er Laborwerte gefälscht, durch das Verändern oder Erfinden von Dialyseprotokollen Nierenschädigungen vorgetäuscht und seine Krankenakten entsprechend verfasst, sodass sie auf der Warteliste für ein Spenderorgan vorrücken konnten. Aufgrund der Weiterleitung der manipulierten Krankenakten wurden die Patienten des Arztes weit oben in der Rangliste eingestuft oder rückten einige Plätze nach oben. Folglich wurden dadurch andere transplantationsbedürftige Patienten von ihrem bisherigem Rang verdrängt. Ein unmittelbar verdrängter Patient verstirbt, da er nicht rechtzeitig ein Spenderorgan erhalten hat.
B. Tötungsdelikte
I. § 212 StGB 
Der Arzt könnte sich der vorsätzlichen Tötung gegenüber dem verdrängten Patienten strafbar gemacht haben, indem er die Akten seiner eigenen Patienten manipulierte und jener daraufhin nicht rechtzeitig ein Spenderorgan erhielt.
1. Erfolg
Der tatbestandsmäßige Erfolg ist durch den Tod eingetreten.
2. Handlung: 
Dies müsste durch eine Handlung des Transplantationsmediziners geschehen sein. Dieser manipuliert die Akten zu Gunsten seines eigenen Patienten und übermittelt die Daten an Eurotransplant. So wird ein ranghöherer Patient auf der Warteliste unmittelbar durch den Patienten des Mediziners von seinem Listenplatz verdrängt und Eurotransplant verweigert ihm nun fälschlicherweise die Chance, ein Organ zu erhalten, obwohl er an sich an der Reihe wäre. Der Manipulationsvorgang kann nun in zweifacher Hinsicht gedeutet werden. Dies ist insofern relevant, als dass zwar in der Manipulation eine aktive Handlung liegt, diese aber nach einer Ansicht zu einem Unterlassen, nämlich der Verweigerung der Zuteilung eines Organs, durch ein  Werkzeug – Eurotransplant – führt (Schroth, NStZ 2013, 437, 443). Diese Konstellation wird bisher wenig diskutiert und es ist nicht geklärt, ob dies für den mittelbaren Täter als Tun oder Unterlassen zu werten ist. Letzteres würde dazu führen, dass es sich um ein unechtes Unterlassungsdelikt handelt, welches wiederum eine Garantenstellung des Mediziners gegenüber dem verstorbenen Patienten voraussetzt. Es erscheint angemessen auf die Grundsätze der vergleichbaren Problematik bei der Abgrenzung von Tun und Unterlassen abzustellen. Danach soll der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit maßgeblich sein (Kindhäuser/Neumann/Paeffgen–Wohlers/Gaede, StGB, § 13 Rn. 7 mwN). Da das vorgeworfene Unrecht vor allem in der aktiven Handlung zu sehen ist – nämlich die Vornahme der Manipulationen – ist i.E. daher aktives Tun anzunehmen.
Nach anderer Auffassung kann in der Manipulation der Krankenakten auch eine „Störung rettender Kausalverläufe“ gesehen werden. Danach haftet derjenige für positives Tun ,der die Rettungsmöglichkeit eines anderen vernichtet (vgl. Kudlich, NJW 2013, 917, 918; Schönke/Schöder- Stree/Bosch, StGB, 28. Aufl. 2010, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 159 mwN). Die Meinungen kommen letztlich zu demselben Ergebnis somit kann ein Streitentscheid offen bleiben. Die Begründung einer Garantenstellung des behandelnden Arztes ist somit nicht nötig.
