Assessor juris Roy Dörnhofer, Austin (Texas)
Der Autor war als Richter und Staatsanwalt tätig und verfasst seit seinem Ausscheiden aus der Justiz Ausbildungsliteratur für das gesamte Zivilrecht und Zivilprozessrecht.
A. Einleitung
In der juristischen Ausbildung nimmt das Stellvertretungsrecht einen wichtigen Platz ein. Jeder Student muss hier hinreichend tiefe Kenntnisse der Materie haben, da dieses Gebiet regelmäßig Gegenstand von Prüfungsaufgaben während der gesamten Studienzeit ist und auch im zweiten Staatsexamen beherrscht werden muss. Selbstverständlich ist auch in der Praxis fundiertes Wissen dazu erforderlich, sodass man sich schon zu Anfang der Ausbildung intensiv mit den Vorschriften der §§ 164 ff. BGB – und auch den ergänzenden Normen zur Vertretung im Handelsrecht – beschäftigen sollte. Für eine wirksame Stellvertretung werden üblicherweise vier Voraussetzungen gefordert: Zulässigkeit der Stellvertretung (in einer Prüfungsarbeit nur im Ausnahmefall zu problematisieren), eigene Willenserklärung des Vertreters (Abgrenzung zum Boten), Handeln in fremdem Namen (Offenkundigkeit), Vertretungsmacht (gesetzliche oder rechtsgeschäftliche).
Von diesen Voraussetzungen einer wirksamen Stellvertretung soll im Folgenden ein Teilbereich des Offenkundigkeitsprinzips, das als das tragendes Prinzip der Stellvertretung gilt, näher betrachtet werden, und zwar anhand einer ganz besonderen Konstellation, nämlich dem Geschäft für den, den es angeht.
B. Grundsatz der Offenkundigkeit
Wie bereits angesprochen, handelt es sich bei dem Offenkundigkeitsprinzip um ein wichtiges Merkmal im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit einer Stellvertretung. Nach der Vorschrift des § 164 I BGB ist es erforderlich, dass der Vertreter nicht im eigenen Namen, sondern im fremden Namen eine Willenserklärung abgibt, um die Fremdwirkung seines Handelns herzustellen. Dem Geschäftspartner soll durch das Handeln im Namen des Geschäftsherrn deutlich gemacht werden, dass die Folgen des Handelns gerade nicht den Vertreter treffen, sondern den dahinter stehenden Prinzipal. Die Offenlegung dient also seinem Schutz.
Genau dieses Prinzip der Offenkundigkeit wird zu einer Unterscheidung zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren Stellvertretung herangezogen.[1] Nur im zuerst genannten Fall liegt eine Stellvertretung gem. §§ 164 ff. BGB vor, da bei der mittelbaren Stellvertretung der „Vertreter“ nicht in fremdem Namen auftritt, sondern in seinem eigenen, während er im Innenverhältnis jedoch im Interesse und für Rechnung seines Auftraggebers tätig wird. Ein oft zitiertes Beispiel der mittelbaren Stellvertretung ist etwa das Kommissionsgeschäft nach §§ 383 ff. HGB, bei welchem der Vertrag durch den Kommissionär als Verkäufer/Käufer im eigenen Namen mit dem Dritten abgeschlossen wird, wobei dies allerdings auf Rechnung des Kommittenten erfolgt. Erst nach Beendigung des Ausführungsgeschäfts wird dann in der Abwicklungsphase vom Kommissionär die Kaufsache (bei der Einkaufskommission) an den Kommittenten übereignet oder der Anspruch auf Zahlung (bei der Verkaufskommission) an ihn abgetreten.
