Der gutgläubige Zweiterwerb der Hypothek
Der obige Titel ist wohl eines der Schlagworte schlechthin, welches selbst den eifrigen Examenskanditaten Schweiß auf die Stirn treiben kann. Der Grund ist nicht darin zu suchen, dass die Hypothek und der gutgläubige Erwerb derselben eine derart diffizile Materie sind, sondern vielmehr darin, dass die meisten Studenten in Vorlesung und Vorbereitung das Immobiliarsachenrecht zu umgehen versuchen. Dieser Beitrag soll helfen, die Scheu vor dieser Materie abzulegen.
Grundsätzliches
Was ist unter Erst- und Zweiterwerb zu verstehen?
Der Begriff Ersterwerb meint die Einräumung einer Hypothek. Dies geschieht regelmäßig durch rechtsgeschäftliche Bestellung (§§ 873 I, 1113 I ff BGB), kann aber auch durch richterliche Anordnung (§128 ZVG) kraft Gesetzes (§ 1287 S.2, § 848 II 2 ZPO) oder im Wege der Zwangsvollstreckung entstehen. Zweiterwerb hingegen meint die Übertragung einer bereits bestellten Hypothek.
Der gutgläubige Ersterwerb
Eine der Voraussetzungen zur wirksamen Bestellung einer Hypothek ist Einigung des Berechtigten, § 873 I BGB. Berechtigter ist im Normalfall der Grundstückseigentümer. Ebenso kann aber auch eine Person handeln, deren Vorgehen durch Einwilligung oder Genehmigung, § 185 BGB, gedeckt ist. Wenn das Tatbestandsmerkmal der Berechtigung also fehlt, müssen wir im Gutachten prüfen, ob gutgläubiger Ersterwerb (weil Bestellung) in Frage kommt. Dieser richtet sich, da die Hypothek ein dingliches Recht ist, nach § 892 BGB. Die Anwendung dieser Norm wirft in der Regel keine schwer beherrschbaren Probleme auf und soll hier nicht Gegenstand des Beitrages sein. Eine ordentliche Sumtion unter die Norm ist hier zumeist zielführend.
Der gutglübige Zweiterwerb
Der gutgläubige Zweiterwerb ist in unterschiedlichen Konstellationen vorstellbar. Voraussetzung ist jedoch stets, dass irgendetwas beim Ersterwerb schiefgegangen ist. Wenn man beim Ersterwerb also die Berechtigung bejaht oder eine fehlende durch den guten Glauben überwunden wird und der Rechtserwerb gelungen ist, kann keine Konstellation des gutgläubigen Zweiterwerbs vorliegen. Dies ist vielmehr nur in folgenden Fällen denkbar.
1. Die Forderung ist wirksam entstanden, die Hypothek aber nicht.
2. Die Forderung ist nicht wirksam entstanden, dafür aber die Hypothek.
3. Weder Forderung noch Hypothek sind wirksam entstanden.
4. Forderung und Hypothek sind zwar wirksam entstanden, Forderungs- und Hypothekenglaübiger sind aber personenverschieden.
Bevor nun die Fälle behandelt werden, möchte ich kurz in Erinnerung rufen, wie eine bereits bestellte Hypothek übertragen wird. Die Hypothek ist ein akzessorisches Sicherungsrecht. Daher ist es eng mit der zu sichernden Forderung verbunden. Daher ist die Übertragung kein selbständiges Rechtsgeschäft, sondern folgt der Forderung, welche gemäß § 398 BGB übertragen wird, nach § 1153 BGB. Die Hypothek ist also Nebenrecht, die Forderung das Hauptrecht.
Damit müsste die Übertragung der Forderung mit dem ¨Anhängsel Hypothek¨eigentlich formlos möglich sein. Jedoch beeinflusst die Hypothek die Übertragbarkeit der Forderung dergestalt, dass die Form des § 1154 BGB eingehalten werden muss. Für uns ist wichtig: Die ¨Übertragung der Hypothek¨ ist zumeist rechtsgeschäftlich gewollt – rein rechtlich handelt es sich jedoch stets um eine Übertragung der Forderung, der die Hypothek nur nachfolgt.
1. Die Forderung ist wirksam entstanden, die Hypothek aber nicht.
A bestellt B im Zustand geistiger Umnachtung eine Hypothek zur Sicherung einer schon bestehenden Darlehensforderung. B überträgt die Forderung an den gutgläubigen C.
In dieser Konstellation überträgt B dem C wirksam seine Darlehensforderung gemäß § 398 BGB. Der Erwerb der Hypothek aber kann nicht gemäß §§ 1153, 1154 BGB stattfinden, da B zuvor nicht Hypothekar geworden ist.