Hinweis:
An dieser Stelle könnte noch problematisiert werden, ob durch die Manipulation überhaupt in eine zurechenbare strafrechtlich geschützte Rechtsposition eingegriffen wurde. Erörterungswürdig erscheint, dass sich weder aus dem TPG noch aus der Schutzdimension des Art. 2 II GG eine rechtliche Verpflichtung für Eurotransplant ergibt, das Organ einer bestimmten Person zuzuteilen. So beinhaltet Art. 2 II GG ein Recht auf Krankenbehandlung, das der Staat absichern muss, aber kein Recht auf Zuteilung eines Organs im Rahmen einer Krankenbehandlung (vgl. Schroth, NStZ 2013, 437, 443 f.).
3. Kausalität und objektive Zurechenbarkeit

Die Manipulation der Krankenakten müsste ferner kausal iSd der condito-sine-qua-non-Formel und den Tod des ursprünglich „ranghöheren“ Patienten in objektiv zurechenbarer Weise verursacht haben. Im vorliegenden Fall der Listenmanipulation erweist es sich schon als schwierig, die genaue Identität der Person nachzuweisen der das Organ zugeteilt worden wäre. Nur der Nachweis, dass das Organ, das hätte zugeteilt werden müssen, den Tod eines Menschen verhindert hätte oder dazu geführt hätte, dass es einem anderen Schwerkranken bei der Therapie geholfen hätte, ließe es zu, strafrechtlich davon zu sprechen, dass die fehlerhafte, unterlassene Zuteilung kausal war für den Tod (vgl. Verrel, Sanktionierung von Allokationsauffälligkeiten in Lilie/Rosenau/Hakeri (Hrsg.), Organtransplantation, 2011, S. 181, 184). Daneben könnten auch die Tatsachen, dass das Spenderorgan abgestoßen wird oder die Möglichkeit, dass der „Unbekannte” ein anderes Organ erhalten hätte („hypothetische Ersatzkausalität“)den forensischen Nachweis der Kausalität der Manipulationshandlung für den Tod eines anderen verhindern (so Schroth, NStZ 2013, 437, 442). So muss bei nicht hinreichender Sicherheit der Feststellung der Kausalität nach dem Grundsatz in dubio pro reo zu Gunsten des Mediziners eine Kausalität abgelehnt werden (vgl. Terbille-Sommer/Tsambikakis, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 2009, § 2 Rn. 87 mwN).
Auch das derjenige den Tatbestand des Totschlags erfüllt, der durch die pflichtwidrige Handlung  die Lebenserwartung sogar um eine nicht messbare kurze Zeitspanne verkürzt (Terbille-Sommer/Tsambikakis, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, § 2 Rn. 89; Spickhoff-Knauer/Brose, Medizinrecht, § 212 Rn. 13 mwN), ändert an dem Ergebnis nichts. Denn auch hier muss die Verkürzung kausal und objektiv zurechenbar sein. Auch diese scheitert jedoch aufgrund der oben dargestellten Erwägungen.
Eine Zurechnung des Todeseintritts könnte darüber hinaus auch dem Schutzzweck der Vergaberegeln widersprechen. Dies ist der Fall, wenn sich die Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolgs als bloßer Schutzreflex der Sorgfaltspflicht darstellt (Roxin, Strafrecht AT, § 11 Rn. 86). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Platzierung auf einer Warteliste mit einer Reihe weiterer Unsicherheiten verbunden ist. So besteht immer die Gefahr von der eigenen akuten Verschlechterung des Gesundheitszustands, bevor durch eine Listenkorrektur reagiert werden kann, bis zum „Überholtwerden“ von neuen Patienten oder von solchen, deren Gesundheitszustand sich verschlechtert. Daher kann auch das gängige Vergabeverfahrens nicht mit hinreichender Sicherheit die Chance einer späteren Organzuteilung gewährleisten (vgl. Kudlich, NJW 2013, 917, 918). Somit wäre der objektive Tatbestand mangels objektiver Zurechnung nicht erfüllt.