Neben dem in § 164 I 1 BGB genannten ausdrücklichen Auftreten im Namen eines anderen kann sich allerdings die Fremdbezogenheit des Geschäfts auch durch eine stillschweigende Vertretung ergeben, wodurch die Offenkundigkeit gewahrt wird. Sie kann also aus den allgemeinen Umständen folgen, § 164 I 2 BGB. Entscheidend ist damit, wie der Geschäftspartner das Handeln des Vertreters vom objektiven Empfängerhorizont aus verstehen durfte, wobei die Interessen beider Parteien zu berücksichtigen sind.[2] Aus den Umständen ergibt sich das Handeln in fremdem Namen z.B. dann, wenn Kaufverträge durch einen Verkäufer in den Geschäftsräumen des Inhabers des Unternehmens abgeschlossen werden, obgleich der Verkäufer gar nicht ausdrücklich in fremdem Namen auftritt.
Hier ist insbesondere auch das von der Rechtsprechung entwickelte unternehmensbezogene Geschäft zu beachten.[3] Solche Fälle sind dadurch charakterisiert, dass der Handelnde erkennbar für ein Unternehmen auftritt und dennoch der wahre Unternehmensträger berechtigt und verpflichtet wird, auch wenn der Vertreter den Eindruck erweckt, selbst dieser Unternehmensträger zu sein oder wenn er den Unternehmensinhaber falsch bezeichnet.[4] Diese richterliche Herangehensweise bei der Auslegung des Verhaltens enthält im Kern zwei Aussagen: Zum einen ergibt sich in diesen Konstellationen bereits eindeutig aus den Gesamtumständen nach § 164 I 2 BGB, dass der Handelnde für einen anderen – nämlich ein Unternehmen – auftritt, zum anderen ist dann im Zweifel davon auszugehen, dass dadurch der wahre Unternehmensträger verpflichtet wird. Diese Fallgestaltung sollte man nicht als Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip ansehen, sondern als eine von der Rechtsprechung begründete Auslegungsregel. Insofern ist jedoch zu beachten, dass die konkrete Auslegung vorgeht, also die Zweifelsregel auch wegen der Umstände des Einzelfalls entkräftet sein kann.
Die Nichtbeachtung des Offenkundigkeitsprinzips führt sodann nach der Norm des § 164 II BGB dazu, dass der „Vertreter“ selbst durch das abgeschlossene Geschäft verpflichtet wird. In einer recht komplizierten Sprache ist dies im Gesetz verankert:
„Tritt der Wille, im fremden Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.“
Wer somit nicht deutlich macht, dass er für einen anderen handelt, kann sich nicht darauf berufen, dass er ja gar nicht für sich selbst auftreten wollte. Er wird also selbst Vertragspartner und hat auch kein Anfechtungsrecht wegen der Fehlvorstellung über die Bedeutung seiner Erklärung nach § 119 I Var. 1 BGB, falls er sich über den Erklärungswert seines Auftretens geirrt haben sollte.[5]
C. Ausnahme vom Grundsatz
Das vorstehend Gesagte gilt als die Regel im Rahmen der Stellvertretung. Jeder Grundsatz hat aber auch Ausnahmen. Und eine solche Ausnahme haben die Gerichte außerhalb des geschriebenen Rechts kreiert und wenden sie in ständiger Rechtsprechung an, und zwar unter der Bezeichnung „Geschäft für den, den es angeht“. Teilweise wird dieses Richterrecht in der Literatur so umschrieben, dass man den festen Boden des Gesetzes verlasse und sich auf Glatteis wage.[6] Man kann in diesem Zusammenhang – neben mehreren anderen Bezeichnungen, die allerdings keine besondere Klarheit schaffen – zwischen dem offenen und dem verdeckten Geschäft für den, den es angeht, unterscheiden.[7] Bei Letzterem liegt eine Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip nach überwiegender Ansicht vor. Bei ersterem ist keine echte Ausnahme gegeben, sondern eine normale Stellvertretung,[8] denn es reicht nach herrschendem Verständnis für eine Stellvertretung aus, dass der Vertreter lediglich deutlich macht, für einen anderen zu handeln, ohne diesen dann konkret zu bezeichnen,[9] sodass der Geschäftspartner in diesem Fall aufgrund der Kenntnis der Fremdbezogenheit hinreichend geschützt ist. So wird denn zur Klarstellung entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut von § 164 I BGB auch verbreitet davon gesprochen, dass die Erklärung im fremden Namen abgegeben werden muss, nicht aber im Namen des Vertretenen. Freilich muss man sich an dieser Stelle in Erinnerung rufen, dass sich bereits aus einer weiter oben angesprochenen Auslegung der Erklärung des Vertreters nach den Vorschriften der §§ 133, 157 BGB, die auch für die Ermittlung des Geschäftsherrn gelten, ergeben kann, dass eine bestimmte andere Person als Geschäftsherr berechtigt und verpflichtet sein soll, sodass ein Rückgriff auf die folgenden Konstellationen gar nicht erforderlich ist.
