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Schlagwortarchiv für: Urkundenfälschung

Dr. Lena Bleckmann

Die Urkundenfälschung, § 267 StGB (Teil 1: Der Urkundsbegriff)

Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT, Uncategorized, Verschiedenes

Die Urkundenfälschung ist ein Delikt, dass für Klausursteller ganz besondere Potentiale bietet und Studierende zuweilen zur Verzweiflung bringen kann. Das liegt weniger an der besonderen Komplexität der Prüfung als daran, dass sie geschickt in Sachverhalten versteckt werden und von den Prüflingen allzu leicht übersehen werden kann. Der mehrteilige Grundlagenbeitrag nennt daher zahlreiche Beispiele, die zwar nicht auswendig gelernt werden müssen, aber Klausur- und Examenskandidaten und -kandidatinnen ein Gespür dafür geben sollen, wann an § 267 BGB zu denken ist.

In diesem ersten Teil soll es zunächst um den Begriff der Urkunde gehen. Hieran hängt viel, sodass sich ein wenig Auswendiglernen am Ende doch nicht vermeiden lässt. Die Definition muss sitzen.

I. Definition und Funktionen

Eine Urkunde ist jede verkörperte, aus sich heraus verständliche, menschliche Gedankenerklärung, die ihren Aussteller erkennen lässt und geeignet und bestimmt ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen.  

Zentral sind dabei drei Funktionen, die jede Urkunde erfüllen muss und die sich aus dieser Definition herauslesen lassen: Die Perpetuierungsfunktion (in der Definition anlegt im Merkmal der verkörperten, menschlichen Gedankenerklärung), die Beweisfunktion (in der Definition angelegt im Merkmal der Eignung und Bestimmung zum Beweis im Rechtsverkehr) sowie die Garantiefunktion (in der Definition angelegt im Merkmal der Erkennbarkeit des Ausstellers). Der Reihe nach:

1. Perpetuierungsfunktion

Die Urkunde muss eine menschliche Gedankenerklärung mit einer körperlichen Sache verbinden und dadurch gewissermaßen fassbar machen. Zunächst ist daher eine menschliche Gedankenerklärung notwendig. Aus ihr müssen sich menschliche Gedanken erkennen lassen. Durch dieses Merkmal ist die Urkunde insbesondere von einem bloßen Augenscheinsobjekt abzugrenzen (Schönke/Schröder/Heine/Schuster, § 267 StGB Rn. 4).

  • Keine Gedankenerklärungen sind Spuren oder Fingerabdrücke
  • Technische Aufzeichnungen sind nur dann Gedankenerklärungen, wenn sie einem Menschen oder einer juristischen Person zugerechnet werden können, etwa weil die Aufzeichnung von der Person veranlasst wurde und/oder sie sich die enthaltene Erklärung zu Eigen gemacht hat. Die Aufzeichnungen eines Fahrtenschreibers selbst sind beispielsweise noch keine Gedankenerklärung (OLG Karlsruhe, NStZ 2002, 653), der Parkschein aus dem Parkscheinautomaten ist demgegenüber als Erklärung des Betreibers darüber zu werten, dass jemand eine Parkgebühr entrichtet hat (OLG Köln, NJW 2002, 527 f.)
  • Strittig ist die Einordnung von Wertzeichen wie Rabattmarken und Bons (die Urkundseigenschaft ablehnend BayObLG, NJW 1980, 196; a.A. Schönke/Schröder/Heine/Schuster, § 267 StGB Rn. 4 m.w.N.)

Die Gedankenerklärung muss nicht so abgefasst sein, dass sie aus sich heraus für jedermann verständlich ist; der Inhalt der Erklärung muss sich nicht vollständig und offensichtlich aus der Urkunde selbst ergeben. Sonst könnten letztlich nur ausführliche Schriftstücke Urkunden sein. Es genügt vielmehr, dass irgendjemand neben dem Aussteller den Erklärungsgehalt nachvollziehen kann. Unter dieser Voraussetzung (der Verständlichkeit der Urkunde jedenfalls für Eingeweihte) genügt etwa auch die Verwendung von Symbolen (siehe auch Schönke/Schröder/Heine/Schuster, § 267 StGB Rn. 7).

Neben einer Erklärung erfordert die Urkunde eine gewisse Fixierung, eine Dauerhaftigkeit des „Datenträgers“, also der körperlichen Sache. Es ist aber nicht erforderlich, dass die Erklärung unveränderlich bzw. unaufhebbar mit der körperlichen Sache verbunden ist.

  • Beispiele, in denen die hinreichende Verkörperung fehlt: Nachrichten in Schnee oder Sand, nur lose mit einer Klarsichtfolie verbundene Kaufsache (OLG Köln, NJW 1979, 729), Tonträger, elektronische Daten
  • Grenzfälle, in denen eine hinreichende Verkörperung noch vorliegt: Mit Bleistift geschrieben Erklärungen, auf eine Kaufsache aufgeklebtes Preisschild
2. Beweisfunktion

Die verkörperte Erklärung muss objektiv beweisgeeignet für eine rechtserhebliche Tatsache sein. Rechtserheblichkeit liegt vor, wenn die Erklärung „allein oder in Verbindung mit anderen Beweismitteln für die Entstehung, Erhaltung, Veränderung oder das Erlöschen eines Rechts oder Rechtsverhältnisses öffentlicher oder privater Natur von Bedeutung ist“ (so Schönke/Schröder/Heine/Schuster, § 267 StGB Rn. 12).

