In einem mittlerweile veröffentlichten Beschluss vom 14.08.2013 (Az. 2 A 10251/13.OVG) entschied das OVG Koblenz, dass ein Schüler nicht nur dann von der Schule ausgeschlossen werden kann, wenn er in der Schule illegale Drogen verkauft, sondern bereits auch in dem Falle, wenn er „Legal Highs“ verkauft und dahingehend bewusst nur den Anschein erweckt, mit illegalen Drogen zu dealen. Bereits hierdurch sei die Aufgabe der Schulen erheblich gefährdet, ein drogenfreies Umfeld zu gewährleisten.
Im Ergebnis bestätigten die Richter des OVG jedoch das Urteil der Vorinstanz, welche den Schulausschluss aufgehoben hatte, da die Schule den Ausschluss ausschließlich auf die nicht nachweisbare Annahme gestützt hatte, dass der Schüler mit illegalen Drogen gehandelt haben soll. Mit dem Erwerb von „Legal Highs“ oder der Erweckung des bloßen Anscheins, illegale Drogen zu verkaufen, hatte die Schule den Ausschluss in der Gesamtkonferenz dagegen nicht begründet.
Sachverhalt
In dem zugrunde liegenden Fall erwarb der Kläger in der Schule von einem Mitschüler selbst gedrehte Zigaretten, deren Aussehen von Mitschülern als „Joints“ beschrieben wurde. Diese zeigte der Kläger anderen Mitschülern, denen gegenüber er auf Nachfrage nach Haschisch oder Marihuana angab, ihnen möglicherweise auch etwas besorgen zu können. Bei Bekanntwerden der Vorfälle sah es die Schule als erwiesen an, dass der Kläger mit Drogen gehandelt habe, und schloss ihn durch Beschluss der Gesamtkonferenz vom weiteren Schulbesuch aus.
Hiergegen klagte der Schüler und trug dabei vor, dass es sich lediglich um „Scheinjoints“ gehandelt habe, die nur so genannte „Legal Highs“ enthalten hätten und die er aus pubertärer Neugier und Imponiergehabe ausprobierte.
Zur Erläuterung nach dem Wortlaut des OVG:
„Legal Highs“ sind synthetische Drogen, die als angeblich legale Alternativen zu illegalen Drogen vermarktet werden. Sie enthalten in der Regel jedoch ebenfalls Betäubungsmittel oder chemische, psychoaktive Substanzen (oftmals synthetische Cannabinoide) aus der Pharmaforschung und können eine ähnliche Wirkung wie illegale Drogen haben. Die Substanzen werden in illegalen Labors gemischt, wobei die Hersteller auf die Unterstellung einzelner Stoffe unter das Betäubungsmittelgesetz in der Regel umgehend dadurch reagieren, dass diese durch neue Inhaltsstoffe ersetzt werden.
Das VG gab der Klage des Schülers schließlich statt, nachdem die Vernehmung von Mitschülern und Lehrern keinen sicheren Nachweis erbringen konnte, dass es sich tatsächlich um illegale Drogen gehandelt hat. Den hiergegen gerichteten Antrag der Schule auf Zulassung der Berufung lehnte das OVG schließlich ab.
Entscheidungsgründe des OVG
Das OVG stellte zuallererst die Richtigkeit des angefochtenen Urteils der Vorinstanz fest, gegenüber dem keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 II Nr. 1 VwGO bestehen würden.
Gestützt wurde der Schulausschluss auf die Rechtsgrundlage des § 55 I 1 SchulG i.V.m. § 99 I der Schulordnung für die öffentlichen Realschulen plus, Integrierten Gesamtschulen, Gymnasien, Kollegs und Abendgymnasien (ÜSchulO), wonach
ein Schüler auf Dauer von der bisher besuchten Schule ausgeschlossen werden (kann), wenn der dortige Verbleib eine ernstliche Gefahr für die Erziehung, die Sicherheit oder die Unterrichtung der anderen Schülerinnen und Schüler bedeutet.
Eine Entscheidung hierüber obliegt der Gesamtkonferenz im Wege eines Beschlusses nach § 99 ÜSchulO i.V.m. § 27 VI 1 SchulG. Bei der Auswahl der Ordnungsmaßnahmen bestünde ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum, der verwaltungsgerichtlich nur begrenzt daraufhin überprüft werden kann,
ob die Behörde diesen Spielraum erkannt, seine Grenzen gewahrt, seiner Ausfüllung einen vollständigen und zutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeine Wertmaßstäbe beachtet sowie keine sachfremden Erwägungen angestellt hat.
Die in diesem Zusammenhang bislang dargelegten Erwägung der Gesamtkonferenz, welche zur Grundlage der Entscheidung über den Schulausschluss gemacht wurden, beruhen allerdings auf der nicht nachweisbaren Annahme, dass der Schüler in der Schule Marihuana erworben, dieses anderen Schülern gezeigt und schließlich auch angeboten habe. Der Beschluss der Gesamtkonferenz ist insofern fehlerhaft, was das VG zutreffend festgestellt hat
Dieses sehr einleuchtende und knapp festgestellte Ergebnis (siehe § 122 II 3 VwGO) wollte das OVG jedoch nicht alleine so stehen lassen, sondern den Verantwortlichen der Schule wohl eine Möglichkeit mit auf den Weg geben, wie diese den Schulausschluss dennoch später auf einen nicht fehlerhaften Beschluss stützen können. Demnach begründet
nicht nur der Verkauf illegaler Drogen, sondern auch das bewusste Erwecken eines dahingehenden Anscheins sowie der Handel mit sogenannten „Legal Highs“ eine ernstliche Gefahr für die Erziehung der anderen Schülerinnen und Schüler und können nach den Umständen des Einzelfalls auch ohne vorherige Androhung den dauerhaften Ausschluss von der bisher besuchten Schule rechtfertigen.
