Die Medienlandschaft befasst sich aktuell mit der Frage, ob Bundespräsident Christian Wulff im Falle eine Rücktritts ein Ehrensold nach § 1 BPräsRuhebezG (des Gesetz über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten) zusteht. Zu dieser Frage hat sich auch kürzlich Prof. von Arnim in einem – frei verfügbaren – Beitrag in der NVwZ geäußert.
Grundsätzlich wird ein Ehrensold (also eine andauernde Gewährung der Amtsbezüge) auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt geleistet, wenn der Präsident mit Ablauf der Amtszeit, oder vorher aus politischen oder gesundheitlichen Gründen aus dem Amt ausscheidet.
I. Ausscheiden aus politischen Gründen
Kernfrage ist, ob die kolportierten persönlichen Gründe, aus denen Christian Wulff aus seinem Amt ausscheiden könnte, auch als politische Gründe anzusehen sind, oder ob diese bewusst nicht erfasst sind.
Im Beitrag von Arnims wird dies unter Verweis auf den Wortlaut und die Historie sowie Systematik des Gesetzes verneint.
Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages scheint diese Ansicht zu teilen. Den Medien ist folgende Textpassage zu entnehmen:
Gründe, die im privaten Verhalten des Präsidenten liegen, werden eher keine politischen Gründe im Sinne“ des Gesetzes über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten sein. Es sprächen vielmehr „starke Argumente“ dafür, dass politische Gründe nur solche seien, die „unmittelbar mit der Ausübung des Amtes des Bundespräsidenten zusammenhängen“
Ebenso könnte auch die Gegenansicht vertreten werde, schließlichist eine Trennung zwischen persönlicher und politischer Ebene oftmals nicht möglich. Gerade im konkreten Fall liegen zwar – zumindest moralische – persönliche Verfehlungen vor, diese wirken sich aber auch auf die politische Arbeit und Glaubwürdigkeit des Präsidenten aus.
Ein weiteres Argument für eine Gewährung des Ehrensolds im konkreten Fall kann auch § 5 BPräsRuhebezG entnommen werden. So ist selbst bei einer erfolgreichen Präsidentenklage nach dem BVerfGG der Ehrensold nicht per se ausgeschlossen; vielmehr ist über die zumindest teilweise Gewährung des Ehrensolds explizit zu entscheiden. Aus diesem Grund ist der generelle Ausschluss des Ehrensolds bei persönlichen Gründen wenig überzeugend.
II. Entscheidung über Ehrensold
Neben der Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des Ehrensolds vorliegen, tritt die Problematik in den Vordergrund, wer hierüber zu entscheiden hat. Problematisch ist dies deshalb, weil das Gesetz keine entsprechende Regelung trifft.
Von Arnim kommt in seinem Beitrag – allein durch einen Vergleich mit den ähnlich formulierten Regelungen zum Reichspräsidenten (!!!) – zu dem Ergebnis, dass die Bundesregierung für eine entsprechende Beurteilung zuständig ist und Wulff damit auch finanziell von der Bundeskanzlerin abhängig wird.
Weitere Stellungnahmen hierfür lassen sich leider nicht finden; insbesondere ist nicht klar, ob der wissenschaftliche Dienst des Bundestages auf dies Frage eingegangen ist. M.E. wäre es ebenso vertretbar, dass diejenige Behörde, die den Ehrensold gewährt, die Voraussetzungen zu prüfen hat. Eine Abhängigkeit des Präsidenten von der Bundesregierung sieht das Gesetz gerade nicht vor.
III. Stellungnahme
Bei der Diskussion über Christian Wulff werden viele Fragen aufgeregt diskutiert. Dass der „Steuerzahler aufatmen könne“ (so von Arnim) ist wohl eher polemisch; die Nichtgewährung des Ehrensold hätte allenfalls politisch eine hohe Bedeutung. Ein eindeutiges Ergebnis lässt sich hier – vor allem aufgrund fehlender Vergleichsfälle – nicht finden; beide Ergebnisse lassen sich juristisch gut begründen. Insbesondere auch bei der Frage, wer Entscheidungsträger ist, kann bei ordentlicher Argumentation nahezu alles vertreten werden. Es wird aus diesem Grund spannend sein, zu sehen, wie der wissenschaftliche Dienst des Bundestages sich im Einzelnen geäußert hat.
Gut möglich ist, dass ein solcher Fall in der mündliche Prüfung, oder auch in Hausarbeiten geprüft wird. Hier zeigen sich gute Leistungen gerade darin, dass eigenständig argumentiert wird. Zumindest aber auch zur Schulung des juristischen Verständnisses ist dieser Fall auch hervorragend geeignet, steht man doch vor dem Problem aus einer sehr knappen und uneindeutigen gesetzlichen Regelung ein zutreffendes Ergebnis zu begründen.
Anm v. 29.02.2012.: Die Entwicklung der ereignisse hat gezeigt, dass wir mit unserer Prognose sehr richtig lagen. Der Ehrensold wird, wie heute vermeldet, wohl gezahlt werden. Entschieden hat hierüber auch nicht – wie von von Arnim gemutmaßt – die Bundesregierung sondern das Bundespräsidialamt als diejenige Behörde, die den Ehrensold gewährt. Auch wenn die Fragestellungen damit juristisch noch nicht 100-prozentig abgearbeitet sind, so ist die Frage damit zumindest praktisch entschieden.
Leider wurde, trotz unserer Nachfrage, die Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes aufgrund einer Schutzfrist nicht veröffentlicht. Zumindest hat sich in der Zwischenzeit aber die Frage wie gezeigt geklärt.