Der BGH hat in einem Beschluss vom 28. Februar 2012 (3 StR 435/11 = StraFo 2012, 239 = wistra 2012, 302 f.) zu einigen Fragen der Beihilfe Stellung genommen und dabei insbesondere die Anforderungen, die an den Vorsatz des Gehilfen zu stellen sind, präzisiert.
1. Worum geht’s?
Nach den Feststellungen der Eingangsinstanz leisteten die Angeklagten in unterschiedlichem Umfang durch das Bereitstellen von Bankkonten, durch Weiterüberweisung und die Abhebung eingegangener Geldbeträge Beihilfe zum Computerbetrug zum Nachteil von Online-Banking-Nutzern durch sog. „Phishing“. Zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht festgestellt, den Angeklagten sei bewusst gewesen, „dass die Zahlungseingänge einen illegalen Hintergrund hatten“. Die Angeklagte A habe zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt, da sie „bewusst in Kauf genommen“ habe, „jedwede, den Umständen nach nicht fernliegende Art von Vermögensdelikten, insbesondere auch Delikte des Computerbetrugs durch ihr Verhalten zu unterstützen“. Ebenso habe der Angeklagte B den subjektiven Tatbestand der Beihilfe zum Computerbetrug erfüllt. Auch wenn er Einzelheiten dazu, wie die Gelder auf die Konten gelangt seien, nicht „konkret“ gekannt habe, sei ihm doch bewusst gewesen, dass es sich um etwas „Illegales“ gehandelt habe. Er habe dies nicht weiter hinterfragt und damit „bewusst in Kauf genommen, irgendeine, nicht fernliegende Art von Vermögensdelikten, darunter auch einen etwaigen Computerbetrug, durch sein Verhalten zu unterstützen“. Das Landgericht hat beide Angeklagte wegen Beihilfe zum Computerbetrug verurteilt.
2. Was sagt der BGH?
Der BGH hat beide Urteile aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des LG zurückverwiesen. Zu den wesentlichen Aussagen des Beschlusses:
a) Keine ausreichenden Feststellungen zum Beihilfevorsatz
Der entscheidende Senat hat zunächst bemängelt, dass nach den Feststellungen des LG den Erfordernissen an die subjektive Tatseite einer Beihilfe nicht genügt sei:
Zwar braucht der Gehilfe Einzelheiten der Haupttat nicht zu kennen und keine bestimmte Vorstellung von ihr zu haben (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 – 3 StR 420/10, NStZ 2011, 399, 400; Urteil vom 18. April 1996 – 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 137). Eine andere rechtliche Einordnung der Tat ist für den Gehilfenvorsatz unschädlich, sofern die vorgestellte Haupttat in ihrem Unrechtsgehalt von der tatsächlich begangenen nicht gänzlich abweicht (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 27 Rn. 22). Allerdings muss der Gehilfe seinen eigenen Tatbeitrag sowie die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung, im Sinne bedingten Vorsatzes zumindest für möglich halten und billigen. Dieses Mindestmaß einer Konkretisierung des Gehilfenvorsatzes hat das Landgericht nicht festgestellt. Dass die Angeklagten „jedwedes“ oder „irgendein“ Vermögensdelikt fördern wollten, reicht nicht aus.
b) Möglichkeit der Strafbarkeit wegen Begünstigung
Des Weiteren weist der BGH darauf hin, dass nach vorliegender Sachverhaltskonstellation, bei der es u.a. um die Weiterleitung und Abhebung von durch Computerbetrug erlangten Geldern ging, neben einer Beihilfe auch eine Strafbarkeit wegen Begünstigung (§ 257 StGB) im Raum stehe. Er macht aus diesem Anlass Ausführungen zur Abgrenzung beider Delikte:
Der neue Tatrichter wird bei der Bewertung der Tatbeiträge der Angeklagten zu berücksichtigen haben, dass Beihilfe nur bis zur materiellen Beendigung der Haupttat, also bis zur endgültigen Sicherung ihres Erfolges, möglich ist. Danach kommt nach Maßgabe des § 257 Abs. 3 StGB eine Strafbarkeit wegen Begünstigung in Betracht. Von einer materiellen Beendigung solcher Taten des Computerbetruges, bei denen aufgrund einer Manipulation des Datenverarbeitungsvorgangs Geldbeträge von Konten der Geschädigten auf Empfängerkonten geleitet werden, ist auszugehen, sobald entweder das überwiesene Geld vom Empfängerkonto abgehoben wurde oder es auf ein zweites Konto weiterüberwiesen worden ist.
c) Abgrenzung von Tateinheit zu Tatmehrheit
Schließlich nimmt der Senat – wiederum eingekleidet in einen Hinweis für die neue Verhandlung – zur Differenzierung zwischen Tateinheit und Tatmehrheit bei einer Diskrepanz zwischen der Anzahl an geleisteten Beihilfehandlungen zu der Menge der geförderten Haupttaten Stellung:
Bei der Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses (…) wird der neue Tatrichter zu beachten haben, dass die Förderung mehrerer rechtlich selbständiger Taten durch eine Beihilfehandlung nur als eine Beihilfe im Rechtssinne zu werten ist. Leistet der Gehilfe allerdings nicht nur durch eine Beihilfehandlung zu verschiedenen Haupttaten, sondern zusätzlich zu jeder Haupttat noch durch weitere selbständige Unterstützungshandlungen Hilfe im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB, so stehen die Beihilfehandlungen für jede Haupttat im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander (…).
