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Schlagwortarchiv für: individueller Schadenseinschlag

Dr. Yannik Beden, M.A.

Examensrelevante Rechtsprechung im Überblick: Strafrecht (Quartal 3/2018)

Rechtsgebiete, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, StPO, Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT, Verschiedenes

Sowohl während des Studiums, als auch in der Vorbereitung auf Examensklausuren oder die mündliche Prüfung: Nur wer die aktuelle Rechtsprechung im Blick hat, ist auf neue Sachverhaltskonstellationen gut vorbereitet. Für das dritte Quartal 2018 haben wir euch im Zivilrecht und Öffentlichen Recht bereits die prüfungsrelevantesten Gerichtsentscheidungen präsentiert. Zur Vervollständigung unseres Quartalsberichts werden im nachstehenden Beitrag die wichtigsten Urteile und Beschlüsse zum materiellen Strafrecht und Strafprozessrecht besprochen:
I. Materielles Strafrecht
1. BGH Beschl. v. 5.7.2018 – 1 StR 201/18 zu den Rücktrittsanforderungen bei beendetem Versuch gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Var. 2 StGB
Die Entscheidung des Ersten Senats betraf den Rücktritt vom versuchten Mord, §§ 211, 22, 23 StGB sowie der versuchten Brandstiftung mit Todesfolge, §§ 306c, 22, 23 StGB. Im zu entscheidenden Fall setzte der Angeklagte – ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr – ein mehrstöckiges Wohnhaus in Brand, um dadurch einen Feuerwehreinsatz auszulösen und im Anschluss an der Bekämpfung des Feuers mitzuwirken. Damit wollte der Täter die auszulobende Einsatzvergütung erlangen, um seine schlechte finanzielle Situation aufzubessern. Der Täter wirkte dabei nicht vor Ort, sondern verrichtete seine Dienste in der Funkzentrale. Der BGH sah hierdurch die Voraussetzungen des Rücktritts vom beendeten Versuch nach § 24 Abs. 1 S. 1 Var. 2 StGB nicht erfüllt. Eine – für einen wirksamen Rücktritt notwendige – eigene Kausalkette, die für die Nichtvollendung der Tat zumindest mitursächlich ist, habe der Täter durch sein Verhalten nicht in Gang gesetzt:

„Nach der Rechtsprechung des BGH kommt ein Rücktritt vom Versuch gem. § 24 Absatz I 1 Var. 2 StGB schon dann in Betracht, wenn der Täter unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung nicht die sicherste oder „optimale“ gewählt hat, sofern sich das auf Erfolgsabwendung gerichtete Verhalten des Versuchstäters als erfolgreich und für die Verhinderung der Tatvollendung als ursächlich erweist. Es kommt nicht darauf an, ob dem Täter schnellere oder sicherere Möglichkeiten der Erfolgsabwendung zur Verfügung gestanden hätten; das Erfordernis eines „ernsthaften Bemühens“ gem. § 24 Absatz I 2 StGB gilt für diesen Fall nicht. Erforderlich ist aber stets, dass der Täter eine neue Kausalkette in Gang gesetzt hat, die für die Nichtvollendung der Tat ursächlich oder jedenfalls mitursächlich geworden ist. Ohne Belang ist dabei, ob der Täter noch mehr hätte tun können, sofern er nur die ihm bekannten und zur Verfügung stehenden Mittel benutzt hat, die aus seiner Sicht den Erfolg verhindern konnten.“

2. BGH Beschl. v. 7.8.2018 – 3 StR 47/18 zum Totschlag in besonders schwerem Fall
Die bisherige Rechtsprechung zur Frage, wann von einem besonders schweren Fall eines Totschlags i.S.v. § 212 Abs. 2 StGB ausgegangen werden kann, wurde vom BGH nochmals bestätigt. Es handelt sich um ein Problem der Strafzumessung, welches grundsätzlich eine Würdigung und Abwägung aller Einzelfallumstände bedarf. Im Ausgangspunkt nimmt die Rechtsprechung erst dann einen besonders schweren Fall an, wenn das Verschulden des Täters ebenso schwer wiegt wie das eines Mörders nach § 211 StGB. Dieses Verständnis liegt bereits aufgrund des gleichen Strafmaßes (lebenslange Freiheitsstrafe!) nahe. Im Einzelnen führte das Gericht aus:

„Ein besonders schwerer Fall des Totschlags setzt voraus, dass das in der Tat zum Ausdruck kommende Verschulden des Täters außergewöhnlich groß ist. Es muss ebenso schwer wiegen wie das eines Mörders. Dafür genügt nicht schon die bloße Nähe der die Tat oder den Täter kennzeichnenden Umstände zu gesetzlichen Mordmerkmalen. Es müssen vielmehr schulderhöhende Gesichtspunkte hinzukommen, die besonders gewichtig sind“

Sowohl in subjektiver als auch objektiver Hinsicht bedarf es jedoch mehr als einer bloßen Möglichkeit, dass der Täter gleichermaßen wie ein Mörder hätte handeln können. Für den vom Dritten Senat zu entscheidenden Fall bedeutete das:

„Daraus, dass „zahlreiche, nicht fernliegende Handlungsalternativen und Motivationslagen in Betracht“ kommen, die Mordmerkmale ausfüllen könnten, ergibt sich indes noch keine Nähe zu diesen. Das gilt insbesondere in Bezug auf die subjektive Tatseite. So vermochte die Strafkammer keine Feststellungen zu den „Vorstellungen und Motiven“ des Angeklagten zu treffen. Damit fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die Annahme, dass eine Nähe zu den Mordmerkmalen der niedrigen Beweggründe oder der Verdeckungsabsicht bestehe. Entsprechendes gilt im Hinblick auf das Mordmerkmal der Heimtücke. Da die Strafkammer nicht ausschließen konnte, dass das Kind zum Zeitpunkt des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mehr arglos war, kann nicht ohne Weiteres von einer Nähe zu heimtückischem Handeln ausgegangen werden.“

Deutlich wird, dass der BGH für das Merkmal der „Nähe zum Mord“ äußerst hohe Anforderungen stellt. In der Klausur bedeutet das, dass in Ermangelung eines Mordmerkmals tendenziell von einem „normalen“ Totschlag gem. § 212 Abs. 1 StGB und nicht von einem besonders schweren Fall ausgegangen werden sollte.
3. BGH Beschl. v. 8.8.2018 – 2 ARs 121/18 zur Strafvereitelung durch einen Strafverteidiger – § 258 StGB
Im streitgegenständlichen Verfahren teilte der Strafverteidiger der Ermittlungsbehörde wahrheitswidrig mit, dass die gesuchten Unterlagen sich in der Garage seines Mandanten befänden, obwohl sich tatsächlich noch wesentliche Teile der Dokumente in den Räumlichkeiten des Strafverteidigers befanden. Zudem erklärte der Strafverteidiger nach einer Sichtung seiner Büroräume, im Rahmen derer beweiserhebliche Materialien gefunden wurden, dass er über keine weiteren Beweismittel dieser Art verfüge, obwohl er jedenfalls über einen weiteren Ordner mit wichtigen Beweisurkunden verfügte. Der BGH entschied hier:

„Eine Strafvereitelung in diesem Sinn kann auch durch Vereitelung des staatlichen Beschlagnahmezugriffs auf Beweisgegenstände durch einen Strafverteidiger begangen werden. So gehen etwa wahrheitswidriges Bestreiten des Besitzes gesuchter Beweisurkunden und ein falscher Hinweis auf einen anderweitigen Belegenheitsort zur Vereitelung eines bevorstehenden Beschlagnahmezugriffs über die Grenzen zulässiger Strafverteidigung hinaus. Ein solches Verhalten erfüllt den Tatbestand der Strafvereitelung, wenn dadurch der Abschluss des staatlichen Strafverfahrens für geraume Zeit verzögert wird und der Strafverteidiger absichtlich oder wissentlich handelt.
[…]
Anders liegt es, wenn durch die Ermittlungsbehörde oder das Strafgericht die Herausgabe solcher Beweismittel, die nicht originär durch die Verteidigung hervorgebracht wurden, verlangt (§ 95 Abs. 1 StPO) oder deren Beschlagnahme (§ 94 Abs. 2 StPO) angestrebt wird. In diesem Fall darf der Verteidiger solche Beweismittel, die nicht spezifisches Verteidigungsmaterial darstellen, nicht dem staatlichen Zugriff entziehen, indem er sie verborgen hält oder falsche Angaben zum Belegenheitsort macht. In Bezug auf solche Beweismittel, namentlich „verfängliche Geschäftsunterlagen“, besteht kein Beschlagnahmeverbot gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO.
[…]
Der Verteidiger darf „Überführungsstücke“, auf die ein staatlicher Beschlagnahmezugriff zielt, nicht in seinen Räumen verstecken. Sein Mandat soll nicht dazu genutzt werden können, gesuchten Beweisgegenständen „Asyl“ zu gewähren. Erst recht gestattet keine der Regelungen zum Schutz des Vertrauensverhältnisses gemäß §§ 53, 97, 160a, 148 StPO es dem Strafverteidiger, falsche Angaben über seinen Besitz an Beweisgegenständen zu machen.“

4. BGH Urt. v. 15.5.2018 – 2 StR 152/18 zur Sittenwidrigkeit einer Körperverletzung nach § 228 StGB
Wird in eine Körperverletzung eingewilligt, ist die Tat nur rechtswidrig, wenn sie trotz Einwilligung gegen die „guten Sitten“ verstößt. Dieses äußert weit gefasste Merkmal konkretisierte der BGH erneut. Für die ex-ante zu bestimmende Sittenwidrigkeit sei vordergründig auf die Art und Schwere des Rechtsgutsangriffs abzustellen. Die Tat müsse in Anbetracht des Umfangs der Verletzung sowie des damit verbundenen Gefahrengrads für Leib und Leben trotz Einwilligung des Rechtsgutsträgers „nicht mehr als von der Rechtsordnung hinnehmbar erscheinen“. Viel ist damit freilich noch nicht gesagt, da auch der Begriff der Hinnehmbarkeit vieles bedeuten kann. Der BGH grenzt allerdings ein: Ebenso wie die Zwecksetzung der Tat sei unbeachtlich, welche gesellschaftliche Vorstellung über die Tat vorliegen mögen.