I. Offenes Geschäft für den, den es angeht
Bei dieser Fallgestaltung benennt der Vertreter den Geschäftsherrn nicht ausdrücklich, es wird jedoch deutlich, dass nicht der Handelnde, sondern eine andere Person verpflichtet werden soll. Solche Fälle kommen in der Praxis durchaus vor, etwa wenn eine Person für eine GmbH auftritt, die noch nicht zur Entstehung gelangt ist. Es ist also zulässig, die Person des Vertretenen erst später zu benennen.[10] Die wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) beim Kauf etwa erfordern nicht notwendigerweise die Einigung über die Person des Vertragspartners, sondern lediglich eine Einigung über Ware und Preis.[11] Aufgrund der Privatautonomie kann eine Individualisierung des Vertragspartners deshalb erst später erfolgen. Auch hier kann man wieder zwei Situationen unterscheiden. Einmal bestand bereits eine von einem konkreten Prinzipal erteilte Vertretungsmacht und im anderen Fall ist noch nicht einmal ein solcher Geschäftsherr ermittelt. Einprägsam lässt sich dies derart formulieren, dass im einen Fall der Vertretene nicht benannt wird und im anderen Fall niemandem bekannt ist.
1. Erste Variante
In der ersten Konstellation nennt der Vertreter seinem Geschäftspartner den bereits bestimmten Geschäftsherrn vorerst noch nicht. Sofern der Geschäftspartner sein Einverständnis damit erklärt, kann dem Vertreter hier vorbehalten werden, die Person des Vertretenen erst nachträglich zu benennen, wobei allerdings der Vertrag sogleich mit dem Geschäftsherrn zustande kommt.[12] Hier liegt also bereits eine Vollmacht vor und der Vertretene steht objektiv fest, was für eine Stellvertretung ausreicht. Es ist natürlich auch denkbar, dass der Vertreter sich im Nachhinein weigert, den Vertretenen zu benennen, sodass der Geschäftspartner über dessen Identität im Dunkeln bleibt. Diese Situation wäre für ihn misslich, da er dann z.B. seinen Anspruch auf Zahlung aus dem geschlossenen Vertrag nicht gegen den Geschäftsherrn geltend machen könnte. Die Nichtbenennung nach einer entsprechenden Aufforderung kann allerdings eine eigene Haftung des Vertreters nach § 179 BGB analog nach sich ziehen.[13]
Beispiel: Ein Bekannter ersteigert auf einer Kunstauktion ein Bild im Namen seines Geschäftsherrn, der als Kunsthändler sehr bekannt ist, jedoch namentlich nicht genannt werden will, da bei der Auktion – wie bereits in der Vergangenheit – andere teilnehmende Kunsthändler den Preis durch ihre Gebote nach oben treiben könnten. Sofern der Vertragspartner mit seinem Einverständnis auf die Kenntnis der Person des Geschäftsherrn verzichtet, kommt der Vertrag mit diesem zustande.
