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Schlagwortarchiv für: Kasse

Charlotte Schippers

OLG Karlsruhe zur Manipulation von Warenetiketten

Rechtsprechung, Startseite, Strafrecht

Im Strafecht sind besonders Vermögens-, aber auch Urkundendelikte examensrelevant. Ein klassischer Fall ist in diesem Kontext der Austausch von Warenetiketten bzw. Strichcodes, wie er dem vorliegenden Beschluss des OLG Karlsruhe vom 13.3.2019 (1 Rv 3 Ss 691/18) zugrunde lag. Hierbei geht es maßgeblich um eine Strafbarkeit wegen Betrugs gem. § 263 Abs. 1 StGB sowie wegen Urkundenunterdrückung gem. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Diese Straftatbestände sollten unbedingt für das Examen beherrscht werden.
 
 I. Sachverhalt (leicht abgewandelt und gekürzt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: T nahm im Baumarkt eine Gartenschlauch-Anschlussgarnitur zum Preis von 14,50 € aus der Auslage. Auf dem zugehörigen Karton befand sich u.a. die für die Anschlussgarnitur ausgegebene European Article Number (EAN) bzw. Global Trade Item Number (GTIN-13) mit zugehörigem Strichcode, die zur Feststellung der Artikel- und Preisinformationen dient. Diese Garnitur brachte er mittels der für den Betrieb des Schlauchs vorgesehenen Steckvorrichtung an einer Schlauchtrommel zum Verkaufspreis von 54,95 € an. T riss das an der Schlauchtrommel angeklebte Etikett mit EAN und Strichcode ab, sodass auf dem Karton nur EAN und Strichcode der günstigeren Anschlussgarnitur angebracht waren. Mit der so manipulierten Ware begab er sich zur Kasse und legte die Schlauchtrommel mit dem Anschlussstück der Kassiererin K in der Absicht vor, diese über den wahren Kaufpreis zu täuschen. K scannte die auf der Kartonverpackung der Anschlussgarnitur aufgedruckte EAN in den Kassencomputer ein. Sie machte sich hierüber keine weiteren Gedanken, fragte T aber, ob der Preis „richtig“ sei, was er bejahte. Nach Zahlung der 14,50 € wollte T den Markt verlassen, wurde aber direkt hinter der Kasse von einer Ladendetektivin aufgehalten, die ihn von Anfang an beobachtet hatte.
 
II. Rechtliche Ausführungen
1. Zunächst kommt eine Strafbarkeit des T wegen Betrugs gem. § 263 Abs. 1 StGB infrage:
a) Das Vorlegen der manipulierten Schlauchtrommel zur Bezahlung an der Kasse beinhaltet eine konkludente Täuschung über den Preis für die Ware. Dies wurde weiterhin durch die bewusst wahrheitswidrige Erklärung, die T auf Nachfrage von K abgab, es handle sich um den „richtigen“ Preis, bestätigt.
b) Hierdurch sollte bei K eine Fehlvorstellung, also ein Irrtum, über den Preis hervorgerufen werden. Hier beschäftigte sich das OLG kurz mit der Aussage der K, sie habe sich keine weiteren Gedanken über den Preis gemacht. Denn dies könne darauf schließen lassen, dass die konkrete Fehlvorstellung fehle und K möglicherweise gar keine Vorstellung über den Preis habe. Allerdings lasse die Frage nach der Richtigkeit des Preises und die Aushändigung erst nach der Bestätigung durch T darauf schließen,