„Die Weite und Konturenlosigkeit des Merkmals der guten Sitten in § 228 StGB erfordert, dieses strikt auf das Rechtsgut der Körperverletzungsdelikte zu beziehen und auf seinen Kerngehalt zu reduzieren. Gesellschaftliche Vorstellungen oder der durch die Tat verfolgte Zweck können lediglich dazu führen, dass ihretwegen eine Einwilligung trotz massiver Rechtsgutsverletzungen Wirksamkeit entfalten kann. Zur Feststellung eines Sittenverstoßes und damit – über die Unbeachtlichkeit der Einwilligung – zur Begründung der Strafbarkeit von einvernehmlich vorgenommenen Körperverletzungen können sie nicht herangezogen werden.“ 

5. BGH Beschl. v. 12.6.2018 – 3 StR 171/17 zum subjektiven Schadenseinschlag beim Betrug (Nachtrag zu Quartal 2/2018)
Besondere Prüfungsrelevanz dürfte die Entscheidung des BGH zu den Grundsätzen des subjektiven Schadenseinschlags bei § 263 StGB haben. Das Gericht konkretisierte die Anforderungen an den persönlichen Schadenseinschlag: Ausgehend vom Grundsatz, dass ein Vermögensschaden trotz objektiver Gleichwertigkeit der Gegenleistung auch vorliegen kann, wenn diese für das Opfer unter Berücksichtigung der individuellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse und Verhältnisse subjektiv wertlos ist, stellte der Dritte Senat nun fest:

„Insofern kann als Schaden die gesamte Leistung des Gesch. anzusehen sein, wenn die Gegenleistung nicht oder nicht in vollem Umfange zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck brauchbar ist und er sie auch nicht in anderer zumutbarer Weise verwenden, namentlich ohne besondere Schwierigkeiten wieder veräußern kann“  

Da im streitgegenständlichen Verfahren die verkauften Geräte nur mit „erheblichen Verlusten“ hätten weiterveräußert werden können, nahm der BGH einen persönlichen Schadenseinschlag und mithin einen Vermögensschaden an. Eine ausführliche Besprechung dieses besonders prüfungsrelevanten Urteils findet sich im hierzu erstellen Beitrag von Sebastian Rombey.
II. Strafprozessrecht
1. BGH Urt. v. 4.7.2018 – 5 StR 46/18 zur Verhandlungsunfähigkeit eines Angeklagten
Die Entscheidung behandelt die Grenze zur Verhandlungsunfähigkeit bei einem Angeklagten, dessen geistige, psychische oder körperliche Fähigkeit zur Wahrnehmung seiner Verteidigungsrechte eingeschränkt ist. Der 5. Strafsenat geht von einer Verhandlungsunfähigkeit erst aus, wenn dem Angeklagten auch bei Inanspruchnahme verfahrensrechtlicher Hilfe – also insbesondere einem Verteidiger – eine eigenständige, selbstverantwortliche Entscheidungen über die wesentlichen Belange seiner Verteidigung sowie eine sachgerechte Wahrnehmung der ihm zustehenden Verfahrensrechte nicht mehr möglich ist. Dabei geht es vor allem um solche Verfahrensrechte, die der Angeklagte selbst, d.h. persönlich wahrnehmen muss. Danach soll es speziell für das Revisionsverfahren ausreichen, wenn der Beschwerdeführer zumindest zeitweilig zur Konsensfindung mit seinem Verteidiger darüber, ob das Rechtsmittel aufrechterhalten oder zurückgenommen werden soll, in der Lage ist.

„Verhandlungsfähigkeit im strafprozessualen Sinne bedeutet, dass der Angekl. in der Lage sein muss, seine Interessen in und außerhalb der Verhandlung vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben und entgegenzunehmen. Dies bedeutet aber nicht, dass der Angekl. auch tatsächlich fähig sein muss, die ihm gesetzlich eingeräumten Verfahrensrechte in jeder Hinsicht selbständig und ohne fremden Beistand wahrzunehmen. Auch bei solchen Angekl., deren geistige, psychische oder körperliche Fähigkeit zur Wahrnehmung der Verteidigungsrechte eingeschränkt ist, muss die Schuld- und Straffrage in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren geklärt und entschieden werden können. Danach liegt Verhandlungsunfähigkeit bei solchen Einschränkungen der geistigen, psychischen oder körperlichen Fähigkeiten nicht vor, wenn die Auswirkungen dieser Einschränkungen auf die tatsächliche Wahrnehmung der Verfahrensrechte durch Hilfen für den Besch. hinreichend ausgeglichen werden können. Die Grenze zur Verhandlungsunfähigkeit ist erst dann überschritten, wenn dem Angekl. Auch bei Inanspruchnahme solcher verfahrensrechtlichen Hilfen eine selbstverantwortliche Entscheidung über grundlegende Fragen seiner Verteidigung und eine sachgerechte Wahrnehmung der von ihm persönlich auszuübenden Verfahrensrechte nicht mehr möglich ist“