2. Zweite Variante
Eine weitere Möglichkeit stellt die Situation dar, dass der Vertreter ausdrücklich zu erkennen gibt, nicht im eigenen Namen auftreten zu wollen, sondern im Namen eines selbst ihm noch unbekannten Geschäftsherrn. So könnte er etwa erklären, dass er in der Zukunft noch einen Prinzipal ermitteln werde, der das Geschäft durch eine nachfolgende Bevollmächtigung an sich ziehen werde. Dieses Vorgehen ist nach der allgemeinen Ansicht in der Rechtsprechung und Literatur durchaus zulässig.[14] Natürlich könnten die Parteien den Vertrag auch erst später abschließen, wenn der Geschäftsherr bekannt ist, das geht aber im Wirtschaftsleben oft an der Wirklichkeit vorbei, zumal Vertragsschlüsse von vielen wirtschaftlichen Bedingungen abhängen, die sich durch einen Zeitablauf leicht ändern können. Auch ein Vertragsangebot des Geschäftspartners, das erst später bei Benennung des Prinzipals angenommen werden kann, entspricht häufig nicht dem Interesse des Vertragspartners.
Beispiel (BGH NJW 1989, 164 ff.): In dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs wurden von einem Vertreter bereits Darlehensverträge für eine Bauherrengemeinschaft abgeschlossen, die noch nicht einmal errichtet war und somit die einzelnen Bauherren auch noch nicht bekannt waren. Die Erwerber der Eigentumswohnungen wurden sodann mit ihrem Eintritt in die Bauherrengemeinschaft automatisch Vertragspartner.
Im Rahmen des Vertragsschlusses muss der Vertreter bei dieser Variante des offenen Geschäfts für den, den es angeht, nur eine vertragliche Verpflichtung zur späteren Bestimmung des Vertragspartners eingehen. Dabei muss vereinbart sein, wann, durch wen und anhand welcher konkreten Umstände die nachfolgende Auswahl des Geschäftsherrn erfolgen soll. Erforderlich sind somit objektive Kriterien zur Bestimmung des Geschäftsherrn. Hier kommt der Vertrag im Gegensatz zur vorherigen Gestaltung erst dann zustande, wenn der Vertretene bestimmt ist. Dabei ist zu beachten, dass es nicht um eine rückwirkende Genehmigung nach §§ 177, 184 I BGB (analog) geht, denn es findet lediglich eine nachträgliche Bevollmächtigung statt, sodass der Vertrag erst mit der Benennung des Geschäftsherrn wirksam wird (ex nunc).[15] Sofern der Vertreter nicht in der Lage ist, später einen Geschäftsherrn zu finden, haftet er wiederum gem. § 179 BGB analog.[16]
II. Verdecktes Geschäft für den, den es angeht
Eine echte Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip liegt zur Erleichterung des Rechtsverkehrs dagegen bei dem verdeckten Geschäft für den, den es angeht, vor. Hier ist für den Geschäftspartner nicht ersichtlich, dass ein anderer als der Handelnde verpflichtet werden soll. Die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gelten hauptsächlich im Rahmen der dinglichen Einigung.[17] Überwiegend wird eine Anwendung aber auch auf das schuldrechtliche Geschäft erstreckt.[18] Die Definition des Bundesgerichtshofs für diese Konstruktion lautet:
„Ein solches Geschäft ist dadurch gekennzeichnet, dass der handelnde Bevollmächtigte nicht zu erkennen gibt, ob er für sich oder einen anderen handelt, aber für einen anderen aufgrund einer erteilten Vollmacht handeln will und es dem Geschäftsgegner gleichgültig ist, mit wem das Geschäft zustande kommt“.[19]
