BGH: Verbrauchsgüterkauf – juristische Person als Unternehmer
Gestern (Urteil v. 13.7.2011, Az. VIII ZR 215/10, hier die Pressemitteilung) hat der BGH über die Frage entschieden, ob juristische Personen stets als Unternehmer i.S.d. § 14 Abs. 1 BGB anzusehen sind, oder ob sie, etwa wenn sie außerhalb ihrer eigentlichen Geschäftstätigkeit handeln, auch als Nicht-Unternehmer handeln können.
Sachverhalt (abgewandelt und vereinfacht)
Verbraucher K kaufte im Dezember 2006 von der V, einer im Bereich der Drucktechnik tätigen GmbH, unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung einen gebrauchten Pkw zum Preis von 7.540 €. Nach Übergabe und Bezahlung des Fahrzeugs traten Mängel auf; zwischen den Parteien ist streitig, ob diese Mängel bereits bei Gefahrübergang vorlagen. Nach Setzung einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung tritt K zurück und verlangt Rückzahlung des Kaufpreises.
Lösung
Anspruch aus §§ 346 Abs. 1, 323 Abs. 1, 437 Nr. 2, 434 BGB? Entscheidende Frage ist, ob vorliegend die Regelungen über den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474ff. BGB) Anwendung finden. Ist das der Fall, kann sich V nach § 475 Abs. 1 S. 1 BGB nicht auf den Gewährleistungsauschluss berufen. Außerdem wird nach § 476 BGB vermutet, dass die Mängel bereits bei Gefahrübergang vorlagen. In dem Fall bestehen die Ansprüche des K aus § 437 BGB dem Grunde nach.
Voraussetzung dafür ist, dass es sich um einen Kaufvertrag zwischen einem Unternehmer (§ 14 Abs. 1 BGB) und einem Verbraucher (§ 13 BGB) handelt. K ist Verbraucher. Fraglich ist allerdings, ob die V auch Unternehmerin (§ 14 Abs. 1 BGB) ist.
Aus der Pressemitteilung des BGH: „Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im Anschluss an die Rechtsprechung des XI. Zivilsenats zum Verbraucherdarlehensvertrag (BGHZ 179, 126 ff.) entschieden, dass auch der Verkauf beweglicher Sachen durch eine GmbH im Zweifel zum Betrieb des Handelsgewerbes der GmbH gehört (§ 344 Abs. 1 HGB**) und damit, auch soweit es sich um branchenfremde Nebengeschäfte handelt, unter die Bestimmungen der §§ 474 ff. BGB* über den Verbrauchsgüterkauf fällt. Es ist nicht erforderlich, dass der Geschäftszweck der Handelsgesellschaft auf den Verkauf von Gegenständen gerichtet ist. Da die Beklagte die gesetzliche Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB nicht widerlegt hat, handelt es sich auch im vorliegenden Fall um ein Unternehmergeschäft im Sinne der §§ 14, 474 BGB*, so dass der Beklagten die Berufung auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss verwehrt ist.“
Die Lösung des BGH folgt dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 BGB: Die V ist juristische Person. Fraglich ist allerdings, ob sie „in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit“ gehandelt hat. Hier greift der BGH auf die Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB zurück, wonach die von einem Kaufmann (für die V vgl. §§ 13 Abs. 3 GmbHG, 6 Abs. 2 HGB) vorgenommenen Rechtsgeschäfte als „im Zweifel“ zum Betrieb seines Handelsgewerbe gehörig gelten. Damit kommt der BGH – da die Vermutung vorliegend nicht widerlegt sei – dazu, dass auch der zumindest nicht zum eigentlichen Geschäft der GmbH gehörende Verkauf des Pkw nach § 14 Abs. 1 BGB in Ausübung deren selbstständiger Tätigkeit erfolgte.
Folgefrage: Kann die Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB widerlegt werden?
Dies führt allerdings zur – vom BGH nach der Pressemitteilung nicht beantworteten – Folgefrage: Kann die Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB auch für juristische Personen widerlegt werden? Führt dies dazu, dass eine juristische Person dann als „Nicht-Unternehmer“ (sie kann ja nicht Verbraucher sein, vgl. den Wortlaut des § 13 BGB) handeln kann? Wohl nicht ,da alle Geschäfte einer Handelsgesellschaft (inklusive der Kapitalgesellschaften) im Betrieb ihres Handelsgewerbes vorgenommen werden (BGH NJW 60, 1852 für die OHG; Baumbach/Hopt-Hopt, § 344 HGB Rn. 1).
