Das VG Berlin hat kürzlich eine äußerst examensrelevante Entscheidung zum Versammlungsrecht gefällt (Beschluss vom 16.08.2012 – VG 1 L 217.12). Eine vergleichbare Konstellation haben wir auch bereits anlässlich einer Demonstration in Bonn mit gleichem Ergebnis begutachtet.
Sachverhalt
Das Verwaltungsgericht Berlin hat den Eilantrag dreier islamischer Moschee-Vereine zurückgewiesen. Beantragt war, der „Bürgerbewegung Pro Deutschland“ zu untersagen, während der am kommenden Samstag stattfindenden Demonstrationen vor deren religiösen Einrichtungen sogenannte „Mohammed-Karikaturen“ zu zeigen.
Die „Bürgerbewegung Pro Deutschland“ hat für den 18. August 2012 Versammlungen vor den religiösen Einrichtungen der Antragsteller mit dem Versammlungsthema „Der Islam gehört nicht zu Deutschland – Islamisierung stoppen“ angemeldet. Die Versammlungsbehörde hat der Anmelderin jeweils Versammlungsorte im Abstand von ca. 50 m vor den Einrichtungen der Antragsteller zugewiesen. Die Anmelderin hat angekündigt, im Kontext der Versammlungen die sog. „Mohammed-Karikaturen“ zeigen zu wollen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts führte zur Begründung aus, es fehle an der für ein polizeiliches Einschreiten erforderlichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Es stehe nämlich nicht fest, dass das Zeigen von „Mohammed-Karikaturen“ strafrechtlich relevant sei. Für die Erfüllung des Straftatbestandes des § 166 StGB fehle es erkennbar an einer „Beschimpfung“ im Sinne des Verächtlichmachens des religiösen Bekenntnisses. Zudem fielen die Karikaturen unter die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG.
Durch das Zeigen der Karikaturen allein werde auch nicht zum Hass oder zu Gewaltmaßnahmen gegen einzelne Bevölkerungsgruppen aufgefordert, so dass auch der Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) nicht erfüllt sei.
Gegen den Beschluss kann beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Beschwerde eingelegt werden. (Quelle: Pressemitteilung des VG Berlin).
Examensrelevanz
Die Entscheidung des VG ist als äußerst examensrelevant einzustufen. Angesichts der Tatsache, dass sich die Sache bislang nur in erster Instanz im einstweiligen Rechtsschutz abspielte, ist noch mit weiteren Entscheidungen (und dementsprechend weiteren Argumentationsansätzen) zu dem Themenkreis zu rechnen.
Sofern man im Falle der Prüfung die §§ 166, 130 StGB als mögliche betroffene Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit schon einmal sieht und diskutiert, dürfte ein Großteil bereits geschafft sein.
Wenn darüber hinaus problematisiert wird, dass durch die Karikaturen auch Gewaltakte von Dritten provoziert werden, gilt es klarzustellen, dass die Versammelnden hierbei nicht als Störer, möglicherweise in Form eines Zweckveranlassers, in Betracht (s. dazu hier) kommen. Die Gefahr für die öffentliche Sicherheit geht damit nur von den potentiellen Gewalttätern aus, jedoch nicht von der Versammlung selbst.
Weiterhin kann der Vollständigkeit halber noch angebracht werden, dass sich die Versammelnden nicht bloß auf Art. 8 Abs. 1 GG, sondern ebenso noch auf Art. 5 Abs. 3 GG, also die Kunstfreiheit, berufen können.