Aus der Misere kann daher nur der gutgläubige Erwerb der Hypothek vom Nichtberechtigen führen. Dieser ließe sich gemäß § 1155 BGB (analog oder direkt) i.V.m. § 892 I BGB konstruieren. Da die Hypothek wie oben gesehen aber gesetzlich der Forderung folgt, handelt es sich nicht um einen rechtsgeschäflichen Erwerb. Genau das setzt § 892 I BGB aber voraus. Daher lässt sich zum einen der gutgläubige Hypothekenerwerb vom Nichtberechtigen einfach ablehnen. Andererseits lässt es sich aber auch problemlos vertreten, dass ¨im Ganzen¨ ein rechtsgeschäftlicher Erwerb vorliegt, weil in der Regel ein Parteiwille auf Übertragung der Forderung vorliegen wird. Wie ihr euch entscheidet ist egal – ihr müsst das Problem nur sehen.
2. Die Forderung ist nicht wirksam entstanden, dafür aber die Hypothek.
A schließt mit B einen Darlehensvertrag und sichert diese mit einer Hypothek ab. Später bezahlt A vollständig die aussetehende Forderung. B überträgt die Forderung an den gutgläubigen C.
In diesem Fall ist die Forderung des B schlichtweg nicht existent. Die Abtretung geht ins Leere, da es keinen gutgläubigen Forderungserwerb gibt. Wegen § 1153 II BGB könnte daher auch keine Hypothek übertragen werden. Möchte man den Übergang der Hypothek dennoch ermöglichen, entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen §§ 398, 892 und 1153 II BGB. (Nach § 398 ff. BGB gibt es keinen gutgläubigen Forderungserwerb. § 892 I BGB möchte die Hypothek gutgläubig übergehen lassen und § 1153 II BGB legt die Akzessorietät fest.) §1138 BGB löst diesen Konflikt, indem § 1153 II BGB für diesen Fall geopfert wird. Die Existenz der Forderung wird fingiert (somit kann § 1163 BGB nicht als Einwendung aufgeführt werden) und die Hypothek geht auf den neuen Gläubiger über. Da dieser nur die Hypothek und keine Forderung inne hat, spricht man an dieser Stelle von der forderungsentkleideten Hypothek.
3. Weder Forderung noch Hypothek sind wirksam entstanden
Bei dieser Konstellation lassen sich beide Lösungsansätze (s. o. 1. u. 2.) nebeneinander anwenden. §§ 892 und 1138 BGB. § 892 BGB überwindet den Mangel des dinglichen Rechts und über die Verweisung in § 1138 BGB kann auch die fehlende Forderung überwunden werden. Wenn der Zessionar also sowohl hinsichtlich der Forderung als auch der Hypothek gutgläubig ist, erwirbt er wie oben eine forderungsentkleidete Hypothek.
4. Forderung und Hypothek sind zwar wirksam entstanden, Forderungs- und Hypothekenglaübiger sind aber personenverschieden
B nimmt bei A ein Darlehen auf und sichert dieses mit einer Hypothek. A tritt die Forderung an C ab, der diese seinerseits an den gutgläubigen D abtritt. A ficht später die Abtretung an C wegen arglistiger Täuschung an.
Wegen der Anfechtung hat C keine Forderung erhalten. Die Hypothek konnte er mithin auch nicht als Berechtigter an den D übertragen, da ja keine Forderung bestand. Weil D aber gutgläubig war, hat er die Hypothek nach oben Gesagtem gemäß §§ 1153, 1138, 892 BGB erworben. Die Forderung befindet sich also bei A, die Hypothek jedoch bei D. Muss dieser Konflikt gelöst werden? Es erscheint möglich, dass B nun von A und D in Anspruch genommen wird und zweimal zahlen muss um eine Vollstreckung zu vermeiden.
Die Einheitstheorie möchte dies verhindern indem sie mit dem gutgläubigen Erwerb der Hypothek ausnahmsweise die Forderung mit übergehen lässt. Zur Begründung wird § 1153 BGB – das Akzessoirietätsprinzip – aufgeführt und eine Trennung als systemwidrig eingestuft.
Die Trennungstheorie sieht im Verstoß gegen § 1153 BGB kein Hindernis und möchte alles so belassen wie es ist. Der zusätzliche Forderungserwerb sei für D ein Geschenk des Himmels, welches sich nicht mit § 398 BGB vereinbaren lasse. Zudem bestehe wegen § 1144 BGB keine Gefahr doppelter Inanspruchnahme, da der Schulder die Einrede erheben kann. Krux des Ganzen ist jedoch, dass § 1144 BGB eine Einrede und keine Einwendung ist. Weiss der Schuldner nichts von der Trennung, kann er also sehr wohl zweimal in Anspruch genommen werden.
Die Streitentscheidung überlasse ich an dieser Stelle euch. Wie immer ist es egal, welcher Ansicht ihr folgt. Bei der Trennungstheorie kommt am Ende wieder eine forderungsentkleidete Hypothek raus.
Beachtet bitte, dass soweit § 1138 BGB Anwendung findet, diese Ausführungen wegen § 1185 II BGB nicht für die Sicherungs- sondern nur für die Verkehrshypothek gelten.