„[…] dass [K] […] – auch wenn sie sich üblicherweise keine Gedanken über die Richtigkeit der Preise der ihr zur Bezahlung vorgelegten Ware machte – jedenfalls im vorliegenden Einzelfall der positiven Fehlvorstellung unterlag, der Preis für Schlauchtrommel und Anschlussschlauch betrage lediglich 14,50 €“. (Rn. 18)

c) In Abgrenzung zum Diebstahl liegt hier infolge des Irrtums eine freiwillige Gewahrsamsübertragung von K an T vor, also eine Vermögensverfügung. Der Verfügungswille war auf die Schlauchtrommel konkretisiert.
d) Diese Vermögensverfügung führte auch zu einem Vermögensschaden: Ohne den Kaufpreis für die Ware zu bekommen, also ohne dass die Vermögensminderung kompensiert wurde, hatte K gem. § 929 S. 1 BGB das Eigentum an der Schlauchtrommel durch Übergabe und konkludente Einigung über den Eigentumswechsel an T übertragen.
e) Zu beachten ist noch, dass T durch die Ladendetektivin beobachtet und nach Abschluss des Bezahlvorgangs gestellt wurde. Das steht einer Vollendung des Betrugs aber nicht entgegen, denn der Vermögensschaden, der unmittelbar aus der Vermögensverfügung resultiert, ist zumindest teilweise eingetreten.

„Dass der von dem Täter erstrebte Vermögensvorteil erlangt oder auch nur erreichbar ist, ist hingegen wegen der überschießenden Innentendenz zur Tatbestandsvollendung nicht erforderlich. Danach ist erst recht dann von Vollendung auszugehen, wenn der Täter die rechtswidrig erstrebte Vermögensposition – wie hier Eigentum und Besitz an der Schlauchtrommel – bereits erlangt hat, diese aber noch nicht gegen die unmittelbar drohende Erhebung berechtigter Rückgabeansprüche des Geschädigten sichern konnte, weil er sich noch in dessen Herrschaftsbereich aufhält und seine Tat von einem im Auftrag des Geschädigten handelnden, eingriffsbereiten Dritten beobachtet wurde.“ (Rn. 22)

Daher ist T wegen Betruges strafbar.
 
2. Darüber hinaus kommt eine Strafbarkeit des T wegen Urkundenunterdrückung gem. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Betracht.
a) Schwerpunkt ist die Überlegung, ob das Etikett zusammen mit der Schlauchtrommel eine zusammengesetzte Urkunde ist. Zur Erinnerung: Eine Urkunde ist eine verkörperte Gedankenerklärung, die ihren Aussteller erkennen lässt und zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist. So können auch mit einer Sache fest verbundene Zeichen Urkundenqualität aufweisen, so z.B. Nummernschilder an Autos.
Die mit der Ware fest verbundene EAN ist eine verkörperte Gedankenerklärung. Denn: Diese Nummer ermöglicht es, jedes Produkt weltweit zu identifizieren. Darüber hinaus kann mit der Nummer auf Produktinformationen zugegriffen werden, insbesondere den Preis der Ware, wofür lediglich der Strichcode eingescannt werden muss. Dieser hat selbst keinen eigenständigen Erklärungswert, sondern dient nur als für den Scanner lesbare Darstellung der Nummer. Die Tatsache, dass die Nummer dazu dient, die Ware zu identifizieren, ist auch allgemein bekannt. Das OLG führt hierzu aus:

„Die GTIN-13 dient danach nicht nur zur Unterscheidung und Erfassung verschiedener Produkte in der Sphäre eines Herstellers oder Händlers. Aufgrund der Bedeutung, welche sie insbesondere durch ihre massenhafte Verwendung bei der Abwicklung von Kaufgeschäften zwischen Einzelhändlern und Verbrauchern, wenn auch nicht durch Rechtsvorschriften, so aber doch durch entsprechende Übung erlangt hat, fungiert die GTIN-13 in ihrer festen Verbindung mit einer Ware vielmehr auch im Rechtsverkehr als Identitätsnachweis eines Produkts. Die Beweiserheblichkeit dieses Identitätsnachweises zeigt sich insbesondere daran, dass Einzelhandel und Verbraucher sich bei der Ermittlung des Preises für eine Ware während des Bezahlvorgangs an der Kasse gleichermaßen auf die Richtigkeit dieses Identitätsausweises verlassen. Auch bei der Frage, ob es sich bei einem bestimmten Produkt um eine Fälschung oder ein Original handelt, kann der mit einem Produkt fest verbundenen GTIN-13, die aussagt, dass das fragliche Produkt von einem bestimmten, aus der Basisnummer ersichtlichen Hersteller gefertigt und als nach seiner Gattung weltweit einzigartiges Produkt in den Verkehr gebracht wurde, Beweisbedeutung zukommen.“ (Rn. 28)

Folglich verkörpere die mit einem bestimmten Produkt fest verbundene GTIN-13 die Erklärung des Herstellers, dass die Nummer dem jeweiligen Produkt zur Identifizierung im Handelsverkehr zugeordnet ist.