Exkurs: Zur Beurteilung der Überlebenschancen gibt es zwar statistische Erfahrungswerte, die diesen Anforderungen der Höhe nach genügen dürften, angesichts des in der Natur des Organ-Vergabesystems liegenden typischerweise schlechten Gesundheitszustands der Empfänger und der nie auszuschließenden Operationsrisiken ist der volle Nachweis einer solchen Kausalität im Einzelfall wohl aber schwierig zu führen (Kudlich, NJW 2013, 917, 919 mwN). Vgl. dazu allein den aktuellen „Skandal“, bei dem sich die Kammer die Mühe gemacht hatte, für jeden angeklagten Fall der Manipulation zu recherchieren, was aus denjenigen Kranken wurde, denen die Patienten von O. vorgezogen wurden. Einer dieser bevorzugten Patienten sprang durch die Manipulationen gleich von Rang 34 auf Rang 2 und erhielt binnen Tagen eine Leber. Der Richter fasst die Recherchen zusammen: Der Patient auf Rangnummer 3 bekam ein Organ und lebt. Nummer 4 bekam ein Organ und starb nach der Operation. Nummer 5 bekam ein Organ und lebt, Nummer 6 bekam ein Organ und ist gestorben. Nummer 7 bekam ein Organ, er hatte sogar sieben Angebote. Nummer 8 wurde von der Liste genommen, weil sich sein Zustand besserte. Nummer 9 bekam ein Organ und starb, Nummer 10 lebt. (SZ vom 23.08.2013 http://sz.de/1.1753655).
4. Ergebnis zu I.
Der Transpantationsmediziner hat sich nicht der vorsätzlichen Tötung zu Lasten des ursprünglich „ranghöheren“ Patienten strafbar gemacht.
II. §§ 212, 22, 23 I StGB zu Lasten des ursprünlich „ranghöheren“ Patienten

Der Transplantationsmediziner könnte sich jedoch des versuchten Totschlags zu Lasten des verstorbenen Patienten strafbar gemacht haben. So könnte er den Tode eines Patienten zumindest billigend in Kauf genommen haben, dessen tatsächlicher (und auch kausal verursachter) Eintritt im Einzelfall aber unbeweisbar bleibt.
Vorprüfung
Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus der Verbrechensnatur des Totschlags (§ 212 StGB  iVm §§ 23 I, 12 I StGB). Mangels Kausalität bzw. objektiver Zurechnung liegt auch kein vollendetes Delikt vor.
1. Tatentschluss
Der behandelnde Arzt müsste einen Tatentschluss gefasst haben. Dies setzt voraus, dass er Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale hatte.
a) dolus directus 2. Grades: Wissentlichkeit
Der Arzt könnte mit dolus directus 2. Grades gehandelt haben. Dieser liegt vor, wenn der Täter sicher weiß, dass sein Verhalten die Merkmale eines Straftatbestandes erfüllen wird (MüKo/Joecks, StGB, § 16 Rn. 25). Ein Arzt, der Krankenakten manipuliert, um ein Organ für seinen Patienten zu erhalten, erkennt sicherlich die Beeinträchtigung einer Genesungsmöglichkeit eines anderen, er geht aber nicht davon aus, dass er durch sein Handeln fremdes Leben zerstört. Das Erkennen einer Gesundheitsgefahr für einen unbekannten Kranken, deren Intensität und Qualität er gar nicht hinreichend einschätzen kann, begründet möglicherweise einen Gefährdungs-, nicht jedoch einen Verletzungsvorsatz. (so auch Schroth, NStZ 2013, 437, 442).
b) dolus eventualis
G könnte jedoch mit dolus eventualis gehandelt haben. Bedingt vorsätzlich handelt, wer den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 15 Rn. 9a f. mwN). Das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes kann gleichwohl im Einzelfall fehlen. So etwa wenn der Täter trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut.
