In wenigen Tagen beginnt die Fußball Europameisterschaft. Auch der EuGH scheint schon im „Fußballfieber“ zu sein – zumindest hat er im März ein Urteil gesprochen (C-604/10), das jetzt vor der EM von großer Bedeutung ist. Auch wenn es juristisch zumindest für das Examen wenig wichtig ist, so kann man zumindest auf jeder EM-Feier mit seinem Fußballwissen hausieren gehen – und sich damit als Jurist und Fußballfan zu erkennen geben (jedenfalls sofern man das will 😉 )
Die Pressemitteilung des Urteils findet ihr hier.
Worum geht’s?
Inhaltlich geht es um die Frage, ob ein Fußballspielplan urheberrechtlichen Schutz genießt und damit eine unentgeltliche Nutzung nicht möglich ist. Geklagt hatte der britische Ligaverband, der eine solche Nutzung seiner Spielpläne durch Dritte untersagen wollte. Er begründete dies wie folgt: Die Zusammenstellung des Spielplans ist nicht willkürlich, sondern folgt den sog. „Goldenen Regeln“. Diese lauten:
- – Kein Verein trägt drei aufeinander folgende Heim- oder Auswärtsspiele aus,
- – kein Verein trägt in fünf aufeinander folgenden Begegnungen vier Heimspiele oder vier Auswärtsspiele aus,
- – jeder Verein sollte – soweit wie möglich – während der Saison stets eine gleiche Anzahl von Heim- und Auswärtsspielen ausgetragen haben,
– bei Begegnungen, die während der Woche stattfinden, sollten alle Vereine eine möglichst gleiche Anzahl von Heim- und Auswärtsspielen austragen.
Desweiteren wird dargelegt:
Nach den in der Vorlageentscheidung wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen des erstinstanzlichen Richters ist das im Ausgangsverfahren fragliche Verfahren zur Ausarbeitung der Spielpläne für Fußballbegegnungen nicht rein mechanistisch oder deterministisch, sondern erfordert einen bedeutenden Arbeitsaufwand und bedeutende Sachkenntnis, um der Vielzahl der Anforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig die geltenden Regeln so gut wie möglich einzuhalten. Die hierfür erforderliche Arbeit beschränke sich nicht darauf, bestimmte Kriterien anzuwenden und unterscheide sich beispielsweise von der Erstellung eines Telefonverzeichnisses, da in jedem Verfahrensabschnitt Urteilsvermögen und Sachkenntnis benötigt würden, insbesondere, wenn das Computerprogramm für bestimmte Beschränkungen keine Lösung finde. Der teilweise Einsatz eines Computers ändert nach den Ausführungen von Herrn Thompson nichts daran, dass Urteilsvermögen und ein gewisses Ermessen erforderlich seien.
Das Verfassen des Spielplans scheint also ein sehr großer Aufwand zu sein, so dass der Schutz der Richtlinie 96/9/EG gefordert wird. Diese möchte Datenbanken schützen und begründet hieran ein Urheberrecht bzw. in besonderen Fällen ein Schutzrecht sui generis. Der entscheidende Passus lautet:
Artikel 3
Schutzgegenstand
(1) Gemäß dieser Richtlinie werden Datenbanken, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung des Stoffes eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers darstellen, als solche urheberrechtlich geschützt. Bei der Bestimmung, ob sie für diesen Schutz in Betracht kommen, sind keine anderen Kriterien anzuwenden.
Das britische Gericht legte deshalb dem EuGH die Frage vor, ob und wie weit für den Spielplan der Liga ein solcher Urheberrechtsschutz besteht.
Lösung des EuGH
Zunächst wird kurz festgestellt, dass es sich bei dem Spielplan auch um eine Datenbank handelt (vgl. C-444/02). Fraglich ist aber, ob in dem Spielplan eine eigene geistige Schöpfung erblickt werden kann. Erforderlich hierfür ist insbesondere die Originalität des Inhalts.
In Bezug auf die Erstellung einer Datenbank ist dieses Kriterium der Originalität erfüllt, wenn ihr Urheber über die Auswahl oder Anordnung der in ihr enthaltenen Daten seine schöpferischen Fähigkeiten in eigenständiger Weise zum Ausdruck bringt, indem er freie und kreative Entscheidungen trifft […], und ihr damit seine „persönliche Note“ verleiht.
Dagegen ist dieses Kriterium nicht erfüllt, wenn die Erstellung der Datenbank durch technische Erwägungen, Regeln oder Zwänge bestimmt wird, die für künstlerische Freiheit keinen Raum lassen.
Zwar hat der EuGH nicht explizit entschieden, ob diese Originalität im konkreten Fall erfüllt ist, sondern hat diese Frage an das nationale Gericht verwiesen, er zeigt aber deutliche Präferenzen einer Ablehnung:
Dabei reichen die vom vorlegenden Gericht geschilderten Einzelheiten der Erstellung der Spielpläne nicht aus, damit die fragliche Datenbank durch das Urheberrecht nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/9 geschützt werden kann, wenn sie nicht durch Faktoren ergänzt werden, durch die Originalität bei der Auswahl oder Anordnung der in diesen Spielplänen enthaltenen Daten zum Ausdruck gebracht wird.
Weiterhin kann sich auch nicht auf den Aufwand und die sog. „Goldenen Regeln“ bei der Erstellung berufen werden. Geschützt werden soll nur die Struktur der Datenbank, nicht aber ihr Inhalt. Unter Inhalt sind im konkreten Fall „Datum, Uhrzeit und Identität der Mannschaften in Bezug auf die einzelnen Begegnungen dieser Meisterschaften nach Maßgabe einer Gesamtheit von Regeln, Parametern und organisatorischen Zwängen“ zu verstehen. Der hierfür erforderliche Aufwand ist also bei der Gewährung des urheberrechtlichen Schutzes bedeutungslos.
Im Ergebnis ist damit ein unionsrechtlicher Urheberrechtsschutz für den Spielplan abzulehnen.
Ergebnis: Es kann getippt werden!
Auch wenn die Begründung des EuGH etwas schwer verständlich ist und auch die Richtlinie außer dem Experten niemanden bekannt sein sollte, so ist das Ergebnis eindeutig. Ein Urheberrechtsschutz für Fußballspielpläne besteht damit nicht. Es kann damit nach Herzenslust getippt werden, Tipptabellen geführt werden, Spielpläne gemalt werden etc.
Eine Woche ist hierfür noch Zeit.