Der juristische Kurzvortrag ist der Auftakt der der mündlichen Prüfung. Er macht prozentual gesehen lediglich einen geringen Anteil der Endnote aus (in NRW etwa 10% der Gesamtnote), seine Bedeutung ist aber gleichwohl sehr hoch. Der Vortrag in der mündlichen Prüfung vermittelt der Prüfungskommission den ersten Eindruck vom Kandidaten und beeinflusst deshalb die abschließende Gesamtbeurteilung maßgeblich. Die Prüfungskommission wird sich hier ein Bild über die rechtlichen Fähigkeiten des Prüflings machen. Damit ist vorab die Messlatte für das Prüfungsgespräch indiziert, so dass idR Fragen entsprechend dem Niveau des Vortrags gestellt werden.
Im folgenden Beitrag sollen daher einige wichtige Hinweise und Lerntipps für die Vorbereitung auf den Vortrag im ersten juristischen Staatsexamen gegeben werden.
1. Der Ablauf am Tag der Prüfung
Die Vorbereitungszeit auf den Vortrag beträgt (zumindest in NRW) exakt eine Stunde. Diese Stunde wird in der Regel für die umfängliche Lösung des gestellten Falles äußerst knapp bemessen sein. Noch mehr als bei den Klausuren gilt es deswegen, keine Sekunde zu verlieren. Zudem sollte man mindestens zehn Minuten einplanen, um am Ende der Vorbereitungszeit den Vortrag schon einmal still für sich selbst im Kopf durchzugehen.
Nach Ablauf der Vorbereitungszeit wird man in den Prüfungssaal geleitet. Hier trifft man zum ersten Mal die vollständige Prüfungskommission. Wenn man dann schließlich startbereit ist, gibt man dem Vorsitzenden ein Zeichen, woraufhin dieser eine Stoppuhr betätigt. Den Zeitablauf auf der Stoppuhr sieht man als Prüfling übrigens regelmäßig nicht, es ist also wichtig, durch das Training in der Lerngruppe ein sicheres Zeitgefühl zu bekommen und bei Bedarf unbedingt eine eigene Uhr mitzubringen. Nachdem man den Vortrag gehalten hat, bedankt man sich für die Aufmerksamkeit der Prüfungskommission, woraufhin der Vorsitzende den weiteren zeitlichen Ablauf der Prüfung darlegen wird. Je nachdem, ob man als erster oder als letzter Prüfling den Vortrag halten musste, hat man jetzt eine mehr oder minder lange Pause bis die Prüfungsgespräche beginnen.
2. Inhaltliche Bandbreite der Aufgabenstellungen
Grundsätzlich gilt für die inhaltliche Bandbreite an möglichen Fragestellungen, dass wie bei den Klausuren beinahe alles abgeprüft werden kann. Dazu kommt die Besonderheit, dass zusätzlich noch themenbezogene, abstrakte Fragen gestellt werden können. Auffällig ist in inhaltlicher Sicht, dass bei den juristischen Vorträgen neben dem Standardrepertoire an Fällen auch öfters aktuelle Sachverhalte beziehungsweise kürzlich ergangene Urteile abgeprüft werden.
3. Präsentationsstil und rhetorische Gesichtspunkte
Sprachliche Stilfragen sind beim Kurzvortrag zwar nicht unbedingt entscheidend. Ausschlaggebend für die Bewertung ist in erster Linie die juristische Substanz. Dennoch ist eine professionell vorgetragene Lösung nicht unbedeutend. In dem an Kandidaten in NRW ausgehändigten Merkblatt ( „Weisungen für den Vortrag in der staatlichen Pflichtfachprüfung“) heißt es ausdrücklich:
„Sowohl Vortragsform als auch Vortragsinhalt fließen in die Beurteilung ein.“
Dieser Hinweis sollte daher auch unbedingt ernst genommen werden. Es empfiehlt sich folglich, die Vortragssituation mehrfach vor dem Tag der Prüfung zu üben. Hierfür ist natürlich insbesondere ein Training mit der Lerngruppe geeignet, aber auch ein Üben vor dem Spiegel oder durch eine Aufzeichnung des eigenen Vortrags (zB per Handy) ist hilfreich, um die eigenen rhetorischen Unzulänglichkeiten auszumachen und möglichst zu beheben. Auf folgende Punkte ist dabei zu achten:
- Angemessene Artikulation: Deutliches und vor allem auch nicht zu schnelles Sprechen
- möglichst wenig „Verlegenheitslaute“ wie „ähm“, oder „öh“
- Sachlicher Stil: Keine Umgangssprache; Fachwörter aber nur verwenden, wenn man sicher ist, die Bedeutung zu kennen
- kurze Sätze/keine Schachtelsätze
- freie Rede: die eigene Skizze sollte nur Stichpunkte enthalten, keine ausformulierten Sätze
- Visuelle Aspekte: aufrechte Körperhaltung; Blickkontakt zu den Prüfern, ggf. unterstreichende, aber nicht zu wilde Gestik; möglichst natürliche Mimik
- bewusstes Setzen von Pausen: die Pause dient sozusagen als Punkt und Komma im Vortrag; beginnt ein neuer gedanklicher Abschnitt empfiehlt sich in jedem Fall eine kurze Pause, auch um die eigenen Gedanken neu zu sortieren und ggf. einen Stichpunkt in der Skizze nachzulesen
- im Prinzip selbstverständlich ist ein gepflegtes Auftreten (Anzug und Krawatte bei Männern bzw. ein äquivalent formaler Dresscode bei Frauen)
Abschließend sollte aber zur Beruhigung gesagt werden: Eine „perfekte“ Rhetorik wie man sie zB von jahrelang geschulten Politikern kennt, kann sicherlich nicht erwartet werden. Verliert man einmal den Faden oder verhaspelt sich in einem Satz, ist dies kein Problem. Hier sollte man versuchen, ruhig zu bleiben und nach einer kurzen Sprechpause neu anzusetzen.
