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Schlagwortarchiv für: objektive Zurechnung

Gastautor

Die objektive Zurechnung in der Prüfung bei Erfolgsdelikten

Strafrecht, Strafrecht AT, Uncategorized

Die objektive Zurechnung im Strafrecht stellt nicht nur jüngere Semester immer wieder vor Herausforderungen. Mit den einzelnen Fallgruppen und Tipps für einen gelungenen Prüfungsaufbau hat sich unser Gastautor Matthias B. Haase beschäftigt. Er ist Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Deutsche und Rheinische Rechtsgeschichte und Bürgerliches Recht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

I. Die objektive Zurechnung als Dauerbrenner

Die objektive Zurechnung spielt insbesondere bei Erfolgsdelikten eine entscheidende Rolle in der Klausur. Viele bekannte Probleme sind mit diesem Tatbestandsmerkmal verbunden. Das Erkennen, Verstehen und Lösen der verschiedenen Problemkonstellationen in der Falllösung kann durch einen sauberen Prüfungsaufbau bewältigt werden. Dazu bedarf es einer klaren Einordnung der verschiedenen Fallgruppen in die Definitionsbegrifflichkeiten. Dies soll in den nachfolgenden Ausführungen geschehen. Wichtig zu betonen ist aber, dass nicht in jeder Klausur eine vollständige Prüfung durchgeführt werden sollte. Stattdessen sollte das Prüfungsschema zumindest vor dem geistigen Auge nachvollzogen werden, um die Probleme schnell zu erkennen und sauber im Gutachtenstil mit richtiger Schwerpunktsetzung abzuarbeiten. Der Beitrag orientiert sich insgesamt an den Kontroversen von Kindhäuser und Roxin.

Die Prüfung ist mit der allgemeinen Definition einzuleiten: „Der tatbestandliche Erfolg eines Deliktes ist dem Täter objektiv nur zurechenbar, wenn dieser mit seinem Verhalten ein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen hat, welches sich im tatbestandlichen Erfolg realisiert hat.“[1]

II. Erlaubte Risiken

Zunächst ist also die Frage zu stellen, ob ein Verhalten die Schaffung eines rechtlich missbilligten Risikos darstellt; also ein durch die Rechtsordnung verbotenes Risiko. Das Risiko ist dabei als Vorstufe zum Erfolg zu verstehen. Ohne ein solches kann auch kein nachfolgender Erfolg eintreten. Das Risiko stellt mit anderen Worten die Möglichkeit eines künftigen Erfolgseintritts dar.[2] Fraglich ist ob jeder tatbestandlicher Erfolg ein unerlaubtes Risiko als Vorbedingung hatte.

1. Risiko nicht vom Schutzzweck der Norm erfasst

Zwar kann sich ein Risiko verwirklicht haben (Erfolgseintritt); dieses zuvor geschaffene Risiko könnte aber möglicherweise nicht aufgrund derjenigen Norm verboten gewesen sein, die gerade geprüft wird. Dies ist dann der Fall, wenn die Auslegung der Norm ergibt, dass bestimmte Verhaltensweisen, die zu bestimmten Risiken führen, nicht durch die Norm unter Strafe gestellt werden sollen.[3] Insbesondere kommen Gefahrenbereiche in Betracht, die fast vollständig von Verhaltensregeln durchdrungen sind, sodass bei Einhaltung dieser Verhaltensregeln kein weiterer Risikoschaffungsvorwurf getätigt werden kann.

Beispiel: Umgang mit bestimmten Geräten oder Baumaschinen

Hierbei ist aber zu beachten, dass diese Durchdringung mit Verhaltensnormen unmöglich als abschließend gelten kann. Somit ist bei dieser Fallgruppe ergänzend zu den Verhaltensnormen noch zu fragen, ob ein Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht vorliegt; also die Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt.

2. Sozialübliches Verhalten (Sozialadäquanz)

Fraglich ist, ob ein sozialübliches Verhalten nur erlaubte Risiken schafft und damit eine objektive Zurechnung ausscheidet. Hierunter fallen insbesondere Verhaltensweisen, welche im Rahmen von alltäglichen Geschehnissen vorgenommen werden; insb. auch berufliche Tätigkeit.

Ein sozialübliches Verhalten ist nicht als solches ungefährlich. Hier muss immer auf den konkreten Fall geschaut werden. Entweder fehlt es bereits an der Kausalität oder es fehlt der Vorsatz bzw. die Vorhersehbarkeit. Damit führt ein sozialübliches Verhalten aber nicht automatisch dazu, dass ein erlaubtes Risiko vorliegt.[4]

Eine M.M. nimmt aber an, dass ein sozialübliches Verhalten einen Fall des Regressverbotes (s. dazu weiter unten) begründet: Hiernach fehle ein Risikozusammenhang. Aber auch diese Ansicht geht zunächst von einem unerlaubten Risiko aus.