„Beweisrechtliche Relevanz erlangt dieser Umstand insbesondere in Fallkonstellationen wie der vorliegenden, in der sie an der Kasse eines Einzelhandelsgeschäfts nach der Verkehrsübung zur verlässlichen Ermittlung des Preises herangezogen wird, zum dem der Einzelhändler die jeweilige Ware zum Verkauf anbietet.“ (Rn. 28)

Der Aussteller muss nach außen erkennbar sein. Hierbei ist ausreichend, dass er sich aus dem Inhalt ergibt, was hinsichtlich der GTIN-13 der Fall ist: Das Unternehmen, das die GTIN-13 vergeben hat, kann durch die Nummer identifiziert werden.
Des Weiteren ist eine feste Verbindung zwischen Etikett und Ware erforderlich. Weil das Etikett hier so fest mit der Schlauchtrommel verbunden war, dass es abgerissen werden musste, ist auch diese Voraussetzung gegeben.
Mithin liegt eine zusammengesetzte Urkunde vor.
b) Die Urkunde gehörte auch nicht dem T. Er hob durch das Abreißen die Gebrauchsfähigkeit dieser Urkunde und damit ihre Beweisfunktion auf: Der gedankliche Inhalt wurde völlig beseitigt, die Urkunde daher i.S.v. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB vernichtet.
Im Ergebnis hat T sich, da auch der subjektive Tatbestand verwirklicht wurde, wegen Urkundenunterdrückung strafbar gemacht.
 
3. Eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung gem. § 267 Abs. 1 StGB scheidet aus:

„Zwar können zusammengesetzte Urkunden auch durch Auswechseln ihres Bezugsobjekts verfälscht werden. Dies setzt jedoch voraus, dass auch die neue in der Verbindung von Bezugsobjekt und Beweiszeichen liegende Gedankenerklärung den Anschein erweckt, sie rühre unverändert von dem ursprünglichen Aussteller her. Auch bei der neu zusammengesetzten Urkunde muss daher eine feste und dauerhafte, wenn auch nicht untrennbare Verbindung zwischen Beweiszeichen und Bezugsobjekt zu einer Beweiseinheit bestehen.“ (Rn. 36)

Das ist hier mit dem Anbringen des Anschlussschlauchs auf die Steckvorrichtung, wodurch keine ausreichend feste Verbindung zwischen Umkarton und Schlauchtrommel erzeugt wird, gerade nicht der Fall. Ein Bedürfnis, den Tatbestand der Urkundenfälschung insoweit auszudehnen, besteht mangels Strafbarkeitslücken ebenfalls nicht.
 
4. Herauszustellen ist schließlich noch, dass Betrug und Urkundenunterdrückung in Tateinheit gem. § 52 StGB stehen:

„Denn beide Gesetzesverletzungen beruhten nicht nur auf demselben Tatentschluss, sie standen auch in einem engen räumlichen und zeitlichen sowie finalen Zusammenhang, weil das Zerstören der zusammengesetzten Urkunde nach dem Tatplan des [T] der Vorbereitung der Täuschungshandlung dienen sollte. Gesetzeskonkurrenz liegt nicht vor, weil § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB und § 263 StGB verschiedene Rechtsgüter schützen.“ (Rn. 35)

 
III. Summa
Festzuhalten bleibt, dass es sich hiermit um einen spannenden und examensrelevanten Fall handelt. Vermögensdelikte stehen häufig im Zentrum strafrechtlicher Examensklausuren, ebenso die Urkundendelikte. Gerade die Überlegungen zur zusammengesetzten Urkunde bilden in Fällen wie hier den Schwerpunkt. Diesen Beschluss jedenfalls sollte man kennen.

