Der BGH hat in einem Beschluss vom 15. November 2010 (4 StR 413/10) seine bisherige Rechtsprechung bekräftigt, dass das Entfernen nicht vom Unfallort selbst, sondern von einem anderen Ort, an welchem der Täter erstmalig vom Unfall erfahren hat, nicht den Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt:
Das Entfernen nicht vom Unfallort selbst, sondern von einem anderen Ort, an welchem der Täter erstmals vom Unfall erfahren hat, erfüllt nicht den Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB (BGH, Beschluss vom 30. August 1978 – 4 StR 682/77, BGHSt 28, 129, 131).
Auch eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB scheidet aus, da das unvorsätzliche Verlassen des Unfallorts nicht vom Wortlaut der Norm erfasst wird (BVerfG, NZV 2007, 368 siehe unten).
Entgegen einer in Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf, NZV 2008, 107) und Literatur (vgl. Blum, NZV 2008, 495; Laschewski, NZV 2007, 444, 448) vertretenen Ansicht sieht der Senat keine Veranlassung, die gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung zum Begriff des Unfallorts (vgl. OLG Stuttgart, NZV 1992, 327; OLG Karlsruhe, NStZ 1988, 409; OLG Köln, NZV 1989, 197, 198) zu modifizieren, um auf diese Weise Fälle strafrechtlich zu erfassen, in denen der Täter nachträglich auf den Unfall hingewiesen wird und sich dennoch weiter entfernt (vgl. OLG Hamburg, NZV 2009, 301; SSWStGB/ Ernemann § 142 Rn. 43; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 142 Rn. 52).
Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Beschluss vom 19. März 2007 festgestellt, dass die Erstreckung der Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB auf Fälle, in denen sich der Unfallbeteiligte in Unkenntnis des Unfalls vom Unfallort entfernt („unvorsätzliches Entfernen“), gegen das strafrechtliche Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) verstößt.
Das strafrechtliche Analogieverbot schließt jede Rechtsanwendung aus, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht. Da Gegenstand der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen immer nur der Gesetzestext sein kann, markiert der mögliche Wortsinn des Gesetzes die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation. Der Auslegung des § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB, die auch das unvorsätzliche – und nicht nur das berechtigte oder entschuldigte – Sich-Entfernt-Haben vom Unfallort unter diese Norm subsumiert, steht die Grenze des möglichen Wortsinns der Begriffe „berechtigt oder entschuldigt“ entgegen. Diese beiden gesetzlichen Begriffe kennzeichnen einen Sachverhalt, der an den in § 142 Abs. 1 StGB beschriebenen anschließt: Wer sich als Unfallbeteiligter an einem Unfallort befindet und also die erforderlichen Feststellungen ermöglichen muss, darf sich unter bestimmten, durch die Begriffe „berechtigt oder entschuldigt“ näher gekennzeichneten Voraussetzungen entfernen; er muss dann aber die Feststellungen nachträglich ermöglichen. Über diesen Sinngehalt geht das unvorsätzliche Sich-Entfernt-Haben hinaus. Wer sich „berechtigt oder entschuldigt“ vom Unfallort entfernt, handelt unter ganz anderen Voraussetzungen als derjenige, der das mangels Kenntnis des Unfallgeschehens tut.
Dieses Ergebnis wird durch historische Auslegungsgesichtspunkte gestützt. Dem Gesetzgeber kam es darauf an, „auch nachträgliche Feststellungen zu ermöglichen, wenn sich ein Beteiligter ausnahmsweise vom Unfallort entfernen durfte“. Der Gesetzgeber begründete dies damit, dass von dem Unfallbeteiligten „ein gewisses Maß an Mitwirkung gefordert werden“ könne, wenn ihm die Rechtsordnung das Sich-Entfernen ermögliche. Eine ausdrückliche und ausnahmsweise Erlaubnis, sich zu entfernen, verträgt sich nicht mit einer Auslegung des § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB, die jegliches straflose Sich-Entfernt-Haben unter die Norm fasst.