3. Risikoverringerung

Fraglich ist, ob die Risikoverringerung ein erlaubtes Risiko darstellt und damit eine objektive Zurechnung ausscheidet.

a) Verhinderung der Risikorealisation

Wenn das Risiko vollkommen abgewendet worden ist und damit eine echte Risikoverringerung stattgefunden hat, liegt unstrittig kein unerlaubtes Risiko mehr vor. Das Risiko hat dann nicht mehr die Möglichkeit in einen rechtlich missbilligten Erfolg zu münden und kann dann im Wortsinn schon kein Risiko mehr darstellen.[5]

b) Austausch des Risikos

Wenn ein vollkommen neues Risiko anstelle des ursprünglichen Risikos geschaffen worden ist, wird unstrittig ein neues unerlaubtes Risiko geschaffen.[6] Dieses tatbestandliche Verhalten ist möglicherweise aber aufgrund einer (mutmaßlichen) Einwilligung gerechtfertigt. Bsp.: T stößt das O von einer Brücke. O wird so von der herannahenden Eisenbahn nicht erfasst. Beim Sturz von der Brücke wird O aber verletzt. Hier wird das Risko „vom Zug überfahren werden“, durch das Risiko „von der Brücke fallen“ ausgetauscht. Nur letzteres hat sich verwirklicht. Dieses Risiko ist aber unstrittig unerlaubt.

c) Quantitative Verminderung des Ausgangsrisikos

Umstritten ist aber, ob auch die Schadensverringerung ausreichend ist. Hierbei wird weder ein vollkommen neues Risiko geschaffen, noch wird das Ausgangsrisiko vollständig beseitig, sondern das mögliche Ausmaß der Realisierung verringert. Bsp.: T fasst O an den Arm und zieht es zur Seite. O wird dadurch von einem herabfallenden Stein nur an der Schulter verletzt, statt von diesem erschlagen zu werden.[7]

  • e.A.: Bei einer Schadensverringerung fehlt die Kausalität zwischen dem ursprünglichen Risiko und dem später abgeschwächt eingetretenen Erfolg. Stattdessen besteht Kausalität zwischen dem neuen abgeschwächten Risiko und dem später abgeschwächten eingetretenen Erfolg.[8] Eine Straffreiheit des Täters kann ohne Probleme über die Lehre der Einwilligung erreicht werden.[9] Folglich liegt in diesem Fall auch ein unerlaubtes Risiko vor. Arg.: Auf diese Weise kann besser auf den Willen des Opfers Rücksicht genommen werden;[10] Abgrenzung zur Schaffung eines vollkommen neuen Risikos kann willkürlich sein.[11]

Im obigen Fall wäre also die Schaffung des Risikos „fallender Stein auf Schulter“ unerlaubt.

  • aA.: Wenn ein quantitativ geringerer Erfolg eintritt, stellt das entsprechend vorherig verringerte Risiko ein erlaubtes Risiko dar.[12]

Im obigen Fall wäre also die Schaffung des Risikos „fallender Stein auf Schulter“ erlaubt.

III. Fehlende Realisation des unerlaubten Risikos (Fehlender Risikozusammenhang)

Das vom Täter geschaffene rechtlich missbilligte Risiko muss sich im tatbestandlichen Erfolg realisieren.

1. Fälle der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung

Wenn sich das Opfer der Erfolgsrealisation eigenverantwortlich aussetzt, realisiert sich nicht das ursprüngliche vom Täter geschaffene Risiko.

a) Abgrenzung eigenverantwortliche Selbstgefährdung / Fremdgefährdung

Zunächst ist fraglich, ob wirklich eine Selbstgefährdung oder aber eine Fremdgefährdung vorliegt. Letzteres führt zu keiner Unterbrechung des Risikozusammenhanges.

aa) Allg. Abgrenzungskriterien

Eine Selbstgefährdung liegt nur dann vor, wenn das Risiko vom Opfer allein oder zumindest zusammen mit dem Täter gleichgewichtig steuernd in den Händen gehalten wird. Ist dies nicht der Fall, liegt eine Fremdgefährdung vor.[13]

An dieser Stelle können ähnliche Abgrenzungskriterien wie bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme herangezogen werden.[14]

bb) Problem der einverständlichen Fremdgefährdung

In der Literatur wurde die Figur der einverständlichen Fremdgefährdung als Sonderfall entwickelt. Wenn nach obigen Abgrenzungskriterien zunächst eine Fremdgefährdung vorliegt, muss diese Frage geklärt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen wird eine Gleichsetzung mit der Selbstgefährdung durch die Literatur vorgenommen. Dabei muss der Erfolg Folge des zuvor vom Opfer bewusst eingegangenen Risikos sein. Darüber hinaus muss eine gleichrangige Verantwortlichkeit zwischen Täter und Opfer bestehen.[15]

Ein klassisches Beispiel dafür ist der Fall, in dem das Opfer sich in voller Kenntnis der Tatumstände in das Auto des offensichtlich betrunkenen Täters setzt und aufgrund der Fahrweise des Täters tödlich verunfallt.[16] Hier willigt das Opfer in das Risiko ein, aber nicht in den später eintretenden Erfolg.

Wenn ein Fall der einverständlichen Fremdgefährdung vorliegt, muss folgender Streit beachtet werden:

  • h.M.: Die eigenverantwortliche Selbstgefährdung und einverständliche Fremdgefährdung dürfen nicht gleichgesetzt werden. Letztere unterbricht nicht den Zurechnungszusammenhang.[17] Arg.: Wenn keine Unterscheidung stattfindet, könnten möglicherweise mit der Konstruktion der eigenverantwortlichen Fremdgefährdung bestehende Einwilligungssperren, wie z.B. die aus § 216 StGB umgangen werden.[18] Darüber hinaus ist die Fallgruppe der einverständlichen Fremdgefährdung nur schwer abgrenzbar.[19]

Hiernach wäre der Risikozusammenhang für T nicht unterbrochen.