Nach ständiger Rechtsprechung wird vertreten, dass insbesondere bei der Tötung eines Menschen eine erhöhte Hemmschwelle überwunden werden muss, da vor dem Tötungsvorsatz eine viel höhere Hemmschwelle stehe als vor dem bloßen Gefährdungsvorsatz (vgl. nur BGH NStZ 1983, 407; zuletzt NJW 2012, 1524; allerdings möglicher Wandel der Rechtsprechung: BGH NStZ 2012, 384, 386). Zusätzlich ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der Täter Arzt ist und somit schon grundsätzlich unterstellt werden kann, dass das Wohl der Patienten im Vordergrund steht. Daher sind zur Feststellung eine vorsätzlichen Schädigung von Leib oder Gesundheit eines Menschen noch höhere Hürden zu überwinden, weil derartige Handlungen eines Arztes zum Nachteil von Patienten nach der Lebenserfahrung regelmäßig die Ausnahme darstellen (vgl. BGHSt 56, 277; OLG Braunschweig vom 20.03.2013 – Ws 49/13, juris)
Diese Sorge um den eigenen Patienten wird nun von Rechtsprechung und Literatur konträr gedeutet. Wie im Folgenden dargestellt, sieht die Rechtsprechung darin vor allem ein vorsatzbegründendes Element, da die Sorge gleichzeitig mit der Gleichgültigkeit gegenüber dem benachteiligten unbekannten Patienten einhergehe. Für die Literatur hingegen bedeutet es ein alle anderen Emotionen und Motivationen verdrängendes Kriterium, sodass eine billigende Inkaufnahme ausscheidet. .
aa) Rechtsprechung
Hinsichtlich des Wissenselements wurde vom OLG Braunschweig zunächst festgestellt, dass es offensichtlich bei der Manipulation der Wartelistenrangfolge zu Verzögerungen für die anderen Wartenden kommt. Diese Tatsache ist jedem bewusst (OLG Braunschweig, aaO, Rn. 39) Nun müsste dem Mediziner auch weiterhin bewusst gewesen sein, dass diese Verzögerung zu einer unmittelbaren Todesgefahr für die „Übergangenen“ führen kann. Nach dem „MELD-Score”-System werden vorrangig diejenigen Patienten berücksichtigt, die ohne Transplantation unmittelbar vom Tod bedroht sind. Für diese Patienten kann jede noch so geringe Verzögerung der Transplantation eine lebensverkürzende Wirkung entfalten. Da der Transplantationsarzt mit dem Vergabesystems des MELD-Scores vertraut sei, wüsste er auch um die lebensverkürzende Wirkung.
Der Arzt  müsste schließlich auch ein voluntatives Element aufweisen. Dies werde bereits durch seine große Sorge um die eigenen Patienten indiziert. Die Hemmschwellentheorie greife im vorliegenden Fall gerade nicht, weil es hier nicht um eine Tötung eigener Patienten gehe, sondern um fremde und zudem anonyme Menschen. Die hemmschwellenbegründende Situation, nämlich der direkte persönliche Kontakt mit einen Individuum, liegt daher gerade nicht vor. Vielmehr werde die Hemmschwelle aufgrund der Anonymität („Gesichtslosigkeit möglicher Opfer“) noch herabgesenkt.  Hinzu kommt die Sorge  um das Wohl des eigenen Patienten. Diese  kehrt im vorliegenden Fall aufgrund der Organknappheit als vorsatzbegründendes Element wieder. Denn hier begründe die Nähe zum eigenen Patienten, ein von Mitgefühl getragenes Engagement auf der einen Seite, während auf der anderen Seite nur ein Rangplatz auf der Warteliste stehe, hinter dem sich ein anonymer nur durch eine Nummer individualisierbarer Mensch verberge, an dessen Schicksal man keinen Anteil nehme (OLG Braunschweig, aaO, Rn. 45)
Schließlich könne aufgrund der Unwägbarkeiten des Vergabeprozesses, welche zu erneuten weiteren Verzögerungen führen können, auch nicht von einem vorsatzausschließenden Vertrauen auf das Ausbleiben der schweren Folgen geschlossen werden (OLG Braunschweig Rn. 48). Der Mediziner handelte danach vorsätzlich.