  • Problematisch sind hier insbesondere formnichtige Erklärungen. Wenn durch einen Verstoß gegen die vorgeschriebene Form offensichtlich ist, dass die Erklärung im Rechtsverkehr keine Bedeutung entfaltet, fehlt ihr insoweit die Beweiseignung. Das heißt nicht, dass die Erklärung nicht beweisgeeignet für etwas anderes als den Abschluss des gewollten Rechtsgeschäfts sein kann. Auch kann ein Interesse an dem Beweis des Abschlusses des nichtigen Vertrags bestehen. Ein heilbarer Formverstoß steht der Beweiseignung grds. nicht entgegen (Schönke/Schröder/Heine/Schuster, § 267 StGB Rn. 9).

Daneben muss die Erklärung subjektiv beweisbestimmt sein. Der Aussteller oder Dritte muss die Erklärung also als Beweismittel im Rechtsverkehr einsetzen wollen. Ob es hierzu allein auf den inneren Willen oder aber auf den objektiven Empfängerhorizont ankommt, ist umstritten, in der Klausur aber selten relevant.

  • Hier wird zwischen Absichts- und Zufallsurkunden differenziert. Absichtsurkunden werden mit dem Ziel der Nutzung als Beweismittel hergestellt, so z.B. eine Quittung für einen Zahlungsvorgang. Zufallsurkunden erhalten ihre Beweisbestimmung erst später durch den Aussteller oder Dritte. Der BGH nennt als Beispiel einen Brief des Ehegatten an eine dritte Person als Beweismittel im Scheidungsprozess, BGH, NJW 1959, 2174.

Problematisch ist die Abgrenzung von Beweis- und Kenn- bzw. Unterscheidungszeichen. Letztere sollen allein der Individualisierung oder Unterscheidbarkeit dienen und die Urkundseigenschaft nicht erfüllen. In der Literatur wird die Differenzierung vielfach für ihre Undurchsichtigkeit kritisiert (BeckOK StGB/Weidemann, § 267 Rn. 8; Schönke/Schröder/Heine/Schuster, § 267 StGB Rn. 20). Für Studierende ist das natürlich misslich, letztlich ist in der Prüfungssituation hierdurch aber häufig auch viel vertretbar. Einige Beispiele zur Sensibilisierung:

  • Kennzeichen ohne Beweisfunktion sollen sein: Garderobenmarken, Autogramme, abgelöste und gestempelte Briefmarken
  • Beweiszeichen sollen sein: Kreidezeichen auf Strandkorb als Markierung für bezahlte Miete, Siegelabdruck eines Weinprüfers, Künstlerzeichen auf Gemälde
  • Siehe diese und weitere Beispiele auch bei BeckOK StGB/Weidemann, § 267 Rn. 8 f.
3. Garantiefunktion

Um die sog. Garantiefunktion zu erfüllen, muss die Erklärung die Person ihres Ausstellers erkennen lassen. Wer Aussteller ist, war früher einmal umstritten. Die Körperlichkeitstheorie, nach der Aussteller derjenige ist, der den Herstellungsakt selbst vollzogen hat, wird heute allerdings soweit ersichtlich nicht mehr vertreten. Vielmehr ist die sog. Geistigkeitstheorie anerkannt, nach der Aussteller derjenige ist, der geistig für die Erklärung einsteht. Anders gesagt: Aussteller ist der, von dem die Erklärung geistig herrührt (BeckOK StGB/Weidemann, § 267 Rn. 13). Die Urkunde muss den Anschein erwecken, dass eine individualisierbare Person für die Erklärung einsteht. Wichtig: Das setzt nicht voraus, dass diese Person tatsächlich existiert!

Die Garantiefunktion ist dann nicht erfüllt, wenn der (scheinbare) geistige Urheber der Erklärung anonym bleibt, also nicht ermittelbar ist.

  • Sog. offene Anonymität liegt vor, wenn der Aussteller sich gar nicht zu erkennen gibt oder offensichtlich hinter einem Decknamen o.ä. versteckt
  • Versteckte Anonymität liegt vor, wenn zwar ein Name angegeben wird, es sich aber um einen Allerweltsnamen handelt und offensichtlich ist, dass die Identität verborgen bleiben soll
  • Das heißt natürlich nicht, dass Menschen mit häufigen Namen keine Urkunden erstellen können. Verstecke Anonymität liegt nur vor, wenn deutlich wird, dass der verwendete Name ein persönliches Einstehen für die Erklärung verhindern soll

II. Sonderformen der Urkunde

Neben der „klassischen“ Urkunde, bei der die verkörperte Gedankenerklärung für sich steht und aus sich heraus alle Merkmale und Funktionen der Urkunde erfüllt (klassisches Beispiel: Zeugnis mit Unterschrift), ist als Sonderform die sog. zusammengesetzte Urkunde anerkannt. Bei der zusammengesetzten Urkunde wird die verkörperte Gedankenerklärung i.d.R. durch ein Bezugsobjekt ergänzt, das selbst nicht die Urkundseigenschaften erfüllt, durch eine räumlich feste Verbindung mit der Gedankenerklärung aber zu einer Beweiseinheit verschmilzt.

