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Schlagwortarchiv für: Haftungsprivilegierung

Dr. Melanie Jänsch

BGH: Sportlehrer müssen Erste Hilfe leisten

Rechtsprechung, Staatshaftung, Startseite

Mit Urteil vom 4.4.2019 (Az.: III ZR 35/18) hat sich der BGH mit Amtshaftungsansprüchen eines (ehemaligen) Schülers gegen das Land Hessen auseinandergesetzt. Bei einem im Sportunterricht erlittenen Zusammenbruch hätten die Sportlehrerin und ihr Kollege – so die Behauptung des Schülers – unzureichende Erste-Hilfe-Maßnahmen ergriffen, was letztlich zu einem Hirnschaden des Schülers geführt habe. Die Vorinstanz, das OLG Frankfurt a.M., hatte mit Urteil vom 25.01.2018 (Az.: 1 U 7/17) eine Amtshaftung abgelehnt, weil nicht bewiesen werde könne, ob das Unterlassen der Erste-Hilfe-Maßnahmen ursächlich für den Hirnschaden war. Dass das Gericht hiervon ausgehend den Beweisantrag des Klägers, ein Sachverständigengutachten zur Kausalität einzuholen, abgelehnt hat, war verfahrensfehlerhaft. Daher hat der BGH das vorangegangene Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen; auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes sei ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht auszuschließen und es bedürfe insoweit weiterer tatrichterlicher Feststellungen. Die Entscheidung des BGH ist unter verschiedenen Gesichtspunkten als äußerst klausur- und examensrelevant einzuordnen: Dies betrifft zum einen die Konkretisierung der Amtspflichten, aber auch den Haftungsmaßstab bei Amtsträgerhandeln (Stichwort: analoge Anwendung des § 680 BGB) sowie Fragen zu einer möglichen Beweislastumkehr entsprechend den im Arzthaftungsrecht entwickelten Beweisgrundsätzen bei groben Behandlungsfehlern.
 
A) Sachverhalt (der Pressemitteilung 42/2019 entnommen)
Der seinerzeit 18 Jahre alte Kläger war Schüler der Jahrgangsstufe 13 und nahm im Januar 2013 am Sportunterricht teil. Etwa fünf Minuten nach Beginn des Aufwärmtrainings hörte er auf zu laufen, stellte sich an die Seitenwand der Sporthalle, rutschte dort in eine Sitzposition und reagierte auf Ansprache nicht mehr. Um 15.27 Uhr ging der von der Sportlehrerin ausgelöste Notruf bei der Rettungsleitstelle ein. Die Lehrerin wurde gefragt, ob der Kläger noch atme. Sie befragte dazu ihre Schüler; die Antwort ist streitig. Sie erhielt sodann von der Leitstelle die Anweisung, den Kläger in die stabile Seitenlage zu verbringen. Der Rettungswagen traf um 15.32 Uhr, der Notarzt um 15.35 Uhr ein. Die Sanitäter und der Notarzt begannen sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen, die ungefähr 45 Minuten dauerten. Sodann wurde der intubierte und beatmete Kläger in eine Klinik verbracht. Im dortigen Bericht ist unter anderem vermerkt: „Beim Eintreffen des Notarztes bereits 8 minütige Bewusstlosigkeit ohne jegliche Laienreanimation“. Es wurde ein hypoxischer Hirnschaden nach Kammerflimmern diagnostiziert, wobei die Genese unklar war. Während der stationären Behandlung ergaben sich weitere – teils lebensgefährliche – Erkrankungen. Seit Oktober 2013 ist der Kläger zu 100% als Schwerbehinderter anerkannt.
Der Kläger verlangt nunmehr Schadensersatz vom Land Hessen mit der Begründung, sein gesundheitlicher Zustand sei unmittelbare Folge des erlittenen Hirnschadens wegen mangelnder Sauerstoffversorgung des Gehirns infolge unterlassener Reanimationsmaßnahmen durch seine Sportlehrerin und einen weiteren herbeigerufenen Sportlehrer. Hätten diese im Rahmen der notfallmäßigen Erste-Hilfe-Versorgung eine Atemkontrolle und – angesichts des dabei festgestellten Atemstillstands – anschließend eine Reanimation durch Herzdruckmassage und Atemspende durchgeführt, wäre es nicht zu dem Hirnschaden gekommen.
 
B) Rechtliche Erwägungen
Ansprüche des Klägers gegen das Land Hessen auf Ersatz der Schäden, die durch die von der Sportlehrerin unterlassenen Reanimationsmaßnahmen hervorgerufen wurden, könnten sich aus einem Amtshaftungsanspruch ergeben, der auf einer Zusammenschau von § 839 Abs. 1 BGB und Art. 34 S. 1 GG basiert. Während § 839 BGB als anspruchsbegründende Norm zuerst zu zitieren ist, ergibt sich aus Art. 34 S. 1 GG (so schon Art. 131 WRV) die Überleitung der Haftung auf den Staat. Art. 34 GG fungiert damit als verfassungsrechtlich verbürgte befreiende Schuldübernahme.
 
I. Ausübung eines öffentlichen Amtes
Hierfür müsste die Sportlehrerin in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt haben. Maßgeblich ist hierbei der haftungsrechtliche Beamtenbegriff. Dieser setzt voraus, dass der betreffenden Person von der zuständigen Stelle die Ausübung eines öffentlichen Amtes anvertraut worden ist, wobei unter einem öffentlichen Amt jede dienstliche Betätigung zu verstehen ist, die öffentlich-rechtliche Belange wahrnimmt. Das heißt, es muss gerade kein beamtenrechtliches Dienst- und Treueverhältnis im Sinne des staatsrechtlichen Beamtenbegriffs bestehen, sondern auch Personen, die in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft stehen, können dem haftungsrechtlichen Beamtenbegriff unterfallen (MüKoBGB/Papier/Shirvani, 7. Aufl. 2017, BGB § 839 Rn. 130 f.). Dies zugrunde legend sind Lehrer an öffentlichen Schulen – die regelmäßig ohnehin als Beamte im staatsrechtlichen Sinne tätig sind – im Rahmen ihrer Tätigkeit offensichtlich auch vom haftungsrechtlichen Beamtenbegriff erfasst (s. hierzu schon BGH v. 15.3.1954 – III ZR 333/52, NJW 1954, 874), und zwar unabhängig davon, ob sie verbeamtet oder angestellt sind. Die Sportlehrerin im vorliegenden Fall befand sich daher in Ausübung eines öffentlichen Amtes.
 
II. Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht
Fraglich ist, ob sie eine Amtspflicht verletzt hat, die ihr gegenüber Dritten oblag. Besondere Amtspflichten ergeben sich aus der Funktion des konkreten Amtes: Nach ständiger Rechtsprechung des BGH trifft Lehrer die Amtspflicht gegenüber ihnen anvertrauten Schülern, diese vor Schäden zu bewahren (s. beispielhaft BGH v. 15.3.1954 – III ZR 333/52, NJW 1954, 874). Dies beinhalte auch die Verpflichtung, Gesundheitsschäden von ihren Schülern abzuwenden. Es handele sich hierbei um eine Nebenpflicht, die neben die allgemeinen Pflichten – Unterrichtung und Erziehung – trete. Dass Sportlehrern konkret die Amtspflicht zukommt, im Notfall Erste Hilfe zu leisten, hat der BGH ausdrücklich klargestellt:

„Den Sportlehrern des beklagten Landes oblag die Amtspflicht, etwa erforderliche und zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise durchzuführen.“

Indem dies nur unzureichend geschehen ist, haben die Lehrer also eine Amtspflicht verletzt. Die Amtspflicht ist offensichtlich auch drittbezogen: In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die dem Lehrpersonal obliegende Pflicht, die Schüler während des Sportunterrichts zur Verhinderung von Schäden zu beaufsichtigen, eine Amtspflicht darstellt, die auch Dritten gegenüber besteht (s. etwa OLG Frankfurt a.M. v. 18.1.2010 – 1 U 185/08, NVwZ-RR 2010, 479). Dann erscheint es nur konsequent, dies bei der Leistung lebensrettender Maßnahmen im Sportunterricht erst recht anzunehmen: Durch die Verpflichtung zur Ergreifung von Erste-Hilfe-Maßnahmen soll in qualifizierter und individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises von Dritten – Leben und Gesundheit der Schüler – Rücksicht genommen werden. Indem die Lehrer die Vornahme der notwendigen Maßnahme unterlassen haben, haben sie also – so wird dies für diese Lösung unterstellt – eine drittbezogene Amtspflicht verletzt.
 