bb) Literatur
Die Literaturmeinung sieht hingegen in der Sorge des Arztes um seine Patienten gerade ein vorsatzverneindes Argument So sehe zwar ein Arzt, der Krankenakten manipuliert, um ein Organ für seinen Patienten zu erhalten, wahrscheinlich die abstrakte Möglichkeit der Beeinträchtigung der Genesung eines anderen Wartelistenpatienten, er wird jedoch auch aufgrund der zahlreichen Unwägbarkeiten des Vergabeverfahrens – so werden Organe unter bestimmten Umständen nicht nur an high urgency Patienten verteilt und es gibt die Möglichkeit des beschleunigten Verfahrens – nicht davon ausgehen, dass seine Handlung fremdes Leben zerstört. Hinzu komme die Sorge um das Wohl des eigenen Patienten, die andere unbekannte Patienten aus dem Motivationsgefüge des Arztes völlig verdränge und nicht automatisch eine Billigung des Eintritts des Erfolges bei anderen impliziere. So könne insbesondere die derzeit nicht seltene Nutzung des beschleunigten Verfahren ein Vertrauen beim manipulierenden Arzt begründen, dass ein eventuell benachteiligter Patient noch ein Organ erhält.
Auch die Annahme von dolus eventualis begründender absoluter Gleichgültigkeit überzeuge nicht da diese voraussetzt, dass auch sicheres Wissen den Täter nicht abgehalten hätte (Engisch, Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit im Strafrecht, 1964, S. 186 ff.). In einem derartigen Fall ist dem Arzt jedoch sowohl die Identität, sowie die genaue Krankensituation eines möglicherweise Geschädigten unbekannt. Nicht zuletzt wollen Ärzte Leben retten und nicht zerstören. (Schroth, NStZ 2013, 437, 442 f.):
cc) Ergebnis
Letztlich erscheint es entscheidend, wie der Begriff „billigend in Kauf nehmen“ zu verstehen ist. So stellte der BGH vom 22.04.1955 fest, dass unter „billigend In-Kauf-Nehmen“ nicht das Billigen im alltagssprachlichen Sinne zu verstehen sei, sondern ein „Billigen im Rechtssinne“, das dann vorliege, wenn der Täter den Erfolg für den Fall wolle, dass er „anders sein Ziel nicht erreichen kann“ (BGHSt 7, 363, 369). Die Bestimmung des Begriffs blieb dennoch schwierig und auch von zahlreichen Einzelfallentscheidungen geprägt (vgl. nur Übersicht in MüKo-Schneider, StGB, § 212 Rn. 15 – 51). Fest steht lediglich, dass diese Formel nicht bedeutet, dass der Täter den Erfolg gewünscht hat, dass er ihm gegenüber gleichgültig eingestellt gewesen ist, oder dass er ihn im natürlichen Sinne des Wortes gebilligt hat. Aber es genügt auch nicht, dass ihm der Vorwurf der Gleichgültigkeit in einem normativen Sinne gemacht werden kann, weil er sich durch die Erkenntnis einer großen Gefahr der Erfolgsverursachung nicht von seinem Handeln hat abbringen lassen (Kindhäuser/Neumann/Paeffgen-Puppe, StGB, 4. Aufl. 2013, § 15 Rn. 31). Schließlich ist bei der Beurteilung über das Vorliegen eines Eventualvorsatzes auch die Motivation und Täterpersönlichkeit zu berücksichtigen (BGHR StGB § 212 Abs. 1 – Vorsatz, bedingter 39). Der Arzt ist in der Regel davon angetrieben nur das Beste für seine Patienten zu wollen.
Auch aus der Tatsache, dass er als Transplantationsmediziner das Vergabeverfahren kennt und er daher wohl auch eine grundsätzliche Vorstellung über mögliche Konsequenzen einer Manipulation eigener Akten für die Anderen auf der Warteliste haben könnte, ist nicht zwingend vosatzbegründend.