Für die Zulässigkeit der Stellvertretung sind demgemäß zwei Voraussetzungen erforderlich. Zum einen muss der Vertreter für einen anderen handeln wollen, und zum anderen muss es dem Geschäftspartner gleichgültig sein, mit wem er kontrahiert. Der Wille, für einen anderen auftreten zu wollen, muss dann für einen eingeweihten Dritten objektiv erkennbar gewesen sein, sodass es nicht auf die Sicht des Vertragspartners ankommt.[20]
So wird bei Bargeschäften des täglichen Lebens angenommen, dass es dem Partner egal sei, mit wem der Vertrag zustande komme, weshalb eine teleologische Reduktion des Offenkundigkeitsgrundsatzes möglich sei.[21] Denn in diesem Fall kommt das ansonsten gegebene Insolvenzrisiko bei Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Hintermann nicht zum Tragen. Das Merkmal Bargeschäft bedeutet hier, dass Leistung und Gegenleistung sofort ausgetauscht werden, was nicht der Fall ist bei einem Kredit oder einer Ratenzahlung. Das Kriterium des Geschäfts des täglichen Lebens hängt sodann von der wirtschaftlichen Bedeutung des Vertrags ab, was z.B. bei einem Autokauf abzulehnen ist.[22] Demgegenüber soll bei einer Veräußerung unter Eigentumsvorbehalt der Veräußerer ebenso hinreichend geschützt sein, weshalb nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch hier ausnahmsweise ohne eine sofortige Barzahlung ein Geschäft für den, den es angeht, angenommen werden kann.[23]
An der Gleichgültigkeit hinsichtlich der Person des Vertragspartners kann es jedoch im Einzelfall fehlen, wenn es etwa um den Verkauf von Alkohol geht, der möglicherweise an ein Kind abgegeben werden könnte, oder in Situationen, in denen der Kaufpreis nicht sogleich vollständig beglichen wird, da der Geschäftspartner regelmäßig seinen Schuldner und dessen finanzielle Leistungsfähigkeit kennen will. So führt insbesondere der Bundesgerichtshof aus, dass bei allen Geschäften, die keine Bargeschäfte des täglichen Lebens sind, vor allem also bei kreditierten, d.h. im Voraus, nicht Zug-um-Zug zu erbringenden Leistungen nach der Grundregel des § 164 II BGB derjenige, der nicht erkennbar in fremdem Namen auftritt, Vertragspartei wird.[24]
Man könnte hier eine Erweiterung der Anwendungsfälle diskutieren und über die höchstrichterliche Rechtsprechung hinausgehen, wodurch das Geschäft auch auf andere Situationen ausgedehnt werden könnte,[25] in welchen z.B. gar kein sofortiger Leistungsaustausch stattfindet, wie etwa wenn der Kaufpreis (außerhalb der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts) nicht sofort (voll) bezahlt wird oder bei Kreditgeschäften oder wenn finanziell bedeutsame Geschäfte vorliegen. Allerdings empfiehlt es sich, den kritischen Teilen der Literatur Gehör zu schenken, nach denen diese bedenkliche Gleichstellung der mittelbaren mit der unmittelbaren Stellvertretung möglichst vermieden werden soll, denn es lässt sich argumentieren, dass ein Verstoß gegen § 164 I BGB – und damit ein Verstoß gegen die gesetzgeberische Entscheidung für das Offenkundigkeitsprinzip – gegeben ist, der nicht durch die Gleichgültigkeit des Vertragspartners geheilt werden kann.[26] Insofern ist jedenfalls mit moderaten Stimmen im Schrifttum äußerste Zurückhaltung bei der Anwendung dieser Rechtsfigur geboten,[27] weshalb man allenfalls die Bargeschäfte des täglichen Lebens mit einer sofortigen vollständigen Abwicklung oder die Fälle des Eigentumsvorbehalts als Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip anerkennen sollte.