  • M.M.: Die eigenverantwortliche Selbstgefährdung und die einverständliche Fremdgefährdung sind gleichzusetzen. Beides führt zum Ausschluss des Risikozusammenhangs.[20] Arg.: Anders als bei der Einwilligung wird bei der eigenverantwortlichen Fremdgefährdung nur in ein Risiko eingewilligt und nicht in die Realisation des Erfolgs.[21] Damit ist der Zweck der Einwilligungssperren nicht mehr gegeben: Schutz vor dem spezifischen Erfolg, der mit Einwilligung des Opfers ansonsten erfolgen würde.[22]

Hiernach wäre der Risikozusammenhang für T unterbrochen.

b) Grundsätzliche Kriterien der Eigenverantwortlichkeit

Im Falle der Annahme einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung unter a) oder der Annahme der M.M. unter b) muss geklärt werden, welche Kriterien herangezogen werden müssen, um die Eigenverantwortlichkeit des Opfers zu beurteilen.

  • h.M.: Einwilligungslösung – Das Opfer muss die nötige Einsichtsfähigkeit besitzen, um die Tragweite des Risikos zu beurteilen. Es darf sich darüber hinaus diesbezüglich nicht in einem Irrtum befinden.[23]
  • a.A.: Exkulpationslösung – Nach den §§ 19, 20, 35 StGB und § 3 JGG ist zu beurteilen, ob das Opfer schuldfähig war, als es sich dem Risiko aussetzte.[24] Anm.: Diese Ansicht ist zur h.M. kein aliud, sondern lediglich enger. Wenn nach dieser Ansicht keine Eigenverantwortlichkeit gegeben ist, dann ist dies nach der h.M. erst recht nicht der Fall.[25]
c) Durchbrechung dieses Prinzips

In manchen Fällen der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung wird dennoch die Unterbrechung des Risikozusammenhanges verneint.

aa) Unterlassung im Zeitpunkt der Gefahrensituation (Insb. bei Suizid)

Umstritten ist, ob der Zurechnungszusammenhang unterbrochen wird bzw. eine Garantenstellung gegeben ist, wenn das Opfer sich das Leben nimmt und eine zuvor helfende Person (Täter) sich in der Nähe des Opfers befindet und es retten könnte.

  • Heutige Rspr.: Eine Garanstellung/obj. Zurechnung ist grds. abzulehnen, sofern keine Hoffnung auf einen guten Ausgang beim Opfer besteht.[26] Eine Strafbarkeit gem. § 323c StGB scheitert in diesem Fall an der fehlenden Zumutbarkeit für den Täter (Konflikt zwischen allgemeiner Hilfspflicht und APR des Opfers).[27]
  • a.A.: Eine Garantenstellung ist stets zu verneinen. Der Risikozusammenhang wird unterbrochen. Möglicherweise ist aber § 323c StGB einschlägig, wenn der Erfolgseintritt nicht vom Opfer gewollt war.[28]

Die Ansichten divergieren nur noch im Randbereich der Hoffnung auf Ausbleiben des Erfolgseintritts.

bb) Fälle der verbotenen Mitwirkung; sog. paternalistische Fürsorgepflichten

Fraglich ist, ob in Fällen der verbotenen Mitwirkung der Risikozusammenhang auch anderer Straftaten (Tatbestände, die die verbotene Mitwirkung nicht ausdrücklich normieren) bestehen bleibt. Bsp.: T verkauft O eine Droge. O tötet im vollen Bewusstsein mit der Droge. Ist T neben § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG auch wegen § 222 StGB strafbar?

  • Rspr.: Die objektive Zurechnung ist nur in Bezug auf die Straftat gegeben, die dieses Verhalten ausdrücklich im Zusammenhang mit dem Erfolg normiert. Bzgl. der anderen möglichen Straftaten ist der Zurechnungszusammenhang wegen der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung unterbrochen. Arg.: Es findet nicht nur ein Individualschutz statt, sondern auch der Schutz der Volksgesundheit.[29]

Hiernach würde T nicht gem. § 222 StGB bestraft werden, aber gem. § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG. Dies gilt zumindest bei konsequenter Anwendung dieser Ansicht. Die Rechtsprechung verneint aber in diesen Fällen die Leichtfertigkeit.[30]

  • lit.M.: Eine Risikozusammenhang bzgl. § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG und § 222 StGB kommt nicht Betracht, wenn das Opfer sich vorsätzlich und voll verantwortlich getötet hat. Arg.: Wenn § 222 StGB abgelehnt wird, dann kann auch § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG nicht einschlägig sein. [31]

Hiernach wäre T weder gem. § 222 StGB, noch gem. § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG strafbar.

  • M.M.: Der Risikozusammenhang ist nicht nur für den spezifischen Tatbestand der verbotenen Mitwirkung unterbrochen.[32]

Hiernach wäre T grds. gem. § 222 StGB in Tateinheit mit § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG strafbar. Aufgrund des freiverantwortlichen Suizids käme diese Ansicht aber wahrscheinlich auch zu dem Ergebnis der lit. M. Andernfalls würde sie die Strafbarkeit nach beiden Tatbeständen bejahen.

cc) Retterfälle

Umstritten ist, ob der Risikozusammenhang auch dann unterbrochen ist, wenn ein eigenverantwortlich handelndes Opfer sich dem geschaffenen Risiko des Täters aussetzt, um andere Güter vor diesem Risiko zu schützen.

