Das Erlöschen des Anspruchs auf (Nach-)Erfüllung
Wir freuen uns, einen Gastbeitrag von Roy Dörnhofer (www.zivilrecht-verstehen.blogspot.de) zu veröffentlichen. Der Autor verfasst nach seiner Tätigkeit in der Justiz nunmehr E-Books zum Zivilrecht und Zivilprozessrecht, die auf amazon.de zu finden sind
Das Kaufrecht nimmt in der juristischen Ausbildung ebenso wie im richtigen Leben eine außerordentlich wichtige Stellung ein. Wer sich bereits mit dem Besonderen Teil des Schuldrechts befasst hat, wird schnell erkennen, dass sich der weitaus größte Teil der Materie mit den schier endlos vielen Problemen des Kaufrechts beschäftigt. Insbesondere der Nacherfüllungsanspruch des Käufers enthält derart viele Details, dass man leicht den Überblick verlieren kann. Angesichts zweier obergerichtlicher Entscheidungen soll auf ein weiteres Problem hingewiesen werden. Es geht um das Erlöschen des (Nach-)Erfüllungsanspruchs bei einem erklärten Rücktritt oder dem Verlangen nach Schadensersatz.
I. Ausgangsposition
Sofern die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Nacherfüllung bestehen, also insbesondere ein Mangel der Kaufsache bei Gefahrübergang vorlag, kann der Käufer vom Grundsatz her nach seiner Wahl vom Verkäufer eine Nachbesserung oder Nachlieferung verlangen. Er kann insoweit bei einem behebbaren Mangel eine Frist setzen, um sich die Möglichkeit des Rücktritts oder des Schadensersatzes zu eröffnen. Wie wohl allseits bekannt ist, hat der Bundesgerichtshof dazu entschieden, dass allein der Ablauf einer Frist zur Nacherfüllung nicht zum Erlöschen des Wahlrechts für den Käufer führt; dieser kann vielmehr frei entscheiden, ob er weiterhin Erfüllung verlangt, zurücktritt oder Schadensersatz geltend macht, da ein im Gesetz nicht ausdrücklich geregelter Fall der elektiven Konkurrenz gegeben sei (BGH NJW 2006, 1198, Rn. 16, 17).
Selbst wenn also der Käufer nach einem fruchtlosen Fristablauf weiterhin die Erfüllung begehrt, kann er mangels einer rechtsgestaltenden Wirkung ohne das Erfordernis einer weiteren Fristsetzung den Rücktritt erklären oder Schadensersatz statt der Leistung geltend machen. Einschränkungen sind hier natürlich bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten zu machen, wie etwa wenn der Verkäufer die zunächst verlangte Nacherfüllung in Angriff genommen hat und der Käufer in widersprüchlicher Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund sofort den Rücktritt erklärt (OLG Saarbrücken NJW 2009, 369, unter B II 2 b bb (3)).
II. Ausgeübtes Gestaltungsrecht
In der bereits oben zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2006, 1198) hat das Gericht unter Rn. 18 weiter ausgeführt, dass sich das für den Käufer bestehende Wahlrecht allerdings nicht mehr auf die Erfüllung erstreckt, wenn dieser den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. § 281 IV BGB geltend macht oder sein gesetzliches Rücktrittsrecht nach § 323 I BGB ausübt, wodurch das Vertragsverhältnis nach § 346 I BGB umgestaltet wird. Neben der Begründung dieser beiden Rechte ist also zusätzlich eine Ausübung durch eine Erklärung erforderlich, die als geschäftsähnliche Handlung ein Gestaltungsrecht darstellt.
Was aber geschieht, wenn der Käufer nun den Rücktritt erklärt oder Schadensersatz geltend macht, aber die Voraussetzungen dieser Rechte nicht vorliegen, also die Erklärung ins Leere geht? Hier hat das OLG Naumburg in einer neuen Entscheidung ausgeführt, dass die Erklärung des Rücktritts bei einem Nichtvorliegen der Voraussetzungen nicht zum Erlöschen des Erfüllungsanspruchs führt. Dazu das Gericht (OLG Naumburg, Urteil vom 09.04.2015 – 2 U 127/13, unter B II 1 d bb):
„Der (Nach-) Erfüllungsanspruch des Käufers bzw. das (Nach-) Erfüllungsrecht des Käufers erlischt erst durch eine berechtigte Rücktrittserklärung; scheitert das Rücktrittsverlangen, wie hier, wegen des Fehlens der formellen Rücktrittsvoraussetzungen und kommt es deswegen nicht zu einer Umwandlung des Vertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis, so bleibt dem Käufer der Erfüllungsanspruch erhalten.“
Für den Schadensersatz statt der Leistung hat das OLG Düsseldorf (BauR 2013, 107, Rn. 105) ebenfalls in diesem Sinn entschieden:
„Der (Nach-)Erfüllungsanspruch des Auftraggebers bzw. das (Nach-)Erfüllungsrecht des Auftragnehmers erlischt zwar grundsätzlich bei einem Verlangen des Auftraggebers nach Schadensersatz statt der Leistung (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.1978, VII ZR 29/78, NJW 1979, 549; Werner/Pastor, a.a.O., Rn 3008 mwN). Voraussetzung dafür ist indes ein als solches berechtigtes Schadensersatzverlangen (vgl. Kniffka u.a., ibronline-Kommentar Bauvertragsrecht 2011, § 631, Rn 90 mwN; Jauernig, BGB, 13. Auflage 2009, § 281, Rn 14; Staudinger-Schwarze, BGB, 2009,§ 281, Rn D18). Scheitert also ein Schadensersatzanspruch (z.B. am Verschulden des Schuldners oder auch am Fehlen sonstiger Anspruchsvoraussetzungen), so besteht kein Schadensersatzanspruch, welcher den Leistungs-/Erfüllungs- bzw. Nacherfüllungsanspruch ersetzen könnte und letzterer bleibt dem Gläubiger in einem derartigen Fall erhalten (vgl. BT-Drucksache 14/6857, Seite 50, dort zu Nr. 29). Für den hier vorliegenden Fall, dass der Schadensersatzanspruch am Fehlen eines Nacherfüllungsverlangens (in berechtigtem Umfang) mit Fristsetzung i.S.v. § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B scheitert, gilt nichts anderes (vgl. bereits Senat, Beschluss vom 16.11.2011, I-23 U 98/10, n.v., dort zu II.).“
III. Fazit
Aus den beiden genannten Entscheidungen der Oberlandesgerichte ergibt sich nunmehr eine weitere Nuance im Rahmen des Nacherfüllungsanspruchs. Für die erfolgreiche Bearbeitung eines Falls, der sich mit dieser Konstellation beschäftigt, ist kein besonders großer Lernaufwand erforderlich, man muss einfach nur einmal von dem Problem gehört haben, sodass man es in einer Prüfungsarbeit jedenfalls erkennt und dann entsprechend behandeln kann.
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