Um der Nervosität am Anfang des Vortrags zu entgegnen, empfiehlt es sich, sich für die einleitenden Sätze eine Standardformulierung zurecht zu legen und ggf. den ersten Obersatz vor Beginn des Vortrags mehrfach im Kopf durchzugehen. Ist der Einstieg erst einmal professionell geglückt, schwindet die Nervosität idR recht schnell.
4. Juristische Methodik
Allein eine makellose Präsentation der Falllösung macht diese noch nicht zu einem Prädikatsvortrag. Wichtig ist vor allem, an den Stellen, an denen der Fallersteller Probleme angesiedelt hat, durch eine methodisch einwandfreie Herangehensweise zu überzeugen. Neben einem sauberen Gutachtenstil ist auf eine exakte Arbeit „nah am Gesetz“ und eine Verwendung der klassischen Auslegungscanones (Wortlaut, Systematik, Zweck, Historie/Genese) zu achten.
5. Aufbau des Vortrags
Es ist üblich, den eigentlichen Vortrag erst nach einer kurzen Begrüßung zu beginnen. Ein kurzer zusammenfassender Schluss und ein Dank an die Prüfungskommission rundet den gelungenen Vortrag ab.
- Begrüßung: Als Anrede bietet sich z.B. die Floskel „Sehr geehrte Prüfungskommission” an. Nicht empfehlenswert ist eine Anrede mit „Sehr geehrte Damen und Herren“, da ggf. nur ein(e) oder sogar kein(e) Dame/Herr anwesend ist. Eine Zusammenfassung des Sachverhalts und der Aufgabenstellung ist idR nicht gewünscht, es kann also direkt mit dem ersten Obersatz begonnen oder allenfalls eine ganz kurze Einleitung vorausgestellt werden. Anders ist dies freilich bei einem Themenvortrag. Hier muss zunächst das Problem herausgearbeitet werden.
- Hauptteil: Hier muss nun die hoffentlich vollständige und richtige Lösung vorgetragen werden. Dabei ist – wie auch bei den Klausuren – auf eine angemessene Schwerpunktsetzung zu achten.
- Schluss: Fakultativ, aber durchaus nützlich ist es, kurz vor Ende des Vortrags den Schluss einzuläuten. Beispiel: „Ich komme nunmehr zum Ende meines Vortrags […]“ oder „Zusammenfassend lässt sich somit festhalten […]“. Wichtig ist lediglich, dass am Ende deutlich wird, dass der Prüfling seinen Ausführungen nichts mehr hinzuzufügen hat. Bei einer Fallfrage muss ein Gesamtergebnis, bei thematischen Aufgabenstellungen ein Fazit formuliert werden. Zudem ist es selbstverständlich, dass man der Prüfungskommission am Ende noch für Ihre Aufmerksamkeit dankt. Beispiel: „Die Klage des A ist somit zulässig, aber nicht begründet. Sie hat deshalb keine Aussicht auf Erfolg. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“
6. Abschließende Lernntipps und Hinweise
Noch einmal: Das Wichtigste ist, die Vortragssituation vor dem Tag der Prüfung mehrfach zu üben. Dadurch bekommt man zunächst ein Gefühl, wann das Zeitlimit ausgereizt ist. Außerdem kann man herausarbeiten, welche rhetorischen Defizite bestehen, wie man einen Vortrag aufbaut, welche Überleitungssätze etc. sich empfehlen, ob man zu schnell spricht oder nicht usw. Wichtig ist, dass man auf jeden Fall unter echten zeitlichen Bedingungen trainiert. In der Lerngruppe hilft konstruktive Kritik mehr als gut gemeintes Lob.
Sinnvoll ist auch der Besuch zahlreicher Prüfungen, um sich mit der Situation vertraut zu machen. Neben diesem Angebot, sollte man sich informieren, ob von der Uni oder den üblichen Repetitoren Vortragskurse oder simulierte Prüfungsgespräche angeboten werden.
Abschließend würde ich gerne in eigener Sache Werbung für ein Buch zur Vorbereitung auf die mündliche Prüfung machen, das ich gemeinsam mit Dr. Christoph Werkmeister, LL.M. verfasst habe und im Verlag De Gruyter erschienen ist (s. hier).