  • h.M.: Der Risikozusammenhang wird nur unterbrochen, wenn die Rettung der Güter objektiv vernünftig war. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Opfer aufgrund einer Beschützergarantenstellung zum Handeln verpflichtet ist.[33] Arg.: Das Opfer darf sich herausgefordert fühlen, die Güter zu schützen. Darüber hinaus übernimmt das Opfer quasi die Pflicht des Täters, die Güter zu schützen.[34]
  • a.A.: Bei allen Retterfällen wird der Risikozusammenhang nicht unterbrochen. Arg.: Schutz auch von nicht institutionalisierten Rettern.[35]
  • M.M.: In keinem dieser Fälle besteht ein Risikozusammenhang, sofern eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung vorliegt. Arg.: Das Opfer handelt freiwillig.[36]
2. Regressverbot

Fraglich ist, ob der Risikozusammenhang durch das Dazwischentreten eines Kausalverlaufes eines Dritten unterbrochen wird (Vorliegen eines vermittelnden Kausalverlaufs). Als Beispiel wird häufig ein Amoklaufszenario angeführt: T1 lässt den Waffenschrank fahrlässig offenstehen. T2 nimmt sich die Waffen aus diesem Waffenschrank und tötet O vorsätzlich. Vorwurf der fahrlässigen Tötung ggü. T1.

  • Frühere M.M.: Vorsätzliches Handeln unterbricht den vorherigen Kausalverlauf; : Damals ein Problem der Kausalität.[37]

Nach der früheren Ansicht wäre T1 straffrei.

  • h.M.: Es existiert kein Regressverbot. Arg.: Eine Hierarchisierung von Kausalverläufen ist nicht möglich. Eine Korrektur über den Vorsatz bzw. die Vorhersehbarkeit (Fahrlässigkeit) ist hingegen möglich.[38]

Nach dieser Ansicht wäre zumindest die objektive Zurechnung für T1 zu bejahen.

  • Weiterentwicklung früherer M.M.: Ein Regressverbot existiert, wenn der Erstverursacher fahrlässig handelt und der Zweitverursacher vorsätzlich handelt.[39] : Es existiert keine fahrlässige Beihilfe (§ 27 StGB). Krit.: In der Fahrlässigkeit wird nicht zwischen Täterschaft und Teilnahme unterschieden – Es existiert die Konstruktion des sogenannten Einheitstäters.[40]

Nach dieser Ansicht wäre die objektive Zurechnung bei T1 zu verneinen.

  • lit.M.: Ein Regressverbot existiert, wenn der Erstverursacher sich gemäß seiner sozialen Rolle verhält und dieses Verhalten unabhängig vom Verhalten des unmittelbaren Täters sinnvoll bleibt.[41] Krit.: Privilegierung aufgrund nicht tatbestandsmäßiger also unerheblicher Umstände.[42]

Wegen fehlender bestimmter sozialer Rolle bei T1, ist die objektive Zurechnung zu bejahen.

3. Folgerisiken
a) Abgrenzung zum Regressverbot

Wie bei dem Regressverbot wird ein Erfolg durch eine weitere Person (Dritter) herbeigeführt. Der Unterschied zum Regressverbot besteht darin, dass der Dritte aufgrund der Erfolgsherbeiführung des Täters einen weiteren, neuen Erfolg verursacht. Es wird also ein neues Risiko verwirklicht, das nach und durch Realisation des ersten Risikos entstanden ist. Hierunter fallen insbesondere Fälle bei denen der Arzt (Dritter) bei Behandlung des Opfers einen eigenen Kunstfehler begeht.[43]

b) Unterfallgruppen
aa) Pflichtwidriges Unterlassen des Dritten

Unstrittig wird bei pflichtwidrigem Unterlassen des Dritten keine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhang angenommen. Begr.: Es realisiert sich nur das Ursprungsrisiko.[44]

bb) Aktives Verhalten des Dritten

Bei aktivem Verhalten des Dritten ist eine Unterbrechung des Risikozusammenhangs hingegen umstritten. Dieses Problem entsteht eigentlich nur bei Fahrlässigkeitsdelikten.[45]

  • e.A.: Der Risikozusammenhang ist nicht unterbrochen, wenn der Kausalverlauf noch vorhersehbar war: Insbesondere sollen so grob fahrlässige Behandlungsfehler ausgeschlossen werden.[46]
  • a.A.: Der Risikozusammenhang ist dann unterbrochen, wenn sich ein neues Risiko verwirklicht hat.[47] Krit.: Unscharf und letztendlich nur die Abgrenzung zu den Regressfällen. Das Kriterium der ersten Ansicht ist damit einfacher in der Klausur anzuwenden.
4. Atypische Kausalverläufe (sehr restriktiv)

Atypische Kausalverläufe sind Kausalverläufe, deren Abfolge vollkommen unvorhersehbar ist. Wenn ein solcher Kausalverlauf gegeben ist, ist der Risikozusammenhang unterbrochen. Diese Fälle sind in der Klausurbearbeitung äußerst selten.

a) Starke Veränderung des Ausgangsrisikos

Im Erfolg hat sich ein vom Ausgangsrisiko vollkommen verschiedenes Risiko verwirklicht.[48]

b) Allg. Lebensrisiko im Erfolg

In dem Erfolg hat sich nur ein allg. Lebensrisiko verwirklicht.[49]

[1] Roxin/Greco, StrafR AT I, München, 52020, § 11 Rn. 47.

