Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Subir Banerjee veröffentlichen zu können.
Subir Banerjee hat in Gießen und Frankfurt am Main mit dem Schwerpunkt Steuerrecht und internationalem Recht studiert und ist seit 2011 wissenschaftlicher MA bei einer international ausgerichteten Großkanzlei in Frankfurt am Main im Bereich Steuerrecht.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem aktuellen Urteil vom 13.6.2013 (VI R 17/12) seine Rechtsprechung zur steuerlichen Behandlung von Firmenwagen weiterentwickelt. Es bietet sich aus diesem Anlass an, zunächst die Grundzüge der bisherigen Rechtsprechung aufzuzeigen.
Besteuerung eines Firmenwagens
Arbeitnehmer haben jeden geldwerten Vorteil, der ihnen im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses mit ihrem Arbeitgeber zufließt, zu versteuern. Die Besteuerung richtet sich nach den Vorgaben des Einkommensteuergesetzes (EStG). Neben dem Geldlohn beziehen Arbeitnehmer dabei regelmäßig auch Sachbezüge. In der Praxis sind regelmäßig Fälle einer Kraftfahrzeugüberlassung an den Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber vorzufinden.
Überlässt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, führt das zu einem Lohnzufluss im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG beim Arbeitnehmer. Dieser erhält nämlich einen Nutzungsvorteil und erspart sich Aufwendungen, die er für eine vergleichbare Nutzung hätte erbringen müssen (Steuerlast, Versicherungsprämien, Reparatur- und Kraftstoffkosten etc.). In diesem Zusammenhang erfolgt auch keine Unterscheidung zwischen einem Arbeitnehmer und einem Gesellschafter-Geschäftsführer.
Für die Finanzverwaltung ist eine solche Kraftfahrzeugüberlassung nicht relevant, sofern der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer das Fahrzeug nur gelegentlich (laut Rechtsprechung an höchstens fünf Kalendertagen pro Monat) zu einem besonderen Zweck zur privaten Nutzung überlässt.
Sofern allerdings im Rahmen einer Überlassung eines Firmenwagens die private Benutzung durch den begünstigten Arbeitnehmer nicht ausdrücklich arbeitsvertraglich zeitlich begrenzt oder gar ausgeschlossen wird, spricht laut Rechtsprechung des BFH der Anscheinsbeweis dafür, dass für eine private Nutzung des Firmenwagens durch den Arbeitnehmer erfolgt.
Zu einer privaten Nutzung gehören in diesem Sinne neben allgemeinen Privatfahrten auch Fahrten zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte sowie Familienheimfahrten bei einer doppelten Haushaltsführung.
Der Anscheinsbeweis kann jedoch dadurch erschüttert werden, indem nachvollziehbar vom Steuerpflichtigen dargestellt wird, dass das Fahrzeug nicht bzw. in geringerem Umfang für Privatfahrten genutzt wurde. Das Gesetz sieht hierfür das ordnungsgemäße Führen eines Fahrtenbuches (§ 8 Abs. 2 S. 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG) vor. Hierbei müssen ganzjährig (und nicht rückwirkend) alle mit dem überlassenen Fahrzeug getätigten Fahrten lückenlos und mit den notwendigen Details (Datum, Kilometerstand zu Beginn und am Ende der Fahrt, Fahrtziel und natürlich auch der Fahrtzweck) eingetragen werden. Der Überzeugungskraft dienlich sind dabei gebundene Hefte mit handschriftlichen Notizen anstelle von Excel-Listen. Letztere lassen sich im Nachhinein zu leicht ändern.
Es muss allerdings nicht immer ein Fahrtenbuch geführt werden, um einen geschäftlichen Gebrauch des Firmenwagens nachweisen zu können. Eine plausible Begründung kann ebenso ausreichend sein. Bei der Beurteilung sind in der Regel die Umstände des Einzelfalles entscheidend. So kann es beispielsweise darauf ankommen, ob und welche weiteren Kraftfahrzeuge dem Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Zu berücksichtigen ist weiterhin, ob diese von anderen Familienmitgliedern genutzt werden können. So hat es das Finanzgericht Hessen (3 K 1679/10) als glaubhaft angesehen, dass ein Ehepaar alle privaten Fahrten mit dem Firmenwagen der Frau (einem Audi A4) durchgeführt und den Firmenwagen des Mannes (kleiner Citroen) nicht privat genutzt haben.