  • Beispiele: Aufgeklebtes Preisschild auf Kaufsache, Kennzeichen auf KFZ bzw. TÜV-Prüfplakette auf KFZ-Kennzeichen, Foto im Personalausweis
  • Diskutiert, aber abgelehnt etwa auch für ein Verkehrszeichen in Verbindung mit einem räumlich nicht überschaubaren Straßenabschnitt (OLG Köln, NJW 1999, 1042). Das ist ein Beispiel, das besonders anschaulich zeigt, dass die Urkundenfälschung in der Strafrechtsklausur auch mal an ungewöhnlichen Stellen auftauchen kann.

Das Entfernen oder Auswechseln des Bezugsobjekts kann bei Vorliegen einer zusammengesetzten Urkunde auch schon den Tatbestand der Urkundenfälschung erfüllen, auch wenn die Erklärung selbst streng genommen nicht angetastet wird.

Auch mehrere Urkunden können gemeinsam eine zusammengesetzte Urkunde bilden, wenn eine auf die andere inhaltlich verweist und die Urkunden räumlich fest verbunden sind (Schönke/Schröder/Heine/Schuster, § 267 StGB Rn. 36b).

Demgegenüber liegt eine weitere Sonderform der Urkunde, nämlich eine sog. Gesamturkunde vor, wenn mehrere Urkunden körperlich so zusammengefasst sind, dass sich aus der Zusammenfassung ein neuer Erklärungs- und Beweisinhalt i.S.e. Vollständigkeits- und Abgeschlossenheitserklärung ergibt.

  • Beispiele sind die Personalakte, die Handelsbücher eines Kaufmanns, Strafprozessregister oder Einwohnermeldeverzeichnisse (MüKoStGB/Erb, § 267 Rn. 57).

Entfernt man aus einer Gesamturkunde eine Einzelurkunde, so kann das also unter § 267 StGB fallen, weil aus der Zusammenfassung der einzelnen Urkunden wiederum eine eigenständige Urkunde mit neuem Erklärungswert entsteht.

III. Beliebtes Sonderproblem: Fotokopien und Collagen

Häufiges Klausurproblem ist die Einordnung von Fotokopien. Bei Kopien, die als solche erkennbar sind, ist der Aussteller grundsätzlich nicht erkennbar, sodass sie nach herrschender Ansicht keine Urkundsqualität haben. Man kann darüber hinaus erwägen, ob die Kopie überhaupt eine selbstständige Gedankenerklärung enthalten (Schönke/Schröder/Heine/Schuster, § 267 StGB Rn. 42a) oder ob sie beweisgeeignet sind (Beweisbedeutung und Garantiefunktion ablehnend etwa OLG Düsseldorf, NJW 2001, 167).

Dass es sich nicht um Urkunden handelt, heißt aber nicht, dass als solche erkennbare Kopien im Rahmen des § 267 StGB irrelevant sind. So kann beispielsweise das Vorlegen einer Kopie einer unechten Urkunde ein Gebrauchmachen eben dieser darstellen und so wiederum strafrechtlich relevant sein (zu den Tathandlungen des § 267 StGB siehe den zweiten Teil dieses Beitrags).

Ist die Kopie allerdings nicht als Kopie erkennbar, sondern erweckt vielmehr den Eindruck eines Originals und soll auch gerade als falsches Original verwendet werden, ist die Urkundseigenschaft zu bejahen (OLG Stuttgart, NJW 2006, 2869).

Feingefühl können KlausurbearbeiterInnen auch beim Umgang mit Collagen beweisen. Wenn der Täter etwa mehrere einzelne Schriftstücke zusammenklebt, dann dürfte das „Kunstwerk“ selbst in aller Regel als selbst zusammengesetzt erkennbar sein, es handelt sich hierbei nicht um eine Urkunde (Kindhäuser/Schramm, Strafrecht BT I, § 55 Rn. 69). Ebenso ist die Kopie der Collage (dasselbe gilt für lose zusammengelegte und kopierte Blätter) keine Urkunde, soweit sie als Kopie erkennbar ist (s.o.). Erweckt sie hingegen selbst den Eindruck, es handle sich um ein Original, wird durch den Kopiervorgang eine Urkunde hergestellt (Kindhäuser/Schramm, Strafrecht BT I, § 55 Rn. 43).

Aufgrund des Sachzusammenhangs sei hier auf ein Problem hingewiesen, dass sich nach Lektüre des zweiten Teils dieses Beitrags, der sich mit den Tathandlungen des § 267 StGB befasst, noch besser erschließen dürfte: Die fehlende Urkundseigenschaft der Collage selbst führt dazu, dass es von vorneherein an einer Urkunde fehlt, die gebraucht werden könnte. Während die Vorlage einer erkennbaren Kopie eines Dokuments, das selbst die Anforderungen an eine unechte oder gefälschte Urkunde erfüllt, wie bereits erwähnt als Gebrauchen eben dieses Dokuments eingeordnet werden kann, kann dieser Kunstgriff bei Collagen nicht gelingen (siehe auch Kindhäuser/Schramm, Strafrecht BT I, § 55 Rn. 69).

In Teil 2 des Beitrags, der bald erscheint, geht es um die Tathandlungen des § 267 StGB sowie den subjektiven Tatbestand der Norm.