[2] Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Rn. 9.

[3] Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Rn. 21.

[4] Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Rn. 11.

[5] Kindhäuser/Zimmermann, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Rn. 16.

[6] So auch von der Risikoverringerungslehre vertreten: Roxin/Greco, StrafR AT I, München, 52020, § 11 Rn. 54.

[7] Fälle 6A und 6B bei: Kindhäuser/Zimmermann, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Rn. 13.

[8] Kindhäuser/Zimmermann, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Rn. 17.

[9] Kindhäuser/Zimmermann, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Rn. 18.

[10] Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Rn. 17.

[11] Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Rn. 19.

[12] Roxin/Greco, StrafR AT I, München, 52020, § 11 Rn. 53, 54a.

[13] Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 12 Rn. 64 f.

[14] BGH, Urteil vom 20.05.2003 – 5 StR 66/03 – BGH NStZ 2003, 537 (538) Rn. 4; Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 12 Rn. 64 f.

[15] Roxin/Greco, StrafR AT I, München, 52020, § 11 Rn. 124.

[16] Bsp. 3: Roxin/Greco, StrafR AT I, München, 52020, § 11 Rn. 121.

[17] BGH, Urteil vom 20.05.2003 – 5 StR 66/03 – BGH NStZ 2003, 537 (538) Rn. 4.

[18] BGH, Urteil vom 20.05.2003 – 5 StR 66/03 – BGH NStZ 2003, 537 (538) Rn. 7.

[19] Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 12 Rn. 70.

[20] Roxin/Greco, StrafR AT I, München, 52020, § 11 Rn. 124 f.

[21] Als Unterschied zur Einwilligung beschreibend: Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 12 Rn. 62.

[22] Roxin/Greco, StrafR AT I, München, 52020, § 11 Rn. 121.

[23] BGH, Urteil vom 05.07.1983 – 1 StR 168/83 – NJW 1983, 2579 (2579).

[24] S. bzgl. der Vertreter Fn. 314: NK-StGB/Neumann, 62023 vor § 211 Rn. 64.

[25] Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Rn. 29.

[26] BGH, Urteil vom 03.07.2019 – 5 StR 132/18 – NJW 2019, 3092 (3094, 3095) Rn. 41 f.

[27] BGH, Urteil vom 03.07.2019 – 5 StR 132/18 – NJW 2019, 3092 (3094, 3095) Rn. 47.

[28] Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Rn. 33 f.

[29] BGH Urt. v. 7.2.2001 – 5 StR 474/00, BeckRS 2001, 2098, Rn. 24.

[30] BGH Urt. v. 7.2.2001 – 5 StR 474/00, BeckRS 2001, 2098, Rn. 25.

[31] Roxin/Greco, StrafR AT I, München, 52020, § 11 Rn. 112.

[32] Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Rn. 33 f.

[33] BGH, Urteil vom 08.09.1993 – 3 StR 341/93 – NJW 1994, 205 (205).

[34] Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Rn. 59.

[35] Jeschek/Weigend, StrafR AT, Berlin, 51996, § 28 S. 288.

[36] Roxin/Greco, StrafR AT I, München, 52020, § 11 Rn. 115.

[37] z.B.: von Bar, Die Lehre vom Causalzusammenhange im Rechte, besonders im Strafrechte, Leipzig, 1871, S. 26 f.

[38] Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Rn. 46.

[39] S. zu den Vertretern: Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Fn. 66 f.

[40] Roxin/Greco, StrafR AT I, München, 52020, § 24 Rn. 27.

[41] Jakobs, StrafR AT, Berlin u.a., 21991, S. 698 f. Rn. 17; Caro John, Das erlaubte Kausieren verbotener Taten, Baden-Baden, 2007, S. 203.

[42] Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Rn. 40.

[43] Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Rn. 47.

[44] Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Rn. 48.

[45] Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Fn. 74.

[46] Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Rn. 50, 52.

[47] S. dazu: Kindhäuser/Zimmerman, Straf AT, Baden-Baden, 112023, § 11 Fn. 76.

[48] Roxin/Greco, StrafR AT I, München, 52020, § 11 Rn. 77 f.

[49] Roxin/Greco, StrafR AT I, München, 52020, § 11 Rn. 77.

28.01.2025/4 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2025-01-28 07:56:312025-02-03 15:57:38Die objektive Zurechnung in der Prüfung bei Erfolgsdelikten
Redaktion

Die sog. »Retterfälle« als Problem der objektiven Zurechnung

Rechtsgebiete, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Verschiedenes


Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Die sog. »Retterfälle« als Problem der objektiven Zurechnung” von Prof. Dr. Helmut Satzger

behandelt ein anspruchsvolles Grundlagenthema. Die objektive Zurechnung ist ein wichtiges Korrektiv für die Conditio-sine-qua-non-Formel der klassischen Verbrechenslehre und spielt im allgemeinen Strafrecht eine besonders wichtige Rolle. Der vorliegende Beitrag erläutert die Lehre von der objektiven Zurechnung anhand der sog. Retterfälle und kann zur Wiederholung und Vertiefung jedem Kandidaten empfohlen werden.
Den Beitrag findet Ihr hier.
 

