Kein Nutzungsausfallschaden bei zugeparktem Porsche
Ein Anspruch auf Schadensersatz setzt den Eintritt eines ersatzfähigen Schadens voraus. Dabei sind grundsätzlich nur Vermögensschäden ersatzfähig, während immaterielle Schäden nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen ersatzfähig sind, § 253 Abs. 1 BGB. An der Schnittstelle zwischen materiellem und immateriellem Schaden liegt der sogenannte Nutzungsausfallschaden. Dieser kommt in Betracht, wenn ein Rechtsgutsinhaber in der Nutzung einer Sache eingeschränkt ist, ohne dass die Substanz der Sache eingeschränkt ist. Der folgende Fall (BGH, Urt. v. 11.10.2022 – VI ZR 35/22) bietet die Gelegenheit, die Grundsätze des materiellen Schadensbegriffs zu wiederholen.
I. Der Sachverhalt
Die Klägerin K ist Eigentümerin eines Pkw Porsche Turbo S Cabriolet. Sie hatte das Fahrzeug in einer Garage der Beklagten B geparkt, die an die L-AG vermietet war. Anlässlich von Rechtsstreitigkeiten der Beklagten mit der L-AG blockierte B vom 20. Juli bis 3. August 2020 die Ausfahrt des Pkw aus der Garage mittels eines davor abgestellten Fahrzeugs. K war zu dieser Zeit Eigentümerin eines weiteren Pkw, eines 3er BMW Kombi. Sie begehrt für die Blockade ihres Fahrzeugs durch B eine Nutzungsausfallentschädigung von 175 € pro Tag, insgesamt 2.450 €. Sie (K) habe in der fraglichen Zeit einen viertägigen Urlaub an den Gardasee geplant, den sie mit dem Porsche Cabriolet durchführen wollte. Von einer Gleichwertigkeit des BMW mit diesem Fahrzeug könne nicht ausgegangen werden, insbesondere sei dem Porsche ein deutlich höheres Prestige zuzusprechen als dem BMW. In erster und zweiter Instanz blieb K mit ihrem Begehren erfolglos.
II. Die Entscheidung
Auch die Revision der K beim BGH blieb ohne Erfolg. Der BGH entschied zwar, dass B rechtswidrig und schuldhaft das Eigentum der K verletzt habe, indem sie durch das Zuparken der Garagenausfahrt die Nutzung des blockierten Porsches verhinderte. Daneben stellte das Gericht eine Schutzgesetzverletzung iSd. § 823 Abs. 2 BGB (verbotene Eigenmacht, § 858 Abs. 1 BGB) fest. Die Klage wurde gleichwohl als unbegründet abgewiesen, da es an dem Eintritt eines ersatzfähigen Schadens fehle. Dabei führte der BGH zunächst dazu aus, dass kein Fall eines immateriellen Schadens nach § 253 Abs. 1 BGB vorliege.
Auch der Nutzungsausfall einer Sache könne aber einen Vermögensschaden – also einen materiellen Schaden – darstellen. Die Voraussetzungen für einen Nutzungsausfallschaden waren aber nicht gegeben. Der Nutzungsausfallersatz beschränke sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH auf Sachen, deren ständige Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung sei. Dabei müssten die Nutzungseinbußen an objektiven Maßstäben gemessen werden können. Bei der Prüfung, ob nach der Verkehrsauffassung der vorübergehende Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Gegenstandes als wirtschaftlicher Schaden gewertet werden kann, sei ein strenger Maßstab anzulegen. Dies folge aus der gesetzgeberischen Entscheidung des § 253 BGB, wonach immaterieller Schaden nur ausnahmsweise, nämlich in den gesetzlich geregelten Fällen, zu ersetzen sei. Dabei geht der BGH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass in Fällen des Wegfalls der Nutzungsmöglichkeit von Kraftfahrzeugen grundsätzlich ein Ersatzanspruch bestehe, da die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich ein vermögenswertes Gut darstelle und als geldwerter Vorteil anzusehen sei, sodass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben könne. Weitere Voraussetzung sei, dass der Geschädigte sein Fahrzeug in der fraglichen Zeit nutzen konnte und wollte. Diese Voraussetzung war vorliegend ebenfalls erfüllt. Drittens sei erforderlich, dass der Nutzungsausfall „fühlbar“ geworden sei, weil der Geschädigte das Fahrzeug mangels eines weiteren Fahrzeugs für seine tägliche Lebensführung wirklich gebraucht hätte. Hieran fehle es, wenn dem Geschädigten ein weiteres Fahrzeug zur Verfügung stehe, dessen ersatzweise Nutzung ihm zumutbar ist. Die Unzumutbarkeit der Nutzung des weiteren Fahrzeugs und damit ein Schaden ließen sich nicht darauf stützen, dass das Fahrzeug, dessen Nutzung vorübergehend entzogen ist, gegenüber dem Zweitfahrzeug eine höhere Wertschätzung des Geschädigten erfahre, etwa weil ihm ein höheres Prestige zukomme, es ein anderes Fahrgefühl vermittle oder den individuellen Genuss erhöhe. Denn dabei ginge es um die Lebensqualität erhöhende Vorteile, die keinen ersatzfähigen materiellen Wert darstellten. Die genannten Gesichtspunkte beträfen nicht die alltägliche Nutzbarkeit zur eigenwirtschaftlichen Lebensführung und entzögen sich daher einer vermögensrechtlichen Bewertung. Daher sei der K die Nutzung des BMW zumutbar gewesen. Dass es sich dabei um kein Cabriolet handele, stelle die Eignung des BMW als Fortbewegungsmittel nicht in Frage und könne allenfalls einen immateriellen, nicht ersatzfähigen Schaden begründen.