09.09.2022/2 Kommentare/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2022-09-09 08:23:072022-09-23 07:40:56Die Urkundenfälschung, § 267 StGB (Teil 1: Der Urkundsbegriff)
Charlotte Schippers

OLG Karlsruhe zur Manipulation von Warenetiketten

Rechtsprechung, Startseite, Strafrecht

Im Strafecht sind besonders Vermögens-, aber auch Urkundendelikte examensrelevant. Ein klassischer Fall ist in diesem Kontext der Austausch von Warenetiketten bzw. Strichcodes, wie er dem vorliegenden Beschluss des OLG Karlsruhe vom 13.3.2019 (1 Rv 3 Ss 691/18) zugrunde lag. Hierbei geht es maßgeblich um eine Strafbarkeit wegen Betrugs gem. § 263 Abs. 1 StGB sowie wegen Urkundenunterdrückung gem. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Diese Straftatbestände sollten unbedingt für das Examen beherrscht werden.
 
 I. Sachverhalt (leicht abgewandelt und gekürzt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: T nahm im Baumarkt eine Gartenschlauch-Anschlussgarnitur zum Preis von 14,50 € aus der Auslage. Auf dem zugehörigen Karton befand sich u.a. die für die Anschlussgarnitur ausgegebene European Article Number (EAN) bzw. Global Trade Item Number (GTIN-13) mit zugehörigem Strichcode, die zur Feststellung der Artikel- und Preisinformationen dient. Diese Garnitur brachte er mittels der für den Betrieb des Schlauchs vorgesehenen Steckvorrichtung an einer Schlauchtrommel zum Verkaufspreis von 54,95 € an. T riss das an der Schlauchtrommel angeklebte Etikett mit EAN und Strichcode ab, sodass auf dem Karton nur EAN und Strichcode der günstigeren Anschlussgarnitur angebracht waren. Mit der so manipulierten Ware begab er sich zur Kasse und legte die Schlauchtrommel mit dem Anschlussstück der Kassiererin K in der Absicht vor, diese über den wahren Kaufpreis zu täuschen. K scannte die auf der Kartonverpackung der Anschlussgarnitur aufgedruckte EAN in den Kassencomputer ein. Sie machte sich hierüber keine weiteren Gedanken, fragte T aber, ob der Preis „richtig“ sei, was er bejahte. Nach Zahlung der 14,50 € wollte T den Markt verlassen, wurde aber direkt hinter der Kasse von einer Ladendetektivin aufgehalten, die ihn von Anfang an beobachtet hatte.
 
II. Rechtliche Ausführungen
1. Zunächst kommt eine Strafbarkeit des T wegen Betrugs gem. § 263 Abs. 1 StGB infrage:
a) Das Vorlegen der manipulierten Schlauchtrommel zur Bezahlung an der Kasse beinhaltet eine konkludente Täuschung über den Preis für die Ware. Dies wurde weiterhin durch die bewusst wahrheitswidrige Erklärung, die T auf Nachfrage von K abgab, es handle sich um den „richtigen“ Preis, bestätigt.
b) Hierdurch sollte bei K eine Fehlvorstellung, also ein Irrtum, über den Preis hervorgerufen werden. Hier beschäftigte sich das OLG kurz mit der Aussage der K, sie habe sich keine weiteren Gedanken über den Preis gemacht. Denn dies könne darauf schließen lassen, dass die konkrete Fehlvorstellung fehle und K möglicherweise gar keine Vorstellung über den Preis habe. Allerdings lasse die Frage nach der Richtigkeit des Preises und die Aushändigung erst nach der Bestätigung durch T darauf schließen,

„[…] dass [K] […] – auch wenn sie sich üblicherweise keine Gedanken über die Richtigkeit der Preise der ihr zur Bezahlung vorgelegten Ware machte – jedenfalls im vorliegenden Einzelfall der positiven Fehlvorstellung unterlag, der Preis für Schlauchtrommel und Anschlussschlauch betrage lediglich 14,50 €“. (Rn. 18)

c) In Abgrenzung zum Diebstahl liegt hier infolge des Irrtums eine freiwillige Gewahrsamsübertragung von K an T vor, also eine Vermögensverfügung. Der Verfügungswille war auf die Schlauchtrommel konkretisiert.
d) Diese Vermögensverfügung führte auch zu einem Vermögensschaden: Ohne den Kaufpreis für die Ware zu bekommen, also ohne dass die Vermögensminderung kompensiert wurde, hatte K gem. § 929 S. 1 BGB das Eigentum an der Schlauchtrommel durch Übergabe und konkludente Einigung über den Eigentumswechsel an T übertragen.
e) Zu beachten ist noch, dass T durch die Ladendetektivin beobachtet und nach Abschluss des Bezahlvorgangs gestellt wurde. Das steht einer Vollendung des Betrugs aber nicht entgegen, denn der Vermögensschaden, der unmittelbar aus der Vermögensverfügung resultiert, ist zumindest teilweise eingetreten.

„Dass der von dem Täter erstrebte Vermögensvorteil erlangt oder auch nur erreichbar ist, ist hingegen wegen der überschießenden Innentendenz zur Tatbestandsvollendung nicht erforderlich. Danach ist erst recht dann von Vollendung auszugehen, wenn der Täter die rechtswidrig erstrebte Vermögensposition – wie hier Eigentum und Besitz an der Schlauchtrommel – bereits erlangt hat, diese aber noch nicht gegen die unmittelbar drohende Erhebung berechtigter Rückgabeansprüche des Geschädigten sichern konnte, weil er sich noch in dessen Herrschaftsbereich aufhält und seine Tat von einem im Auftrag des Geschädigten handelnden, eingriffsbereiten Dritten beobachtet wurde.“ (Rn. 22)

Daher ist T wegen Betruges strafbar.
 