12.02.2020/1 Kommentar/von Charlotte Schippers
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Charlotte Schippers https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Charlotte Schippers2020-02-12 09:31:062020-02-12 09:31:06OLG Karlsruhe zur Manipulation von Warenetiketten
Tom Stiebert

OLG Hamm: Neues zur Abgrenzung Diebstahl/Betrug/Computerbetrug

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht BT

Einen Fall mit sehr hoher Examensrelevanz hat das OLG Hamm mit einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 8.8.2013 (5 RVs 56/13) entschieden (Näheres dazu hier). Es geht hierbei um die äußerst relevante, und den meisten in der allgemeinen Konstellation wahrscheinlich bekannte Abgrenzung von Diebstahl und (Computer)Betrug.
I. Sachverhalt
Es ging dabei um folgende Konstellation:
Der Angeklagte bezahlte in einem Supermarkt eine Zeitschrift im Wert von 5 Euro lediglich mit 2 Euro. Dies erreichte er durch folgenden Trick: Er scannte an der Selbstbedienungskasse des Ladens nicht den korrekten Strichcode, sondern einen aus einer anderen Zeitschrift (im Wert von 2 Euro) herausgerissenen Strichcode ein und bezahlte folglich auch nur die angeforderten 2 Euro.
Fraglich war dabei, ob es sich hierbei um einen Diebstahl oder einen (Computer)Betrug handelt.
 
II. Entscheidung des OLG Hamm
1. Allgemeines
Fraglich war dabei, ob es sich bei der Handlung an der Kasse um einen Diebstahl § 242 BGB oder um einen Computerbetrug nach § 263a StGB gehandelt hat.
Entscheidend ist daher, ob im konkreten Fall eine Wegnahme (dann Diebstahl) oder eine Vermögensverfügung (dann Computerbetrug) vorgelegen. Nicht in Betracht kommt im konkreten Fall ein „einfacher“ Betrug iSd. § 263 StGB. Dieser unterscheidet sich vom Computerbetrug darin, dass nicht eine natürliche Person getäuscht wird und verfügt, sondern lediglich der Kassenautomat und folglich also der Datenverarbeitungsvorgang (einscannen des Barcodes und anschließende Ausgabe des Preises) von der Einwirkung bzw. Täuschung betroffen ist.
Entscheidende Frage ist also, ob die Zeitschrift dem Kunden (aufgrund der Täuschung bzw. der Einwirkung in den Datenverarbeitungsvorgang) wirksam übereignet wird (dann kann nur ein Computerbetrug vorliegen) oder ob der Kunde durch die Handlung nicht fremden Gewahrsam bricht und neuen Gewahrsam begründet, ohne dass dies dem Willen eines hinter dem Kassenautomaten stehenden Menschen entspricht.
2. Vorliegen Übereignung
Entscheidend ist also zunächst, ob eine wirksame Übereignung durch den Ladeninhaber in Form der Benutzung des Kassenautomatens mit einem falschen Barcode vorgelegen hat. Hier muss zwangsläufig auf den Willen des berechtigten Eigentümers der Zeitschriften und nicht auf den Automaten abgestellt werden. Die Übereignung fordert nach § 929 BGB die Einigung und Übergabe. Eine für die Einigung notwendige Willenserklärung kann nur eine natürliche Person abgeben. Eine wirksame Übereignung scheidet hier mangels Abgabe eines Übereignungsangebots durch den Berechtigten aus:

Die Zeitschriften seien ihm nicht übereignet worden, weil er diese zuvor nicht mit den ihnen zugewiesenen Strichcodes eingescannt habe. Zu den tatsächlich eingescannten Preisen habe der Geschäftsinhaber nicht verkaufen wollen. Beide Zeitschriften habe der Angeklagte auch ohne Einverständnis des Geschäftsinhabers mitgenommen. Nachdem er zuvor einen nicht zu den Zeitschriften passenden Strichcode eingescannt hatte, seien die Bedingungen für einen vom Geschäftsinhaber gebilligten Gewahrsamswechsel beim Passieren der Kasse nicht erfüllt gewesen.

