Wer kennt sie nicht, die in jeder Stadt in Massen auftretenden Stadttauben. Mittlerweile haben sie sich so an den Menschen gewöhnt, dass sie mit diesem einen gemeinsamen Lebensraum teilen und nicht mehr verjagt werden können. Überall trifft man diese „Ratten der Lüfte“ an, die sich vom Müll der Menschen ernähren. Ihr gehäuftes Auftreten bringt einige Probleme mit sich: So werden viele Bauwerke durch den Kot der Tauben beschädigt, ebenso sind die Tauben auch als Krankhheitsüberträger bekannt. Hinzu kommt, dass der gemeinsame Lebensraum von Tauben und Menschen auch für die Tauben selbst Gefahr birgt: Jeder kennt wohl die Bilder von überfahrenen oder einbeinigen Tauben, bzw. von kaputten Füßen und zerzaustem Gefieder.
Aus diesem Grund sind viele deutsche Städte entschlossen, die Taubenplage einzudämmen, indem entweder die Tauben vergrämt werden, Anti-Baby-Pillen für Tauben verteilt werden, oder die Eier gegen Attrappen getauscht werden. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in einem heute rechtskräftig gewordenen Urteil v. 1.9.2011 (8 A 396/10) jetzt auch bestätigt, dass es sich bei Tauben um Schädlinge i.S.d. Tierschutzgesetzes handelt, deren Tötung durch Menschen mit notwendigen Kenntnissen und Fähigkeiten möglich ist (§ 4 Abs. 1 S. 3 TierSchG). Bei der gewerbsmäßigen Tötung bedarf es allerdings einer Erlaubnis der zuständigen Behörde (§ 11 Abs. 1 Nr. 3e TierSchG).
Nachfolgend ein Blick auf das Urteil des Verwaltsgerichtshofs:
Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger, ein ausgebildeter Jäger und Falkner, begehrte von der zuständigen Behörde eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Bekämpfung der Tauben nach folgender Methode:
Er wirbt für einen von ihm entwickelten sog. Fangschlag, einen Käfig, mit dem Tauben lebend eingefangen werden sollen. Später sollen die Tauben durch einen Stockschlag auf den Hinterkopf betäubt werden, um sie anschließend endgültig zu töten, indem der Kopf der Taube entfernt wird.
Dieses Anliegen wurde durch die zuständige Behörde unter Verweis auf § 1 TierSchG abgelehnt, da Stadtuben nicht per se Schädlinge darstellen. Nur bei einer konkreten Gefährdung sei dies erfüllt. Der dagegen gerichtete Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.
Auch die hiergegen gerichtete (Verpflichtungs)Klage vor dem Verwaltungsgericht blieb erfolglos, sodass der Kläger Berufung beim Verwaltungsgerichtshof einlegte. Dieser befasste sich erneut mit der Fragestellung, ob Tauben Schädlinge darstellen.
Dazu wurde zunächst festgestellt, dass die Schädlingseigenschaft auf einer konkreten Gefährdung nicht beruhen müsse. Auch eine abstrakte Gefährdung müsse genügen. Dem zugrunde liegt eine Abwägung zwischen dem geschützten Interesse der Menschen (Gesundheit) und dem Tierschutz. Grundsätzlich müsse eine abstrakte Gefahr für die Gefährdung der menschlichen gesundheit reichen, ist doch das menschliche Gesundheitsinteresse deutlich stärker zu gewichten als der Tierschutz.
Es liegt auf der Hand und wird auch von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen, daß dem Schutzgut der menschlichen Gesundheit ein höherer Rang zukommt als dem Tierschutz und daß deshalb die Abwehr von Gefahren, die der menschlichen Gesundheit von bestimmten Tieren drohen, ein vernünftiger Grund für Maßnahmen sein kann, die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden bei diesen Tieren verbunden sind. Die Auffassung der Antragstellerin, hierfür reiche eine abstrakte Gefahr nicht aus, verkennt den Begriff der abstrakten Gefahr.
Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, daß durch das Auftreten großer Schwärme wildlebender Tauben in Stadtgebieten, wie es im Gebiet der Antragsgegnerin stattfindet, eine erhebliche Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung eintritt. Die Abwehr einer solchen Gefährdung kann – bei Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – ohne weiteres einen vernünftigen Grund im Sinne des § 1 S. 2 TierschG darstellen.