So setzt das „billigende in Kauf nehmen“ zumindest voraus, dass der Täter einen möglichen Todeserfolg überhaupt erkannt, sich mit diesem grundlegend auseinandergesetzt und diesen „ins Bewusstsein“ mit aufgenommen hat (vgl. BGH vom 08.05.2001 – 1 StR 137/01 Rn. 9 = NStZ 2001, 475). Aus dem grundsätzlichen Wissen ist also nicht automatisch die bewusste Inkaufnahme zu folgern (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 14 Rn. 9). Hier ist letztlich der Einzelfall entscheidend. ISd in dubio pro reo-Grundsatzes müsste aber dem Mediziner unterstellt werden, dass das leitende Motiv die Hilfe der eigenen Patienten war und er die möglichen Folgen bei einer Weitergabe der manipulierten Akten an Eurotransplant nicht in seine Überlegungen mit einbezogen hat.
III. § 222 StGB
Der Transplantationsmediziner könnte sich aber weiterhin der fahrlässigen Tötung nach § 222 StGB strafbar gemacht haben. Eine Zurechnung scheidet jedoch auch aufgrund der Kausalitätproblematik aus. So reicht insbesondere die bloße Erhöhung des Gesundheitsgefährdungsrisikos für einen unbekannten Schwerkranken durch manipulierte Nicht-Zuteilung eines Organs zur Begründung nicht aus (gegen die Risikoerhöhungslehre etwa BGHSt 11, 1; 33, 61; Jakobs, StrafR AT, 2. Aufl., 7/98ff.; dagegen Anhänger der Risikoerhöhungstheorie dagegen Roxin, Strafrecht AT, § 11 Rn. 90; u.a. auch Ebert/Kühl, Jura 1979, 572 f.; Kretschmer, Jura 2000, 274f.)
IV. Ergebnis
Der Transplantationsmediziner hat sich nach hier vertretener Auffassung keines Tötungsdelikts strafbar gemacht.
Bei einer Bejahung des Vorsatzes müssten folgende Überlegungen weiter angestellt werden:
2. Unmittelbares Ansetzen
Der Transplantationsmediziner müsste auch unmittelbar zur Tathandlung angesetzt haben. Darunter ist jede Handlung zu verstehen, die nach der Vorstellung des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals unmittelbar vorgelagert ist und im Falle ungestörten Fortgangs ohne Zwischenakte in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden soll (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 22 Rn. 10 f. mwN). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil jede falsch gemeldete Dialyse eine Organzuteilung an den eigenen Patienten bewirken sollte, damit unmittelbar die Todesgefahr für die anderen (fremdem) Patienten begründet wurde und insoweit der weitere Verlauf und Ausgang für G nicht mehr steuerbar und auch nicht mehr rückgängig zu machen war.
3. Rechtsfertigungs- und Entschuldigungsgründe
Schließlich dürften keine Rechtsfertigungs- oder Entschuldigungsgründe vorliegen.