03.08.2015/1 Kommentar/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2015-08-03 09:00:302015-08-03 09:00:30Die sog. »Retterfälle« als Problem der objektiven Zurechnung
Christian Muders

Strafrechts-Klassiker: Der Jauchegruben-Fall

Klassiker des BGHSt und RGSt, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT

BGH, Urteil v. 26.04.1960 – 5 StR 77/60 (= BGHSt 14, 193 f. = NJW 1960, 1261)

Ein vollendeter Mord oder Totschlag kann auch dann vorliegen, wenn der Täter das Opfer mit bedingtem Tötungsvorsatz angreift, später die vermeintliche Leiche beseitigt und erst dadurch den Tod verursacht, ohne dabei noch an diese Möglichkeit zu denken.

1. Der Sachverhalt
Die Angeklagte A hatte sich mit Frau B ein Wortgefecht geliefert. In der Folge begann sie die B zu würgen. Sodann stopfte sie der B mit bedingtem Tötungsvorsatz zwei Hände voll Sand in den Mund, um sie am Schreien zu hindern. Als Frau B schließlich regungslos dalag, wurde sie von der A für tot gehalten; tatsächlich war die B lediglich bewusstlos. Um die vermeintliche Leiche zu beseitigen, schmiss A die B in eine Jauchegrube. Erst dort verstarb sie infolge Ertrinkens.
2. Die Kernfrage

Die Vorinstanz, das Schwurgericht Oldenburg, hatte die A wegen vollendeten Totschlags verurteilt. Hiergegen hat sich A u.a. mit der Sachrüge gewehrt. Argumentieren könnte man insoweit, dass allenfalls eine versuchte Tötung zu Lasten der B in Betracht komme, da die A mit der von bedingtem Tötungsvorsatz getragenen Handlung, nämlich dem Stopfen des Sandes in den Mund der B, den tatbestandlichen Erfolg gerade noch nicht erreicht hatte. Dieser trat vielmehr erst zu einem späteren Zeitpunkt ein, nachdem A die B in die Jauchegrube geworfen hatte, wobei sie die B aber schon für tot hielt, so dass bezüglich dieses Aktes eine vorsätzliche Tötung ausscheiden würde.

3. Das sagt der BGH
Der BGH hat die Entscheidung des Schwurgerichts bestätigt, also ebenfalls eine Strafbarkeit der A wegen vollendeten Totschlags angenommen.
a) Zunächst erteilt er allerdings einer möglichen Begründung der Vorinstanz eine Absage, die in ihren Urteilsgründen noch argumentiert hatte, dass „ein die ganze Tat durchziehender Generaldolus“ vorliege, da der bedingte Tötungsvorsatz der A ihr gesamtes Vorgehen beherrscht habe, „beginnend mit der Verhinderung des Schreiens der Gewürgten und endend mit der Versenkung ihres Opfers in die Jauchegrube“. Der BGH führt hiergegen aus:

Es wäre unrichtig, wenn das Schwurgericht hiermit sagen wollte, die Angeklagte habe noch beim Beseitigen der bewusstlosen Frau B, von deren Tode sie fest überzeugt war (UA S.15), mit einem fortwirkenden bedingten Tötungsvorsatz gehandelt. Dieser war vielmehr durch jene Überzeugung der Angeklagten erledigt. Daran kann der unklare und rechtsgeschichtlich überholte Begriff eines „Generalvorsatzes“ nichts ändern. Es geht nicht an, mit seiner Hilfe den ursprünglichen Tötungsvorsatz auf spätere Handlungen auszudehnen, bei denen er tatsächlich nicht mehr bestand (vgl. Hellmuth Mayer, JZ 1956, 109).

b) Somit kann nicht an das unmittelbar zum Tode führende Werfen der B in die Jauchegrube als vorsätzliche Tötungshandlung angeknüpft werden. Jedoch sieht der BGH bereits in dem Stopfen des Sandes in den Mund des Opfers, welches zu deren Ohnmacht und damit Wehrlosigkeit führte, einen tauglichen Anknüpfungspunkt für den Vorwurf des Totschlags gegenüber A:

Selbst wenn ein solcher Fehler in der rechtlichen Begründung des Schuldspruchs läge, träfe dieser bei dem festgestellten Sachverhalt zu. Wie das Schwurgericht rechtlich einwandfrei darlegt (UA S.14), hatte die Angeklagte den bedingten Tötungsvorsatz, als sie Frau B zwei Hände voll Sand in den Mund stopfte, um sie am Schreien zu hindern. Dadurch verursachte sie den Tod zwar nicht unmittelbar, aber mittelbar. Denn die Folge war, daß Frau B schließlich regungslos dalag, von der Angeklagten für tot gehalten und deshalb von ihr in die Jauchegrube geworfen wurde. Zu diesem Vorgange, der den Tod unmittelbar bewirkte, wäre es ohne die früheren Handlungen, die die Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz ausgeführt hatte, nicht gekommen. Diese sind daher Ursache des Todes. Die Angeklagte hat ihn also mit bedingtem Vorsatz herbeigeführt.