2. Darüber hinaus kommt eine Strafbarkeit des T wegen Urkundenunterdrückung gem. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Betracht.
a) Schwerpunkt ist die Überlegung, ob das Etikett zusammen mit der Schlauchtrommel eine zusammengesetzte Urkunde ist. Zur Erinnerung: Eine Urkunde ist eine verkörperte Gedankenerklärung, die ihren Aussteller erkennen lässt und zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist. So können auch mit einer Sache fest verbundene Zeichen Urkundenqualität aufweisen, so z.B. Nummernschilder an Autos.
Die mit der Ware fest verbundene EAN ist eine verkörperte Gedankenerklärung. Denn: Diese Nummer ermöglicht es, jedes Produkt weltweit zu identifizieren. Darüber hinaus kann mit der Nummer auf Produktinformationen zugegriffen werden, insbesondere den Preis der Ware, wofür lediglich der Strichcode eingescannt werden muss. Dieser hat selbst keinen eigenständigen Erklärungswert, sondern dient nur als für den Scanner lesbare Darstellung der Nummer. Die Tatsache, dass die Nummer dazu dient, die Ware zu identifizieren, ist auch allgemein bekannt. Das OLG führt hierzu aus:

„Die GTIN-13 dient danach nicht nur zur Unterscheidung und Erfassung verschiedener Produkte in der Sphäre eines Herstellers oder Händlers. Aufgrund der Bedeutung, welche sie insbesondere durch ihre massenhafte Verwendung bei der Abwicklung von Kaufgeschäften zwischen Einzelhändlern und Verbrauchern, wenn auch nicht durch Rechtsvorschriften, so aber doch durch entsprechende Übung erlangt hat, fungiert die GTIN-13 in ihrer festen Verbindung mit einer Ware vielmehr auch im Rechtsverkehr als Identitätsnachweis eines Produkts. Die Beweiserheblichkeit dieses Identitätsnachweises zeigt sich insbesondere daran, dass Einzelhandel und Verbraucher sich bei der Ermittlung des Preises für eine Ware während des Bezahlvorgangs an der Kasse gleichermaßen auf die Richtigkeit dieses Identitätsausweises verlassen. Auch bei der Frage, ob es sich bei einem bestimmten Produkt um eine Fälschung oder ein Original handelt, kann der mit einem Produkt fest verbundenen GTIN-13, die aussagt, dass das fragliche Produkt von einem bestimmten, aus der Basisnummer ersichtlichen Hersteller gefertigt und als nach seiner Gattung weltweit einzigartiges Produkt in den Verkehr gebracht wurde, Beweisbedeutung zukommen.“ (Rn. 28)

Folglich verkörpere die mit einem bestimmten Produkt fest verbundene GTIN-13 die Erklärung des Herstellers, dass die Nummer dem jeweiligen Produkt zur Identifizierung im Handelsverkehr zugeordnet ist.

„Beweisrechtliche Relevanz erlangt dieser Umstand insbesondere in Fallkonstellationen wie der vorliegenden, in der sie an der Kasse eines Einzelhandelsgeschäfts nach der Verkehrsübung zur verlässlichen Ermittlung des Preises herangezogen wird, zum dem der Einzelhändler die jeweilige Ware zum Verkauf anbietet.“ (Rn. 28)

Der Aussteller muss nach außen erkennbar sein. Hierbei ist ausreichend, dass er sich aus dem Inhalt ergibt, was hinsichtlich der GTIN-13 der Fall ist: Das Unternehmen, das die GTIN-13 vergeben hat, kann durch die Nummer identifiziert werden.
Des Weiteren ist eine feste Verbindung zwischen Etikett und Ware erforderlich. Weil das Etikett hier so fest mit der Schlauchtrommel verbunden war, dass es abgerissen werden musste, ist auch diese Voraussetzung gegeben.
Mithin liegt eine zusammengesetzte Urkunde vor.
b) Die Urkunde gehörte auch nicht dem T. Er hob durch das Abreißen die Gebrauchsfähigkeit dieser Urkunde und damit ihre Beweisfunktion auf: Der gedankliche Inhalt wurde völlig beseitigt, die Urkunde daher i.S.v. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB vernichtet.
Im Ergebnis hat T sich, da auch der subjektive Tatbestand verwirklicht wurde, wegen Urkundenunterdrückung strafbar gemacht.
 
3. Eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung gem. § 267 Abs. 1 StGB scheidet aus:

„Zwar können zusammengesetzte Urkunden auch durch Auswechseln ihres Bezugsobjekts verfälscht werden. Dies setzt jedoch voraus, dass auch die neue in der Verbindung von Bezugsobjekt und Beweiszeichen liegende Gedankenerklärung den Anschein erweckt, sie rühre unverändert von dem ursprünglichen Aussteller her. Auch bei der neu zusammengesetzten Urkunde muss daher eine feste und dauerhafte, wenn auch nicht untrennbare Verbindung zwischen Beweiszeichen und Bezugsobjekt zu einer Beweiseinheit bestehen.“ (Rn. 36)

Das ist hier mit dem Anbringen des Anschlussschlauchs auf die Steckvorrichtung, wodurch keine ausreichend feste Verbindung zwischen Umkarton und Schlauchtrommel erzeugt wird, gerade nicht der Fall. Ein Bedürfnis, den Tatbestand der Urkundenfälschung insoweit auszudehnen, besteht mangels Strafbarkeitslücken ebenfalls nicht.
 