Zuletzt ist noch drauf hinzuweisen, dass es bezüglich der Briefhypothek Besonderheiten geben kann, wenn der zedierende Gläubiger nicht im Grundbuch eingetragen worden ist (ggf. § 1155 BGB prüfen) und wenn Grundbuchstand und Brief nicht übereinstimmen (mögliche Korrektur über § 1140 BGB).
Danke! De facto ist ja die Grundschuld klausurträchtiger…
Nach den guten Aufsaetzen ueber die Hypothek und die Vormerkung, waere ich sehr dankbar, wenn es auch noch einen Aufsatz ueber die Grundschuld geben koennte. Danke!
Gute uebersicht zum wiederholen und ein abwechslungsreicher Schreistil.
danke für diese echt gut verständliche übersicht. das hätte man einem doch auch in der uni gleich so erzählen können 🙂
Selten eine derart entschlackte Darstellung gelesen! Meines Erachtens ist alles Wichtige drin. Gerade, dass Du die einzelnen Meinungen nicht in epischer Breite diskutierst und mit hunderten von Fundstellen zukleisterst, sondern schlicht die Argumente nennst, erleichtert das eigene Überlegen und Argumentieren ungemein. So lässt es sich (hoffentlich) auch leichter merken.
Danke!
Könnte so eine Darstellung auch für die Grundschuld angefertigt werden? Wäre sehr hilfreich! Danke 🙂
Die Grundschuld wird hier oft genannt- vllt könnte der Verfasser mal ein Statement abgeben? 🙂
Der gutgläubige Erwerb in Fall 1 läuft doch nach § 1138 und nicht nach § 1155?
Danke dir, musste ab und an über den Schreibstil schmunzeln, wirkst selbst genervt von dem Thema
wieso ist b denn in fall 1 nicht hypothekar geworden? heißt geistige umnachtung §104 nr.2 ?
Zu 1. Die Forderung ist wirksam entstanden, die Hypothek aber nicht.
Keinesfalls kann man gutgläubigen Erwerb wegen gesetzlichem Übergang ablehnen, das wird nirgendwo (mehr) vertreten!
Dass die Hypothek nach der missglückten gesetzlichen Ausgestaltung gesetzlich übergeht ist im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs gem. § 892 (fehlendes Rechtsgeschäft?) kein Problem im Sinne eines juristischen Streitstandes. Kein Kommentar oder Lehrbuch problematisiert die Anwendung von § 892, teilweise wird die durchaus vorhandene Friktion nicht einmal erwähnt. Wird der Sachverhalt erwähnt (z.b. Wilhelm SachenR 3. Auflage Rn 1620), dann nur klarstellend, dass es sich selbstverständlich um „rechtsgeschäftlichen Erwerb im Ganzen“ handelt.
Alles andere macht auch keinen Sinn; trotz der fehlgeleiteten gesetzlichen Ausgestaltung ist die Hypothek ein klares dingliches Recht, für das § 892 uneingeschränkt gilt.
Hallo
wie sieht es denn in dem Fall aus, dass die Forderung bei Gläuberger (G) nie entstanden ist (z.B. wegen § 104 BGB beim Vertragspartner) und damit doch auch nicht die Hypothek bei G, die diese sichern soll. (Es kommt in dem Fall doch nur eine EGS beim Eigentümer (E) zu Stande). Wenn nun die Hypothek übertragen wird auf einen gutgläubigen Dritten (D). Ist dann auch eine Anwednung der §§ 1138, 892 BGB in Bezug auf die fehlende Forderung bei G, sowie der § 892 BGB in Bezug auf die nicht bestehende Berechtigung anzuwenden bei G?
Ich habe das Gefühl ich habe hier einen Denkfehler. Ist G trotzdem Inhaber einer Hypothek geworden, auch wenn die zu sichernde Fordrung bei ihm nie entstanden ist?
Vielen Dank
Also ich finde, der Text sollte hinsichtlich der Rechtschreibung mal überarbeitet werden; inhaltlich ist aber alles super gut und präzise zusammengefasst.
Zu Fall 1.: ist der Zustand geistiger Umnachtung nur vorübergehend, kann eine wirksame Hypothek vorliegen.
Bei dauerhafter Umnachtung, kann für den Darlehensvertrag Zweckverfehlung vorliegen. Ein Darlehen kann grundsätzlich darauf gerichtet sein, persönlich entgeltlich für die Darlehenszeit ein Darlehen zur Verfügung zu stellen o.ä. Bei geistiger Umnachtung vor Ablauf der Darlehnszeit kann ein eventuell auf die gesamte Darlehenszeit gerichtete Darlehnszweck verfehlt sein. Bei Zweckverfehlung kann eine abzutretende Forderung bei Abtretung bereits untergegangen sein.
Sowohl bei vorübergehender oder dauerhafter Umnachtung kann damit gutgläubiger Hypothekenerwerb weniger entscheidend wirken……..