Entscheidend ist hier der Wille des Ladeninhabers, der nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist. Möchte er ein konkretes Produkt stets an denjenigen Kunden übereignen, der irgendeinen Barcode einscannt (und entsprechend bezahlt) oder nur an denjenigen, der den richtigen Barcode einscannt (und den entsprechenden Preis bezahlt). Dabei darf aber auch nicht vernachlässigt werden, dass er sich bei dem Einsatz des Automaten nicht widersprüchlich verhalten darf. Sein Wille ist zumindest dahin auszulegen, dass er bei (formell) ordnungsgemäßer Nutzung des Automaten auch die Ware übereignen will. Wird der Automat als „getäuscht“ (hierfür gibt es gerade den § 263a StGB) darf er sich nicht darauf berufen, er wolle in einem solchen Fall nicht übereignen.
Gleichwohl geht sein Wille aber allein dahin, diejenige Ware zu übereignen, die dem entsprechenden Barcode zugeordnet ist. Im konkreten Fall will er also – durch den Einsatz des Automaten – allein eine Zeitschrift für 2 Euro übereignen; nicht aber die Zeitschrift für 5 Euro. Anders wäre die Situation nur dann, wenn er beispielsweise das Computerprogramm manipuliert und der Automat folglich „denkt“, dass es sich um einen Barcode für die 5-Euro-Zeitschrift handelt. Dies liegt hier aber gerade nicht. Der Automat „denkt“ es handle sich um eine 2-Euro-Zeitschrift; nur diesbezüglich liegt folglich ein Übereignungsangebot vor. Die 5 Euro teure Zeitschrift wird folglich nicht wirksam übereignet.
3. Folge fehlender Übereignung
Bei § 263 StGB würde es folglich an einer Vermögensverfügung fehlen. Der Computerbetrug ist sehr eng mit dieser Regelung verwandt, so dass eine Strukturgleichheit zu fordern ist. Dabei tritt Beeinflussung des Ergebnisses eines Datenverarbeitungsvorgangs  an die Stelle des Irrtums und der dadurch hervorgerufenen Vermögensverfügung (BeckOK/Beckemper, § 263a, Rn. 37). Das Ergebnis dieser Beeinflussung muss zudem vermögensrelevant sein und sich unmittelbar vermögensmindernd auswirken. Eine solche Beeinflussung, die sich vermögensmindernd auswirkt, liegt nach Ansicht des OLG gerade nicht vor:

Der Tatbestand des § 263 a StGB erfordert daher, dass die Manipulation des Datenverarbeitungsvorgangs unmittelbar eine vermögensrelevante Disposition des Computers verursacht.  Die Vermögensminderung muss unmittelbar, d.h. ohne weitere Zwischenhandlung des Täters, des Opfers oder eines Dritten durch den Datenverarbeitungsvorgang selbst eintreten. Daran fehlt es, wenn durch die Manipulation der Datenverarbeitung nur die Voraussetzungen für eine vermögensmindernde Straftat geschaffen werden, z.B. beim Ausschalten oder Überwinden elektronischer Schlösser. Hier führt das Einscannen des Strichcodes der „WAZ“ allein zu der Anzeige eines im Verhältnis zu den tatsächlich ausgewählten Zeitschriften geringeren Kaufpreises. Diese Anzeige bewirkt noch keinen verfügungsähnlichen Vorgang, der sich als unmittelbare Vermögensbeeinträchtigung darstellte. Die nachfolgende Mitnahme der Zeitschriften wird durch den Datenverarbeitungsvorgang als solchen weder ermöglicht noch erleichtert.