2. BGH Beschl. v. 5.7.2018 – 1 StR 42/18 zur Selbstbelastungsfreiheit, § 136 Abs. 1 S. 2 StPO
Äußert sich der Angeklagte nicht zu den Gründen seines Aufenthalts am Ort seiner polizeilichen Festnahme und stellt das erkennende Gericht sowohl in seiner Beweiswürdigung, als auch seiner rechtlichen Würdigung ausdrücklich hierauf ab, wird das Schweigen zum Nachteil des Angeklagten gewertet, sein Schweigerecht mithin konterkariert. Dies verstößt gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens und gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit gem. §§ 136 Abs. 1 S. 2, 243 Abs. 5 S. 1 StPO:

„Der Grundsatz, dass niemand im Strafverfahren gegen sich selbst auszusagen braucht, insoweit also ein Schweigerecht besteht, ist notwendiger Bestandteil eines fairen Verfahrens. Es steht dem Angeklagten frei, sich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen (§ 136 Abs. 1 Satz 2, § 243 Absatz 5 Satz 1 StPO). Macht ein Angeklagter von seinem Schweigerecht Gebrauch, so darf dies nicht zu seinem Nachteil gewertet werden. So liegt der Fall aber hier.
Es ist zwar rechtlich zutreffend, dass der Zweifelssatz es nicht gebietet, zugunsten eines Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen keine Anhaltspunkte bestehen. Das Landgericht stellt jedoch in seiner Beweiswürdigung, aber auch in der rechtlichen Würdigung, an mehreren Passagen ausdrücklich darauf ab, dass sich die Angeklagten nicht zu den Gründen ihres Aufenthalts im Bereich des Festnahmeortes geäußert oder erklärt haben. Damit wird im Ergebnis zum Nachteil gewertet, dass die Angeklagten von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht haben.“


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23.10.2018/1 Kommentar/von Dr. Yannik Beden, M.A.
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannik Beden, M.A. https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannik Beden, M.A.2018-10-23 09:30:292018-10-23 09:30:29Examensrelevante Rechtsprechung im Überblick: Strafrecht (Quartal 3/2018)
Dr. Yannik Beden, M.A.