4. Herauszustellen ist schließlich noch, dass Betrug und Urkundenunterdrückung in Tateinheit gem. § 52 StGB stehen:

„Denn beide Gesetzesverletzungen beruhten nicht nur auf demselben Tatentschluss, sie standen auch in einem engen räumlichen und zeitlichen sowie finalen Zusammenhang, weil das Zerstören der zusammengesetzten Urkunde nach dem Tatplan des [T] der Vorbereitung der Täuschungshandlung dienen sollte. Gesetzeskonkurrenz liegt nicht vor, weil § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB und § 263 StGB verschiedene Rechtsgüter schützen.“ (Rn. 35)

 
III. Summa
Festzuhalten bleibt, dass es sich hiermit um einen spannenden und examensrelevanten Fall handelt. Vermögensdelikte stehen häufig im Zentrum strafrechtlicher Examensklausuren, ebenso die Urkundendelikte. Gerade die Überlegungen zur zusammengesetzten Urkunde bilden in Fällen wie hier den Schwerpunkt. Diesen Beschluss jedenfalls sollte man kennen.

12.02.2020/1 Kommentar/von Charlotte Schippers
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Charlotte Schippers https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Charlotte Schippers2020-02-12 09:31:062020-02-12 09:31:06OLG Karlsruhe zur Manipulation von Warenetiketten
Gastautor

Jur:next Urteil: „Fake-Urteil“

Examensvorbereitung, Rechtsprechung, Strafrecht BT

In Kooperation mit juraexamen.info stellt jur:next (Dein Partner für juristischen Einzelunterricht, Nachhilfe & Coaching; www.jurnext.de) jeweils ein Urteil des Monats aus den drei Rechtsgebieten vor. Diskutiere im Kommentarfeld direkt mit anderen die Entscheidung.
 
Einführung in die Thematik
Blickt man in die Kommentierung zu § 267 StGB, finden sich eine Reihe von Entscheidungen, die sich maßgeblich mit dem strafrechtlichen Urkundsbegriff auseinandersetzen. Häufig tun sich Studierende mit den Urkundendelikten sehr schwer und vernachlässigen diese in der Klausurvorbereitung. Die rechtliche Qualifizierung von „Kopien“ und deren Tatbestandsmäßigkeit gehört zum Standardrepertoire und stellt eines der klassischsten Problemfelder dar. Auch das OLG Hamm (Beschluss vom 12.05.2016 Az. 1 RVs 18/16 abrufbar unter der NRWE – Rechtssprechungsdatenbank der Gerichte in NRW) musste sich jetzt wieder mit der Frage beschäftigen und hat dabei abweichend von der Vorinstanz (LG Dortmund) eine interessante Entscheidung gefällt.
 
Entscheidung des Gerichts
Was war passiert? Der angeklagte Rechtsanwalt R wurde von seinem Mandanten M beauftragt noch ausstehende Restlohnzahlungen gegenüber der ehemaligen Arbeitgeberin des Mandanten geltend zu machen. Die anwaltliche Tätigkeit des R beschränkte sich dabei allein auf die außergerichtliche Geltendmachung des Anspruchs. Auf die mehrfachen Nachfragen des M hin, gab R wahrheitswidrig an, dass er Klage vor dem Arbeitsgericht eingereicht und er den Prozess – rechtskräftig – gewonnen habe. Zum Beleg dafür erstellte er mithilfe seines Computers eine angebliche Abschrift des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Das Landgericht Dortmund sah den Tatbestand der Urkundenfälschung im Sinne des § 267 StGB als erfüllt an, da mit Erstellen der angeblichen Abschrift des Urteils eine falsche Urkunde hergestellt und hiervon – mit Übergabe an M – auch Gebrauch gemacht wurde. Wesentlich sei dabei, dass

das Vorliegen einer Urteils-Abschrift die vermeintliche Erklärung der Behörde beinhalte, dass tatsächlich ein Urteil in der Sache in der Welt sei. Die Abschrift eines Urteils sei im Rechtsverkehr zumindest im Verhältnis Rechtsanwalt zu Mandant zum Beweis geeignet und bestimmt, da das Vorliegen der Voraussetzungen des § 317 Abs. 2 ZPO vorgetäuscht werde.

Der Auffassung des Landgerichts Dortmunds tritt das OLG Hamm entgegen:

„Das von dem Angeklagten erstellte Schriftstück wurde vom Angeklagten nicht als die von dem angeblichen Aussteller herrührende Urschrift, sondern lediglich als – zumal mit einem Stempelausdruck ausdrücklich so bezeichnete – Abschrift eines arbeitsgerichtlichen Urteils ausgegeben, die nicht einmal ihren vermeintlichen Aussteller erkennen lässt.“

Ausgangspunkt der Begründung des OLG Hamm ist dabei der Grundsatz, dass eine einfache Abschrift regelmäßig keine Urkunde darstellt, weil sie nicht die Erklärung des Ausstellers des Originals verkörpert, sondern lediglich die Wiedergabe beinhaltet, was in einem anderen Schriftstück verkörpert ist. Auch unter Berücksichtigung von § 317 Abs. 2 ZPO sah der Senat des OLG Hamm keine Grundlage für eine Abweichung von dem vorgenannten Grundsatz.

