Eine Entscheidung von besonderer Examensrelevanz hat der BGH mit Urteil v. 23.7.2015 – III ZR 346/14 zur Abgrenzung von Geschäftsführung ohne Auftrag und Gefälligkeitsschuldverhältnissen getroffen. Fraglich war, ob ein Angehöriger, der minderjährige Mitglieder eines Sportvereins zu dessen Veranstaltungen fährt, Aufwendungsersatzansprüche aus GoA haben kann.
I. Sachverhalt (der Pressemitteilung entnommen)
Die Enkelin der Klägerin spielt in der Mädchen-Fußballmannschaft des beklagten Vereins. Die Mannschaft nahm am 09.01.2011 in B. an der Hallenkreismeisterschaft teil. Die Klägerin, die ihre Enkelin zu dieser Veranstaltung bringen wollte, verunfallte mit ihrem PKW auf der Fahrt nach B. und zog sich dabei erhebliche Verletzungen zu.
II. Lösung des BGH
In Betracht kommt allein ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 BGB i.V.m. § 683 BGB aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Ein solcher Anspruch umfasst nicht nur freiwillige Vermögensopfer, sondern auch risikotypische (unfreiwillige) Schäden (Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., § 670 Rn. 11).
Die Vorinstanzen problematisierten nun alleine, ob die Geschäftsführung im Interesse des Sportvereines als Geschäftsherrn stand (§ 683 BGB), nahmen dies an und sprachen der Klägerin dementsprechend einen Aufwendungsersatzanspruch zu.
Anders der BGH. Dieser grenzt nun eine Geschäftsführung ohne Auftrag von einer Gefälligkeit ohne Auftrag ab. Begründet wird dies damit, dass bei rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnissen ebenso zwischen Auftrags- und Gefälligkeitsverhältnissen abgegrenzt wird und dies zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch im Bereich der GoA notwendig sei. Also kurz gesagt: Die Grundsätze der Abgrenzung von Schuldverhältnis und Gefälligkeit gelten auch bei der Feststellung einer GoA.
Wie prüft man diese nun in der Klausur? Idealerweise sollte zu Beginn der Prüfung eines Anspruches aus GoA beim Prüfungspunkt „Geschäftsführung“ (also jedes rechtliche oder tatsächliche Handeln) problematisiert werden, ob nicht eine bloße Gefälligkeit vorliegt. Sodann ist auf die Grundsätze der Abgrenzung von Schuldverhältnis und Gefälligkeitsverhältnis abzustellen. Einziger, aber eben wesentlicher Unterschied, der auch als solcher festgestellt werden sollte, ist, dass nicht der konkrete Rechtsbindungswille der Parteien (§§ 133, 157 BGB) maßgeblich ist, sondern wie sich das Handeln einem objektiven Dritten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls mit Rücksicht auf die Verkehrssitte darstellt. Der BGH referiert die maßgeblichen Kriterien der Abgrenzung, die bereits aus dem rechtsgeschäftlichen Bereich bekannt sein sollten:
Die Abgrenzung erfolge unter Berücksichtigung unter anderem der Art der Tätigkeit, ihrem Grund und Zweck, ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung für den Geschäftsherrn, der Umstände, unter denen sie erbracht wird, und der dabei entstehenden Interessenlage der Parteien.
Der wichtigste Satz der Pressemitteilung folgt:
Gefälligkeiten des täglichen Lebens oder vergleichbare Vorgänge könnten insoweit regelmäßig den Tatbestand der §§ 677 ff BGB nicht erfüllen.
Im vorliegenden Fall lag eine bloße Gefälligkeit vor. Der „Bringdienst“ der minderjährigen Spielerinnen zu auswärtigen Spielen war alleine Sache der Eltern beziehungsweise anderer Angehöriger oder Freunde. Die private Organisation durch die Eltern zeige, dass keine Bindung bezweckt gewesen sei.
Vielmehr handele es sich, wenn minderjährige Mitglieder eines Amateursportvereins von ihren Familienangehörigen oder Angehörigen anderer Vereinsmitglieder zu Sportveranstaltungen gefahren werden, grundsätzlich – auch im Verhältnis zum Sportverein – um eine reine Gefälligkeit, die sich im außerrechtlichen Bereich abspiele.
III. Zusammenfassung
Ein Urteil, das sich bald sicher in jedem Examensrepetitorium wiederfindet. Die wichtigsten Thesen:
– Die Geschäftsführung ohne Auftrag ist von einer Gefälligkeit ohne Auftrag abzugrenzen.
– Die Grundsätze der Abgrenzung von Schuldverhältnis und Gefälligkeit gelten auch bei der Feststellung einer GoA.
– Maßgeblich ist wie sich das Handeln einem objektiven Dritten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls mit Rücksicht auf die Verkehrssitte darstellt.
– Ansonsten gelten die bekannten Kriterien der Abgrenzung: Art der Tätigkeit, ihrem Grund und Zweck, ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung für den Geschäftsherrn, der Umstände, unter denen sie erbracht wird, und der dabei entstehenden Interessenlage der Parteien.
In tatsächlicher Hinsicht ist zudem die konkrete Entscheidung des BGH bedeutsam: Wenn minderjährige Mitglieder eines Amateursportvereins von ihren Familienangehörigen oder Angehörigen anderer Vereinsmitglieder zu Sportveranstaltungen gefahren werden, handelt es sich grundsätzlich – auch im Verhältnis zum Sportverein – um eine reine Gefälligkeit.