Die 15 wichtigsten Definitionen beim Betrug – § 263 StGB

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Für eine gute Klausur im Strafrecht ist es unabdingbar, Definitionen der Tatbestandsmerkmale schnell und sicher abrufen zu können. Insbesondere im schriftlichen Examen kommt den Vermögensdelikten eine hohe Prüfungsrelevanz zu. Dabei steht oftmals der Betrug nach § 263 StGB im Fokus. Hier werden von Prüflingen nicht nur Grundkenntnisse, sondern auch vertieftes Wissen zu Sonderproblemstellungen erwartet. Eine erfolgreiche Fallbearbeitung setzt in jedem Fall voraus, die nachstehenden Begriffe einordnen und definieren zu können:
(1) Tatsachen
sind alle der Vergangenheit oder Gegenwart zugehörigen Zustände und Ereignisse, die objektiv bestimmbar und dem Beweis zugänglich sind. Werturteile (insbesondere Meinungsäußerungen) fallen nicht unter den Tatsachenbegriff.
(2) Täuschung
bedeutet, dass der Täter bewusst irreführend auf das Vorstellungsbild des Opfers einwirkt. Dies kann durch das Vorspiegeln von Tatsachen, aber auch einem Unterdrücken oder Verändern wahrer Gegebenheiten erfolgen (vgl. BeckOK/Beukelmann, StGB, 38. Ed. Stand 01.05.2018, § 263 Rn. 9). Die Täuschung kann sowohl explizit, als auch konkludent erfolgen. Auch eine Täuschung durch Unterlassen ist tatbestandlich möglich.
(3) Irrtum
über Tatsachen ist das Auseinanderfallen von der subjektiven Vorstellung des Täters und der objektiven Wirklichkeit. Zweifel beseitigen die Annahme eines Irrtums solange nicht, wie das Opfer die Wahrheit der behaupteten Tatsachen für möglich hält und deswegen aufgrund der List des Täters trotzdem die Vermögensverfügung trifft (vgl. BGH Urteil v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NStZ 2003, 313).
(4) Vermögensverfügung
ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen des Getäuschten, das unmittelbar eine Vermögensminderung bei dem Getäuschten selbst oder einer dritten Person herbeiführt.
(5) Juristischer Vermögensbegriff
ist streng am Zivilrecht orientiert und zählt zum tatbestandlich umfassten Vermögen alle rechtlich geschützten Güter und Rechte einer Person, ungeachtet des wirtschaftlichen Wertes.
(6) Wirtschaftlicher Vermögensbegriff
definiert das strafrechtlich geschützte Vermögen wirtschaftlich faktisch: Geschützt werden alle Rechtspositionen, die in Geld messbar sind, sodass das Vermögen die „Summe aller geldwerten Güter nach Abzug der Verbindlichkeiten“ ist (ausführlich Schilling, NStZ 2018, 316). Vertritt man den wirtschaftlichen Vermögensbegriff in seiner Reinform, ist jedes wirtschaftlich messbare Vermögen geschützt, unabhängig davon, ob es legal oder illegal gehandelt wird. Auch widerrechtlich Erlangtes fällt unter diesen Vermögensbegriff.
(7) Juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff
knüpft an den wirtschaftlichen Vermögensbegriff an und schränkt diesen ein: Geschützt ist alles, was in Geld messbar ist und der rechtlichen Verfügungsmacht einer Person unterliegt. Geschützt wird demnach nicht, was nach der (außerstrafrechtlichen) Rechtsordnung missbilligt wird (vgl. K/N/P/Kindhäuser, StGB, 5. Auflage 2017, § 263 Rn. 30 m.w.N.).
(8) Schadensgleiche Vermögensgefährdung
stellt dann einen Vermögensnachteil dar, wenn bereits die konkrete Gefahr des Verlustes das Vermögen mindert, also mit wirtschaftlichen Nachteilen ernstlich zu rechnen ist.
(9) Stoffgleichheit
zwischen dem Vermögensvorteil des Täters und dem Vermögensschaden des Opfers besteht, wenn Vorteil und Schaden auf der identischen Verfügung beruhen und der Vorteil, der den Täter bereichern soll, unmittelbar zur Schädigung des Vermögens führt.
(10) Individueller Schadenseinschlag
besteht in Fällen, bei denen trotz objektiver Wertgleichheit der entstehenden (vertraglichen) Ansprüche ein Vermögensschaden des individuellen Opfers eintritt. Die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit wird in strafrechtlich relevanter Weise insbesondere geschädigt, wenn:
(a) die angebotene Leistung vom Tatopfer nicht oder nicht in vollem Umfange zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise verwenden kann,
(b) das Tatopfer durch die eingegangene Verpflichtung zu vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt wird oder
(c) das Tatopfer infolge der Verpflichtung nicht mehr über die Mittel verfügen kann, die zur ordnungsmäßigen Erfüllung seiner Verbindlichkeiten oder sonst für eine seinen persönlichen Verhältnissen angemessene Wirtschafts- oder Lebensführung unerlässlich sind (grundlegend BGH Beschluss v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, NJW 1962, 309)
(11) Soziale Zweckverfehlung
führt zu einem Vermögensschaden, wenn das Opfer durch Täuschung zur Hingabe eines Vermögenswertes veranlasst wird und dabei um die fehlende geldwerte Äquivalenz weiß, der mit der Hingabe verfolgte, sozial anerkannte Zweck jedoch verfehlt wird. Der Unterschied zum individuellen Schadenseinschlag liegt darin, dass dieser ein ausgeglichenes Austauschverhältnis aufweist (vgl. MüKo/Hefendehl, StGB, 2. Auflage 2014, § 263 Rn. 709).
(12) Absicht rechtswidriger Bereicherung
besteht, wenn der Täter beabsichtigt, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Die Bereicherung muss als Vermögensvorteil im Sinne einer günstigeren Gestaltung der wirtschaftlichen Vermögenslage des Täters angestrebt werden (vgl. hierzu BGH Urteil v. 3.5.1988 – 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623).
(13) Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils
besteht, wenn dem Täuschenden kein wirksamer, fälliger und einredefreier Anspruch gegen den Geschädigten auf den angestrebten Vorteil zusteht.
(14) Gewerbsmäßig i.S.v. § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB
handelt der Täter, wenn er die Absicht hat, sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht unbedeutende Einnahmequelle von erheblicher Dauer und einigem Umfang zu verschaffen.
(15) Wirtschaftliche Not i.S.v. § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 StGB
besteht, wenn der Geschädigte in eine bedrängende Lage geraten ist, aufgrund derer für ihn oder unterhaltspflichtige Personen der notwendige Lebensunterhalt ohne ein Hinzutun Dritter nicht mehr sichergestellt ist (vgl. MüKo/Hefendehl, StGB, 2. Auflage 2014, § 263 Rn. 856).

23.07.2018/0 Kommentare/von Dr. Yannik Beden, M.A.
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannik Beden, M.A. https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannik Beden, M.A.2018-07-23 10:00:322018-07-23 10:00:32Die 15 wichtigsten Definitionen beim Betrug – § 263 StGB
Christian Muders

Strafrechts-Klassiker: Der Provisionsvertreter-Fall

Klassiker des BGHSt und RGSt, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht

BGH, Urteil v. 28.11.1967 – 5 StR 556/67 (= BGHSt 21, 384 ff.)

Wenn ein Provisionsvertreter jemanden durch Täuschung zu einer Bestellung veranlaßt und sich von seiner Firma Provision für den angeblich ordnungsmäßigen Auftrag zahlen läßt, so kann darin ein Betrug zum Nachteil sowohl des Kunden als auch der Firma liegen.

