Das BVerfG hat mit Beschluss vom 4. 5. 2015 – 1 BvR 2096/13 entschieden, dass Prozesskostenhilfe in der Regel zu gewähren ist, wenn die Revision gegen ein Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen wird. Die Entscheidung ist sowohl für das erste als auch das zweite Staatsexamen von Bedeutung.
I. Grundsatz der Rechtsschutzgleichheit
Verfassungsrechtlich gründet der Anspruch auf Prozesskostenhilfe auf dem sogenannten Grundsatz der Rechtsschutzgleichheit, welcher aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet wird. Dieser gebietet eine weitgehende Angleichung der faktischen Rechtsschutzmöglichkeiten für bemittelte und unbemittelte Personen (vgl. BVerfG v. 8. 9. 2009 – 1 BvR 1464/09; st. Rspr.). Dies gilt allerdings nur, soweit die Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (s. auch § 114 ZPO). Daher sind vor Gewährung der Prozesskostenhilfe die Erfolgsaussichten der Klage zu prüfen. Bei dieser Prüfung dürfen allerdings entscheidungserhebliche, aus Sicht des Gerichts noch nicht abschließend geklärte Rechtsfragen nicht „durchentschieden“ werden (vgl. zu § 114 ZPO: BVerfG v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 359). Andernfalls bestünde gerade keine Rechtsschutzgleichheit, da unbemittelte Personen ungeklärte Rechtsfragen aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht im Hauptsacheverfahren klären lassen könnten.
II. Prozesskostenhilfe bei Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zwingend?
Ausgehend von diesen Grundsätzen war im entschiedenen finanzgerichtlichen Fall die Frage, ob die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (hier: § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zwingend zur Gewährung von Prozesskostenhilfe führt. Dies nimmt das BVerfG mit überzeugender Begründung an:
Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt das Vorliegen einer bedeutsamen, bisher höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage voraus, auf die es für die Entscheidung der Sache ankommt. Derartige Rechtsfragen können im Verfahren der Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht entschieden werden. Das Gericht verhält sich widersprüchlich, wenn es von einem solchen Fall ausgeht, gleichwohl aber Prozesskostenhilfe versagt. Ohne Gewährung von Prozesskostenhilfe könnte der nicht ausreichend bemittelte Kläger das erstinstanzliche Hauptsacheverfahren nicht durchlaufen; ihm bliebe so die Möglichkeit versagt, die Klärung der Grundsatzfrage zu seinen Gunsten in der Revisionsinstanz zu erstreiten.
Mit anderen Worten: Wird die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, liegt (zumindest aus Sicht des Gerichtes) eine offene Rechtsfrage vor – die Ablehnung der PKH, deren wesentliche sachliche Voraussetzung die hinreichende Aussicht der Klage auf Erfolg ist, ist dann widersprüchlich. Entweder es liegt eine offene Rechtsfrage vor oder eben nicht. Andernfalls müsste das Gericht seine juristische Meinung teilen können: Hinsichtlich der Revision ist die Rechtsfrage ungeklärt, hinsichtlich der PKH nicht. Zudem führte ein solches Vorgehen zu einer Rechtsschutzungleichheit: Revisionen wegen grundsätzlicher Bedeutung wären für unbemittelten Personen faktisch ausgeschlossen. Daher geht das BVerfG davon aus, dass in der Regel PKH zu gewähren ist, soweit die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen wird. Etwas anderes kann nur in vom BVerfG nicht näher bezeichneten Ausnahmefällen gelten.
III. Fazit
Der Grundsatz der Rechtsschutzgleichheit, welcher aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet wird, sollte bekannt sein. Mit dieser Rechtsfigur wird nicht nur die Prozesskostenhilfe begründet, sondern auch dessen konkrete Ausgestaltung bestimmt. Die Entscheidung des BVerfG überzeugt insoweit, da nur durch die Gewährung von Prozesskostenhilfe eine Rechtsdurchsetzung auch unbemittelter Personen in der Revisioninstanz möglich ist.