III. Kausalität
Diese müsste auch kausal zu einer Rechtsgutverletzung – hier: dem Hirnschaden – geführt haben. Ob die Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Rechtsgutverletzung im vorliegenden Fall gegeben war, konnte jedoch nicht abschließend geklärt werden. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, „ob die Sportlehrer nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme ihre Amtspflicht, erforderliche und zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen zu leisten, verletzt haben. Denn es lasse sich jedenfalls nicht feststellen, dass sich ein etwa pflichtwidriges Unterlassen einer ausreichenden Kontrolle der Vitalfunktionen und etwaiger bis zum Eintreffen der Rettungskräfte gebotener Reanimationsmaßnahmen kausal auf den Gesundheitszustand des Klägers ausgewirkt habe […]. Denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Atmung des Klägers erst kurz vor dem Eintreffen der Rettungskräfte ausgesetzt habe oder dass selbst bei Durchführung einer bereits vorher gebotenen Reanimation der Kläger heute in gleicher Weise gesundheitlich beeinträchtigt wäre. Die Wertung des Landgerichts, wonach sich der Zeitpunkt, zu dem der Kläger aufgehört habe zu atmen, nicht verlässlich festlegen lasse, sodass auch nicht festgestellt werden könne, ab wann Wiederbelebungsmaßnahmen geboten gewesen wären, sei nicht zu beanstanden.“ Dann aber hätte das Berufungsgericht – so der BGH – den Beweisantrag des Klägers, ein Sachverständigengutachten zur Kausalität einzuholen, nicht ablehnen dürfen. Für die weiteren Darstellungen wird daher unterstellt, dass der Hirnschaden bei Vornahme der notwendigen Erste-Hilfe-Maßnahmen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre, sodass die Amtspflichtverletzung der Lehrer auch kausal war.
 
IV. Verschulden
1. Grundsatz: Vorsatz oder Fahrlässigkeit
Ihnen müsste auch ein Verschulden anzulasten sein. Hierfür müssten sie entweder vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit müssen sich lediglich auf die Amtspflichtverletzung, nicht aber (auch) auf den schädigenden Erfolg beziehen (MüKoBGB/Papier/Shirvani, 7. Aufl. 2017, BGB § 839 Rn. 284). In Betracht kommt hier ersichtlich nur fahrlässiges Handeln, das nach allgemeiner Definition dann vorliegt, wenn der Amtswalter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Ein pflichtgetreuer Durchschnittsbeamter hätte erkannt, dass er bei einem im Sportunterricht erlittenen Zusammenbruch eines Schülers Erste-Hilfe-Maßnahmen ergreifen muss. Insofern ist hier wohl von fahrlässigem Handeln auszugehen.
 
2. Haftungsprivilegierung analog § 680 BGB?
Möglicherweise sind hier jedoch analog § 680 BGB andere Maßstäbe anzulegen, mithin könnte die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt sein. Nach § 680 BGB hat der Geschäftsführer nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn die Geschäftsführung die Abwendung einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr bezweckt. Der BGH hat eine analoge Anwendung jedoch ausdrücklich abgelehnt. Hier komme die Haftung des Landes nicht nur im Falle grober Fahrlässigkeit in Betracht. Denn:

„§ 680 BGB will denjenigen schützen, der sich bei einem Unglücksfall zu spontaner Hilfe entschließt. Dabei berücksichtigt die Vorschrift, dass wegen der in Gefahrensituationen geforderten schnellen Entscheidung ein ruhiges und überlegtes Abwägen kaum möglich ist und es sehr leicht zu einem Sichvergreifen in den Mitteln der Hilfe kommen kann. Die Situation einer Sportlehrkraft, die bei einem im Sportunterricht eintretenden Notfall tätig wird, ist aber nicht mit der einer spontan bei einem Unglücksfall Hilfe leistenden unbeteiligten Person zu vergleichen. Den Sportlehrern des beklagten Landes oblag die Amtspflicht, etwa erforderliche und zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise durchzuführen. Um dies zu gewährleisten, mussten die Sportlehrer bereits damals über eine aktuelle Ausbildung in Erster Hilfe verfügen. Die Situation des § 680 BGB entspricht damit zwar der von Schülern, aber nicht der von Sportlehrern, zu deren öffentlich-rechtlichen Pflichten jedenfalls auch die Abwehr von Gesundheitsschäden der Schüler gehört. Selbst wenn es sich nur um eine Nebenpflicht der Sportlehrer handelt, sind Sinn und Zweck von § 680 BGB mit der Anwendung im konkreten Fall nicht vereinbar. Insoweit ist der Anwendungsbereich des § 839 Abs. 1 BGB auch davon geprägt, dass ein objektivierter Sorgfaltsmaßstab gilt, bei dem es auf die Kenntnisse und Fähigkeiten ankommt, die für die Führung des übernommenen Amtes erforderlich sind. Zur Führung des übernommenen Amtes gehören bei Sportlehrern aber auch die im Notfall gebotenen Erste-Hilfe-Maßnahmen. Dazu stände eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit in Widerspruch. Eine solche einschneidende Haftungsbegrenzung erscheint dem Senat auch vor dem Hintergrund nicht gerechtfertigt, dass mit jedem Sportunterricht für die Schüler gewisse Gefahren verbunden sind. Es wäre aber nicht angemessen, wenn der Staat einerseits die Schüler zur Teilnahme am Sportunterricht verpflichtet, andererseits bei Notfällen im Sportunterricht eine Haftung für Amtspflichtverletzungen der zur Durchführung des staatlichen Sportunterrichts berufenen Lehrkräfte nur bei grober Fahrlässigkeit und damit nur in Ausnahmefällen einträte.“

Der BGH argumentiert überzeugend mit teleologischen Gesichtspunkten: § 680 BGB soll denjenigen privilegieren, der sich im Notfall spontan – ohne Erste-Hilfe-Ausbildung – zur Rettung entschließt. Dieser Gedanke greift aber offensichtlich dann nicht, wenn der betreffende Amtsträger einem Personenkreis angehört, der verpflichtet ist, über eine Erste-Hilfe-Ausbildung zu verfügen, und den ohnehin die Nebenpflicht trifft, Gesundheitsschäden von anderen abzuwenden. Daher vermag eine analoge Anwendung des § 680 BGB mit der Folge, dass der Haftungsmaßstab auf grobe Fahrlässigkeit begrenzt wäre, nicht zu überzeugen. Es bleibt also bei den allgemeinen Regeln, die einfache Fahrlässigkeit genügen lassen. Indem fahrlässiges Handeln zu bejahen ist, trifft die Lehrer also auch ein Verschulden.
 
Anmerkung: Dass § 680 BGB nicht analog auf den Amtshaftungsanspruch anwendbar ist, hat der BGH schon in seiner Entscheidung vom 14.06.2018 – III ZR 54/17, NJW 2018, 2723 festgestellt, in der es um die Haftung eines Feuerwehrbeamten ging, s. hierzu unsere ausführlich Besprechung.
 