Ein anderes Verständnis würde auch nicht in die Dogmatik der §§ 13, 14 BGB passen: Da juristische Personen jedenfalls keine Verbraucher sein können (vgl. den Wortlaut des § 13 BGB), sie dann aber auch keine Unternehmer wären, bestünde somit eine dritte Kategorie, nämlich der „Nicht-Unternehmer“. Dies passt nicht zum bisherigen Verständnis der §§ 13f. BGB als Gegenbegriffe (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, § 14 Rn. 1).
Juristische Personen stets Unternehmer i.S.d. § 14 Abs. 1 BGB?
Im Hinblick auf die Rechtsprechung zu § 344 HGB wäre es daher konsequent, juristische Personen stets als Unternehmer einzuordnen – auch wenn diese Erkenntnis noch nicht klar in der Literatur ausgesprochen wird. So wird die Verwaltung eigenen Vermögens durch eine juristische Person nicht unter § 14 BGB gefasst (vgl. nur Palandt/Ellenberger, § 14 Rn. 2; Bamberger/Roth-Schmidt-Räntsch, § 14 BGB Rn. 12). In einem solchen Fall kann man zwar § 344 Abs. 1 HGB nicht zur Anwendung bringen, da die Verwaltung eigenen Vermögens auch kein Gewerbe darstellt (vgl. aber andererseits jetzt auch § 105 Abs. 2 S. 1 HGB, was bereits diese Überlegung anzweifeln lässt). Darauf kommt es aber nicht an; die Argumentation des BGH in NJW 1960, 1852, dass eine Handelsgesellschaft keine Privatsshpäre hat, gilt auch für §§ 13, 14 BGB.
„…(sie kann ja nicht Verbraucher sein, vgl. den Wortlaut des § 13 BGB)“
Mit demselben Argument dürfte ja auch die GbR kein Verbraucher sein können, denn die ist ja wohl auch nicht „natürliche Person“. Trotzdem sagt der BGH, dass die GbR Verbraucher sein kann.
Der BGH hat das genau genommen zum Verbraucherkreditgesetz gesagt und nicht zu §§ 13f. BGB (NJW 2002, 368).
Deshalb fehlt in der Argumentation des BGH ein wichtiger Aspekt: Die Systematik der §§ 13f. BGB legt es sehr nahe, dass rechtsfähige Personengesellschaften keine natürlichen Personen sind, weil sie nur in § 14 BGB und dort im Gegensatz zur natürlichen Person genannt werden. In der oben zitierten Entscheidung musste sich der BGH mit diesem Argument nicht auseinandersetzen.
Deshalb ist die Argumentation: „Der BGH sagt das aber auch“ nicht so zwingend.
Allerdings hat der BGH bei seinem Urteil teleologischen Erwägungen weiten Raum eingeräumt. Diese deuten tatsächlich darauf hin, dass auch GbR natürliche Personen im Sinne des § 13 BGB sein können.
Ferner ist zu beachten, dass die Begriffe „Verbraucher“ und „Unternehmer“ europarechtlich vorgeprägt und damit europarechtskonform auszulegen sind. Bestünde die europarechtliche Vorgabe, GbR einzubeziehen, wäre dies ein schlagendes Argument.
Es ist jedoch unklar, ob die Verbraucherschutzrichtlinien auch die Einbeziehung von GbR erfordern (dafür z.B. BeckOK/Schmidt-Räntsch, § 13 BGB Rn. 6). Der EuGH ist jedoch wohl (NJW 2002, 205) eher zurückhaltend:
„Der Begriff Verbraucher, wie er in Artikel 2 lit. b Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. 4. 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen definiert wird, ist dahin auszulegen, dass er sich ausschließlich auf natürliche Personen bezieht.“
Deshalb würde ich persönlich die Ansicht vertreten, dass das Europarecht keine Einbeziehung von GbR gebietet. Auf dieser Basis führt dann die „neue“ Systematik der §§ 13f. BGB dazu, dass Personengesellschaften keine natürlichen Personen sind.