Auch in diesem Fall liegt insofern eine Gefährdung im Sinne des § 55 I 1 SchulG vor, die
ohne weiteres durch ein Verhalten bewirkt wird, welches den Konsum von Rauschgiften propagiert, fördert oder verbreitet“. Demgegenüber haben die Schüler jedoch einen Anspruch darauf, dass „ihre Entwicklung innerhalb des – aufgrund der allgemeinen Schulpflicht letztlich erzwungenen – staatlichen Obhutsverhältnisses nicht gefährdet wird. Auch den Eltern ist nicht zuzumuten, ihre Kinder in die Obhut einer Schule zu geben, die ein drogenfreies Umfeld nicht gewährleisten kann (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juli 2012 – 2 B 10386/12.OVG). Das der Schule anvertraute Rechtsgut der Erziehung würde beträchtlichen Schaden erleiden, wenn der erwiesene Umgang eines Schülers mit Rauschgift, insbesondere innerhalb des Verantwortungsbereiches der Anstalt, die Schule nicht zur Ergreifung geeigneter Ordnungsmaßnahmen veranlassen würde.
Der Missbrauch von Drogen werde hingegen auch dann propagiert, wenn der Schüler eine Verfügbarkeit von Drogen bewusst vorspiegeln sollte. Sei der Schüler daraufhin nicht geständig oder könne dieser nicht „auf frischer Tat ertappt“ werden, so könnten die Schulen regelmäßig nicht nachweisen, dass Schüler tatsächlich mit illegalen Drogen handelten. Weitergehend folgert das OVG, dass diese Schüler infolgedessen darauf vertrauen würden, sich notfalls in die (Schutz-)Behauptung von „Scheindrogen“ zu flüchten, was wiederum den Anschein erwecke, Drogen könnten gefahrlos im schulischen Umfeld konsumiert oder zur Steigerung des Ansehens verwendet werden. Eine Flucht in psychoaktive Substanzen am Rande der Legalität widerspreche also der staatlichen Erziehung zu einem bewussten und eigenverantwortlichen Leben der Schüler und der Gewährleistung eines drogenfreien Umfeldes.
Die Entscheidung über einen Schulausschluss müsse nunmehr aber wiederum durch die dazu allein berufene Gesamtkonferenz erfolgen (§ 99 ÜSchulO), dessen Beschluss für die Schulleitung gemäß § 27 VI 1 SchulG bindend ist – dies dürfte in der Folge jedoch keine weiteren Probleme bereiten.
Bewertung
Ungeachtet der Strafbarkeit im Sinne des Betäubungs- oder dem Arzneimittelgesetzes bzw. der gesundheitlichen Risiken gefährden „Legal Highs“ und ähnliche Produkte insofern die schulische Erziehung. Derartige Stoffe fördern zudem die Bereitschaft, auch einmal „echte“ Drogen auszuprobieren. Allein die Verbreitung oder die bloße Propagierung in der Schule bedeuten somit bereits eine ernstliche Gefahr für die Mitschüler gemäß § 55 I 1 SchulG, womit ein auch ein dauerhafter Schulausschluss zu rechtfertigen sein kann.
Bei der Bestimmung des Gefährdungspotenziales wirkt sich insbesondere die Reichweite des Schutzgutes der Schulpflicht und des damit begründeten Obhutsverhältnisses im Rahmen der Abwägung des Beurteilungs- und Ermessensspielraumes aus. Um dieses Schutzgut zu bewahren ist ein Schulausschluss jedenfalls ein angemessenes Mittel, denn nicht zuletzt ist auch der Nachweis eines Handelns mit illegalen Drogen schwer zu führen.
Mit diesem Urteil wird insoweit deutlich, dass eine Abwägung im Falle des Beurteilungs- und Ermessensspielraum eindeutig und einzelfallgereicht zu bestimmen ist. Auch die Einsichtsfähigkeit des Schülers sowie die Einwirkungsmöglichkeiten der Eltern müssen hier eine Rolle spielen. In diesem Zusammenhang spielen aber auch spezialgesetzliche Reglungen eine Rolle, wie z.B. § 55 IV 2 SchulG und § 99 II ÜSchulO. Zu erstellen ist also letztlich eine Gesamtschau aller relevanten Umstände, jedoch vor dem Hintergrund der Gewichtigkeit der widerstreitenden Interessen und Rechtsgüter. Ausnahmsweise kann dann auch ein bloßer Verdacht eine erhebliche Gefährdung begründen.
Diesen „Weg“ zeichnet das OVG in seinem Urteil grob auf, wenngleich es sicherlich verwundern mag, warum das Gericht derart ausführlich auf die alternativ bestehende Möglichkeit eingeht, wie ein Schulausschluss im konkreten Fall letztlich zu rechtfertigen sein kann. Die Schulleitung wird diese Rechtsberatung sicherlich dankbar zur Kenntnis nehmen und zukünftig eine einzelfallorientiertere Beurteilungs- und Ermessensabwägung vornehmen.