V. Kausaler Schaden
Die Amtspflichtverletzung muss bei dem geschützten Dritten zudem einen Vermögensschaden verursacht haben. Dabei ist zu prüfen, welcher Verlauf sich bei pflichtgemäßem Verhalten der Amtsträger ergeben hätte und wie sich in diesem Fall die Vermögenslage des Verletzten darstellen würde (MüKoBGB/Papier/Shirvani, 7. Aufl. 2017, BGB § 839 Rn. 276). Ein Schaden, der auch bei amtspflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, ist damit nicht kausal, was insbesondere bei einem Unterlassen – wie es im vorliegenden Fall gegeben ist – Relevanz erlangt. „Besteht die Amtspflichtverletzung in einem Unterlassen, kann ein Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nur bejaht werden, wenn der Schadenseintritt bei pflichtgemäßem Handeln mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre. Eine bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügen nicht (s. BGH v. 27.1.1994 – III ZR 109/92, Rn. 33, juris)“. Da nicht abschließend geklärt werden konnte, ob die unzureichenden Rettungsmaßnahmen kausal für den Hirnschaden bzw. die hiermit verbundenen Kosten waren, kann Abhilfe wohl nur das Sachverständigengutachten schaffen. Auch insoweit muss die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. abgewartet werden.
 
VI. Beweislast
Im Übrigen äußerte sich der BGH zudem zur Beweislast. Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Kläger beweisbelastet. Man könnte jedoch erwägen, ob – entsprechend den im Arzthaftungsrecht entwickelten Beweisgrundsätzen bei groben Behandlungsfehlern (s. hierzu ausführlich Spickhoff, NJW 2004, 2345 ff.) – eine Beweislastumkehr stattfindet mit der Folge, dass das Land die Nichtursächlichkeit etwaiger Pflichtverletzungen der Sportlehrer nachweisen muss. Das hat der BGH aber mit überzeugender Begründung verneint:

„Zwar gelten diese Grundsätze nach der Senatsrechtsprechung wegen der Vergleichbarkeit der Interessenlage entsprechend bei grober Verletzung von Berufs- oder Organisationspflichten, sofern diese als Kernpflichten, ähnlich wie beim Arztberuf, spezifisch dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer dienen. Dies hat der Senat für Hausnotrufverträge und die Badeaufsicht in Schwimmbädern angenommen. Die Amtspflicht der Sportlehrer zur Ersten Hilfe bei Notfällen ist wertungsmäßig jedoch nur eine die Hauptpflicht zur Unterrichtung und Erziehung begleitende Nebenpflicht. Die Sportlehrer werden an der Schule nicht primär oder in erster Linie – sondern nur „auch“ – eingesetzt, um in Notsituationen Erste-Hilfe-Maßnahmen durchführen zu können. Eine Verletzung dieser Nebenpflicht, auch wenn sie grob fahrlässig erfolgt sein sollte, rechtfertigt keine Beweislastumkehr in Anlehnung an die oben aufgeführten Fallgruppen.“

Für eine Beweislastumkehr sei also erforderlich, dass es sich bei der Pflicht zur Erste-Hilfe-Leistung um eine Hauptpflicht handele. Da dies bei Sportlehrern ersichtlich nicht der Fall sei, bleibe es bei den allgemeinen Grundsätzen, dass den Kläger die Beweislast treffe.
 
VII. Ergebnis
Ein Anspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG kommt damit grundsätzlich in Betracht.
 
C) Fazit
Fest steht damit: Sportlehrer trifft die Pflicht, im Notfall zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen zu ergreifen. Wird dies unterlassen, kommt ein Anspruch gegen das Land aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Betracht. Dabei kommt ihnen auch keine Haftungsprivilegierung analog § 680 BGB zu. Denn § 680 BGB verfolgt den Zweck, denjenigen zu privilegieren, der sich spontan und ohne Erste-Hilfe-Ausbildung zu Rettungsmaßnahmen entschließt – dieser Gedanke trifft auf Sportlehrer, die ohnehin über eine derartige Ausbildung verfügen müssen, aber nicht zu. Genau wie es der BGH für die Berufsfeuerwehr entschieden hat, ist eine Analogiebildung also auch bei Sportlehrern nicht angezeigt. Ob jedoch im konkreten Fall ein Anspruch bejaht werden kann, ist noch unklar; insofern muss die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. abgewartet werden.
 
 

23.04.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-04-23 09:18:092019-04-23 09:18:09BGH: Sportlehrer müssen Erste Hilfe leisten
Dr. Sebastian Rombey

BGH: § 680 BGB ist nicht analog auf den Amtshaftungsanspruch anwendbar – Zur Staatshaftung für einen Feuerwehrbeamten