1. Der Sachverhalt
Der A verkaufte als Provisionsvertreter der Firma F Waren-, insbesondere Zigarettenautomaten. Um seine Umsätze zu steigern, griff er zu allerhand unsauberen Tricks. So spiegelte er Frau W und dem Invaliden B vor, es handele sich nicht um einen Kauf-, sondern nur um einen Automaten-Aufstellvertrag. Dem Gelderheber Kl nannte er günstigere Zahlungsbedingungen für den Kaufpreis. Von dem Tankstelleninhaber Kü nahm er über den Kauf eines Automaten unter einem Vorwand zwei Vertragsurkunden auf, die er beide an F einreichte. Den Arbeiter U täuschte er über die Ausstattung und den Wert des zu bestellenden Zigarettenautomaten. Alle geschlossenen Verträge reichte A zum Zwecke der Auszahlung einer Provision bei der F ein. In der Folgezeit nahm keiner der fünf Personen den Automaten ab. Gegen Kü erging Versäumnisurteil. U zahlte eine Vergleichssumme i.H.v. 820 DM. Die Bemühungen der Firma F, von Frau W und von B Zahlung zu erlangen, blieben erfolglos. Kl hatte die Bestellung alsbald zurückgenommen.
2. Die Kernfrage
Beim Provisionsvertreter-Fall geht es im Wesentlichen um zwei Kernfragen, die beide beim Tatbestand des Betrugs (§ 263 StGB) angesiedelt sind: 1.) Erleiden die Besteller der Automaten überhaupt einen Schaden, wenn sie den Preis, den die Ware tatsächlich wert ist, an die Firma F zahlen müssen? 2.) Wie verhält sich die Täuschung beim Verkauf der Warenautomaten an die Kunden zu dem Provisionsverlangen des A gegenüber der F?
3. Das sagt der BGH
Der BGH hat sowohl einen Betrug zu Lasten der Kunden als auch einen weiteren Betrug zu Lasten der Firma F angenommen.
a) Das Gericht beschäftigt sich dabei zunächst mit dem Betrug zu Lasten der Firma F durch das Einreichen der abgeschlossenen Verträge:

Wie die Strafkammer mit Recht annimmt, hat der Angeklagte die Firma F betrügerisch geschädigt oder im Falle Kl zu schädigen versucht, indem er ihr „einen scheinbar ordnungsgemäßen, in Wahrheit aber mit einem Makel behafteten Vertrag zum Zwecke der Auszahlung einer Provision einreichte, obwohl er mit einer Anfechtung des Kaufvertrages“ rechnete (UA S. 8/9, 11, 14, 18, 23). Der Firma F gelang es zwar, von dem Arbeiter U auf Grund des Vertrages eine größere Zahlung zu erhalten. Dadurch wurde aber ihr Schaden, der in der festgestellten Auszahlung einer Provision für einen wirtschaftlich minderwertigen Kaufvertrag lag, nur nachträglich wieder beseitigt.

b) Sodann bejaht der BGH entgegen der Meinung der Revision und übereinstimmend mit der Vorinstanz auch einen Vermögensschaden und damit eine Verwirklichung des § 263 StGB zu Lasten der Kunden des A. Der Senat beschäftigt sich dabei zunächst mit den Verträgen, die von Frau W und B abgeschlossen wurden und bei denen A vorgetäuscht hatte, dass es sich nicht um Kauf-, sondern Automaten-Aufstellungsverträge handele:

Frau W und B wollten keinen Warenautomaten erwerben und bezahlen. Das Landgericht nimmt ohne Rechtsirrtum an, daß er „für sie keinen Wert hatte“ (UA S. 7, 11). Es hält dabei nicht etwa unrichtigerweise „die persönliche Einschätzung des Schadens durch den Getäuschten“ für maßgebend, sondern nimmt erkennbar an, daß der Getäuschte bei seinen persönlichen Bedürfnissen und Verhältnissen „die Sache nach der Auffassung eines sachlichen Beurteilers nicht oder nicht im vollen Umfange für den von ihm vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise verwenden“ konnte (BGHSt 16, 321, 325/326).

Sodann wendet sich das Gericht dem Vertragsschluss zu Lasten von Kü (dem ein zweiter Vertrag aufgedrängt wurde) sowie U zu, welchem A eine von den tatsächlichen Gegebenheiten abweichende Ausstattung der Zigarettenautomaten versprochen hatte:

Dasselbe gilt für Kü, der für einen zweiten Automaten ersichtlich keine Verwendung hatte. Für U war, wie der Urteilszusammenhang, insbesondere der gezahlte hohe Abstand, ergibt, der Zigarettenautomat ohne Schächte unbrauchbar.

Schließlich beschäftigt sich das Gericht mit dem Vertragsschluss zu Lasten des Kl, dem A vorgespiegelt hatte, wenn die Einnahmen aus dem Automaten nicht ausreichten, um die Raten aufzubringen, würden sich diese automatisch verringern.