3. Warum ist die Entscheidung wichtig?
a) Der Beschluss des BGH präzisiert zunächst die Erfordernisse, die an einen tauglichen Beihilfevorsatz zu stellen sind, was grundsätzlich begrüßenswert ist. Im Allgemeinen wird ja angenommen, dass die Anforderungen an den subjektiven Tatbestand des Gehilfen geringer anzusetzen sind als diejenigen, die für den Anstifter gelten. Begründet wird dies damit, dass letzterer eine zu konkretisierende Tat erst vorgibt, während der Gehilfe eine bereits konkretisierte Tat begleitet (prägnant Satzger, Jura 2008, 514 [520]). Der BGH stellt nun klar, dass diese Herabsetzung der Anforderungen an die Beihilfe nicht so weit reichen kann, dass bereits der Gedanke an „irgendein Vermögensdelikt“, welches der Haupttäter verwirklicht, ausreichend wäre, um die Strafbarkeit des Gehilfen zu begründen. Dies erscheint insoweit stimmig, als dass die Unrechtsdiskrepanz zwischen unterschiedlichen Vermögensdelikten beträchtlich sein kann (vgl. z.B. den Strafrahmen des Diebstahls mit demjenigen des Raubes), so dass eine automatische Haftung des Gehilfen, der keine präziseren Vorstellungen hegt, für einen durch den Haupttäter erfüllten Tatbestand mit hohem Strafrahmen evident ungerecht erscheint. Freilich kann diese Linie zu einer Begünstigung von Gehilfen führen, die bewusst davor die Augen verschließen, welche Delikte der Haupttäter realisiert – man denke etwa an die Ehefrau des Mafiabosses, die ihren Mann in dessen illegalem Tun durch Verstecken von Geld o.ä. mittelbar unterstützt, ohne dass sie so genau weiß, noch wissen möchte, womit der werte Gatte so den gemeinsamen Lebensstil erwirtschaftet.
b) Bei dem Hinweis des Gerichts, dass zusätzlich zu der von der Vorinstanz angenommenen Beihilfe nach § 27 StGB auch eine Begünstigung gem. § 257 StGB in Betracht komme, ist insbesondere der auch in den Entscheidungsgründen zu findende Verweis auf Abs. 3 der letztgenannten Norm wichtig. Danach wird nämlich wegen Begünstigung nicht bestraft, wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist (S. 1), wobei eine Ausnahme für denjenigen Vortatbeteiligten gilt, der sich an der anschließenden Begünstigung durch Anstiftung des Helfenden beteiligt (S. 2). Legt man danach die Feststellungen der Vorinstanz zugrunde, wie sie aus dem Beschluss des BGH hervorgehen, dürfte eine (zusätzliche) Strafbarkeit der Angeklagten wegen Begünstigung im Ergebnis zu verneinen sein: Denn soweit beide Angeklagten bereits durch das „Bereitstellen von Bankkonten“ (erstmalig) den Zufluss von Geldern aus der Begehung von Taten des Computerbetrugs an den Haupttäter ermöglicht haben, liegt darin noch eine Förderung der Vortat, die erst mit der Realisierung der subjektiven Innentendenz, also dem tatsächlichen Erlangen des mit Bereicherungsabsicht erstrebten Vermögensvorteils, beendet ist. Die weitergehenden Unterstützungshandlungen, die durch das Abheben bzw. die Weiterleitung des Geldes eingeleitet wurden, wären dann straflos.
c) Zuletzt noch einige ergänzende Worte im Hinblick auf die vom BGH ebenfalls erörterte Behandlung der Konkurrenzen bei der Beihilfe: Dass es bei der Frage des Vorliegens von Tateinheit oder Tatmehrheit bei der Teilnahme auf das Verhalten des Teilnehmers und nicht etwa auf die Anzahl der Taten des Haupttäters ankommt, erscheint unmittelbar einsichtig, da der Teilnehmer schließlich für seine eigenen Verhaltensweisen und nicht für diejenigen des Haupttäters bestraft wird. Zu ergänzen bleibt allerdings, dass nach der Rspr. wegen der Akzessorietät der Teilnahme zur Haupttat ebenfalls nur Tateinheit gegeben ist, wenn zwar mehrere Teilnahmehandlungen, aber nur eine Haupttat vorliegt (vgl. BGH, Urteil v. 14.04.1999 – 1 StR 678/98 [= NStZ 1999, 513 f.]) – die Abhängigkeit der Teilnahme von der Haupttat wirkt sich i.E. also stets zu Gunsten, nie zu Lasten des Teilnehmers aus. Zum Schluss sei noch darauf hingewiesen, dass das eigentlich als selbstverständlich erscheinende Abstellen auf die bereits verwirklichten Tathandlungen des jeweiligen Beteiligten im Rahmen der versuchten Beteiligung nach § 30 Abs. 2 StGB zwischen den Senaten des BGH lebhaft umstritten ist: Während auch hier teilweise (zu Recht) die bereits vollzogenen Beteiligungshandlungen als Maßstab genommen werden (BGH, Urteil v. 17.02.2011 d – 3 StR 419/10 [= BGHSt 56, 170 ff.]), stellt eine andere Entscheidung zur Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses auf die erst zukünftig geplanten Taten ab (BGH, Urteil v. 13.01.2010 – 2 StR 439/09 [= NJW 2010, 623 f.]).