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Der BGH hat sich in einer Entscheidung vom 14.06.2018 – III ZR 54/17, NJW 2018, 2723 mit dem Haftungsmaßstab auseinandergesetzt, der bei dem Einsatz von Feuerwehrbeamten zur Brandbekämpfung gilt. Dies deshalb, weil der durch Art. 34 S. 3 GG angeordnete Zivilrechtsweg sich bereits in letzter Instanz befand (erstinstanzlich zuständig sind gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG nämlich die Landgerichte). Da in dem Urteil nahezu mustergültig das Bestehen eines Amtshaftungsanspruchs sowie die Voraussetzungen, die für das Vorliegen einer Analogiebildung erfüllt sein müssen, geprüft werden – zentral war nämlich die Frage, ob die Haftungsprivilegierung des § 680 BGB zur Geschäftsführung bei Gefahrenabwehr für Feuerwehrbeamte analog herangezogen werden kann –, ist auch auf Grund der praktischen Relevanz der Entscheidung mit einer deutlich gesteigerten Examensrelevanz zu rechnen – zumal neue Entscheidungen auf dem Gebiet des Staatshaftungsrechts vergleichsweise selten sind.
I. Sachverhalt (der PM Nr. 105/2018 v. 14.06.2018 entnommen)
„Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem sich das Auslieferungslager und das Verwaltungsgebäude eines Handelsunternehmens befanden. Am Abend des 8. Februar 2010 brach dort ein Feuer aus, das auf das Lager- und das Verwaltungsgebäude übergriff. Die Einsatzkräfte stellten fest, dass der Brand der Lagerhalle nicht mehr zu löschen war. Sie bemühten sich, das Ausbreiten des Feuers auf eine benachbarte Lagerhalle zu vermeiden. Zu diesem Zweck setzte die Feuerwehr [Ergänzung des Verfassers: auf Befehl des Einsatzleiters] zwischen der brennenden Halle der Klägerin und dem benachbarten Lagergebäude ein [Ergänzung des Verfassers: verbotenes, da] perfluoroctansulfathaltiges Schaummittel ein. Die Schaumbestandteile gelangten in das Erdreich und das Grundwasser. Die beklagte Stadt gab der Klägerin auf der Grundlage des Bundes-Bodenschutzgesetzes sowie des Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetzes umfangreiche Maßnahmen zur Sanierung ihres Grundstücks auf.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten u.a. die Erstattung der bislang angefallenen und die Freistellung von künftigen Kosten für die Sanierung ihres Grundstücks infolge des Einsatzes des fluorhaltigen Schaums sowie den Ersatz des Wertverlustes, den ihr Grundstück trotz durchgeführter Sanierung erlitten habe. Sie hat vorgetragen, der von der Feuerwehr der Beklagten verwendete Löschschaum habe unter Berücksichtigung des dadurch verursachten Schadens nicht eingesetzt werden dürfen. Ein Ausbreiten des Brandes habe auch ohne den Einsatz des Schaums verhindert werden können.“
II. Die Entscheidung des BGH
Ansprüche der Klägerin gegen die beklagte Stadt auf Ersatz der Schäden, die der Feuerwehreinsatz bzw. die Anordnung des Einsatzleiters, dem die beklagte Stadt das Amt anvertraut hatte, hervorgerufen hat, könnten sich aus einem Amtshaftungsanspruch ergeben, der sich aus einer Zusammenschau von § 839 Abs. 1 BGB und Art. 34 S. 1 GG ergibt. Während § 839 BGB als anspruchsbegründende Norm zuerst zu zitieren ist, ergibt sich aus Art. 34 S. 1 GG (so schon Art. 131 WRV) die Überleitung der Haftung auf den Staat.
1. Ausübung eines öffentlichen Amtes
Zunächst müsse jemand in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt haben. Die Berufsfeuerwehr, oder genauer gesagt der Einsatzleiter der Berufsfeuerwehr, ist fraglos als Beamter im staatshaftungsrechtlichen Sinne zu qualifizieren, der auch aus seinem öffentlichen Amt heraus gehandelt hat, denn er hat sich bei seiner Anordnung zum Einsatz des Löschschaums auf öffentlich-rechtliche Vorschriften (vor allem § 34 Abs. 1 S. 1 BHKG) gestützt, die ausschließlich einen Träger hoheitlicher Gewalt, also den Einsatzleiter, berechtigen und verpflichten. § 34 Abs. 1 S. 1 BHKG regelt die Befugnisse der Einsatzleitung und lautet: „Die Einsatzleitung ist befugt, den Einsatz der Feuerwehren sowie der Einheiten des Katastrophenschutzes zu regeln, erforderliche Einsatzmaßnahmen zu treffen und zusätzliche Einsatzmittel und Einsatzkräfte über die Leitstelle anzufordern.“ Dabei handelte der Einsatzleiter auch in Ausübung eben dieses öffentlichen Amtes, als er den Einsatz des Löschschaumes anordnete, und nicht bloß bei Gelegenheit; mit anderen Worten bestand hier ersichtlich ein innerer wie äußerer Funktionszusammenhang zwischen der Anordnung des Löschschaumeinsatzes und dem öffentlichen Amt als Einsatzleiter der Berufsfeuerwehr.
2. Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht
Problematisch war dagegen, ob der Einsatzleiter durch die Anordnung des Löschschaumeinsatzes auch eine drittbezogene Amtspflicht verletzt hatte, die als Dritte auch die Klägerin umfasst. Als verletzte Amtspflicht kommt hier die aus Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitete Pflicht zum rechtmäßigen Verwaltungshandeln in Betracht. Zu dieser gehört es auch, dass der Einsatzleiter einer Berufsfeuerwehr die aus § 34 Abs. 1 S. 1 BHKG folgenden Leitungsrechte ermessensfehlerfrei ausübt. Diese Amtspflicht obliegt dem Einsatzleiter auch und gerade gegenüber der Klägerin, also der Inhaberin des Grundstücks, auf dem der Brand gelöscht werden soll, sodass keine bloße Pflicht gegenüber der Allgemeinheit besteht. Deshalb ist eine Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit des in Rede stehenden Löschschaumeinsatzes angezeigt.
Im vorliegenden Fall bestehen Bedenken gegen das aus § 34 Abs. 1 S. 1 BHKG folgende Auswahlermessen, das auch die Auswahl der richtigen Mittel umfasst. Der BGH nahm insoweit einen Ermessensnichtgebrauch an, da der Einsatzleiter der Berufsfeuerwahr nach den instanzgerichtlichen Feststellungen nicht von einem bestehenden Ermessen ausgegangen war, sondern vielmehr angenommen hatte, er wäre zum Einsatz des Löschschaumes verpflichtet. Wäre sich der Einsatzleiter dagegen seines bestehenden Ermessens bewusst gewesen, läge ein Fall der Ermessensüberschreitung vor, da der Einsatz des Löschschaumes nicht im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz steht, da die Ausbreitung des Brandes auch mit gleich effektiven, milderen Mitteln, die das Erdreich sowie das Grundwasser weniger belastet hätten, möglich gewesen wäre, sodass es an der Erforderlichkeit des Löschmitteleinsatzes mangelt. Damit hat der Einsatzleiter durch die Anordnung des Löschschaumeinsatzes die drittgerichtete Amtspflicht zum rechtmäßigen Verwaltungshandeln verletzt.
3. Verschulden