Gelingt es dem Arbeitnehmer nicht, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, wird der geldwerte Vorteil durch die Überlassung des Firmenwagens gem. § 8 Abs. 2 S. 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG anhand der 1%-Regelung berechnet.
Demnach wird der Firmenwagen monatlich pauschal mit 1% seines Bruttolistenpreises Zeitpunkt der Erstzulassung und inklusive Mehrwertsteuer) besteuert. Hinzu kommen die Fahrten vom Wohnort zur Arbeitsstelle des Arbeitnehmers, die zusätzlich mit 0,03% des Bruttolistenpreises je Entfernungskilometer zu Buche schlagen (§ 8 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG) und Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung des Arbeitnehmers, die mit 0,002% des Bruttolistenpreises je Entfernungskilometer und pro Fahrt zu Buche schlagen (§ 8 Abs. 2 S. 5 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG).
Zur Veranschaulichung folgt ein Beispiel der Berechnung des monatlichen geldwerten Vorteils nach der 1%-Regelung:
Beispielsfall
Arbeitgeber G überlässt seinem Arbeitnehmer A einen Firmenwagen mit einem Bruttolistenpreis von 30.000,00 €. Im Arbeitvertrag zwischen G und A sind keine Einschränkungen hinsichtlich der Verwendung des Wagens festgehalten. A führt kein Fahrtenbuch, lebt allein und verfügt über kein anderes Kraftfahrzeug. Die einfache Strecke von seinem Wohnort zu seinem Arbeitsplatz beträgt 10 km. A unterhält eine doppelte Haushaltsführung. Sein eigentlicher Wohnsitz liegt 150 km entfernt. A besucht diesen zwei Mal monatlich.
Berechnung des für die Besteuerung maßgeblichen monatlichen geldwerten Vorteils durch Überlassung des Firmenwagens
- Bruttolistenpreis des Firmenwagens: 30.000,00 €
- Geldwerter Vorteil (nach der 1% Regelung): 300,00 €
- Geldwerter Vorteil (Fahrten zum Arbeitsplatz, 0,03% je km): 9,00 € x 10 km = 90,00 €
- Geldwerter Vorteil (Familienheimfahrten, 0,002% je km je Fahrt): 0,6 € x 150 km x 2 Fahrten = 180 €
- Geldwerter Vorteil durch Überlassung des Firmenwagens: 570,00 €
Lösung
A muss auf den Betrag in Höhe von 570,00 € im Monat Steuern und Sozialabgaben entrichten. Durch die Nutzung des Firmenwagens verringert sich im Ergebnis sein Nettogehalt.
Hätte A hingegen ein Fahrtenbuch geführt, wäre das Verhältnis der geschäftlichen zu den privaten Fahrten offensichtlich gewesen. In diesem Verhältnis wären dann die Kosten des Betriebs des Firmenwagens (beispielsweise für Kraftstoff, Wäsche, Inspektion, Reparatur, Leasing-Raten usw.) aufgeteilt worden.
Somit wird deutlich, dass die Besteuerung des Firmenwagens nach der 1%-Regelung bei starker privater Nutzung für den Arbeitnehmer lohnenswert ist.
Sachverhalt des Urteils
Eine GmbH überließ ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer zwei Fahrzeuge. Arbeitsvertraglich war kein Ausschluss einer privaten Nutzung der Fahrzeuge durch den Gesellschafter-Geschäftsführer vorgesehen. In lohnsteuerlicher Hinsicht erfasste die GmbH lediglich das teuere der beiden Fahrzeuge als geldwerten Vorteil. Bei einer Prüfung durch das Finanzamt wurde jedoch auch das zweite Fahrzeug gemäß der 1%-Regelung als geldwerter Vorteil erfasst und besteuert. Dagegen wehrte sich die GmbH in erster Instanz vor dem Finanzgericht erfolglos.
Entscheidung des BFH
Nachdem das Finanzgericht die Auffassung der Finanzverwaltung teilte, legte die GmbH Revision beim BFH ein.
Die GmbH wurde von der Finanzverwaltung in Anspruch genommen, weil sie als Arbeitgeberin nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG für die Lohnsteuer haftet, die sie nach § 38 Abs. 1 S. 1 u. 3, Abs. 3 S. 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung ihres Arbeitnehmer einzubehalten und abzuführen hat.