Im Rahmen des dinglichen Erfüllungsgeschäfts im Mobiliarsachenrecht zeigt sich in der gutachterlichen Behandlung sodann die besondere Bedeutung dieses Richterrechts, nämlich bei der Frage, ob der Geschäftsherr bei dem verdeckten Geschäft für den, den es angeht, auch direkt das Eigentum an der Sache erwirbt oder ob der Vertreter zunächst Eigentümer wird. Wie oben gesehen, kann eine wirksame Stellvertretung bei einem verdeckten Geschäft für den, des es angeht, vorliegen, die dann auch bei der dinglichen Einigung gilt. Bei der für eine Übertragung des Eigentums notwendigen Übergabe der beweglichen Sache (mit der Ausnahme des § 854 II BGB) handelt es sich jedoch um einen Realakt, weshalb hier keine Stellvertretung möglich ist.[28] Der Vertreter kann also entweder gem. § 868 BGB als Besitzmittler seines Hintermanns auftreten, wobei das Besitzmittlungsverhältnis mit dem Geschäftsherrn vorweggenommen (antizipiert) oder im Wege eines Insichgeschäfts nach § 181 BGB begründet werden kann. Möglich ist aber auch, dass der Vertreter als Besitzdiener des Hintermannes fungiert, § 855 BGB. Maßgeblich ist in diesem Rahmen der innere Wille des Vertreters als Besitzerwerber. Sofern er nicht für einen anderen, sondern für sich selbst Eigentum erwerben will, kommt ein Eigentumserwerb des Hintermanns nicht in Betracht.[29] Sollte der Vertreter Besitzdiener oder Besitzmittler sein, läge ein originärer Eigentumserwerb des Hintermannes vor.[30] Dann kommt es nicht zu einem für eine juristische Sekunde bestehenden Zwischenerwerb des Vertreters. Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil die Sache z.B. von einem Vermieterpfandrecht nach § 562 BGB erfasst werden könnte,[31] wenn ein Durchgangserwerb des Vertreters gegeben wäre. Gerade dieser Gesichtspunkt wird zur Rechtfertigung des verdeckten Geschäfts für den, den es angeht, herangezogen, denn es soll dem Auftraggeber ermöglicht werden, direkt vom Veräußerer Eigentum zu erwerben, zumal der Auftraggeber wirtschaftlich bereits ein Opfer zum Erwerb der Sache erbracht hat und ihm die Möglichkeit verschafft werden soll, den Vollstreckungszugriff von Gläubigern seines Mittelsmanns abzuwehren.[32]
Beispiel: Der Student S beauftragt seinen Kommilitonen K, im Kaufhaus V für ihn einen Winterschal nach seiner eigenen Auswahl zu erwerben, wobei er ihm sogleich das Geld dafür übergibt. Bei diesem Geschäft handelt es sich um ein Massengeschäft, das somit als Geschäft des täglichen Lebens angesehen werden kann. Wenn der S auch sofort bezahlt, ist es dem V gleichgültig, wer sein Vertragspartner bei dem Verkauf und der Übereignung des Schals wird, denn für die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten etwa wäre lediglich die Vorlage des Kassenbelegs erforderlich. Somit werden der Kaufvertrag und die dingliche Einigung zwischen dem V und dem S geschlossen, obgleich der K nicht deutlich gemacht hat, dass er für einen anderen auftrat. Hinsichtlich der Übergabe kommt es dann auf den Willen des K an. Wenn er als Besitzmittler des S handeln will, erfolgt ein Direkterwerb des Eigentums seitens des S.
Anders ist die Lage im Immobliarsachenrecht. Beim dinglichen Erwerb von Rechten an Grundstücken ist eine Anwendung der Grundsätze des Geschäfts für den, den es angeht, nicht möglich.[33] Hier würde wegen der Vorschrift des § 873 BGB über die Einigung und Eintragung, welche einander entsprechen müssen,[34] eine eigene Eintragung des Vertreters im Grundbuch erfolgen, sodass ein Eigentumserwerb des Geschäftsherrn hinter dem Vertreter in sachenrechtlicher Hinsicht nicht zulässig wäre.
Fußnoten
[1] Larenz/Wolf Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Auflage 2004, § 46 Rn. 19.
[2] Petersen Examinatorium Allgemeiner Teil des BGB und Handelsrecht, 2013, § 35 Rn. 2; Köhler BGB AT, 40. Auflage 2016, § 11 Rn. 19.
[3] Flume Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band: Das Rechtsgeschäft, 4. Auflage 1992, § 44 I; Medicus Allgemeiner Teil des BGB, 10. Auflage 2010, Rn. 915.
[4] BGH NJW 2000, 2984; BGH NJW 1990, 2678.
[5] Boemke/Ulrici BGB Allgemeiner Teil, 2. Auflage 2014, § 13 Rn. 9.