Den Kern des Rechtsstreits bildete allerdings nachgelagert die Frage, ob diese Amtspflichtverletzung auch schuldhaft begangen wurde, dem Einsatzleiter also ein Verschulden im Sinne des § 276 Abs. 1 BGB angelastet werden kann. Maßstab ist insoweit allerdings nicht der konkret handelnde Einsatzleiter, sondern vielmehr ein besonnener und gewissenhafter, mit anderen Worten pflichtgetreuer Durchschnittsbeamter. Schon aus der Formulierung des Sachverhalts folgt, dass am Vorliegen einfacher Fahrlässigkeit im Sinne des Außerachtlassens der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach § 276 Abs. 2 BGB bei dem nicht erforderlichen Einsatz des Löschschaums keine Bedenken bestehen – zumal der Einsatzes dieses sog. PFOS-Schaumes in verschiedenen Verordnungen, die jedenfalls Berufsfeuerwehrleuten bekannt sein sollten, explizit verboten wird (so hat der BGH bereits in einer früheren Entscheidung klargestellt, dass sich ein Beamter die für die Amtsausübung notwendigen Kenntnisse selbst verschaffen muss, vgl. Urt. v. 26.01.1989 – III ZR 194/87, NJW 1989, 976). Gleichwohl formuliert § 276 Abs. 1 BGB, dass der Haftungsmaßstab der einfachen Fahrlässigkeit nur dann herangezogen werden kann, wenn eine strengere oder – wie hier – möglicherweise mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem Inhalt des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist. Dies könnte hier der Fall sein, wenn man aus der Haftungsprivilegierung für die Geschäftsführung bei Gefahrenabwehr, die sich aus § 680 BGB ergibt, eine Analogie herleiten könnte. Voraussetzung dafür wäre das Vorliegen einer vergleichbaren Interessenlage sowie einer planwidrigen Regelungslücke.
a) vergleichbare Interessenlage?
Der BGH verneint (in den Rn. 54 ff.) bereits das Vorliegen einer vergleichbaren Interessenlage, die in der Literatur teilweise damit begründet wird, dass ein berufsmäßiger Helfer nicht schlechter stehen dürfe als ein nicht-berufsmäßiger Helfer:
„Nach Sinn und Zweck von § 680 BGB soll der potenzielle Geschäftsführer in Augenblicken dringender Gefahr zur Hilfeleistung ermutigt werden, weil dies auch im allgemeinen Interesse erwünscht und nach § 323 c StGB unter Umständen sogar gefordert ist. Die Vorschrift des § 680 BGB will also denjenigen schützen und in gewissem Umfang vor eigenen Verlusten bewahren, der sich zu spontaner Hilfe entschließt. Sie berücksichtigt, dass wegen der in Gefahrensituationen geforderten schnellen Entscheidung ein ruhiges und überlegtes Abwägen ausgeschlossen ist und es sehr leicht zu einem Sichvergreifen in den Mitteln der Hilfe kommen kann […]. Diese Situation entspricht nicht derjenigen von Amtsträgern, zu deren öffentlich-rechtlicher Pflicht die „berufsmäßige“ Abwehr einer dringenden Gefahr für Einzelne oder die Allgemeinheit gehört (vgl. § 2 Absatz I 1 BWFwG zur gesetzlichen Aufgabe der von der Bekl. unterhaltenen Feuerwehr). Die genannten Amtsträger sind auf die mit der Gefahrenabwehr häufig verbundenen Noteinsätze typischerweise vorbereitet und können auf entsprechende Erfahrungen aus dem Berufsalltag zurückgreifen, so dass das Risiko eines Fehlverhaltens deutlich geringer ist als bei zufällig hinzutretenden Personen […]. Zudem hat die hinter der Haftungsbeschränkung des § 680 BGB stehende Erwägung, den fremdnützig in einer Notsituation eingreifenden Helfer vor eigenen Verlusten zu bewahren, in Fällen der Gefahrenabwehr durch Behörden deutlich weniger Gewicht.“
Deshalb – so der BGH – sei der Körperschaft, die für die Amtspflichtverletzung anstelle des Feuerwehrbeamten haftet, ein höheres Haftungsrisiko zumutbar als einem freiwilligen (und selbst haftenden) Nothelfer.
b) planwidrige Regelungslücke?
Ob das Gesetz darüber hinaus unvollständig ist und damit eine von Gesetzgeber so nicht vorgesehene Regelungslücke planwidriger Art vorliegt, bezweifelt der BGH (in den Rn. 57 ff.) ebenfalls:
„Das Gesetz enthält auch keine planwidrige Regelungslücke […]. Ob eine derartige Lücke vorhanden ist, die im Wege der Analogie ausgefüllt werden kann, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Das Gesetz muss also, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig sein […] Dies ist im Hinblick auf den Haftungsmaßstab für die in Ausübung eines öffentlichen Amtes erfolgende Gefahrenabwehr nicht der Fall. […]
Würde […] für die gesamte öffentlich-rechtliche Gefahrenabwehr, soweit sie Notsituationen betrifft, ein reduzierter Haftungsmaßstab entsprechend § 680 BGB gelten, wären bedeutende Bereiche staatlicher Tätigkeit von der Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausgenommen. Eine derartige Haftungsprivilegierung ist weder mit den vorgenannten Grundsätzen der Amtshaftung nach § 839 BGB vereinbar noch ist sie erforderlich. Denn der besonderen Situation eines Noteinsatzes kann – unter Berücksichtigung der Ausbildung und der Erfahrung des Amtsträgers – auch im Rahmen der Prüfung des Vorwurfs der einfachen Fahrlässigkeit hinreichend Rechnung getragen werden. Ist die objektiv richtige Handlung für den Amtsträger angesichts der Verhältnisse am Einsatzort und in der Kürze der für die Entscheidungsfindung zur Verfügung stehenden Zeit nicht erkennbar, kann ihm jedenfalls kein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden. Unter Umständen liegt bereits keine Amtspflichtverletzung vor […].
Somit liegt auch keine planwidrige Regelungslücke vor. Dies überzeugt, zeigt doch § 839 BGB selbst gerade, dass der Gesetzgeber bewusst verschiedene Haftungsprivilegierungen für die staatliche Haftung formuliert hat, sodass für die analoge Anwendung weiterer BGB-Normen schon deshalb wohl kaum Platz sein kann. Singbartl/Zintl fassen dies in ihrer Urteilsanmerkung (NJW 2018, 2723) treffend zusammen: „Hätte der Gesetzgeber eine so weitreichende Einschränkung der Staatshaftung gewollt, hätte er dies selbst regeln müssen. Ein „Überspielen“ dieser Nicht-Entscheidung des Gesetzgebers wäre contra legem, würde also die Grenze unzulässiger Rechtsfortbildung berühren.“
c) Zwischenergebnis
Damit greift der Haftungsmaßstab des § 276 Abs. 1, 2 BGB ein, sodass auch die oben beschriebene einfache Fahrlässigkeit zur Erfüllung des Verschuldenserfordernisses ausreichend ist.
4. Ersatzfähiger Schaden
Die Klägerin kann demgemäß alle durch den Einsatz des Löschschaumes adäquat kausal verursachten Schäden in Geld ersetzt verlangen.
5. Keine Ausschlussgründe
Ausschlussgründe aus § 839 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 oder Abs. 3 BGB (Subsidiarität, Spruchrichterprivileg oder unterlassener Rechtsmittelgebrauch) sind nicht ersichtlich.
6. Ergebnis
Demnach steht der Klägerin ein Amtshaftungsanspruch gegen die beklagte Stadt zu, § 839 Abs. 1 i.V.m. Art. 34 S. 1 GG.
III. Was folgt nun daraus?
Der BGH klärt mit seiner Entscheidung einen in der Literatur geführten Streit, der sich in allen Standardkommentaren des BGB wiederfindet (s. nur Palandt/Sprau, 77. Aufl. 2018, § 630 BGB Rn. 1). Wegen der zugleich bestehenden Praxisrelevanz handelt es sich um ein wegweisendes Judikat, das die Aktualität des Amtshaftungsanspruchs abermals unterstreicht.
Gleichwohl ist das Urteil des BGH zum Brandbekämpfungseinsatz einer Berufsfeuerwehr ergangen. Deshalb lässt sich die Folgefrage formulieren, ob sich die Erwägungen des III. Senats auch auf in Deutschland im Verhältnis zur Berufsfeuerwehr deutlich in der Überzahl befindliche freiwillige Feuerwehren übertragen lassen. Dies ist – wie Singbartl/Zintl, NJW 2018, 2723 richtigerweise anmerken – problemlos der Fall. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Auch freiwillige Feuerwehren sind öffentliche Einrichtungen der Gemeinden; sie werden mit anderen Worten öffentlich getragen. Auch hier kann sich der öffentliche Träger wie in der Argumentation des BGH beschrieben finanziell absichern – vor allem durch Abschluss einer entsprechenden Versicherung und durch Schulung der freiwilligen Feuerwehrleute. Eine Analogiebildung  zu § 680 BGB ist also auch in diesem Fall nicht angezeigt.