4. Überdies: Fehlende Tathandlung des § 263a StGB
Die Diskussion, welche Tathandlung des § 263a StGB verwirklicht ist, muss deshalb hier nicht geführt werden. Dennoch empfiehlt es sich in der Klausur hierauf zumindest kurz einzugehen, um ein vollständiges Ergebnis zu haben. Das OLG subsumiert hier sehr anschaulich die einzelnen Varianten des § 263a Abs. 1 StGB:

Das unrichtige Gestalten eines Programms (1. Var.) setzt das Neuschreiben, Verändern oder Löschen ganzer Programme oder jedenfalls von Programmteilen voraus . Nichts davon geht mit dem Einscannen des „WAZ“-Strichcodes einher.
Das Verwenden unrichtiger oder unvollständiger Daten (2. Var.) erfasst Fälle, in denen eingegebene Daten in einen anderen Zusammenhang gebracht oder unterdrückt werden, wobei eine Programmgestaltung unrichtig bzw. unvollständig ist, wenn sie bewirkt, dass die Daten zu einem Ergebnis verarbeitet werden, das inhaltlich entweder falsch ist oder den bezeichneten Sachverhalt nicht ausreichend erkennen lässt, den Computer also gleichsam „täuscht“ . Vorliegend wird über das Einlesen des Strichcodes der Kaufpreis einer Ausgabe der „WAZ“ richtig und vollständig angezeigt, diesen Kaufpreis hat der Angeklagte auch bezahlt.
Das Merkmal der unbefugten Verwendung von Daten (3. Var.) ist nach ganz überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, der sich der Senat anschließt, „betrugsspezifisch“ auszulegen ; unbefugt ist die Verwendung danach dann, wenn sie gegenüber einer natürlichen Person Täuschungscharakter hätte. Insoweit muss auf das Vorstellungsbild einer natürlichen Person abgestellt werden, die sich ausschließlich mit den Fragen befasst, die auch der Computer „prüft“ . Da das Lesegerät einer Selbstbedienungskasse lediglich den in dem Strichcode festgelegten Kaufpreis anzeigt, ohne zu prüfen, ob auch tatsächlich die dem Strichcode zugewiesene Ware bezahlt und mitgenommen wird, würde auch ein „fiktiver Kassierer“ nur eine derart eingeschränkte Prüfung vornehmen und deshalb über den eingelesenen Preis der „WAZ“ nicht getäuscht.
Das sonstige unbefugte Einwirken auf den Ablauf (4. Var.) erfasst – im Sinne eines Auffangtatbestandes – solche strafwürdige Maßnahmen, die nicht unter Var. 1 bis 3 fallen, jedoch beinhaltet das Einscannen des Strichcodes der „WAZ“ keine Einwirkung auf den Ablauf, d.h. auf das Programm oder den Datenfluss.

5. Prüfung des Diebstahls
Es bleibt aber die Vollendung eines Diebstahls. Der Kunde hat hier eine fremde bewegliche Sache weggenommen, also den Gewahrsam gegen den Willen des Berechtigten gebrochen. Eine Übereignung lag nach dem oben Gezeigten gerade nicht vor. Die weiteren Voraussetzungen des Diebstahls sind auch erfüllt, sodass sich der Kunde nach § 242 StGB strafbar gemacht hat. In der Klausur wäre hier natürlich eine etwas ausführlichere prüfung geboten.
6. Überdies Urkundsdelikte
Zudem liegt eine Urkundenunterdrückung durch das Abtrennen des Barcodes von der günstigeren Zeitschrift vor (§ 274 StGB). Eine Urkundenfälschung in Form des Herstellens einer unechten Urkunde scheidet aus, da die Zeitschrift nicht mit dem Barcode fest verbunden wurde und damit keine neue, unechte Urkunde hergestellt wurde.
 
III. Examensrelevanz
Der Fall ist aufgrund seiner Aktualität von äußerst großer Examensrelevanz und ergänzt damit die bisherigen Supermarkt- und Selbstbedienungsfälle (bspw. SB-Tankstelle). Die Wertungen des Falles sollten auf jeden Fall beherrscht werden. Bedeutend ist auch, dass die zivilrechtlichen Wertungen auch im Strafrecht eine bedeutende Rolle spielen. Hier ist eine saubere Darstellung gefordert.
 

09.10.2013/8 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2013-10-09 13:58:502013-10-09 13:58:50OLG Hamm: Neues zur Abgrenzung Diebstahl/Betrug/Computerbetrug

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