„Allein der Umstand, dass mit der Vorlage einer einfachen Urteilsabschrift unter Berücksichtigung der Regelung des § 317 Abs. 2 ZPO nicht nur eine Täuschung über die bloße Existenz einer diesbezüglichen Urschrift, sondern auch über deren ordnungsgemäße Unterschrift und Verkündung verbunden sein mag, ist nach Auffassung des Senats nicht geeignet, hier eine Urkundenfälschung zu begründen. Denn der vermeintliche Unterschied zur vorgenannten Konstellation der Vorlage von Abschriften sonstiger – vermeintlicher – Urkunden beschränkt sich bei näherer Betrachtung auf die sprachliche Präzisierung, dass auch bei der Vorlage solcher Abschriften regelmäßig darüber getäuscht werden dürfte, dass die vermeintlichen Urschriften jeweils ordnungsgemäß zur Existenz gelangt sind.“

Der Tatbestand des § 267 StGB ist daher nicht erfüllt.
 
Auswirkungen auf das Examen
Sowohl im 1. Staatsexamen als auch im 2. Staatsexamen werden strafrechtliche Klausuren häufig mit Problemen aus dem Bereich der Urkundsdelikte aufgewertet. Der Beschluss des OLG Hamm eignet sich insbesondere auch für das mündliche Prüfungsgespräch, da nicht nur Kenntnisse vorangegangener Entscheidungen abgeprüft werden können, sondern vor allem eine saubere Subsumtions- und Argumentationstechnik erforderlich ist. Allein die Tatsache, dass ein Rechtsanwalt auf der Anklagebank saß, weckt jedoch das Interesse des Prüfungsamtes ;).
 
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12.07.2016/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2016-07-12 11:00:512016-07-12 11:00:51Jur:next Urteil: „Fake-Urteil“
Samuel Ju