19.09.2018/1 Kommentar/von Dr. Sebastian Rombey
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Sebastian Rombey https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Sebastian Rombey2018-09-19 09:01:362018-09-19 09:01:36BGH: § 680 BGB ist nicht analog auf den Amtshaftungsanspruch anwendbar – Zur Staatshaftung für einen Feuerwehrbeamten
Dr. Sebastian Rombey

Die Schenkung – Ein Grundlagenbeitrag

Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Der nachfolgende Beitrag fasst das grundlegende Wissen über die Schenkung, die in den §§ 516 ff. BGB geregelt ist, zusammen, weist auf die jeweilige Prüfungsrelevanz hin und versucht gleichzeitig, häufig auftauchende Fehler aufzuzeigen.
I. Gang der Darstellung
Die Schenkung regelt Fälle, in denen der Zuwendende (Schenker) Vermögenswerte mit dem Ziel der endgültigen Übertragung unentgeltlich einem anderen (Beschenkten) zuwendet.[1]
Da das Gesetz zwischen zwei Arten der Schenkung unterscheidet, genauer gesagt zwischen der formlosen Handschenkung nach § 516 Abs. 1 BGB und dem formbedürftigen Schenkungsversprechen gemäß § 518 Abs. 1 BGB,[2] wird dieser Differenzierung im nachfolgenden Beitrag durch getrennte Ausführungen Rechnung getragen. Im Anschluss wird auf einzelne Reglungen, die für beide Arten der Schenkung gelten, eingegangen und zuletzt auf besondere Konstellationen hingewiesen.
II. Die Handschenkung
1. Allgemeines
Um die Natur der Handschenkung (Lat. „donatio manu“) begreifen zu können, muss zunächst der Begriff der Schenkung verstanden werden, der in § 516 Abs. 1 BGB gesetzlich legaldefiniert ist. Darin heißt es: „Eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, ist Schenkung, wenn beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt.“ Insbesondere der letzte Teil des Absatzes ist genauer zu betrachten, denn gerade dieser wird zumeist übersehen, obwohl sich aus ihm eine entscheidende Schlussfolgerung herleiten lässt: nämlich, dass es sich bei der Schenkung nicht um ein lediglich einseitiges Rechtsgeschäft, sondern um einen Vertrag handelt; beide Parteien müssen einig sein, sodass die § 145 ff. BGB heranzuziehen sind. Dies darf nicht damit verwechselt werden, dass der Vertrag nur einseitig verpflichtend wirkt, nämlich für den Schenker. Hintergrund der Ausgestaltung der Schenkung als Vertrag ist der gerade in einer von Privatautonomie geprägten Rechtsordnung stets zu beachtende Grundsatz, dass niemand zu seinem Glück gezwungen werden darf – zumal Schenkungen gerade für den Beschenkten je nach Sachverhalt auch durchaus nachteilig sein können. Deshalb ist es dem Zuwendungsempfänger nach § 516 Abs. 2 S. 1 BGB möglich, die Zuwendung abzulehnen – wobei er das bereits Zugewendete dann gemäß § 516 Abs. 2 S. 3 BGB über die Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) wieder herausgeben muss. Gleichwohl ermöglich es das Gesetz dem Schenker, dem zu Beschenkenden zur Schaffung von Rechtsklarheit eine angemessene Frist zur Annahme der Schenkung zu setzen, § 516 Abs. 2 S. 1 BGB. Erklärt sich der Beschenkte daraufhin nicht, gilt nach Ablauf der Frist das Angebot als angenommen, sodass gemäß § 516 Abs. 2 S. 2 BGB der Vertrag als Ausnahmeregelung zu den allgemeinen Normen auch durch Schweigen zu Stande kommen kann, was sich letztlich aus der auf Grund der Unentgeltlichkeit der Zuwendung geringen Schutzwürdigkeit des Beschenkten erklären lässt.[3]
Nachdem nun festgehalten werden kann, dass eine Schenkung ein schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft voraussetzt, fällt auch folgende Überlegung nicht mehr schwer. Durch die Schenkung wird kein Eigentum an der zu verschenkenden Sache übertragen – unter Beachtung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips ist dafür ein gesonderter, verfügungsgeschäftlicher Übertragungstatbestand i. S. d. §§ 929 ff. BGB notwendig. Dies darf in keinem Fall übersehen werden. Gleichwohl wird bei der Handschenkung regelmäßig die Übergabe und Übereignung der Sache gleichzeitig (§ 516 Abs. 1 BGB) oder bereits vor dem (meist konkludenten) Zustandekommen des Kausalgeschäfts (§ 516 Abs. 2 BGB) erfolgt sein; man denke etwa an die Überreichung eines Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenks, sodass sich dieses Problem eher bei dem noch zu erläuternden Schenkungsversprechen stellt.
Dennoch wird unter dem Gesichtspunkt der rechtsdogmatischen Einordnung diskutiert, ob aus dem Schenkungsvertrag der Handschenkung eine Leistungsverpflichtung des Schenkers zur Vornahme der Schenkung resultiert[4] oder sich der Vertrag lediglich als Rechtsgrundabrede i. S. d. § 812 BGB qualifizieren lässt.[5] Auch wenn eine Schenkungspflicht von der überwiegenden Meinung mit dem Verweis auf den historischen Gesetzgeber abgelehnt wird, der die Schenkung als Realvertrag ausgestaltet hatte, sodass der Schenkungsvertrag erst durch tatsächliche Vornahme zu Stande kam,[6] kann der Streit in Klausuren regelmäßig unausgefochten bleiben. Dies ist der Fall, weil unabhängig davon, ob für den Schenker nun eine Leistungspflicht besteht oder nicht, eine solche bei der Handschenkung durch sofortigen Vollzug derselben nach § 362 BGB durch Erfüllung umgehend erlöschen würde, sodass beide Auffassungen letztlich zu demselben Ergebnis gelangen.
2. Voraussetzungen der Handschenkung
Erforderlich für eine Handschenkung ist also nach dem oben Gesagten eine unentgeltliche „Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert“.
a) Zuwendung
Die Zuwendung muss dazu führen, dass sich das Vermögen des Schenkers verringert, während der Beschenkte bereichert wird. Diese vermögensverschiebende Zuwendung erfordert die bewusste, rechtliche Hingabe des Vermögensvorteils.[7] Da die Schenkung bewusst als unentgeltliches Gegenstück zum Kaufvertrag konzipiert wurde, können Objekte der Zuwendung nur Kaufgegenstände, Sachen oder Rechte sein – dazu zählt auch das Vermögen als solches (§ 311b Abs. 3 BGB) oder eine Erbschaft (§ 2285 BGB).[8]
Darüber hinaus muss die Zuwendung kausal dazu führen, dass sich das Vermögen des Schenkers mindert. Eine solche Vermögensminderung kann etwa in der Übereignung einer Sache, der Übertragung eines Rechts oder dem Erlass einer Schuld liegen.[9] Jedoch muss der Schenkungsgegenstand vor der Schenkung nicht notwendigerweise im Eigentum des Schenkers gestanden haben – die Beschaffung der Zuwendung von einem Dritten durch eigene Leistung genügt.[10]
Durch die Zuwendung muss zudem auf der Seite des Beschenkten eine Bereicherung derart eingetreten sein, dass ein Vergleich der Vermögenslage des Beschenkten vor und nach der Zuwendung einen positiven Saldo ergibt. Ob sich durch die Zuwendung nun Aktiva vermehrt oder Passiva verringert haben, ist letztlich unbeachtlich, da allein auf die objektive Bereicherung abzustellen ist.[11]
b) Unentgeltlichkeit
Die Unentgeltlichkeit der Zuwendung ist anzunehmen, wenn die Schenkung unabhängig von einer Gegenleistung erfolgt.[12] Die Einigung muss sich auf diese Unentgeltlichkeit erstrecken und bestimmt sich mithin durch Pateivereinbarung – eine synallagmatische Verknüpfung darf nicht vorliegen.[13] Die Beurteilung erfolgt unabhängig vom wirtschaftlichen Wert der Zuwendung, zudem muss es sich nicht um eine wertvolle Leistung oder gar um Geld handeln, sogar ein Unterlassen kann als Handlung im Einzelfall als Gegenleistung einzuordnen sein.[14]
III. Das Schenkungsversprechen
Bei dem Schenkungsversprechen nach § 518 Abs. 1 BGB wird eine Leistung (§ 241 BGB), also eine Zuwendung, schenkweise und damit unentgeltlich für die Zukunft versprochen. Das Schenkungsversprechen ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die bei ihrer Annahme durch den zu Beschenkenden nach § 151 BGB zum Entstehen eines einseitig verpflichtenden Vertrags führt.[15] Auch dieser Vertrag ist wieder von der Übertragung der geschenkten Sache zu trennen.
Der so geschlossene Vertrag bedarf nach § 518 Abs. 1 BGB der notariellen Beurkundung. Dieses Formerfordernis erfüllt zugleich mehrere Funktionen. Zum einen soll der Schenker vor voreiligen Handlungen bewahrt (Schutzfunktion) und ihm zugleich die Möglichkeit gegeben werden, die Folgen der unentgeltichen Zuwendung gründlich zu wägen (Warnfunktion)[16], während eine erhöhte Rechtssicherheit durch den Beweischarakter der Urkunde hergestellt wird.[17]
Gleichwohl führt ein Formverstoß nicht notwendigerweise nach § 125 S. 1 BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, viel mehr kann ein Mangel der Form gemäß § 518 Abs. 2 BGB durch Bewirkung der Leistung, genauer gesagt durch Vollziehung der Schenkung, geheilt werden.[18]
Durch das wirksame Schenkungsversprechen entsteht also – im Gegensatz zur Handschenkung – eine Verpflichtung des Schenkers zur unentgeltlichen Zuwendung des Versprochenen. Eine solche Leistungspflicht führt bei Nichterfüllung zu einem (einklagbaren) Anspruch des Begünstigten auf die Leistung, mithin auf die noch vorzunehmende Schenkung.
IV. Privilegierung des Schenkers
In den §§ 521 ff. BGB wird die Haftung des Schenkers eingeschränkt (Näheres unter 1.); darüber hinaus werden ihm vom Gesetzgeber die Einrede des Notbedarfs nach § 519 BGB (unter 2.), das Recht der Rückforderung der Zuwendung bei Verarmung gemäß § 528 BGB (unter 3.) sowie ein Widerrufsrecht i. S. v. § 530 BGB (unter 4.) gewährt. Grund dieser Privilegierung ist die besondere Schutzwürdigkeit des altruistisch handelnden Schenkers, insbesondere im Vergleich mit Schuldnern anderer Vertragstypen.[19]
1. Haftungsfragen
