In einer kürzlich ergangenen Entscheidung des OLG Nürnberg (Az. 1 St OLG Ss 258/12) hat sich das Gericht mit der Frage befasst, ob die gewaltsame Wegnahme einer Fan-Jacke einen Raub nach § 249 Abs. 1 StGB begründen kann. Die Entscheidung befasst sich mit einer grundlegenden Thematik des Raub-Tatbestands und hat daher hohe Examensrelevanz.
Sachverhalt ‚
A und M sind Fans eines bekannten deutschen Fußballvereins. Anlässlich eines Spiels gegen den „verhassten“ Bundesligaverein Greuther Fürth nutzen sie die Gunst der Stunde und treffen folgende Verabredung: A soll einen Fan des Vereins Greuther Fürth festhalten. M soll diesem sodann die Fan-Jacke vom Leib reißen. A und M wollen die Jacke als „Trophäe“ mit nach Hause nehmen und sich später überlegen, wie sie damit als „echte Fans“ Aufmerksamkeit erregen und ihrer eigenen Vereinsliebe Ausdruck verleihen können. Genaue Vorstellungen bezüglich der konkreten Weiterverwendung der Jacke haben sie zum Zeitpunkt der Tat aber nicht.
A und M setzen ihren gemeinsam gefassten Plan in die Tat um und nehmen Fan B nach dem Spiel gewaltsam die Jacke ab. Auf dem Rückweg versteckt A die Jacke unter seinem Mantel. Am Auto angelangt verstauen A und M die Jacke im Kofferraum und fahren damit nach Hause.
Äußere Umstände begründen Annahme einer Zueignungabsicht
Die äußeren Umstände der Tat gaben dem BGH, genauso wie schon der Vorinstanz, Anlass zu der Annahme, dass A und B mit Zueignungsabsicht gehandelt haben, als sie die Jacke im Kofferraum ihres Fahrzeugs verstauten. Nach Ansicht des Gerichts war dies ein sicherer Anhaltspunkt dafür, dass A und M zu keiner Zeit vorhatten, sich der Jacke zu entledigen.
Dementsprechend verhielten sich die Angeklagten auch, indem einer der beiden Angeklagten nach der Wegnahme der Jacke diese unter seiner eigenen Jacke versteckte, während beide Angeklagten zu dem ca. 30 bis 40 Meter entfernten PKW liefen, um anschließend wegzufahren. Als sie das Fahrzeug erreicht hatten, verbargen sie die dem Geschädigten weggenommene Jacke hinter dem linken Sitz der Rückbank im Kofferraum des PKW. Hätten die Angeklagten von vorneherein beabsichtigt, die Jacke wegzuwerfen, so hätten sie sich bereits auf dem Weg zu ihrem PKW der Jacke des Geschädigten entledigen können.
Zueignungsabsicht an Weiterverwendung der Beute gemessen
Sehr instruktiv setzt sich das Gericht mit der Zueignungsabsicht der beiden Angeklagten auseinander und definiert zunächst die Zueignung. Hiernach besteht die Zueignung aus einer Aneignungs– und einer Enteignungskomponente. Die Aneignungskomponente ist dabei das entschiedene Kriterium, um die Zueignung von der straflosen Sachentziehung und der strafbaren Sachbeschädigung gemäß §§ 303 ff. StGB abzugrenzen. Entscheidend für den vorliegenden Fall ist, dass sich der Täter
[f]ür die Zueignung wie ein Eigentümer verhalten [muss]. Prinzipiell darf aber nur der Eigentümer seine Sache beiseiteschaffen oder zerstören. Deshalb muss hier der Täter mit dolus directus ersten Grades die Sache seinem Vermögen jedenfalls vorübergehend hinzufügen wollen (zum Ganzen Jahn JuS 2011, 846, 847 m.w.N.). Daran fehlt es in Fällen, in denen er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie zu zerstören, zu vernichten, preiszugeben, wegzuwerfen, beiseitezuschaffen oder zu beschädigen. Der etwa auf Hass- und Rachegefühlen beruhende Schädigungswille ist zur Begründung der Zueignungsabsicht ebenso wenig geeignet wie der bloße Wille, den Eigentümer durch Sachentzug zu ärgern. In solchen Fällen genügt es nicht, dass der Täter für eine kurze Zeit den Besitz an der Sache erlangt (BGH StV 2011, 412 Tz. 21)
Hier ging es A und M nicht darum, die Jacke nach deren Erbeutung zu vernichten. Vielmehr wollten sie die Jacke als Trophäe behalten und später gegebenenfalls damit anderweitig weiterverfahren. Folglich haben sich A und M wegen gemeinschaftlichen Raubs gemäß § 249 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Abgrenzung zum „Hells Angels“-Fall des BGH
In derselben Entscheidung – und das macht sie besonders interessant für eine Klausur oder eine mündliche Prüfung – verweist der BGH auf einen kürzlich entschiedenen Fall des 4. Strafsenats (BGH 4 StR 502/10 – Urteil vom 27. Januar 2011), in dem Mitglieder einer Rocker-Gang einem verfeindeten Rocker die „Kutte“ entreißen, um durch deren Zerstörung ein Zeichen zu setzen und „Präsenz zu zeigen“.
In dem vom 4. Strafsenat des BGH entschiedenen Fall aus dem Rockermilieu (Auseinandersetzung zwischen „Hells Angels“ und „Outlaws“) diente die Wegnahme der Rockerkutte nach den Feststellungen des Tatgerichts vornehmlich dem Ziel, „Präsenz zu zeigen“. Eine über die Enteignung hinausgehende Zueignungsabsicht – etwa, um die erbeutete Kutte als Tauschobjekt, Arbeitsnachweis oder zum Angeben zu nutzen –vermochte die Strafkammer jedoch dort nicht festzustellen. Vielmehr vermochte sie nicht auszuschließen, dass der Tatplan von vornherein vorsah, die Kutte zu vernichten.
Anders in der vorliegenden Entscheidung. Der BGH dazu dezidiert:
So liegt es hier nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Jugendkammer nicht. Danach ging es dem Angeklagten im Rahmen des gemeinsam entwickelten Tatplans gerade darum, die Fanjacke eines Anhängers der Spielvereinigung Greuther Fürth zu erbeuten, um später frei darüber entscheiden zu können, in welcher Form mit der Jacke weiter verfahren werden solle. In Ausführung dieses Plans wurde die Jacke des Geschädigten B tatsächlich als „handliches Paket“ auf dem linken Sitz der Rückbank im Kofferraum des Fahrzeugs des Angeklagten und seines Mittäters verstaut.
Fazit
Das Thema wird mit einiger Sicherheit Prüfungsgegenstand im Examen bleiben. Mit der vorliegenden Entscheidung hat der BGH seine Rechtsprechung anhand eines ganz ähnlich gelagerten Sachverhalts bestätigt. Dass es sich bei den Problemen rund um das Thema Zueignung um ein absolutes Kerngebiet des Strafrechts handelt, sollte jedem klar sein.
In einer Klausur würde es sich beispielsweise anbieten, zunächst vom Grundfall der Zueignungsabsicht (Stichwort: „Sich wie ein Eigentümer gerieren“) auszugehen und sodann in einer Abwandlung den gleichen Fall unter umgekehrten Vorzeichen zu stellen.