Das Landgericht sieht den Vermögensschaden rechtlich zutreffend darin, daß die im Vertrage niedergelegten Abzahlungsraten den Käufer Kl zu stark belasteten. Es glaubt ersichtlich seiner Aussage, er habe monatlich etwa 800 DM verdient, eine Familie mit vier Kindern ernähren müssen und Verpflichtungen durch den Bau eines Eigenheimes gehabt; er sei daher nicht in der Lage gewesen, monatlich 141,50 DM auf den Automaten abzuzahlen, und habe das dem Angeklagten mehrfach gesagt. Wie sich aus diesen Feststellungen ergibt, hätte die Einhaltung der festgesetzten Raten dem Käufer Kl die Mittel entzogen, „die für die Aufrechterhaltung einer seinen Verhältnissen angemessenen Wirtschafts- und Lebensführung unerläßlich“ waren (BGHSt 16, 321, 328).

c) Zuletzt nimmt sich der BGH noch der Frage an, ob von einem Vermögensschaden bzw. einer hierauf bezogenen Bereicherungsabsicht zugunsten der Firma F auch dann ausgegangen werden kann, wenn die Kunden – wie hier – größtenteils überhaupt keine Zahlungen auf die abgeschlossenen Verträge geleistet haben. Der Senat führt hierzu aus:

Die Einwendungen der Revision übersehen, daß es sich in allen fünf Fällen um Eingehungsbetrug handelt, der Vermögensschaden also schon in der Begründung der Verpflichtung lag. (…) Dieser Verpflichtung entsprach die Forderung, die der Angeklagte zugunsten der Firma F durch den Vertrag begründen wollte, auf dessen Abschluß sie keinen Anspruch hatte. Seine Absicht war also, einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, der die Kehrseite des Vermögensschadens der Besteller war (BGHSt 6, 115, 116; BGH NJW 1961, 684).

Insofern lässt es das Gericht ebenfalls nicht gelten, dass die Verträge der Geschädigten durch Täuschung erschlichen waren, so dass sich diese – zivilrechtlich betrachtet – jederzeit ihrer Verbindlichkeiten durch Erklärung einer Anfechtung (§§ 142 Abs. 1, 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB) hätten entledigen können:

Die Verträge waren zwar wegen arglistiger Täuschung anfechtbar, und der Angeklagte rechnete, wie festgestellt, mit einer Anfechtung. Das schließt aber weder den Vermögensschaden der Kunden noch die Absicht des Angeklagten aus, die Firma F zu Unrecht zu bereichern. Denn beim Eingehungsbetrug bleibt die Anfechtbarkeit des Geschäfts außer Betracht. Sonst gäbe es diese Art des Betruges gar nicht. Überdies waren die anfechtbaren Verträge für die Firma F zwar nicht die dafür gezahlten Provisionen wert, aber wirtschaftlich nicht gänzlich wertlos. Denn es bestand die Möglichkeit, daß die Anfechtung des einen oder anderen Vertrages erfolglos war oder überhaupt unterblieb, weil der Besteller keine ausreichenden Beweismittel hatte oder zu haben glaubte. Er konnte sich aus einem solchen Grunde auch bereit finden, eine Abstandssumme zu zahlen, wie der Arbeiter U es tat. Nach dem Urteilszusammenhang war es auch die Absicht des Angeklagten, der Firma F eine solche, wenn auch schwache, Rechtsposition und damit die Aussicht zu verschaffen, nachträglich wenigstens teilweise den Schaden wieder auszugleichen, den er ihr betrügerisch zugefügt hatte.