Nach § 521 BGB haftet der Schenker in damit einhergehender Einschränkung des § 276 Abs. 1 BGB nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Zu beachten ist, dass in analoger Anwendung der Norm auch die Rechtsnachfolger des Schenkers in den persönlichen Anwendungsbereich mit einzubeziehen sind.[20]
Sachlich gilt § 521 BGB für alle Arten von Leistungsstörungen, lediglich die (nach § 518 Abs. 1 BGB formbedürftige) Garantieübernahme des Schenkers schließt nach allgemeiner Auffassung als unabhängig von etwaigem Verschulden ausgestaltete, vertragliche Einstandspflicht die Norm aus.[21]
Umstritten ist hingegen, ob die Haftungsbeschränkung des § 521 BGB allein für die Verletzung von Leistungspflichten des Schenkers gilt oder die Privilegierung auch auf Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB oder gar deliktische Ansprüche zu erstrecken ist.
Teile der Literatur wollen die Norm lediglich für die Verletzung von Leistungspflichten heranziehen, mit der Begründung, dass die Wertungen des § 521 BGB allein für solche passend seien.[22]
Die überwiegende Ansicht in der Literatur und der Rechtsprechung lehnt eine solch restriktive Anwendung der Norm – zu Recht – mit dem Verweis auf die hohe Schutzbedürftigkeit des Schenkers sowie aus Billigkeitserwägungen ab.[23] Zum einen ist nicht ersichtlich, warum nun gerade Schutzpflichten vom Schutzbereich der Norm auszuschließen sein sollen. Zum anderen würde der Ausschluss des § 521 BGB für deliktische Ansprüche dazu führen, dass die Haftungsprivilegierung leer liefe und somit Wertungswidersprüche bestünden – schließlich würde der Schenker so im Ergebnis doch aus unerlaubter Handlung haften.
Jedoch ist die uneingeschränkte Anwendung des § 521 BGB auf alle Arten von Nebenpflichten, die ebenso z. T. gefordert wird[24], mit der erwähnten herrschenden Auffassung dahingehend einzuschränken, dass nur solche Schutzpflichten zu erfassen sind, die einen Zusammenhang mit dem Vertragsgegenstand aufweisen, was regelmäßig bei Aufklärungspflichten anzunehmen ist.
Zudem ist – nun wieder in Übereinstimmung mit allen Ansichten – bei der Leistungspflichtverletzung der rechtzeitigen Zuwendung, namentlich dem Verzug des Schenkers, § 522 BGB heranzuziehen, der normiert, dass der Schenker wegen der Unentgeltlichkeit seiner Leistung in Abweichung von § 288 BGB keine Verzugszinsen schuldet.
Spezielle, weitreichendere und damit vorrangig heranzuziehende Regelungen enthalten außerdem die §§ 523, 524 BGB, soweit die Haftung für Rechts- oder Sachmängel in Rede steht. Danach haftet der Schenker dem Grundsatz nach nur, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Da es sich letztlich um die Unterlassung einer Aufklärungspflicht handelt, ist das Vertrauensinteresse zu ersetzen, der Beschenkte also so zu stellen, wie er stünde, wenn er pflichtgemäß aufgeklärt worden wäre, nicht so, wie er stände, wenn mangelfrei geleistet worden wäre.[25]
Fraglich und umstritten ist, ob diese Spezialreglungen auch für Mangelfolgeschäden, also für die Haftung für Schäden an anderen Rechtsgütern des Beschenkten, gelten. Nach der überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum wird dies angenommen, sodass alleine eine Haftung bei arglistigem Verschweigen eines Mangels in Betracht kommt.[26] Teilweise wird allerdings gefordert, das allgemeine Leistungsstörungsrecht Anwendung finden zu lassen.[27] Den Schenker auf diese Art bereits für leichte Fahrlässigkeit nach § 276 Abs. 1 und 2 BGB haften zu lassen erscheint jedoch – wegen der bereits oben vorgetragenen Argumente – unbillig, sodass der herrschenden Ansicht zu folgen ist. Es bleibt jedoch darauf hinzuweisen, dass die zitierte Entscheidung des BGH vor Inkrafttreten des Schuldrechtmodernisierungsgesetzes getroffen wurde, sodass mit anderen Argumenten in Klausuren auch der anderen Ansicht gefolgt werden kann.
In Fallkonstellationen, in denen der Schenker die Leistung ausdrücklich versprochen hat, muss § 523 Abs. 2 BGB wegen Rechtsmangels herangezogen werden. Danach muss der Schenker haften, wenn er den Mangel kennt oder kennen musste, mithin diesen wegen fahrlässiger Unkenntnis nicht kennt. Der Schadensersatzanspruch richtet sich hier auf das Erfüllungsinteresse.[28]
Zudem muss der Schenker nur für Sachmängel nach § 524 Abs. 2 BGB verschärft haften, wenn es sich um eine Gattungssache, die nach Maß, Zahl, Gewicht oder Ähnlichem bestimmt zu werden pflegt, handelt. Ist dies der Fall, kann der Beschenkte bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Schenkers die Nachlieferung einer mangelfreien Sache mittlerer Art und Güte verlangen; liegt darüber hinaus Arglist bzgl. des Verschweigens des Mangels vor, so kann der Beschenke einen auf das Erfüllungsinteresse gerichteten Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung geltend machen.
2. Notbedarfseinrede
Gemäß § 519 BGB kann der Schenker die rechtshemmende Einrede des Notbedarfs erheben und seine Leistungspflicht der Zuwendung aus dem Schenkungsversprechen verweigern, wenn Verarmung vorliegt. Es geht um Fälle, in denen der Anspruch noch nicht erfüllt ist. Ein wirklicher Herausgabeanspruch nach Erfüllung wird nur unter den strengeren Voraussetzungen der §§ 528, 529 BGB gesetzlich zugebilligt.
Es muss demnach eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse eingetreten sein, unabhängig davon, ob der Schenker jene selbst verschuldet hat.[29] Zudem muss der Schenker zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet sein und es darf ihm nicht möglich sein, seiner Unterhaltsverpflichtung in angemessener Höhe nachkommen zu können. Beispielhaft genannt seien Unterhaltsverpflichtungen aus den §§ 1360 ff. BGB, §§ 1569 ff. BGB, 1601 ff. BGB.
3. Rückforderung des Geschenks
Der Schenker kann seine bereits geleistete Zuwendung, mithin das Geschenk, nach § 528 Abs. 1 BGB über die Rechtsfolgenverweisung in das Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. BGB zurückverlangen, soweit er verarmt und auch außerstande ist, seinen eigenen angemessenen Unterhalt zu bestreiten oder anderen Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen. Insoweit besteht der Unterschied zu § 519 BGB darin, dass der Anspruch nur besteht, wenn der Schenker die Bedürftigkeit nicht selbst durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit verschuldet hat oder seit der Schenkung bereits zehn Jahre vergangen sind, wie sich aus § 529 Abs. 1 BGB ergibt.
Gleiches kommt dann aber auch dem Beschenkten zu Gute, dieser kann nach § 529 Abs. 2 BGB wiederum die Herausgabe verweigern, soweit er seinerseits ohne die Zuwendung nicht mehr in der Lage wäre, seinen eigenen Unterhaltsverpflichtungen gerecht zu werden.
Da als Rechtsfolge das Bereicherungsrecht heranzuziehen ist, ist immer auch an die Berufung des Bereicherungsschuldners auf die Entreicherung i. S. v. § 818 Abs. 3 BGB zu denken –unter der Voraussetzung der Gutgläubigkeit, §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB, versteht sich.[30]
4. Widerruf
Nach den §§ 530 ff. BGB ist es dem Schenker höchstpersönlich möglich, seine Schenkung zu widerrufen (Ausnahme § 530 Abs. 2 BGB). Dies gilt auch für Schenkungsversprechen. Der Grund des Widerrufs liegt hier im Gegensatz zu § 519 BGB (Notbedarfseinrede) im Verhalten des Beschenkten. Hat sich dieser durch groben Undank oder schwere Verfehlungen gegen den Schenker oder dessen Angehörige schuldig gemacht, erscheint es richtig, dem Schenker ein Widerrufsrecht an die Hand zu geben. Auch wenn eine Schenkung ohne die Erwartung einer Gegenleistung vorgenommen wird, so wird doch gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, man erwarte, der Beschenkte erweise sich nicht im Nachhinein als unwürdig.[31]
Voraussetzung dessen ist, dass objektiv eine schwere Verfehlung vorliegt und zusätzlich eine solche „Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten ist, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt, die der Beschenkte erwarten kann“[32]. Als schwere Verfehlungen bzw. als grober Undank wurden etwa schwere Körperverletzungen, schwere Beleidigungen oder bewusst grundlose Strafanzeigen gewertet.
Die wirksame Ausübung dieses Gestaltungsrechts führt grds. dazu, dass das Geschenkte über § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB zurückverlangt werden kann, soweit die Voraussetzungen der Norm vorliegen, § 531 Abs. 2 BGB.
V. Schenkung unter Auflagen
Eine Schenkung kann mit einer Auflage verbunden werden. Eine Auflage ist nicht als Gegenleistung einzuordnen, sodass die §§ 518 ff. BGB uneingeschränkt Anwendung finden, jedoch die Sondernormen der §§ 525, 526, 527 BGB zu beachten sind. Demnach darf der Beschenkte zur Erfüllung der Auflage gerade kein eigenes Vermögen oder anderes aufwenden, da sich die Auflage sonst als Gegenleistung ansehen ließe, sondern muss die Auflage gerade aus dem Geschenkten heraus erbringen bzw. das Geschenkte zur Erfüllung der Auflage verwenden.
Nach § 525 Abs. 1 BGB kann der Schenker die Vollziehung der Auflage verlangen, wenn er die Schenkung seinerseits zuvor vollzogen hat. Kommt der Beschenkte der Auflage nicht nach, ergibt sich nach § 527 BGB ein Herausgabeanspruch des Schenkers hinsichtlich des Geschenkes. Weil § 527 BGB auf die Rücktrittsvorschriften bei synallagmatischen Verträgen verweist, finden diese Anwendung, §§ 323 ff. BGB. Auf den Umfang des Anspruchs hingegen verweist das Gesetz auf das Bereicherungsrecht der §§ 818 ff. BGB.
VI. Sonderkonstellationen
Im Rahmen dieses Grundlagenbeitrags konnte auf einige wichtige Sonderkonstellationen nicht mehr eingegangen werden, die aber zumindest Erwähnung finden sollen. Dazu zählen insbesondere die Schenkung unter Ehegatten, Schenkungen an Minderjährige bzw. Schenkungen von diesen sowie gemischte Schenkungen.
 