III. Einordnung der Entscheidung
BMW statt Porsche – allein aufgrund dieses ungewöhnlichen Sachverhalts dürfte der Fall die Aufmerksamkeit von Prüfungsämtern erregen. Inhaltlich handelt es sich um ein Problem aus dem Schadensrecht, das jedenfalls fortgeschrittenen Studierenden bekannt sein sollte. In Fällen, in denen es um den Nutzungsausfall einer Sache geht (Stichwort: Fleet-Fall), kann im Gutachten zunächst das Problem der sog. „frustrierten Aufwendungen“ angesprochen werden – ein Ansatz, mit dem teilweise versucht wird, einen Ausgleich bei entzogener Nutzung einer Sache herzustellen. Hiernach seien die Aufwendungen, die der Geschädigte tätige, um die Sache zu unterhalten insoweit frustriert, als dass er die Sache für den entsprechenden Zeitraum nicht nutzen könne. Hierin liegt jedoch zugleich das Problem dieser Ansicht: Ersatzfähig sind nur Schäden, also unfreiwillige Vermögensopfer, nicht aber Aufwendungen. Auch ließen sich ansonsten die – möglicherweise unüberschaubaren – Lebenshaltungskosten des Geschädigten entgegen dem gesetzlichen Leitbild auf den Schädiger abwälzen. Richtig ist daher der vom BGH gewählte Ansatz, nachdem zu prüfen ist, ob der Nutzungsausfall selbst ein ersatzfähiger Schaden ist. Hierfür spricht etwa, dass die Existenz von Mietwagen belegt, dass die Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs einen wirtschaftlichen Wert hat. Um nicht unbegrenzt sämtliche Lebenshaltungskosten des Geschädigten auf den Schädiger abzuwälzen (und da mittlerweile fast jede Sache gemietet werden kann), ist die Einschränkung zu beachten, dass sich die Ersatzfähigkeit auf solche Rechtsgüter beschränkt, deren ständige Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftliche Lebensführung typischerweise von zentraler Bedeutung ist. Ferner entsteht einem Geschädigten dann kein Schaden, wenn er sein Fahrzeug ohnehin nicht hätte nutzen können oder wollen – denn dann muss er auf nichts verzichten. Dies erfasst etwa Fälle, in denen der Geschädigte ohne das Fahrzeug Urlaub macht oder aufgrund von Verletzung oder Krankheit das Fahrzeug nicht nutzen kann. Folgerichtig ist auch die dritte, im vorliegenden Fall zentrale Einschränkung des Nutzungsausfallschadens. Der Entzug der Nutzungsmöglichkeit stellt dann keinen Schaden dar, wenn der Geschädigte über einen Zweitwagen verfügt, dessen Nutzung ihm zumutbar ist. Im Fokus der Betrachtung steht die Frage, ob das Fahrzeug als Fortbewegungsmittel zumutbar ist. Denn auf der ersten Ebene wird der Nutzungsausfall eines Kraftfahrzeugs damit begründet, dass der Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs als Fortbewegungsmittel ein vermögenswertes Gut darstelle. Aspekte wie Fahrspaß und Prestige blieben außer Betracht, sodass hierauf auch nicht im Rahmen der Zumutbarkeit der Nutzung eines Zweitwagens eingegangen werden kann.