Dass der Tod der B dabei nicht in der von A vorgestellten Weise, nämlich durch das Ersticken am Sand, sondern erst durch das spätere Ertrinken in der Jauchegrube eingetreten ist, stellt zwar – als Abweichung vom vorgestellten Tatgeschehen – einen Irrtum über den (grundsätzlich vorsatzrelevanten) Kausalverlauf dar, der allerdings nach dem BGH im konkreten Fall als so unwesentlich angesehen werden kann, dass er nicht zu einem vorsatzausschließenden Irrtum i.S.d. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB führt:

Diese Abweichung des wirklichen vom vorgestellten Ursachenablauf ist aber nur gering und rechtlich ohne Bedeutung. Das ist für Fälle des direkten Tötungsvorsatzes schon wiederholt entschieden worden (…). Daß die Angeklagte bei ihrem Angriff nur mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hatte, ist jedenfalls im vorliegenden Falle kein Grund, etwas anderes anzunehmen. Denn der Unterschied zwischen beiden Arten des Vorsatzes hat mit der Ursächlichkeit nichts zu tun. Er ändert auch nichts daran, daß das Maß, in dem der wirkliche Ursachenablauf von der Vorstellung der Angeklagten abwich, gering und daher rechtlich bedeutungslos ist.

4. Fazit
Der Jauchegruben-Fall ist ein Klassiker zu der Konstellation eines irrtümlich verspätet eingetretenen Taterfolgs und begegnet einem bereits sehr früh im Studium, ohne dass dies seine Bedeutung für die spätere Examensphase schmälern würde.
a) Hierbei ist zum Aufbau in der Klausur zunächst zu bemerken, dass es regelmäßig sinnvoll ist, bei einem mehraktigen Tötungsgeschehen zunächst bei dem unmittelbar den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeiführenden Verhalten, vorliegend also dem Werfen des Opfers in die Jauchegrube, anzusetzen: Während hier der objektive Tatbestand keine Probleme bereitet, ist dann aber bei der Frage des Vorsatzes, also im subjektiven Tatbestand, Schluss. Der Vorsatz muss sich nämlich, wie § 16 Abs. 1 S. 1 StGB lehrt, auf die „Tat“ beziehen, die gemäß § 8 S. 1 StGB nicht mit dem Erfolg, sondern der Handlung des Täters (bzw. dessen Unterlassen im Falle eines Unterlassungsdelikts) gleich gesetzt wird. Bei dem hier relevanten Verhalten, dem Werfen in die Jauchegrube, hatte die A aber, wie der BGH treffend feststellt, keinen Vorsatz zur Tötung mehr; zwar mag ihr das angenommene Ergebnis (Tod der B)  auch zu diesem Zeitpunkt noch recht gewesen sein, jedoch nahm sie jedenfalls nicht an, den tatbestandlichen Erfolg mit ihrem Verhalten erst noch auszulösen, also, in Anlehnung an die Formulierung des einschlägigen § 212 Abs. 1 StGB, hiermit noch einen Menschen zu töten. Die Annahme eines „Generalvorsatzes“ geht daher fehl.
b) Beim sodann in den Blick zu nehmenden ersten Teilakt des Geschehens, also dem Stopfen des Sandes in den Mund des Opfers, ist demgegenüber von der subjektiven Tatseite her ein Tötungsvorsatz durchaus konstruierbar: Wie das Gericht selbst feststellte, ist die Abweichung des eingetretenen vom vorgestellten Tod insoweit unwesentlich und damit irrelevant, als dass dieser in einer zeitlichen und räumlichen Nähe zum von A vorgestellten Todeszeitpunkt eingetreten ist und auch die Todesart (= Ersticken) den Vorstellungen entsprach, welche die Täterin gehegt haben mag. Demgegenüber wollen in der Literatur allerdings verschiedene Stimmen im Fall des verspätet eingetretenen Erfolgs zusätzlich darauf abstellen, ob der Täter bereits bei der Vornahme des ersten Teilaktes auch schon die anschließende „eigentliche“ Tötungshandlung, hier also das Werfen des Opfers in die Jauchegrube, eingeplant hatte (vgl. SK-Rudolphi, 7. Aufl., § 16, Rn 35 f.; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, 28. Aufl. 2010, § 15, Rn. 58) – ein solches Erfordernis erscheint allerdings insofern dogmatisch „schief“, als sich der Vorsatz grundsätzlich nur auf die Elemente des objektiven Tatbestandes beziehen muss, im Hinblick auf das Verhalten des Täters also nur auf die im Obersatz angegebene Tathandlung, die im konkreten Fall aber allein aus dem (vom Tötungsvorsatz tatsächlich getragenen) ersten Teilakt bestehen kann.
