Mordfall in Kamp-Lintfort: § 25 Abs. 2 StGB
Eine Möglichkeit, die Figur der Mittäterschaft gem. § 25 Abs. 2 StGB zu wiederholen bietet ein aktueller Fall aus der Tagespresse. Nach dem gewaltsamen Tod eines Obdachlosen in der Kleinstadt Kamp-Lintfort am Niederrhein sind heute vier Jugendliche zu Bewährungsstrafen verurteilt worden.
Nach den Presseberichten habe man nicht feststellen können, ob der Hauptangeklagte wirklich die tödlichen Tritte gegen den Schädel des späteren Opfers geführt habe. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass diese auch von einem der anderen Mitangeklagten ausgegangen sein könnten.
Die klausurmäßige Prüfung muss diesen Aspekt im Rahmen des objektiven Tatbestandes aufnehmen. Problematisch ist, ob die Handlung des Angeklagten kausal für den Erfolg gewesen ist. Dies lässt sich vorliegend nicht mehr feststellen (steht in der Klausur im Sachverhalt!). Fraglich bleibt allerdings, ob hier eine Zurechnung über die Figur der Mittäterschaft gem, § 25 Abs. 2 StGB stattfinden kann. Da über die Mittäterschaft (nur) objektive Tatumstände zugerechnet werden können, kann eine Arbeitsteilung also im Rahmen der Mittäterschaft nicht dazu führen, dass hier eine „in dubio pro reo“ Situation für alle Mittäter besteht.
Die Voraussetzungen können in jedem Lehrbuch nachgelesen werden, von hier nur soviel: Erforderlich sind eine gemeinsame Tatausführung und ein gemeinsamer Tatplan, wobei die Einzelheiten umstritten sind; zu beachten sind die Sonderfälle des „Bandenchefs“ und der „sukzessiven Mittäterschaft“ und „Mittäter-Exzess“.
Gedanken sollte man sich allerdings auch über den Klausuraufbau machen, vor allem die Frage nach eine getrennten Prüfung.
Wird schon im Sachverhalt deutlich, dass eine Arbeitsteilung gewollt war und beide an der Tat aktiv beteiligt waren, dann bietet sich eine gemeinsame Prüfung an. Im Rahmen des objektiven Tatbestandes sind dann die Voraussetzungen von § 25 Abs. 2 StGB zu prüfen, um sodann festzustellen, dass jedenfalls einer der Mittäter den Taterfolg herbeigeführt hat und dass bezüglich der/des Anderen eine Zurechnung stattfindet.
Handelt einer der mutmaßlichen Mittäter hauptsächlich allein und ist auch die Kausalität problemlos gegeben, beginnt man mit ihm als Tatnächstem. Die Voraussetzungen von § 25 Abs. 2 StGB prüft man dann erst bei den/dem Anderen. Eine getrennte Prüfung sollte auch erfolgen, wenn am Vorsatz der mutmaßlichen Mittäter zu zweifeln ist.
Ob es vorliegend am Vorsatz oder am Tatplan der oder Tatausführung gefehlt hat wird nicht genau deutlich. Jedenfalls scheint es am Tatort zu einem „Kommen und Gehen“ der Angeklagten gekommen zu sein. Auch der Tötungsvorsatz muss vorliegend sehr dezidiert geprüft werden, Stichwort: Hemmschwelle.
Man kann vorliegend also argumentieren, dass die Voraussetzungen der Mittäterschaft nicht vorgelegen haben, da die Jugendlichen sich eher zufällig am Tatort eingefunden haben. Hat man eine Gruppe von mutmaßlichen Mittätern, muss für jeden der § 25 Abs. 2 StGB geprüft werden. Kommt es bei irgendeinem zum Exzess, kann eine Zurechnung nicht mehr erfolgen. Das wäre dann zu bejahen, wenn dieser Exzess vollkommen aus dem Rahmen fällt und auch nach den Umständen des Falles nicht erwartet werden durfte. Also: Liegen die Voraussetzungen des „§ 25 Abs. 2 StGB nicht vor und kann die Kausalität später nicht mehr festgestellt werden, dann gilt auch hier in dubio pro reo.
Was heißt hier Kleinstadt? Kamp-Lintfort ist DIE Metropole am Niederrhein…
Okok, die Metropole unter den Kleinstädten!
Was ist jetzt das Ergebnis? Soll das heißen, dass bei Nichtfeststellbarkeit, wer den tödlichen Tritt ausgeteilt hat, eine mittäterschaftfliche Zurechnung vorgenommen werden kann, wenn klar ist, dass es jedenfalls einer der Beteiligten war? Oder soll auch dann der in dubio pro reo Grundsatz gelten?