BGH Urteil: Fotokopien und Telefaxe im Urkundenstrafrecht

Strafrecht, Strafrecht

In einem Urteil vom 27. Januar 2010 (5 StR 488/09) hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zur Urkundenqualität einer Fotokopie, die lediglich eine Reproduktion des Originals darstellt, bestätigt. Zudem ist nun nach einem Urteil des OLG Oldenburg vom 8.12.2008 erstmalig höchstrichterlich entschieden worden, dass ein Telefax, das vom Absender anhand einer manipulierten Vorlage gesendet worden ist, auch dann keine Urkunde i.S.v. § 267 StGB ist, wenn das Fax eine Kopfzeile mit einem Absendervermerkt enthält.
Sachverhalt (gekürzt)
Der Angeklagte (A) sagte dem Geschädigten zwischen Ende 2003 und Beginn 2004 zu, über ein von ihm in Thailand gehaltenes Bankkonto einen Zahlungsfluss des Geschädigten in Höhe von 571.000 € von Deutschland über Thailand in die Schweiz verschleiern zu helfen. Der Geschädigte wollte den Geldbetrag hierdurch dem Zugriff seiner damaligen Ehefrau im Rahmen eines bevorstehenden Scheidungsverfahrens entziehen. Da sich das Bankinstitut in Thailand mangels Herkunftsnachweises weigerte, die Weiterüberweisung in die Schweiz an eine andere Person als den Angeklagten durchzuführen, überwies der Angeklagte einen Teilbetrag von 520.000 € auf ein Schweizer Konto, dessen Inhaber er selbst war. Von dort aus wollte er den Betrag auf das Schweizer Konto des Geschädigten weiterleiten. Jedoch verlangte auch die Schweizer Bank einen Beleg dafür, dass die Summe aus einer rechtmäßigen Quelle herrühre. Nun fasste der A den Entschluss, die Geldmittel für sich selbst zu verwenden.
Gegenüber seiner Bank gebrauchte A eine manipulierte notarielle Urkunde über einen Grundstücksverkauf. Hierzu ging er wie folgt vor: Er verfügte über eine CD, auf der eine eingescannte Version des zwischen ihm und dem Geschädigten im September 2003 geschlossenen notariellen Kaufvertrages abgespeichert war. Die eingescannte Version war in mehreren Punkten verändert worden, wobei das Landgericht nicht festzustellen vermochte, dass der Angeklagte selbst die Manipulationen vorgenommen hatte. So war im Original die Wohnanschrift des A in Deutschland aufgeführt. Diese war in eine Briefkastenanschrift in Thailand verändert. Der Kaufpreis von ehemals 80.000 € war auf 571.000 € erhöht, das Datum der Fälligkeit vom 1. November 2003 auf den 5. Februar 2004 verschoben. Darüber hinaus war in der verfälschten Version bestimmt, dass der Kaufpreis vom Geschädigten auf das Konto des Angeklagten in Thailand zu überweisen sei.
Anfang April 2004 druckte der Angeklagte die veränderte Version des Kaufvertrags aus. Er übermittelte sie am 5. April 2004 per Telekopie an seine Bank. Die Bank akzeptierte den Nachweis und legte den größten Teil des Geldes zu seinen Gunsten in verschiedenen Fonds an.
Entscheidung / Lösung
Im Folgenden soll nur auf die Urkundenstrafbarkeit des A eingegangen werden.
A könnte sich wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.
I. Durch das Ausdrucken des manipulierten Kaufvertrages könnte A eine unechte oder verfälschte Urkunde hergestellt haben.
1. Objektiver Tatbestand
Fraglich ist jedoch bereits, ob der objektive Tatbestand erfüllt ist. Voraussetzung ist hierfür zunächst, dass ein taugliches Tatobjekt i.S.d. dieses Tatbestandes vorliegt. Bei dem ausgedruckten Exemplar des manipulierten Schriftstücks könnte es sich um eine Urkunde i.S.d. § 267 Abs. 1 StGB handeln.
Definition der Urkunde
Urkunden im Sinne des Strafrechts sind verkörperte Erklärungen (Perpetuierungsfunktion), die ihrem gedanklichen Inhalt nach geeignet und bestimmt sind, für ein Rechtsverhältnis Beweis zu erbringen (Beweisfunktion), und die ihren Aussteller erkennen lassen (Garantiefunktion).
Grundsätzlich kann auch im Wege computertechnischer Maßnahmen wie der Veränderung eingescannter Dokumente eine (unechte) Urkunde hergestellt werden. Dafür muss die Reproduktion jedoch den Anschein einer von einem bestimmten Aussteller herrührenden Gedankenäußerung vermitteln, also einer Originalurkunde so ähnlich sein, dass die Möglichkeit einer Verwechslung nicht ausgeschlossen werden kann.
Daran fehlte es hier. Der bloße Ausdruck der Computerdatei wies nicht die besonderen Merkmale auf, die einen notariellen Kaufvertrag bzw. die Ausfertigung eines solchen prägen, wie etwas das Siegel. Er spiegelte für den Betrachter erkennbar lediglich ein Abbild eines anderen Schriftstücks wider. Damit stand er einer bloßen Fotokopie gleich, der, sofern als Reproduktion erscheinend, mangels Beweiseignung sowie Erkennbarkeit des Ausstellers ebenfalls kein Urkundencharakter beizumessen ist (vgl. BGHSt 20, 17, 18 f.; 24, 140, 141 f. m.w.N.; BGH wistra 1993, 225; 341).
Somit handelte es sich bei dem Ausdruck der Computerdatei nicht um ein taugliches Tatobjekt i.S.d. § 267 Abs. 1 StGB. A hat sich durch den manipulierten Ausdruck nicht einer Urkundenfälschung gem. § 267 StGB strafbar gemacht.
II. A könnte jedoch durch die anschließende Übermittlung dieses Ausdrucks per Telefax und dessen Ausdruck auf dem Empfängergerät eine Urkunde hergestellt haben.
Meinungsstreit: Ist das Telefax eine Urkunde oder nicht?
Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht handelt es sich beim Fax grundsätzlich um eine Urkunde. Im Gegensatz zu einer Fotokopie sei das Telefax im Rechtsverkehr grundsätzlich wie das Original akzeptiert. So könnten z.B. etwa auch Rechtsmittel per Fax wirksam eingelegt werden. Zudem enthalte das Telefax durch die Kurzbezeichnung des Absenders und dessen Faxnummer auch eine Ausstellerangabe.
Dieser Ansicht folgend hätte A eine Urkunde i.S.d. § 267 Abs. 1 StGB hergestellt.
Nach der nunmehr herrschenden Meinung stellt das Telefax keine Urkunde i.S.d. § 267 StGB dar, weil beim Fax als sogenannte Fernkopie die gleichen Grundsätze gelten müssen wie bei einer „gewöhnlichen“ Fotokopie. Die beim Empfänger ankommende Telekopie eines existenten Schriftstücks stelle – für den Adressaten und jeden Außenstehenden offensichtlich – nur die bildliche Wiedergabe der in jenem Schriftstück verkörperten Erklärung dar. (vgl. dazu auch OLG Oldenburg NStZ 2009, 391). Eine Beweisbedeutung könne ihr demgemäß mangels Erkennbarkeit eines Ausstellers und damit verbundener eigener Garantiefunktion für die Richtigkeit des Inhalts jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen nicht beigemessen werden.
Dieser Meinung folgend hätte A folglich keine Urkunde i.S.d. § 267 Abs. 1 StGB hergestellt.
Gegen die Ansicht der Literatur spricht, dass der Aufdruck beim Telefax nicht einer Beglaubigung gleichzusetzen ist. Der Rechtsverkehr misst ihm eine solche Bedeutung ersichtlich nicht zu. Ferner bestätigt der Empfängeraufdruck nicht die inhaltliche Richtigkeit des versandten Schriftstücks, sondern nur, dass die eingegangene Telekopie vom Absender gemäß Aufdruck in das Telekopiergerät eingelegt und versandt worden ist.
Mithin hat A auch durch das Übersenden des manipulierten Ausdruck per Telefax keine Urkunde i.S.d. § 267 StGB hergestellt.
Ergebnis
A hat sich nicht wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB strafbar gemacht.
Examensrelevanz
Urkundendelikte sind regelmäßig Gegenstand in den Examensklausuren im Strafrecht. Angesichts der Entscheidung des OLG Oldenburg (NStZ 2009, 391) und des neuen BGH-Urteils könnte in den nächsten Monaten eine Examensklausur zur Problematik „Kopien und Telefaxe im Urkundenstrafrecht“ drankommen. Einen sehr guten Aufsatz und Überblick zu dieser Problematik findet man in der JA 2007,423.

19.03.2010/3 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2010-03-19 09:17:102010-03-19 09:17:10BGH Urteil: Fotokopien und Telefaxe im Urkundenstrafrecht

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