4. Fazit
Der Provisionsvertreter-Fall ist einer der ewigen Kernfälle zum Betrug, den jeder Student und Referendar kennen sollte. Dabei ist die Verwirklichung des § 263 Abs. 1 StGB zu Lasten des Chefs des A, der Firma F, relativ unproblematisch, sofern man – wie hier der BGH – argumentiert, dass die Verträge, welche der F als Ausgleich für die geleisteten Provisionszahlungen zugewandt werden sollten, aufgrund der drohenden Anfechtung durch die Kunden wirtschaftlich wertlos bzw. in ihrem Wert jedenfalls stark gemindert waren – so würde auch niemand auf die Idee kommen, von einem anderen eine Forderung, die diesem gegenüber einem Dritten zusteht, aufzukaufen (vgl. §§ 433, 453 BGB), wenn letzterer seine Verbindlichkeit durch Anfechtung jederzeit problemlos aus der Welt schaffen kann. Demgegenüber weist der dem A ebenfalls angelastete, vorgelagerte Betrug gegenüber den Kunden mehr Schwierigkeiten auf, die im Folgenden daher nochmals kurz anhand der einzelnen Prüfungsmerkmale angerissen werden sollen:
a) Hierbei sind zunächst die Merkmale der Täuschung und des Irrtums des jeweiligen Opfers unproblematisch. Die sich anschließende Vermögensverfügung durch den einzelnen Kunden ist hingegen dann, wenn überhaupt keine Zahlungen von diesen an die Firma F geleistet wurden, nicht so einfach zu begründen. Insofern könnte man, da immerhin die Tathandlung des „Täuschens über Tatsachen“ durch den A bereits vollzogen war, auch an einen lediglich versuchten Betrug denken, der gem. § 263 Abs. 2 StGB auch mit Strafe bedroht ist. Die Rspr. kommt mithilfe der Rechtsfigur der „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ demgegenüber sogar zu einem vollendeten Betrug, indem sie argumentiert, dass in einem Fall, in dem das Opfer einen Vertrag mit Vorleistungspflicht eingeht, bereits in der Verbindlichkeit, die nach Vertragsschluss drohend über dem Kunden schwebt, ein grundsätzlich jederzeit realisierbarer Vermögensabfluss liegt. Die Prüfung einer solchen schadensgleichen Vermögensgefährdung, die bereits von ihrem Wortlaut her den Fokus auf die Frage des „Schadens“ legt, wird man konsequenterweise aber schon bei der vorgelagerten Frage der Vermögensverfügung ansetzen müssen, die – abzüglich der Frage nach einer Kompensation des durch die Verfügung eingetretenen, wirtschaftlichen Verlustes – bereits den Grundstein für die erst hiernach zu beantwortende Frage nach dem Vermögensschaden bildet.
b) Beim zuletzt genannten Prüfungspunkt, dem Vermögensschaden, weicht der BGH sodann unter mehrfachem Verweis auf BGHSt 16, 321, 325 ff. von dem Grundsatz ab, dass sich ein Vermögensschaden allein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten bestimmt. Unter dieser Prämisse könnte man nämlich durchaus argumentieren, dass der Vermögensverlust, der für den einzelnen Kunden durch die Verbindlichkeit i.F. der Kaufpreisforderung zu Gunsten der F entsteht, durch die Forderung auf Lieferung eines wertgleichen Zigarettenautomaten wieder in Ausgleich gebracht wird, so dass von einem negativen Saldo zu Lasten der Besteller nicht gesprochen werden kann. Vorliegend nimmt der BGH indes zwei Ausnahmen von einer rein wirtschaftlichen Betrachtung an, die gemeinhin unter dem Oberbegriff des sog. „individuellen Schadenseinschlags“ gefasst werden: Das Gericht verweist hierfür einerseits darauf, dass einige Kunden die Automaten „nicht oder nicht im vollen Umfange für den von ihm vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise verwenden“ konnten, andererseits stellt es – im Fall von Kl – fest, dass diesem durch die tatsächlich fällig werdenden Raten Mittel entzogen wurden, „die für die Aufrechterhaltung einer seinen Verhältnissen angemessenen Wirtschafts- und Lebensführung unerläßlich“ waren.
c) Ein im Urteil ebenfalls explizit angesprochener Streitpunkt bildet schließlich die Frage nach der subjektiven Bereicherungsabsicht des A: Hier kann jedenfalls bei der Prüfung des Betrugs zu Lasten der Kunden nicht unmittelbar auf die von A erwartete Provisionszahlung – als Gegenstand seiner Eigenbereicherungsabsicht – abgestellt werden, da diese nicht durch die Kunden, sondern seinen Arbeitgeber, die Firma F, geleistet wird; der Schaden der Kunden ist also nicht „stoffgleich“ zu der von A erstrebten Eigenbereicherung, was jedoch, da der Betrug kein bloßes Vermögensschädigungs-, sondern vielmehr ein Vermögensverschiebungsdelikt darstellt, erforderlich wäre, um den Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB auch im Hinblick auf die abgeschlossenen Kaufverträge begründen zu können. Demgemäß bleibt hier nur die Variante der Drittbereicherungabsicht übrig, da die Verbindlichkeiten der Kunden, die deren Vermögensverfügung und -schaden zugrundelegen, unmittelbar die F als Inhaber der entsprechenden Forderungen begünstigen. Wenn der BGH insoweit argumentiert, dass immerhin die Möglichkeit bestand, dass die Anfechtung des einen oder anderen Vertrages erfolglos blieb, weil die Besteller keine ausreichenden Beweismittel zum Nachweis der Täuschung vorweisen konnten, so erscheint dies im Hinblick auf das kognitive Element des dolus directus 1. Grades, das nicht höher als beim dolus eventualis zu liegen braucht und also die bloße Möglichkeit der schlussendlichen Erfüllung der Kaufpreisforderung durch die Kunden ausreichen lässt, durchaus überzeugend. Nicht angesprochen wird vom Gericht demgegenüber das voluntative Element dieser Vorsatzform, wonach der Täter eine Eigen- bzw. Drittbereicherung erstreben, dieses also sein zwingendes Ziel sein muss. Ein solches Erstreben des A zugunsten der F könnte man hier mit der Begründung in Frage stellen, dass es ihm maßgeblich auf seine eigene Provision, nicht unbedingt die Drittbereicherung seiner Firma, ankam. Geht man aber mit dem BGH davon aus, dass bereits im Vertragsschluss die Vermögensverfügung und – mangels ausreichender Kompensation – auch der Schaden der Opfer zu sehen ist, so ist die hieraus als Kehrseite resultierende Bereicherung der F jedenfalls notwendiges Zwischenziel des A auf dem Weg zu seiner eigenen Vermögensmehrung: Denn nur aufgrund der eingereichten Verträge, welche die Bereicherung der F begründen, konnte auch A auf Auszahlung der von ihm ins Auge gefassten Provisionsbeträge hoffen. Solche notwendigen Bedingungen auf dem Weg zum Endziel des Täters werden aber von diesem regelmäßig ebenso erstrebt wie das Endziel selbst.

05.01.2013/2 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2013-01-05 11:00:302013-01-05 11:00:30Strafrechts-Klassiker: Der Provisionsvertreter-Fall

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