a) § 32 StGB
Dazu übersichtlich OLG Braunschweig, aaO, Rn. 52:

„Eine Rechtfertigung wegen Nothilfe gem. § 32 StGB scheidet aus, weil die anderen Patienten trotz der auf der Organknappheit beruhenden Konkurrenzsituation keine Angreifer der vom Beschuldigten behandelten Patienten sind. Dass Patienten mit einem MELD-Score von 40 in der Regel eine deutlich höhere Sterblichkeit nach der Transplantation haben als Patienten mit einem geringeren Zuteilungswert, rechtfertigt, auch wenn das Zuwarten die Chancen der eigenen Patienten auf ein Überleben der Erkrankung deutlich verschlechtert, schon deshalb keine Eingriffe in das Verteilungssystem, weil das Leben des Menschen nach dem Grundsatz des absoluten Lebensschutzes in jeder Phase ohne Rücksicht auf die verbliebene Lebenserwartung den ungeteilten Schutz der Rechtsordnung genießt (vgl. BGHSt 21, 59, 61; LK-Jähnke, StGB, 11. Aufl., Rn. 5 Vor § 211).“

b) § 34 StGB
Auch scheidet der rechtfertigende Notstand gem. § 34 StGB aufgrund der Gleichwertigkeit der betroffenen Rechtsgüter aus (vgl. nur BGHSt 48, 255, 257). Die Manipulationen waren auch nicht durch eine etwaige Pflichtenkollision gerechtfertigt. G war nicht zu einer Rettung seiner Patienten um jeden Preis, insbesondere nicht unter Verletzung der Vergabevorschriften unter Manipulation der Patientendaten, verpflichtet. Ebenfalls ist eine hypothetisch unterstellte mögliche ähnliche Manipulation auch anderer oder aller tätigen Transplanteure als Rechtfertigung nicht geeignet, weil es keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gibt (LG Braunschweig vom 11. Februar 2013 – 9 Qs 20/13, juris).
c) § 35 StGB
Da es sich bei den durch die Manipulation begünstigten Patienten nicht um dem Beschuldigten nahestehende Personen handelte, scheidet schließlich auch ein entschuldigender Notstand gem. § 35 StGB aus.
d) Ergebnis zu 3.
Es liegen keine Rechtsfertigungs- oder Entschuldigungsgründe vor.
4. Ergebnis
Der Transplantationsmediziner des versuchten Totschlags nach §§ 212 I, 22, 23 I StGB strafbar gemacht.
C. Urkundsdelikte 
I. § 267 StGB
Der behandelnde Arzt könnte sich der Urkundenfälschung strafbar gemacht haben, indem er die Krankenakten mit falschem Inhalt angelegt hat. Dabei ist es umstritten, ob es sich bei einer Krankenakte überhaupt um eine Gesamturkunde handelt (Vgl. BeckOK-Weidemann, StGB, § 267 Rn. 13.1 mwN). Dieser Streit kann jedoch ohne Entscheidung bleiben, wenn schon keine  tatbestandliche Handlung vorliegt. So kommt eine Verfälschung einer Gesamturkunde durch den Aussteller nur in Betracht, wenn und soweit Teile entfernt oder gelöscht werden nachdem er die Dispositionsbefugnis darüber verloren hat. In Bezug auf Krankenakten ist dort wiederum strittig wann dieser Zeitpunkt einsetzt (vgl. Spickhoff-Schuhr, Medizinrecht, 1. Aufl. 2011, § 267 Rn. 35). Der G legt vorliegend jedoch die Krankenakten schon falsch an. Die inhaltliche Wahrheit wird jedoch gerade nicht von § 267 StGB umfasst (vgl. MüKo-Erb, StGB, § 267 Rn. 9 a.E.; Wessels/Hettinger, Strafrecht BT I, Rn. 789). Er hat sich damit nicht nach § 267 StGB strafbar gemacht.
II. § 268 I Nr. 1 StGB
Der Arzt könnte sich jedoch nach § 268 I Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben, in dem er die Dialyseprotokolle nachträglich verändert. Bei Dialyseprotokollen handelt es sich um technische Aufzeichnungen iSd § 268 II StGB. Das Schutzgut des § 268 StGB ist die Zuverlässigkeit der selbständigen Arbeitsweise des funktionstüchtigen und ordnungsgemäß vorbereiteten Geräts. („Garantiefunktion“ Spickhoff-Schuhr, Medizinrecht, § 268 Rn. 5.) Durch seine Handlung verletzt G genau dieses Gut. Eine Strafbarkeit nach § 268 I Nr. 1 StGBist im Ergebnis zu bejahen.
III. § 278 StGB
Der Transplantationsmediziner könnte sich zudem nach § 278 StGB strafbar gemacht haben, indem er unrichtige Krankenakten an Eurotransplant übermittelt. Er müsste ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde wider besseres Wissen ausgestellt haben.