VII. Abschließende Bemerkungen
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die grundlegenden Probleme und Fallgestaltungen innerhalb des Schenkungsrechts auf Grund des geringen Umfangs von Normen und höchstrichterlicher Rechtsprechung zu dieser Thematik meist zufriedenstellend gelöst werden können und sich deshalb die – zumindest grundlegende – Befassung mit diesem Vertragstyp anbietet.
Uneingeschränkt empfehlenswert zur weiterführenden Einarbeitung und Schärfung des Problembewusstseins eignen sich zur Lektüre neben den in den Fußnoten zitierten Lehrwerken besonders die Aufsätze von Kollhosser, Ehebezogene Zuwendungen und Schenkungen unter Ehegatten, in: NJW 1994, 2313 ff. sowie Schlinker, Sachmängelhaftung bei gemischter Schenkung, in: AcP 206 (2006), 28.
 
[1] Jauernig/Mansel, Kommentar zum BGB, 15. Aufl. 2014, § 516, Rn. 1.
[2] Vgl. bzgl. der Unterscheidung Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil, 9. Aufl. 2014, § 17, Rn. 305.
[3] Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil, 9. Aufl. 2014, § 17, Rn. 309.
[4] So etwa HK-BGB/Saenger, BGB-Handkommentar, 7. Aufl. 2012, § 516, Rn. 6.
[5] Für die überwiegende Ansicht bereits RGZ 111, 151 (152); BGH NJW 2007, 2844; Jauernig/Mansel, Kommentar zum BGB, 15. Aufl. 2014, § 516, Rn. 1; MüKo-BGB/J. Koch, 6. Aufl. 2012, § 516, Rn. 2.
[6] Vgl. zur historischen Begründung dieser Ansicht Schlechtriem, Schuldrecht Besonderer Teil, 6. Aufl. 2003, Rn. 185.
[7] jurisPK-BGB/Sefrin, 7. Aufl., Stand: 01.10.2014, § 516, Rn. 31.
[8] BeckOK-BGB/Gehrlein, 32. Edition, Stand: 01.08.2014, § 516, Rn. 3.
[9] Zu weiteren Beispielen vgl. Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, 38. Aufl. 2014, § 9, Rn. 7.
[10] BGH NJW 1972, 247; so auch Palandt/Weidenkaff, Kommentar zum BGB, 74. Aufl. 2015, § 516, Rn. 5.
[11] MüKo-BGB/J. Koch, 6. Aufl. 2012, § 516, Rn. 11.
[12] BGH NJW 1981, 436 = NJW 2009, 2737.
[13] BeckOK-BGB/Gehrlein, 32. Edition, Stand: 01.08.2014, § 516, Rn. 7.
[14] Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, 38. Aufl. 2014, § 9, Rn. 9.
[15] Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil, 9. Aufl. 2014, § 17, Rn. 311.
[16] BGHZ 82, 359.
[17] BGH NJW-RR 2007, 489.
[18] § 518 BGB bindet nur den Schenker an dieses Formerfordernis. Bei Schenkungsverträgen, die insgesamt einem Formzwang unterliegen, wie beispielsweise Grundstücksverträge nach § 311b Abs. 1 BGB, muss demnach der gesamte Vertrag notariell beurkundet werden. Näheres bei Palandt/Weidenkaff, Kommentar zum BGB, 74. Aufl. 2015, § 518, Rn. 7.
[19] HK-BGB/Saenger, BGB-Handkommentar, 7. Aufl. 2012, § 521, Rn. 1.
[20] HK-BGB/Saenger, a. a. O.
[21] Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil, 9. Aufl. 2014, § 17, Rn. 315.
[22] Jauernig/Mansel, Kommentar zum BGB, 15. Aufl. 2014, § 521, Rn. 1; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Besonderer Teil, Halbband 2, 13. Aufl. 1986, § 47 II b; Schlechtriem, BB 1985, 1356.
[23] BGHZ 93, 23 (27); MüKo-BGB/J. Koch, 6. Aufl. 2012, § 521, Rn. 5 m. w. N. für die h. M.
[24] So etwa noch Canaris, JZ 1965, 475 (481).
[25] Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil, 9. Aufl. 2014, § 17, Rn. 319; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 4. Aufl. 2013, § 4, Rn. 36.
[26] BGHZ 93, 22 (28); Gerhardt, JuS 1970, 597 (600); Jauernig/Mansel, Kommentar zum BGB, 15. Aufl. 2014, § 521, Rn. 1; Palandt/Weidenkaff, Kommentar zum BGB, 74. Aufl. 2015, § 524, Rn. 7.
[27] Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Besonderer Teil, Halbband 2, 13. Aufl. 1986, § 47 II b; Stoll, JZ 1985, 384 (385).
[28] BeckOK-BGB/Gehrlein, 32. Edition, Stand: 01.08.2014, § 523, Rn. 3.
[29] Palandt/Weidenkaff, Kommentar zum BGB, 74. Aufl. 2015, § 519, Rn. 4.
[30] Vgl. zur Vertiefung Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil, 9. Aufl. 2014, § 17, Rn. 325.
[31] Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, BT, 17. Aufl. 2014, § 91, Rn. 400.
[32] BGH NJW 1992, 183.

11.02.2015/0 Kommentare/von Dr. Sebastian Rombey
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