Eine aktuelle Entscheidung des OLG Bamberg vom 20.03.2013 (Az. 6 U 5/13) befasst sich mit der Frage, welche Anforderungen an die deliktische Verkehrssicherungspflicht zu stellen sind, wenn die Gefahr für den Geschädigten erkennbar war.Der Fall lässt sich sowohl im 1., als auch im 2. Staatsexamen wunderbar abprüfen.
Sachverhalt (vereinfacht)
K ist bei einer Versicherung angestellt, die für die Gebäudereinigung ein spezielles Reinigungsunternehmen einsetzt. Im November 2008 stürzt K im Treppenhaus des Geschäftsgebäudes und bricht sich das Handgelenk. Entsprechende Warnschilder sind, wie dort üblich, nicht aufgestellt worden. K fordert vom Reinigungsunternehmen B Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro sowie Feststellung, dass B für alle aufgrund des Unfalls entstandenen Schäden bezahlen muss.
K gibt an, erst nach dem Sturz erkannt zu haben, dass die Treppe feucht war. Außerdem seien die Reinigungsarbeiten 15 Minuten später als üblich erfolgt. B verteidigt sich damit, dass sie ein besonders schnell trocknendes Reinigungsmittel eingesetzt habe und – was zutrifft – die feuchten Flächen als solche leicht erkennbar waren. Selbst die am Unfalltag herbeigerufenen Sanitäter hätten die Feuchtigkeit auf dem Boden bemerkt. Deshalb sei die K alleine für ihren Sturz verantwortlich.
Haben der Leistungsantrag auf Zahlung von 10.000 Euro sowie der Feststellungsantrag Erfolg?
Rechtliche Würdigung
Bereits das Landgericht Coburg als Vorinstanz war zu der Auffassung gelangt, dass die B hier ihren Sicherungspflichten genügt hat. Konkret geht es darum, ob die Gefahr für einen Dritten ohne weiteres erkennbar ist oder entsprechende Warnungen des Sicherungspflichtigen erforderlich sind. Letzteres hat das LG abgelehnt, denn
[e]s müsse nur vor Gefahren gewarnt werden, die ein sorgfältiger Benutzer nicht ohne entsprechenden Hinweis erkennen könne. Deswegen könne es in Ausnahmefällen dazu kommen, dass aufgrund der Art des Bodenbelags die Feuchtigkeit nur schwer erkennbar sei. So sei es aber im vorliegenden Fall nicht gewesen. Die Treppe sei zudem jeden Tag zur gleichen Zeit geputzt worden, was der Klägerin auch bekannt gewesen sei. Ihr sei auch bekannt gewesen, dass nie Hinweisschilder aufgestellt würden. Ein als Zeuge vernommener Sanitäter habe angegeben, dass er sofort unmittelbar vor der Treppe, wo die verletzte Klägerin lag, Feuchtigkeit auf dem Boden wahrgenommen hätte. Wenn ein zur eiligen medizinischen Versorgung herbeigerufener Sanitäter, der sich vorrangig um den Verletzten kümmern müsse, sofort Feuchtigkeit auf dem Boden bemerke, müsse dies erst recht für einen sorgfältigen Benutzer gelten. (Pressemitteilung)
Nach Auffassung des OLG Bamberg hat das LG richtig entschieden.
Es sei keine Besonderheit darin zu sehen, wenn die Reinigungsarbeiten einige Minuten später als üblich stattgefunden hätten. Mit einer geringfügigen Verschiebung bei regelmäßigen Reinigungsarbeiten müsse immer gerechnet werden.
Folglich hat die Klage von K keinen Erfolg.
Fazit
In der Klausur wären regelmäßig zahlreiche Angaben bezüglich des Unfallortes und -hergangs enthalten, die vom Klausurverfasser umfassend zu würdigen wären. Der Fall mag zwar nicht bahnbrechende neue Erkenntnisse liefern, beinhaltet jedoch grundlegenden Prüfungsstoff, der sicher für die Prüfungsämter reizvoll sein kann. So wäre es z.B. in einer zivilrechtlichen Urteilsklausur im 2. Staatsexamen interessant, im Rahmen einer umfassenden Beweisaufnahme den Unfallhergang zunächst zu klären und dann entsprechend der gefunden Beweisergebnisse zu entscheiden.