Gesundheitszeugnisse sind Urkunden mit Tatsachenaussagen über den Gesundheitszustand eines lebenden Menschen. Dazu gehören auch Krankenakten. (MüKo-Erb, StGB, § 277 Rn. 2). Im Gegensatz zu § 267 umfasst § 278 StGB auch die schriftliche Lüge. Die Übermittlung von vornherein falsch angelegter Akten ist somit tatbestandsmäßig.
Fraglich ist jedoch ob es sich bei Eurotransplant auch um eine Behörde iSd §§ 278, 11 Nr. 7 StGB handelt. Eurotransplant ist eine privat gegründete, gemeinnützige Stiftung nach niederländischem Recht mit Sitz in den Niederlanden, welche ermächtigt ist die Verteilungskriterien von Organen zu gewichten und Vermittlungsgsentscheidungen im Einzelfall  – mit eigenem Ermessen – zu treffen. Eurotransplant muss gemäß § 12 III TPG nach Regeln vermitteln, die dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen.
Auch ausländische Institutionen sind über § 278 StGB geschützt. Dies allerdings nur dann, wenn sie Behörden sind  (MüKo-Erb, § 277 Rn. 8). Nach h.M. wird Behörde als  „ständiges, von der Person des Inhabers unabhängiges, in das Gefüge der öffentlichen Verwaltung eingeordnetes Organ der Staatsgewalt mit der Aufgabe, unter öffentlicher Autorität nach eigener Entschließung für Staatszwecke tätig zu sein”(BVerfGE 10, 48; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 11 Nr. 29 mwN) definiert. Eurotransplant müsste somit hoheitlich tätig werden. Dies wäre der Fall, wenn ihr Hoheitsrechte als Aufgabe des Staates übertragen worden wären zur. Faktisch ist zwar die Ausübung von Hoheitsrechten gegeben, es liegt jedoch keine legitime Übertragung von Hoheitsrechten, wie sie Art. 24 GG verlangt vor. Zudem weist Eurotransplant keine Behördenstruktur auf und ist auch nicht in das Gefüge der öffentlichen Verwaltung eingeordnet. Darüber hinaus ist Eurotransplant als privatrechtliche Stiftung organisiert. Dies spricht gegen eine Interpretation als Behörde (ausführlich Schroth, NStZ 2013, 437, 446 f. mwN). Der Ttransplantationsmediziner hat sich somit nicht nach § 278 StGB strafbar gemacht.
IV. Ausblick
Angesichts der jüngsten Skandale um manipulierte Organvergaben hat der Bundestag nun zum 01.08.2013 einen Absatz 2a in § 19 TPG eingefügt (BGBl I, 2423), wonach künftig mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer absichtlich entgegen dem ebenfalls neu eingefügten § 10 III 2 TPG den Gesundheitszustand eines Patienten erhebt, dokumentiert oder übermittelt (NJW-Spezial 2013, 505).
Hinweis
Der Transplantationsskandal ist nicht nur für strafrechtliche Fragestellungen ausgesprochen interessant, sondern enthält auch eine relevante Problematik des öffentlichen Rechts. So ist es stark umstritten, ob die Ermächtigung der Bundesärztekammer zum Erlass von Richtlinien nach § 16 I 1 Nr. 5 TPG, die letztlich über „Leben und Tod“ entscheiden, überhaupt verfassungsgemäß ist oder ob der Gesetzgeber nach der Wesentlichkeitstheorie den Modus der Verteilung lebenswichtiger Organe nicht selbst definieren muss (Schroth/König/Gutmann/Oduncu-Gutmann, TPG, 1. Aufl. 2005, § 16 B II; zu § 12 III TPG Gutmann/Fateh-Moghadam, NJW 2002, 3365).

24.09.2013/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2013-09-24 08:00:522013-09-24 08:00:52Klausurrelevante Probleme: Manipulation von Organtransplantationsunterlagen

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