[6] Schellhammer Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen samt BGB Allgemeiner Teil, 9. Auflage 2014, Rn. 2179.
[7] Boemke/Ulrici (Fn. 5) § 13 Rn. 10.
[8] Flume (Fn. 3) § 44 II 1 a.
[9] BGH NJW-RR 1988, 475 (476); Medicus (Fn. 3) Rn. 916.
[10] BGH NJW 1989, 164 (166); Jaensch Grundzüge des Bürgerlichen Rechts, 3. Auflage 2012, Rn. 199.
[11] Palandt/Ellenberger BGB, 75. Auflage 2016, Einf. v. § 145 Rn. 3.
[12] Rolf Schmidt BGB Allgemeiner Teil, 15. Auflage 2016, Rn. 672.
[13] BGHZ 129, 136 (149 f.); Medicus (Fn. 3) Rn. 916; Rüthers/Stadler Allgemeiner Teil des BGB, 18. Auflage 2014, § 30 Rn. 8.
[14] BGH NJW 1998, 62 (63); BGH NJW 1989, 164 (166); Medicus (Fn. 3) Rn. 916.
[15] Rolf Schmidt (Fn. 12) Rn. 673; Palandt/Ellenberger (Fn. 11) § 164 Rn. 9; K. Schmidt JuS 1987, 425 (431); BGH NJW 1998, 62 (63); a.A. Moser Die Offenkundigkeit der Stellvertretung, 2010, A III 2 b dd, S. 103 f.
[16] BGHZ 129, 136 (149); Palandt/Ellenberger (Fn. 11) § 177 Rn. 2; Medicus (Fn. 3) Rn. 916; Flume (Fn. 3) § 44 II 1 a; Cohn Das rechtsgeschäftliche Handeln für denjenigen, den es angeht, 1931, S. 13, 34 ff.
[17] BGH NJW 1991, 2958 (2959).
[18] RGZ 99, 208 ff.; BGH NJW-RR 2003, 921 (922); OLG Celle NJW 1955, 671 ff.
[19] BGH MDR 2016, 11, Rn. 10.
[20] Larenz/Wolf (Fn. 1) § 46 Rn. 86.
[21] BGHZ 154, 267; BGHZ 114, 74 (79); BGH NJW-RR 2003, 921 ff.; OLG Celle ZGS 2007, 79; MüKoBGB/Schramm, Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 164 Rn. 48 ff.; Palandt/Ellenberger (Fn. 11) § 164 Rn. 8; Rüthers/Stadler (Fn. 13) § 30 Rn. 7; Petersen Jura 2010, 187 (188).
[22] BGH NJW-RR 2003, 921 ff.; OLG Celle ZGS 2007, 79.
[23] BGHZ 114, 74 (80).
[24] BGH NJW 1991, 2958 (2959).
[25] Soergel-BGB/Leptien, Band 2, 13. Auflage 1999, vor § 164, Rn. 31 f.; RGRK/Steffen, Band I, 12. Auflage 1982, § 164 Rn. 7.
[26] Schellhammer (Fn. 6) Rn. 2179; Canaris FS. Flume, 1978, 371 (424 f.); Flume (Fn. 3) § 44 II 2.
[27] Jauernig/Jauernig, BGB, 16. Auflage 2015, § 164 Rn. 5.
[28] BGH Beschl. v. 16.09.2015 – V ZR 8/15 Rn. 21.
[29] BGH MDR 2016, 11 Rn. 10.
[30] BGHZ 154, 276 (279).
[31] Petersen (Fn. 2) § 35 Rn. 7.
[32] Medicus (Fn. 3) Rn. 921; Westermann/Gursky/Eickmann Sachenrecht, 8. Auflage 2011, § 42 Rn. 10; gegen eine solche Rechtfertigung allerdings Flume (Fn. 3) § 44 II 2 c.
[33] Jauernig/Jauernig (Fn. 27) § 164 Rn. 5.
[34] Jauernig/Chr. Berger (Fn. 27) § 873 Rn. 9.
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