Abgestellt wird hierbei allerdings nicht allein auf die Gesundheitsgefährdung der Menschen:
Gleichwohl gingen von den Tauben auch Gefahren für die Gesundheit aus, die nicht vom Anwendungsbereich des Infektionsschutzgesetzes erfasst seien. Hierzu zählten, insbesondere bei immungeschwächten Personengruppen wie Kindern, alten Menschen und Kranken – neben allergischen Reaktionen beim Einatmen von Feder- oder Kotstaub – auch starke Gesundheitsbelastungen sowie Allergien, die durch von Tauben verbreitete Parasiten wie der Taubenzecke und der Vogelmilbe hervorgerufen werden könnten
Auch auf die Substanzschäden an öffentlichen und privaten Gebäuden wird hingewiesen.
Auch der Schutz des Eigentums Privater und der öffentlichen Hand stellt einen Grund dar, die Taubenpopulation zu regulieren und so der Verschmutzung von Gebäuden durch Taubenkot entgegenzuwirken.
Damit liegt durch die Tauben zumindest eine abstrakte Gefährdung vor. Allerdings gilt dies nur dann, wenn diese in einer gehäuften Population auftreten – eine Taube allein ist noch kein Schädling. Eine Gruppe von Tauben führt aber dazu, dass eine Behandlung als Schädling geboten ist.
Das ist der Fall bei Schwärmen ab einer Größenordnung von etwa 10 Tieren pro 100 Quadratmeter Grundfläche.
Daneben sind die Tauben aber auch in geringeren Populationen dann als Schädling anzusehen, wenn besondere Gesundheitsschutzgründe eine Gefährdung anzeigen, bspw. in der Nähe von Nahrungsmittelbetrieben. Gleiches gilt bei denkmalgeschützten Gebäuden.
Unabhängig davon, ob die Tauben im Schwarm auftreten, handelt es sich außerdem dann um Schädlinge, wenn nach der Beurteilung der für den jeweiligen Einsatzort zuständigen Fachbehörde (Gesundheitsämter, Gewerbeaufsicht) Gründe des Gesundheitsschutzes oder des Arbeitsschutzes der Duldung der Tauben entgegenstehen. Dies gilt darüber hinaus im Falle der durch Taubenkot an Gebäuden drohenden Schäden außerdem auch für denkmalgeschützte Gebäude.
Damit sind die Tauben als Schädlinge anzusehen, mit der Folge, dass bei entsprechender personlicher Geeignetheit, die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Bekämpung zu erteilen ist. Die hiergegen gerichtete Revision wurde zum 24.1.2012 zurückgezogen, so dass das Urteil nunmehr rechtskräftig ist.
Kommentar
Ein meiner Ansicht nach völlig zutreffendes Urteil des Verwaltungsgerichtshofs. Zu Recht sind Mittel gegen die Taubenplage in Städten zu ergreifen – notfalls eben auch die Tötung der Tauben. Sicherlich sind dabei Aspekte des Tierschutzes zu beachten, allerdings darf dieser meiner Ansicht nach nicht dazu führen, dass die Interessen der Menschen vernachlässigt werden. Dies erkennt das Gericht hier zurecht. Zudem spielt meiner Ansicht nach auch der aspekt eine Rolle, dass die Tauben in den Städten oftmals kein ordentliches Leben haben, sondern unter den schlechten Bedingungen leiden. Mittel zur Eindämmung der Taubenpopulation sind damit auch mittelbar aus Gründen des Tierschutzes geboten. Bei Ratten oder Mäusen würde sich die Diskussion, ob es sich um Schädlinge handelt wohl erst gar nicht stellen; bei Tauben muss dann meiner Ansicht nach das gleiche gelten.
Klausurrelevanz
Zumindest die verwaltungsrechtlichen Grundsätze eignen sich auch gut für eine Klausur. Insbesondere auch deshalb, weil das Urteil selbst, die zahlreichen pro und contra Argumente enthält und sich so auch gut füür eine Klausur eignet. Anhand des TierSchG (welches wohl abgedruckt werden müsste) könnte dann auch gut die Subsumtion unter unbekannten Normen geprüft werden.