Der Bereich des Schadensrechts bzw. Fragen eines Anspruchsübergangs ist in der Klausur häufig sehr relevant. Sei es auf der Rechtsfolgenebene bzgl. der Schadensberechnung oder aber bereits im Rahmen der Anspruchsgrundlage. Insofern sollten gesetzliche Normen zum Anspruchsübergang zwingend bekannt sein. Hinzuweisen ist dabei bspw. auf § 86 VVG und § 116 SGB X. Zu letzterem ist auf ein kürzlich veröffentlichtes Urteil des OLG Hamm vom 9.9.2016 (26 U 14/16) hinzuweisen.
I. Folgender Sachverhalt lag dem zugrunde:
Patient P ließ sich in den Jahren 2006 und 2007 von einem Augenarzt wegen Augenschmerzen und Dunkelsehen behandeln. Der Beklagte diagnostizierte eine Bindehautentzündung, die er mit Augentropfen behandeln ließ. Eine weitere diagnostische Abklärung im Hinblick auf einen grünen Star unterblieb, obwohl die Beschwerden fortbestanden. Ende 2007 stellte sich nach Besuch einer weiteren Praxis heraus, dass P an fortgeschrittenem grünen Star an beiden Augen litt. Trotz umgehend durchgeführter Operationen verlor der Patient seine Sehschärfe, erlitt eine Gesichtsfeldeinengung und ist heute so gut wie blind. Bei rechtzeitiger OP hätte die Ursache direkt erkannt und noch beseitigt werden können. Ferner war die Behandlung auch grob fehlerhaft.
P erhielt von der Haftpflichtversicherung des Arztes Schadensersatz in einer Abfindung in Höhe von 475.000 Euro. Zusätzlich erhält P auch Blindengeld i.H.v. ca. 30.000 Euro nach dem Gesetz über die Hilfe für Blinde und Gehörlose (GHBG). (Hierbei handelt es sich um Landesrecht). Dieses wird unabhängig von Einkommen und Vermögen durch die Sozialhilfeträger gezahlt, die nun hierfür den Schädiger (den Arzt)b in Regress nehmen wollen.
II. Lösung
Das OLG Hamm lehnte einen Anspruchsübergang nach §§ 116 SGB X iVm. § 823 Abs. 2 BGB ab.
Für einen solchen Anspruchsübergang müsste zunächst ein SE-Anspruch des P gegen den Arzt bestehen. Dieser müsste in der Klausur ausführlich geprüft werden. Insbesondere sind dabei die Besonderheiten der Arzthaftung zu beachten. (siehe unsere Beiträge hier und hier), die auch auf den Tierarzt ausgedehnt wurden.
Daneben muss die Sozialversicherung auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen. Fraglich ist, ob die Leistung von Blindengeld hierunter fällt. Dies hat das OLG Hamm verneint. Voraussetzung ist eine sachliche Kongruenz zwischen der Ersatzpflicht des Schädigers und der Leistungsverpflichtung des Sozialhilfeträgers. Fraglich ist, ob eine solche hier besteht. Dazu müssen die Leistung des Sozialhilfeträgers und der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz dem Ausgleich derselben Einbuße des Geschädigten dienen. Das OLG Hamm verneinte einen entsprechenden Zusammenhang:
„Eine solche Kongruenz bestehe zwischen dem Blindengeld und dem Schadensersatzanspruch des Patienten, der auch den Ausgleich von durch die Erblindung entstandenen Mehraufwendungen umfasse, nicht. Das auf der Grundlage des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Hilfen für Blinde und Gehörlose gezahlte Blindengeld werde unabhängig von Einkommens- und Vermögensverhältnissen und auch von einer Erforderlichkeit aus Seiten des Blinden pauschal gezahlt. Es solle Nachteile der Behinderung mildern, die Teilhabe am Leben der Gesellschaft ermöglichen und ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes Leben erleichtern sowie die Pflegbedürftigkeit vermeiden oder zumindest vermindern. Es werde abstrakt berechnet und nehme für sich gar nicht in Anspruch, jeglichen Mehraufwand abzudecken. Beim zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch, auf den der gesetzliche Forderungsübergang anzuwenden sei, werde demgegenüber nach haftungsrechtlichen Gesichtspunkten allein auf den tatsächlich entstandenen blindheitsbedingt entstandenen Mehrbedarf abgestellt. Im Falle eines Anspruchsübergangs würde der Blinde zudem schlechter gestellt, weil er vom Schädiger nur die über das gezahlte Blindengeld hinausgehenden Mehraufwendungen ersetzt verlangen könne und Aufwendungen in dieser Höhe zunächst auch schlüssig darlegen müsse.“
Insofern wird eine Kongruenz abgelehnt. Eine doppelte Inanspruchnahme scheide zudem auch aus:
Dass er auch nicht „doppelt“ entschädigt werde, regele das Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose dadurch, dass er sich gezahlte Entschädigungsleistungen wegen Mehraufwendungen auf das Blindengeld anrechnen lassen müsse.
III. Fazit
Mit dieser atypischen Konstellation lässt sich die Prüfung eines Standardfalls gut verbinden. Die Normen zum Anspruchsübergang sollten beherrscht werden. So lässt sich auch eine solche Konstellation ohne Schwierigkeiten lösen. Der Fall kann in den nächsten Monaten und Jahren häufig relevant werden, da die Revision zum BGH eingelegt wurde.