c) Will man daher die Tatsache, dass die Tötung erst durch einen der Vorsatzhandlung nachfolgenden zweiten Akt herbeigeführt wurde, bei der Lösungsfindung mit berücksichtigen, empfiehlt es sich, die Relevanz des zweiten Teilaktes nicht erst im subjektiven Tatbestand zu problematisieren, sondern bereits bei der objektiven Tatseite anzusetzen und dort zu fragen, ob A mit ihrer ersten Handlung tatsächlich bereits die „Tötung eines Menschen“ vorgenommen hat oder dieser Erfolg nicht erst (und allein) dem zweiten Teilakt zugeschrieben werden kann. Der BGH stellt insoweit nur fest, dass zwischen der vorsatzgetragenen Handlung der A und dem eingetretenen Tod der B Kausalität besteht, wenn er ausführt, dass die frühere Handlung „Ursache des Todes“ gewesen sei. Und tatsächlich wäre ohne die Bewusstlosigkeit der B ihr Ertrinken in der Jauchegrube ja auch kaum eingetreten – schon deswegen, weil die A sie dann nicht für Tod gehalten und eine entsprechende Beseitigungshandlung unterlassen hätte. Nach der neueren Lehre von der „objektiven Zurechnung“ kann es bei dieser bloßen Feststellung der Ursächlichkeit allerdings nicht sein Bewenden haben, vielmehr ist zu fragen, ob die A – darüber hinaus – bereits mit der „Sandattacke“ auch das relevante Todesrisiko gesetzt hat, welches sich sodann im konkreten Erfolg verwirklicht hat; der Fall, dass der Täter erst später (nämlich durch eine unvorsätzliche Beseitigungshandlung) zum Tod des Opfers beiträgt, ist danach nicht anders zu behandeln als Fälle des Dazwischentretens Dritter, welche durch ihr Verhalten erst den schlussendlich eingetretenen Erfolg herbeiführen (so zutreffend MüKo/StGB-Joecks, 2. Aufl. 2011, § 16, Rn. 91 ff.). Bei der Frage, ob unter diesem Gesichtspunkt bezüglich des ersten Teilaktes noch ein Zurechnungszusammenhang mit der tödlichen Folge bejaht werden kann, ist sodann aber ein breiter Argumentationsspielraum eröffnet, den man in der Klausur dazu nutzen kann, um das einem selbst „richtig“ erscheinende Ergebnis zu begründen: Soweit man den Zurechnungszusammenhang zwischen dem erstem Teilakt und anschließendem Tod des Opfers eher restriktiv versteht, müsste man darauf abstellen, ob gerade der Sand im Mund der B zu deren Ableben geführt, also sich dass insofern gesetzte „Erstickungsrisiko“ im Erfolg verwirklicht hat – dies wäre vorliegend aber zu verneinen, da nicht der Sand, sondern erst die Jauche dazu führte, dass das Opfer keine Luft mehr bekam und ertrank (vgl. zu einem solchen Verständnis etwa Kindhäuser, AT, 5. Aufl. 2011, § 27/52). Verfährt man hingegen etwas großzügiger, könnte man ebenfalls argumentieren, dass B gerade aufgrund ihrer Bewusstlosigkeit, die wiederum unmittelbar durch den von A zugeführten Sand verursacht wurde, sich weder aus eigener Kraft gegen das Verbringen in die Jauchegrube wehren, noch aus dieser befreien konnte, so dass die erste Tathandlung nicht nur unter Kausalitätsgesichtspunkten den Tod bedingt hat, sondern – bei wertender Betrachtung – auch ein Todesrisiko hervorrief, welches sich im anschließenden Versterben der B verwirklichte (so z.B. Wessels/Beulke, 32. Aufl. 2002, Rn. 262; vgl. auch NK-Puppe, 3. Aufl. 2010, § 16 Rn. 81 f.).
d) Ähnliche Probleme stellen sich übrigens auch im umgekehrten Fall, nämlich wenn der Täter den von ihm gewollten Erfolg entgegen seiner Vorstellung nicht durch den eigentlich geplanten Tötungsakt, sondern bereits vorzeitig herbeiführt. Beispielhaft hierfür wäre etwa der Sachverhalt, der einem Urteil des BGH v. 10.04.2002 (5 StR 613/01 = NStZ 2002, 475 f.) zugrunde liegt: Hier hatten die Täter das Opfer zunächst mit Schlägen, die es wehrlos machen sollten, traktiert, bevor sie es mittels Luftinjektion aus einer Einwegspritze töten wollten. Tatsächlich war das Opfer bereits vor der Injektion erstickt, da die Schläge der Täter seinen Kehlkopf eingedrückt hatten. In solchen Konstellationen wird überwiegend danach differenziert, ob der Täter bei Verwirklichung des tatbestandsmäßigen Erfolges bereits in den Versuch der von ihm anvisierten Tat eingetreten war oder nicht. Befindet er sich nämlich noch in der bloßen Vorbereitungsphase zur anschließenden Tatbestandsverwirklichung, ist noch keine „Tat“ i.S.d. § 16 Abs. 1 S. 1 vorhanden, so dass allenfalls eine fahrlässige Tötung (für welche die Versuchsregeln gerade nicht gelten) in Betracht kommt (vgl. Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, 28. Aufl. 2010, § 15 Rn. 58 m.w.N. auch zu abw. Ansichten). Im vorliegenden Fall dürfte danach, da die Schläge nach der Vorstellung der Täter für die geplante Tötung des Opfers notwendig waren und zudem in einem engen zeitlichen Zusammenhang zur nachfolgenden Injektion standen, bereits von einem Versuchseintritt der Delinquenten, also einem vollendeten Tötungsdelikt, auszugehen sein (ebenso der BGH, a.a.O.). Eine Schwierigkeit mit der objektiven Zurechnung hat man in dieser Fallgestaltung naturgemäß nicht, da das „Dazwischentreten“ durch eine weitere Handlung nicht möglich ist, wenn bereits die erste Handlung zum tatbestandlichen Erfolg führt.

25.11.2012/5 Kommentare/von Christian Muders
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