Der BFH hat in seinem Urteil vom 13.6.2013 (VI R 17/12) seine oben dargestellte ständige Rechtsprechung bestätigt und weiterhin ausgeführt, dass in Fällen der Überlassung mehrerer Firmenwagen an den Arbeitnehmer, bei denen es an Fahrtenbüchern fehlt, der in der Überlassung der Fahrzeugs zur privaten Nutzung liegende geldwerte Vorteil für jedes Fahrzeug nach der 1%-Regelung zu berechnen ist. Zur Begründung orientiert sich der BFH an dem Wortlaut der §§ 8 Abs. 2 S. 2, 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG. Dieser bietet keine Anhaltspunkte für eine Annahme, dass in Fällen, in denen der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich mehr als ein Fahrzeug unentgeltlich oder verbilligt privat nutzen darf, die 1%-Regelung nur für ein Fahrzeug gelten soll. Der BFH sieht auch keine Notwendigkeit zu einer teleologischen Reduktion der Normen, da arbeitsvertraglich zwei Firmenwagen zur privaten Nutzung überlassen werden und damit ein doppelter Nutzungsvorteil für den begünstigten Arbeitnehmer entsteht. Dieser kann beliebig auf zwei Firmenwagen zugreifen und diese entweder selbst oder durch Dritte nutzen. Hierdurch besteht kein Raum für eine eingeschränkte Anwendung der genannten Normen. Der BFH sieht ebenso keinen Fall der ungerechtfertigten Härte, da es dem Arbeitnehmer freisteht, ordnungsgemäße Fahrtenbücher zu führen oder die private Nutzungsmöglichkeit im Arbeitsvertrag auszuschließen.
Im Ergebnis sieht der BFH die Revision der GmbH dennoch als begründet an:
Denn die Tatsache, dass beide Kraftfahrzeuge als lohnsteuerbarer geldwerter Vorteil zu klassifizieren sind, lässt nicht automatisch den Schluss zu, dass der Arbeitgeber als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen ist. Vielmehr hat das Finanzamt gem. § 42d Abs. 3 S. 2 EStG aufgrund pflichtgemäßen Ermessens über dessen Inanspruchnahme zu entscheiden. Dieses Ermessen ist gem. § 102 FGO auch gerichtlich überprüfbar. Laut BFH hat die Finanzverwaltung bei ihrer Ermessensausübung Erlasse des Bundesministeriums für Finanzen („BMF-Schreiben“) zu berücksichtigen. So hält das BMF-Schreiben vom 28.5.1996, IV B 6 – S 2334 – 173/96 fest, dass bei der Überlassung mehrer Fahrzeuge der Listenpreis des überwiegend genutzten Fahrzeugs zugrunde gelegt werden, wenn die Nutzung der Fahrzeuge durch andere zur Privatsphäre des Arbeitnehmers gehörende Personen so gut wie ausgeschlossen ist. Hierzu hatte das Finanzgericht jedoch keine Feststellungen getroffen und mithin eine fehlerhafte Ermessensausübung der Finanzverwaltung nicht überprüft.
Stellungnahme
Mit dieser Entscheidung knüpft der BFH einerseits konsequent an seine bisherige Rechtsprechung an, zeigt der Finanzverwaltung aber auch gleichzeitig ihre Grenzen auf. So haben diese Erlasse des BMF, die für eine Rechtsvereinheitlichung sorgen sollen, zu berücksichtigen. Das BMF hat längst festgehalten, dass es keinen Sinn macht, mehrere Firmenwagen zu besteuern, wenn ein mehrfacher Gebrauch im Einzelfall ausgeschlossen ist.
So hält besagtes BMF-Schreiben fest, dass für den Nutzungswert der Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte stets der Listenpreis des überwiegend für diese Fahrten benutzen Firmenwagens maßgeblich ist.
Der BFH macht von dieser „Junggesellenregelung“ Gebrauch und schließt eine mehrfache Besteuerung aus, wenn und soweit der Arbeitnehmer im Einzelfall glaubhaft machen kann, dass bestimmte Firmenwagen ausschließlich betrieblich genutzt werden.
Der vorgestellte Fall eignet sich sehr gut als Einführung in das Steuerrecht, weil er nicht nur Grundzüge des Einkommensteuerrechts vorstellt, sondern auch Themen aufgreift, die Studenten und Referendaren regelmäßig begegnen. Hierzu gehören insbesondere Fragen der Beweiskraft, die Methoden der Gesetzesauslegung und Fehler bei der Ermessensausübung behördlicher Entscheidungen und deren gerichtliche Überprüfbarkeit.